Historisch-Politisch-Geographischer Atlas der gantzen Welt:Rußland, Rusland, das Rußische Reich
[1290] Rußland, Rusland, das Rußische Reich, Lat. Russia, Imperium Russicum, Frantz. Russie, oder Empire Russien, welches sonst auch Groß-Reussen, Lat. Russia Magna, oder Schwartz-Reussen, Lat. Russia Nigra, genennet wird, ist das gröste Reich in Europa, und führete sonst auch den Nahmen Moscau von der ehemahligen Haupt- und Residentz-Stadt der Czaare. Den Nahmen Rußland hat es von seinen alten Einwohnern, den Russis oder Rhossis, die sich schon in dem IX. Jahrhunderte hervor gethan. In der Esthischen Sprache wird Rußland Wennamah genannt, welches Wort ein Land guter Freunde und Brüder bedeuten soll, indem die benachbarten Völcker sich um die Freundschafft der Russen bewarben. In den folgenden Zeiten wurden die Russen von dem Balthischen Meere weiter entfernet, und ihren Nachbarn etwas unbekannter. Jedoch gedencken die Dänischen und Norwegischen ältesten Chronicken, daß ein Rußischer König, Alexander, noch um das Jahr 1251, um die Tochter Haquini, Königs in Norwegen, angehalten habe. Zu dieser Zeit wurden die Russen von häuffigen Anfällen der Tartarn nicht wenig geplagt, und hat diese Nation viele Abwechselungen des Glücks gehabt, davon unten mehr zu gedencken Gelegenheit seyn wird. Was den gegenwärtigen Zustand von Rußland anbetrifft: so sind die Gräntzen dieses mächtigen Reichs gegen Abend Litthauen, Pohlen und Schweden; gegen Mittag die Europäische Tartarey, und das schwartze Meer biß an das Caspische; gegen Morgen die grosse Tartarey; gegen Mittag das Eis-Meer, allwo Rußland und Nova Zembla durch eine Meer-Enge unterschieden wird, welche insgemein Waigatz genennet wird. Die Länge von Rußland soll von Reval biß an den Fluß Oby in die 400. Meilen; die Breite von Kola Lappland bis Poltawa, 280. Meilen betragen. Andere rechnen die Länge von der Litthauischen Gräntze unter dem Circkel der Breite von 62. Graden, bis an das Ost- oder Japonische Meer, an der Sinesischen Gräntze, so über 700. Meilen ausmacht. Die Breite von der Meer-Enge Waigatz, bis an das Mare Caspicum, beträgt 350. Deutsche Meilen. Also ist der Bezirck dieses Reichs fast von unglaublicher Grösse, und begreifft nicht nur einen grossen Theil von dem äussersten Europa in sich; sondern es erstreckt sich auch durch das Obere und Nordliche Asien, bis an den Orientalischen Oceanum Nach Peter von Havens Anmerckung gehet dieses Reich gegen Süden und Norden etwa von dem 46. Grad der Polhöhe gerade hinauf in dem Circulum Arcticum: aber [1291] gegen Westen und Osten von den 45. Grad der Länge gerade aus zu dem stillen Meere zwischen Asia und America. Daher man sich über die Weitläuftigkeit des Rußischen Tittels nicht verwundern darff, welcher von dem Kayser Petro I. in der Canzeley ehedessen also abgefaßt worden: Wir Petrus Alexiewitz von Gottes Gnaden, grosser Herr, Czaar und Groß-Fürst des gantzen grossen, kleinen und weissen Reußlands, Selbsthalter zu Moscow, Kiow, Wolodimer, Novogorod, Czaar zu Casan, Astracan u. Syberien, Herr zu Pleskow, Groß-Fürst zu Smolensko, Severien Tweer, Jugoria, Permia, Wiatke, Bolgaria, etc. Herr und Groß-Fürst zu Novgrod des niedrigen Landes, zu Czernigow, Rezan, Rosdow, Jaroslaw, Bialosera, Udoria, Oledoria, Condinia, und der gantzen Nord-Seiten Gebiether, Herr des Iverischen, Cartalinischen, Grustinischen und Carbatinischen Landes, Cyrcasser und Gorischen Fürsten, und anderer vieler Ost-Westlichen und Nordlichen Herrschafften und Länder, Väter- und Groß-Väterlicher Erbe, auch Herr und