Herzog Otto der Erlauchte und die schöne Welfentochter
Des Welfischen Pfalzgrafen Heinrich Abendruhe.
Auf hohem lustigem Söller – sein Thron im Neckarthal, –
Da saß der Welfen Pfalzgraf, Herr Heinrich,[1] froh beim Mahl
Und hob den goldnen Becher und sah hinab mit Lust,
Wie sich der Pfalz mit Inbrunst der Rhein schmiegt an die Brust.[2]
Das Alles ist sein eigen, was rings sein Auge fand!
Doch plötzlich denkt er trüber des Welfenruhms zurück,
Er denkt des alten Löwen und bange für’s alte Glück.
Jetzt schaut er auf die Tochter, die ihm zur Seite steht,
Das blaue Kleid umringet des Gürtels goldner Glanz,
Ihr blondes Haar durchschlinget ein blauer Cyanenkranz.
Ihr Auge so klar und freundlich, so mild und ernst zugleich,
So anspruchslos bescheiden – und doch wie überreich!
Aus feingetriebner Kanne zum silbernen Schoppen ein.
Und mit Behagen blickt sie der Vater lächelnd an:
„Hätt’ ich auch keine Grafschaft, – ich wär ein reicher Mann!
’s ist doch die Lieb’ auf Erden ein unschätzbares Wort; –
„Wie lächelt uns rings im Frieden das Land so lieblich an,
Wie zieht der Strom danieden so klar die blaue Bahn,
Wo goldne Aehren wogen und mit den Häuptern nicken,
Als dankten sie der Sonne für Vollkraft und Erquicken!“
Auf friedliches Gelände herab von ihren Höh’n,
Die Sterne funkeln reiner und frömmer im Azur,
Als wenn sie Haß bescheinen auf blutgedüngter Flur!“
„Wie hell zu meinen Füßen, im goldnen Abendschein,
’s ist großer Feierabend! – Das Leben geht zur Rast,
Der Schlaf sucht still die Herberg, ein süß gebetner Gast!“
„Ihr Burgen und ihr Städte! Ihr Felder und ihr Au’n,
So weit euch kann der Herrscher mit Vaterblick erschau’n,
Dann will ich gern erblassen! – Das ist mein Abendsegen! –“
Kaum hat’s der Fürst gesprochen , wird’s unten laut im Schloß,
Es schallt wie Hufgeklapper von manchem tüchtigen Roß. –
„Wer kommt so spat?“ – ruft Heinrich. – „Sieh zu mein Töchterlein,
Die Tochter eilt geschäftig hinab die Wendelstieg’;
Da hört sie plötzlich rufen von hundert Stimmen: „Krieg!“ –
Ein Herold hält zu Rosse, mit Reichsfarb’ angethan,
Stolz, königlich zu schauen, der schönste teutsche Mann!
Sein Blick, siegreich erobernd, bezwingt mit Allgewalt;
Hochfürstlich, wie ein Gebieter, steht er im Schlosse da
Und spricht, wie er am Söller den Welfengrafen sah:
„Aus ist’s mit Eurem Herrschen, Pfalzgraf, in diesem Land!
„Wie? sendet dies der Kaiser? Ihr seyd bei frohem Muth! –
Der Kaiser ist mein Bruder, und meint es stets mir gut!“[3]
„Ihr sprecht, so wie’s gewesen;“ – versetzt der Herold drauf, –
„Herr Otto liegt im Banne; – mich schickt ein Hohenstauf!
Die Pfalz ist Ludwig von Wittelsbach verlieh’n auf
immerfort! –“
„Mein ist die Pfalz nach Rechten!“ – grollt nun der alte Graf –
„Laßt uns im Krieg drum würfeln,[4] und sehn, wer minder traf;
Zwar lieb’ ich Frieden wahrhaft, doch führ’ ich auch das Schwert;
„So rüstet!“ – donnert der Herold – „Wir zwingen das
Geschick!