Beherrscher. Zu welchem allen hernach noch in dem Jahre 1722. der Kayserliche Tittul gekommen ist, welcher von gedachtem Czaar angenommen; auch von ihm und dessen Nachfolgern von einigen Europäischen Staaten zugestanden worden. Es begreifft also Rußland eine gute Anzahl von Königreichen, Groß-Hertzogthümern, Herr- und Landschafften in sich, welche man sich nach ihrer Lage folgende Gestalt fürstellen kan: Das Hertzogthum Pleskow liegt an den Liefländischen Gräntzen; das Groß-Hertzogthum Groß-Novogrod darüber am Ilmen-See; das Hertzogthum Tweer; die Landschafft Rzeva oder Rzowa, unter Groß-Neugard; das Fürstenthum Biela an der Pohlnischen Gräntze, woran auch das im Jahre 1686. von Pohlen an Moscau abgetretene Groß-Hertzogthum Smolensko stößt, wie auch die Hertzogthümer Severien, Czernikow nebst der Ukraine, ein recht gesegnetes Land an Ackerbau und Vieh-Zucht, und Sitz der Zaporovischen Cosacken. Das Hertzogthum Worodin liegt unten an der Europäischen Tartarey; das Hertzogthum Rezan, Süd-Ostlich von Moscau, und ist das allerfruchtbareste Land im gantzen Rußischen Reiche, indem daselbst iedes Korn 2. bis 3 Aehren zeuget, und das Getrayde so dicke wächst, daß weder die Pferde durchlauffen, noch die Wachteln ein, oder ausfliegen können. Die Landschafft Pole liegt weiter zur Rechten; die Landschaft Mordua darüber; das Hertzogthum Wolodomir hat einen sehr fruchtbaren Boden; das Hertzogthum Niesen-Novogrod war sonst ein Stück von Woladomir, und ist von dem Czaar Basilio I. angebauet worden. Zur Lincken liegt das Hertzogthum Susdal. Das Hertzogthum Moscau war ehemahls das Hertz des gantzen Reichs; die Landschafft Rosthaw und Jareslaw liegen darüber, und waren diese beyden Provintzen in den vorigen Zeiten, den jüngsten Printzen der Groß-Fürsten zugeeignet, daher noch etliche alte Familien vorhanden, die sich Jaroslawsky nennen. Die Landschafft Biela Jezora liegt darüber an der weissen See, worauf das Hertzogthum Wologda folgt. Die Landschafft Dwina stösset an das weisse Meer, wo der Fluß Dwina hinein fällt, und liegt in dieser Provintz die Handel-Stadt und Hafen Archangel. Die Landschafft Juborsky, Pezora, Condinsk, und Groß-Permia folgen auf einander. In der letzten ist Solikamskoi die Hauptstadt, in deren Gegend viele Saltz-Kothen anzutreffen. Die Landschafft Wollost Usoi, oder das Syrener-Land, wird von einer Nation bewohnet, welche sich zwar zu der Griechischen Kirche bekennet, aber seine eigene Sprache hat. Das Hertzogthum Wiadsky liegt an dem Cama-Flusse. Die Landschafft Czeremissi enthält ein Volck, welches sich in 2. Theile abgetheilet. Die über der Wolga wohnen, nennen sich Lagowoy, weil viel Heu daselbst wächst; die aber unter der Wolga, wegen der vielen Berge Nagarnoy. Die Landschafft Nagarnay liegt zwischen den beyden Ströhmen Wolga und Jaik, und begeifft das Königreich Astracan in sich. Uber diesem Königreiche zur Rechten liegt das Königreich Olgaria, oder Kalmuchi. Das Königreich Casan liegt darüber, um den Fluß Kamm, zur Lincken der Wolga nach Norden, und geht bis an das Königreich Siberien, welches sich auf 200. deutsche [1292] Meilen in die Länge und in die Breite erstreckt. Es gräntzet gegen Morgen mit dem Lande der Ostiacken, einer heydnischen Nation, welche einen Götzen, Sactan genannt, verehret, deren viel 1000. durch die Vorsorge des Kaysers Petri I. zum Christlichen Glauben bekehret worden. Diesen zur Rechten liegt die Landschafft Jenizeskoi, an welche die Niscovi Tungusi stossen, so Heyden sind, mit denen die Buratti, auch Heyden, ebenfalls gräntzen. In dieser Landschafft findet man das Muscus-Thier. Dauria ist das äusserste Land an China, und wird theils von Russen, theils von Heyden bewohnt, welche sich Nonni Tunguzi, und Oleeni Tunguzi nennen. In dieser Landschafft liegt Argunskoi, die letzte Festung und äusserste Gräntze von denen gegen Morgen gelegenen Landen des Rußischen Kaysers. Sie liegt an dem Flusse Argum, welcher aus Süd-Westen nach Nord-Osten flüsset, in den Amur-Strohm fällt, und das Rußische Reich und China von einander scheidet, so, daß auf der andern oder Ost-Seiten die grosse Tartarische unbewohnte Wüste ihren Anfang nimmt. Die Herrschaft Samojede liegt zu äusserst oben an dem Eis-Meere, an dem Freto Weigatz, und wird von wilden Völckern bewohnt. Das Rußische Lappland liegt über dem weissen Meere, und ist der gröste Theil wegen seiner Rauhigkeit unbekannt. Die Kalmucken haben das gantze weite Land zwischen Mongue und der Wolga, bis nach Astracan inne. Sonst hat Moscau oder Rußland IV. Theile; 1) Moscau gegen Westen, oder West-Rußland, Lat. Moscovia Occidentalis, an den Pohlnischen Gräntzen; 2) Moscau gegen Osten, oder Ost-Rußland, Lat. Moscovia Orientalis, liegt besser zur Rechten, unter dem Freto Weigatz; 3) die Rußische oder Moscowitische Tartarey, Lat. Tartaria Moscovitia, liegt an den Asiatischen Gräntzen, um den Oby, und um das Mare Calpicum; 4) das Moscowitische oder Rußische Lappland, Lat. Lappia Moscovitica, liegt um das Mare Album, an den Schwedischen Gräntzen. In West-Rußland sind folgende Landschafften: Pleskow, Novogorod, Tweer, Reschow, Bielsky, Smolensko, Severien, Czernichow, Worotin, Rezan, Pole, Mordia, Nisi-Novogorod, Wolodimir, Susdal, das Herzogthum Moscau selber, Rosthow, Jeroslaw, Biele-Jezora, Wologda, Kargapol und Dwina. In Ost-Rußland liegen die Landschafften: Juboritzky, Petzora Condinsky, Permsky, Oustiuch, Wiabsky und Czeremissi. In der Rußischen Tartarey liegen die Königreiche: Astracan Bulgar, Casan und Syberien, wie auch die Landschafft Samojede. Das Rußische Lappland besteht in 3. Landschafften: Muremanskoi Leporie, Terskoy-Leporie, und Bella-Morenskoy-Leporie. Das Königreich Casan giebt viel Getrayde, und werden auf der Wolga jährlich viele 1000. Lasten Getrayde nach Tweer geschickt, welches die rechte Stapel von dem Korn-Handel ist. Von dannen aber wird alles auf Schlitten vor die Arméen, und nach Petersburg geschafft. Dieses Land bringt auch viel Wolle, und hat der Kayser Petrus I, 20. Schäfer aus Schlesien nach Casan geschickt, welche den Russen die Handthierung mit der Wolle zeigen solten; wiewohl es mit dieser Manufactur nicht recht fort wolte, und ward die meiste Schuld der spröden Wolle, und weil die Schaaf- und Ziegen-Heerde sich seit langen Jahren vermengt gehabt, beygeleget. Hingegen hat die eine halbe Meile von Petersburg angelegte Linnen-Weberey einen solchen guten Fortgang, daß die aus Rußischem Flachs darinnen verfertigte Linnen, den feinsten Holländischen nichts nachgiebt. Von Tweer ist das Land bis nach der Stadt Moscau fast gantz sandigt. Man siehet auch auf dem Wege nichts, als Tannen-Holtz. Weil nun um diese Gegend die Mühe durch die Erndte nicht belohnet wird: so wird die Bauung der Erde an vielen Orten unterlassen. An Heu ist hier ein grosser Uberfluß. Der Hopfen wächst von sich selbst häuffig in den Wäldern. Der Bauersmann lebt in grosser Armuth, zu welcher er von Kindes-Beinen an gewohnt ist. Derjenige Theil von Rußland, welcher an die Pohlnische Gräntze stösset ist sehr fruchtbar. Das Getrayde trägt an verschiedenen Orten 20. bis 