Kampf sey’s auf Tod und Leben! –“ Da trifft ihn der Jungfrau Blick,
Da sinkt, im Zorne gehoben, der Arm ihm wie gebannt –
Fort trägt ihn der schäumende Rappe. – Sie sinnt ganz unverwandt.
Der Besuch.
Ein dumpfes Waffenklirren herauf zum Schlosse schallt;
Bang sorgend um den Vater, dort in des Treffens Reih’n,
Sitzt Agnes, die schöne Welfin, im Garten bleich allein.
Sie stützt das Haupt aufs Händchen; das Herz ist ihr so schwer,
Sein Aug’, sein Gang, seine Rede, sein edler Fürstenglanz,
Das nahm die armen Sinne der Maid gefangen ganz.
Und wie sie sieht und denket, steht’s plötzlich jetzt vor ihr,
So sonnenhell und leuchtend! – kein Sinn betrügt sie hier –
An Schönheit, Kraft, Blick, Haltung – an aller Hoheit reich.
Sie hält die Hand vor’s Auge und blickt ihn bangend an,
Das Herz, es will nicht schweigen, wenn’s auch die Lippe kann;
Sie sieht, kann’s doch nicht glauben, und sieht’s doch wieder klar:
Der Ritter aber neiget sich ihr mit Bescheidenheit:
„Ob Ihr, o süße Herrin! dem Kühnen wohl verzeiht? –
Als ich zuerst Euch schaute, da sprach es laut in mir:
Die Eine vor allen Andern ist teutscher Frauen Zier!“
Euch zu verdienen schwor ich den Eid der Ritterschaft.
Was gilt Gefahr und Streben, darf ich dich wiederschauen,
Um deine Huld zu werben, Du Schönste aller Frauen!“
Die Jungfrau, stumm erröthend, den Blick zur Erde kehrt. –
Jungfräulich holde Rose, wie deine Wangen glühn!
Als Königin der Blumen erheb’ dein Antlitz kühn!“
Die Jungfrau lächelt milde, sie reicht ihm still die Hand,
Als ihrer Gegenliebe geweihtes Unterpfand. –
Ich, jener Waffenherold, bin Sohn des Wittelsbach!“ –
„Ein Wittelsbacher bist du? – Weh mir, ein schlimmes Wort!
So sind wir streng geschieden, so mußt du schleunig fort!
Gott, wenn sie hier dich finden, sie schonen deiner nicht,
„O weine nicht, Geliebte! Und ob mir auch zum Krieg
Die Welt entgegenzöge – Dein Lieben gibt mit Sieg!
Noch immer Thränen, Agnes? O welch ein kostbar Gut!
Wer möchte nicht vergießen um sie das Herzensblut?
Horch! die Drommete schmettert! Auf, in der Feinde Schwarm!
Dein Nam’ ist meine Losung! Er feiet meinen Stahl;
Leb’ wohl du süße Herrin! – Leb’ wohl viel tausendmal!“
Der Abschied.
Am Brunnen dort im Schloßhof, voll kühler Labefluth,
Zu manchem Fenster schaut er mit Sehnsuchtsblick empor,
Nach mancher Pforte lauscht er mit aufmerksamem Ohr.
Da wandelt bleich, beklommen, vom stolzen Grafenhaus,
Die schöne Welfentochter zur Gotteslust heraus,
Und singt ein altes Liedchen, drein stimmen die Wellen hell.
Aus ihrem Busen ringt sich dann mancher Seufzer schwer,
Ihr Auge schweift, wie suchend, mit feuchtem Blick umher,
Aus ihren Locken nimmt sie das Kränzlein frisch gepflückt,
Dann senkt sie still das Köpfchen und legt die Händ’ in Schoos,
Das Herz ist ihr beklommen, das Leid ist ihr zu groß,
Sie denkt der Schlacht und Otto’s – von Schmerzen überschwillt
Ihr liebend Herz, ihr Auge von Thränen überquillt.
Und wie nach ihm sie wendet das Angesicht voll Harm,
Bebt sie zurück erschrocken – doch gleich, mit banger Luft
Erkennt sie den Geliebten und sinkt ihm an die Brust:
„So müssen wir uns also, mein Otto, wiedersehn,
„Nur einen Kuß begehr’ ich – rasch muß ich wieder fort,
Verrath und Mord umzingelt mich hier an jedem Ort!
Wohl ist die Schlacht geschlagen, doch unser Sieg dahin,
Das sind der Bayern Schaaren, die dort im Thale fliehn,
Wird von dem Deinen, Agnes, in strenger Hut bewacht. –“
„Und mußt du eilig flüchten, so denk’ an mich manchmal,
Gedenk’ an meine Liebe und namenlose Qual –
Denk’, daß ich Dir nur lebe – kann’s ja nicht ohne Dich!
„O Agnes, süße Herrin! Laß noch der Hoffnung Raum,
Auch dieses Leid wird schwinden, gleich einem bangen Traum!
Wir scheiden nicht auf ewig, ein Wiedersehn giebts noch,
Das Leben ist nicht das Höchste, die Lieb’ ist drüber hoch!
Daß ich Dich will noch einmal und herrlich wiedersehn;
Was noch im Bayernlande von kühnen Männern lebt,
Die biet’ ich auf zum Kampfe – was noch die Klinge hebt!
Und beim dreieinigen Gotte und meiner Ritterschaft!
Und an demselben Tage, der seine Freiheit schaut,
Führ’ ich Dich heim nach Bayern als herzogliche Braut!“ –
Doch kaum hat er’s geschworen, faßt ihn der Pfalzgraf an,
Der leis herbeigeschlichen: „Halt ein, du stolzer Hahn!
Folg’ mir, Du kecker Freier! – Du bist in meiner Macht!“
Der Gefangene.
In hoher, enger Kammer, von Welfen streng bewacht,
Steht Ludwig, Bayerns Herzog, gefangen in der Schlacht,
Er sieht durchs Gitterfenster hinaus ins freie Land,
„Wie frei die Lüfte sich regen, dort außen vor meiner Haft,
Wie frei die Aeste schwanken in reifend rüstiger Kraft!
Das Vögelein schlägt an’s Fenster, als neck’ es mich ob dem Bann,
Drinn ich hier muß verkümmern als ein geschlagener Mann!
Du aller Wesen Sonne, Du aller Kräfte Heil!
Den Schwachen schaffst du zum Riesen, den Sterbenden gesund,
Und ich darf dein nicht genießen auf eignem Land und Grund!“
Inmitten seiner Klagen tritt stolz der Pfalzgraf ein
Du wolltest Alles mit rauben, was Gott mir zugetheilt;
O Ludwig, Bayernherzog, das war doch übereilt!
Der Fürsten Loos auf Erden, es liegt in Gottes Hand,
Drum wollt’ ich nicht verzagen, drum stritt ich um mein Land;
Mein Liebstes mir zu verlocken durch deinen Sohn: – mein Kind!
Ich hab’ auf Erden wahrlich kein köstlicheres Gut,
Als meine Tochter Agnes, die Letzte vom Welfenblut,
Sie, die mir mehr als Alles, als Ruhm und Leben gilt,
Und als ich dies vernommen und als ich dies erkannt,
Gelobt’ ich zu vereiteln, wornach er heiß entbrannt;
Er schwor, dich zu befreien und mir mein Kind zu nehmen,
Da müßt’ ich alter Weißbart mich ja zu Tode grämen!
Er wollte Agnes rauben; nun denn, ich geb’ ihm sie!
Er schwor, Dich zu befreien – ich selber geb’ Dich frei!
Und willst Du Freund mir werden – schlag ein, ich bin dabei!
Denn sieh! im Treffen mitten, da sann ich dies bei mir:
Die einz’ge Tochter Agnes! Warum fließt teutsches Blut?