30. fältig, auch in einigen Gärten werden Melonen gezogen, [1293] welche 30. bis 40. Pfund wägen sollen. Der Mangel der Wirthshäuser ist den Reisenden höchst beschwerlich, weil man sich mit nöthiger Zehrung bis Moscau versehen muß. Bey der Stadt Solikamsky in Syberien sind 32. Saltz-Brunnen, die meisten 50. Faden tieff, woraus ein Schneeweiß Saltz gesotten wird. In der Gegend der Stadt Jenisleitska wird eine wunderbare Art von Knochen, welche an den Ufern der Revier, und andern eingefallenen Höhlen gefunden werden, und dem Elffenbein ähnlich sind, ausgegraben. Es sollen Hörner von einer Art erschrecklich grosser Schlangen seyn, welche unter der Erde sind. Mit diesen ihren Hörnern graben sie sich aller Orten unter dem Moraste in der lockern Erde fort, bis sie in den harten Sandbäncken feste sitzen bleiben. Den Weinwachs hat der Kayser Petrus I. zu befördern sich angelegen seyn lassen, und sind einige Weinberge in Astracan mit Französischem Weine gepflanzt worden. Bey Alonitz hat sich, vor nicht gar zu langen Jahren, ein Gesundbrunnen von martialischer Krafft hervorgethan, welchen der Rußische Monarch selbst zu besuchen gewohnt war. Von dem Heckerlinge haben die Russen noch zu Anfange dieses Jahrhunderts nichts gewust. Gegen Schlüsselburg, an dem Neva-Strohme sind verschiedene Mahl- Säge- und Schmiede-Mühlen, und näher bey Petersburg, auch in Moscau Pulver-Mühlen, Salpeter- und Schwefel-Hütten angebauet, und alle diese Materialien fallen in Rußland so wohl, als aller Hanff zu der Seiler-Arbeit. Die Eisen-Ertze bricht man zu Alonitz in grosser Menge, und wird an Stücken, Mörsern, Haubitzen und kleinen Schießgewehr unabläßig gearbeitet. Vor Anlegung der Bergwercke trug Petrus I. viel Sorge. In Syberien sollen gute Oerter seyn, wo Kupffer- und Silber-Gruben können gebauet werden. Im Jahre 1714. brachte der Statthalter in Syberien, Fürst Gagarin, einen Gold-Sand nach Petersburg, da man von einem Pfunde solches Sandes 28. Loth feines Gold bekommen. Man hat denselben an der Caspischen See, bey dem Einflusse der Dauria entdecket. Die Kalmucken aber haben aus Neid für einiger Zeit denselben ab und an einem andern Orte in die See geleitet, wodurch derselbe bey dem Einflusse so seichte gemacht worden, daß die Russen mit keinem Schiffe hineinkommen können. Im Jahre 1718. ward ein Berg-Collegium angelegt, in Petersburg auch ein kleines Hüttenwerck, mit 2. Schmeltz-Oefen, und übrigen Zugehör erbauet, und damit der Nation die Begierde zu Bergwercken erwecket. Von wilden Thieren sind unter andern viel Auer-Ochsen, Rennthiere, Marder, weisse und schwartze Füchse, Hermelin, Wiesel, u. s. f. Auch ist der sogenannte Vielfraß, so auf Rußisch Rosomacha heist, hier nicht unbekannt, welches nicht eher zu fressen aufhöret, bis es zerbersten will. Denn zwingt es sich zwischen 2. Bäume, und wenn es alles von sich gegeben, fängt es wieder an zu fressen. Syberien giebt kostbares und fürtrefliches Peltzwerck, unter dem die Zobeln sonderlich berühmt sind, welche dem Statthalter geliefert, von ihm mit einem Siegel bezeichnet, und dem Senat zugeschickt werden. Das Thier Behemoth wird bisweilen an der Küste des Tartarischen Meeres gefangen, aus dessen Zähnen das schönste Elffenbein, so das von Elephanten-Zähnen noch bey weiten übertrifft, gemacht wird. Diese Vortheile, welche die gütige Natur den Rußischen Landen gegeben hat, machen diese Nation bequem, mit Auswärtigen die wichtigsten Commercia anzufangen, und hat der Kayser Petrus I. vor derselben Aufnehmen unermüdet gesorgt; auch die Nation zu allen Manufacturen angehalten, seine Reiche dadurch in den Stand zu setzen, damit sie ausländischer Hülffe nicht so sehr benöthiget seyn. Auf den Handel nach China und Persien hat man ein wachsames Auge gerichtet. Es gehen beständig Caravanen aus Moscau nach China. Der Chinesische Kayser oder Cham tractirt alle mit Rußland habende Handlungen mittelbarer Weise durch den Statthalter in Syberien. Die nach China handelnden Kaufleute haben nicht die Erlaubniß, länger als 3. oder 4. Monathe im Lande zu bleiben, wenn sie nicht die gantze Zeit ihres Lebens darinnen zubringen wollen. Die in Rußland zubereiteten Juchten sind durch gantz [1294] Europa bekannt, und man hat die Kunst, dergleichen nachzumachen, lange Zeit nicht entdecken können; doch hat es nicht angehen wollen, daß sich der Monarche das Monopolium dieser Fabrique, wie einigemahl versucht worden, anmassen können. Was der Russen Sitten und Gebräuche betrifft, so wird man in denselben einen ungemeinen grossen Unterschied antreffen, wenn man die gegenwärtige Beschaffenheit gegen die vorigen halten solte. Die rühmlichen Anstalten des Kaysers Petri I, wie auch seiner Nachfolger, und die von denen Russen in die Europäischen benachbarten Lande geschehene Reisen; so wohl als die Menge der nach und nach dahin beruffenen Ausländer haben dieser Nation eine gäntzliche Veränderung verursachet. Die alten Kleidungen sind durchgehends abgelegt, und die Manier zu leben nach der übrigen Europäischen Nationen Sitten eingerichtet. Indessen sind doch viele besondre Gewohnheiten anzutreffen, welche auch grösten Theils mit der Russischen Religion einige Verwandniß haben. Bey der Tauffe werden die Kindbetterinnen besucht, geküßt, und ihnen allerley Geschencke auf das Bette gelegt. Keine schwangre Frau, noch Mann und Frau, oder 2. Verlobte können zusammen Gevatter stehen; ingleichen 2. unverheyrathete Personen, so zusammen Gevatter gestanden, sich verehlichen: wiewohl auf Petri I. Befehl sich nicht mehr so genau an diese Gewohnheit gebunden hat. Das Oster-Fest wird mit sonderlicher Pracht, und vielen Ceremonien gefeyert, unter denen das Geschencke der gemahlten Eyer das merckwürdigste ist, welches die Russen beyderley Geschlechts einander verehren, u. sich zugleich den Friedens-Kuß geben, wobey der eine Christus woskres, das ist, Christus ist auferstanden; der andere Waistino wokres, das ist, er ist wahrhafftig auferstanden, sagt. Die Auslegung dieses Gebrauchs gehet dahin, daß weil die Küchlein aus Eyern entstehen, sie ein Vorbild der Auferstehung Christi seyn sollen. Die Damen von Stande sind heut zu Tage auf Deutsche Art gekleidet, und musten auf des Kaysers Befehl die alten Sitten und Gewohnheiten ablegen. Das weibliche Geschlechte bedienet sich der Schmincke sehr; ohngeachtet man unter dem Rußischen Frauenzimmer auch sehr wohl gebildete Personen antrifft. Sie halten es für eine Liebkosung, wenn man eine Jungfer Crasna dewiza, das ist, eine rothe Jungfer nennet, weil diejenigen, so roth im Gesichte sind, vor besondre Schönheiten gehalten werden. Die Bauern haben ehemahls Kleider bis auf die Erde getragen, und diesen Habit ungern abgelegt. Man hat sie endlich dazu genöthiget, indem in den Thoren der Städte Soldaten bestellt gewesen, welche alle Bauern, die mit langen Röcken hereingekommen, auf die Knye gesetzt, und ihre Kleider mit einer Scheere an der Erde herum abgeschnitten, und überdiß eine Geldbusse von ihnen eingetrieben haben. Heutiges Tages trägt der Bauer sein grobes Kleid bis an die Kny, und im Sommer läst er das kurtze Hemde über