Eint sich die Pfalz mit Bayern, – dann hat sie’s, denk’ ich, gut! –“
Da sinkt der Wittelsbacher dem Welfen in den Arm;
Er drückt ihn an den Busen recht männertreu und warm,
„Macht Hochzeit“ – ruft der Pfalzgraf – „zu Straubing soll sie seyn!“[5]
Und als sie Hochzeit hielten bei Saitenspiel und Tanz,
Bei goldnen Weines Perlen in goldner Kannen Glanz,
Der Herzog hob den Becher: „Hoch Pfalz und Bayerland,
- ↑ [491] Dieser Welfische Pfalzgraf vom Rhein war der erstgeborene Sohn des ehemals sogewaltigen Welfen, Heinrichs des Löwen, Bruder des im Jahr 1197, neben Philipp von Schwaben erwählten teutschen Königs Otto IV.
- ↑ [491] Zu diesen Pfalzlanden beim Rhein gehörten ein großer Theil des fruchtbaren Kraichgau’s, Heidelberg mit ihren beiden Vesten, die Residenz des Pfalzgrafen, ein Landstrich der alten Grafschaft Zweibrücken, dazu die Herrschaft Bacharach am Rheine, mit der Burg Stahleck und vielen Wein- und Getraidebauenden Dorfschaften. – Kein Pfalzgraf stand in andern Ländern so hoch, mächtig und hochangesehen, als der Pfalzgraf bei Rhein; denn er war daselbst eigenherrlicher Gebieter, von keinen Landständen beschränkt; er vertrat den König, wenn der Thron des Reiches ledig, und verwahrte dessen Kleinodien für den künftigen Herrscher, den er selbst krönen half. etc.
(Siehe Zschokke’s Bayrische Geschichte II. Band, II. Buch, V. Abschnitt.)
- ↑ [491] Kaiser war damals Otto VI., des Pfalzgrafen bei Rhein Bruder, Heinrich des Löwen zweiter Sohn. – Was hier zum leichteren Ueberblick und durch dichterische Form bedingt auf Einen Moment zusammengedrängt erscheint, ergab sich, der Geschichte nach, im Verlauf mehrerer Jahre. Im November des Jahres 1211 nämlich, hatte bereits Papst Innocenz IV. König Otto IV., nachdem er ihn vor zwei Jahren zum Kaiser gekrönt, in den Bann gethan. Erst im Jahr 1212 am 6. Dezember ward Friedrich II. von Hohenstaufen, auf den schon früher das Auge der Wähler gefallen war, zu Mainz gesalbt. 1214 geschah die Schlacht bei Bowines in Flandern, die Otto’s letzte Hoffnung stürzte; 1215 wurde König Friedrich zu Aachen durch den Mainzer Erzbischof Siegfried zum Kaiser gekrönt, der Welfische Pfalzgraf Heinrich in die Acht erklärt, und dessen herrliche Rheinpfalz dem Herzog Ludwig von Bayern, dem Sohne Otto’s I. gegeben.
- ↑ [491] Der Krieg deßhalben, zwischen dem Bayernherzog und dem Pfalzgrafen, begann bald darauf, und währte länger, als in obigen Romanzen angedeutet ist. Herzog Ludwig verlor im Jahr 1215 die Freiheit und mußte gefangen von Schloß auf Schloß in der Rheinpfalz wandern, bis die Ehe zwischen seinem Sohne und des Pfalzgrafen Tochter, Agnes, die beiden Gegner versöhnte.
- ↑ [491] Zu Straubing ward das Beilager mit ungemeiner Pracht vollzogen. Das dritte Wandgemälde in den Arkaden des Münchner Hofgartens stellt die Verlobung des liebenden Paares und die Versöhnung der feindlichen Geschlechter dar.
(Obige drei letzte Notizen sind aus Dullers „Wittelsbacher“ gezogen.)