die Hosen hangen, spannet einen Gürtel darum, in welchem er forne sein grosses Messer in der Scheide, an der Seiten die Peitsche, hinten die rauchen Handschuhe, und ein Beil stecket. Die Haare schneidet er kurtz bis an die Ohren ab, und träget im Sommer und im Winter eine rauche Mütze. Den Bart hat man dem Landmanne noch lassen müssen, weil wenige die Hand zum Scheer-Messer gewöhnen können. Seine Schuhe sind von Bast geflochten, und er weiß von keinen andern. Am Halse trägt er, von der Stunde seiner Tauffe an, ein Creutz, und den Geld-Beutel darneben; wiewohl die kleinere Müntze, wenn es nicht zu viel ist, lange im Munde aufbehalten, und wenn man ihnen etwas schencket, und bezahlet, so gleich hinein, und unter die Zunge werffen. Die Dörffer liegen auf dem platten Felde, und nirgends in Büschen und Gehöltze. Die Bauer-Häuser sind bloß von auf einander gelegten Balcken aufgerichtet. Die Oefen sind von ungewöhnlicher Grösse, und nehmen den 4. Theil der Stube ein. Wenn derselbe durchheitzet, u. zugemacht ist, legt sich die Familie des Abends bundt durch einander hinauf, u. braten sich rechtschaffen. Ist auf dem Ofen nicht Platz, wird ein Gestelle von Bretern oben unter den Balcken gemacht, worauf die übrigen sich hinlegen, und niemals an der Erde schlaffen. Sie brauchen keine Lichter: sondern tragen dünne angezündete Holz-Späne in der Hand, oder quer in dem Munde, [1295] lauffen damit in dem Hause herum, und verrichten ihre Arbeit. Ohnweit der Stadt Tweer findet man die Nachkommen einer Finnischen Colonie, welche bey ehemaligen Empörungen und Kriegs-Unruhen zwischen Rußland u. Schweden sich in dieser Gegend niedergelassen, und die Finnischen Sitten, Sprache und Religion bey behalten haben; ohngeachtet sie sich Russen nennen, und mit dem Munde zur Rußischen Religion bekennen; insgeheim aber ihren Glauben und Gewohnheiten beybehalten. Das Baden wird für eine Universal-Medicin daselbst gehalten. Einige setzen sich nackend in einen Kahn, und bringen sich durch das hefftige Rudern in einen starcken Schweiß; werffen sich darauf jähling in den Fluß, und wenn sie eine Zeit lang geschwommen, trocknen sie sich an der Sonne, oder mit den Hemden wieder ab. Andere springen kalt ins Wasser, legen sich nachgehends an ein Feuer, schmieren sich mit Oel oder Fett über den gantzen Leib, drehen sich so lange an dem Feuer herum, bis das Fett eingetrocknet ist, um die Glider geschmeidig zu machen. Die dritte Art zu baden ist die gemeinste: Man hat an unterschiedenen Orten Bade Stuben deren eine Helffte für die Manns- die andere Helffte für die Weibes-Personen angelegt ist. Oben auf den Dächern sitzen Kinder, und schreyen aus, daß ihre Badestube fürtreflich geheizet sey. Die nun baden wollen ziehen sich unter freyem Himmel aus, lauffen hiernächst in die Bad-Stube, und wenn sie genug geschwitzet, und mit kaltem Wasser sich begossen haben, legen sie sich an die Lufft, oder Sonne. Das vierte Bad bestehet in einem starck eingeheizten Back-Ofen, wenn sich die Hitze in demselben etwas gemindert hat; so daß man die Hand auf dem Grunde nicht länger, als eine halbe Minute, halten kan; schieben sich 5. oder 6. Russen hinein, so bald sie darinn ausgestreckt, machet ihr Gehülffe, der aussen ist, das Loch so feste zu, daß sie kaum Oden schöpffen können. Wenn es ihnen nicht mehr möglich, länger auszuhalten: machet der Wächter das Loch auf, worauf sie sich des Sommers ins Wasser; im Winter aber in den Schnee werffen, mit welchem sie sich bedecken, und nur Nase und Augen offen lassen. In diesem Lager bleiben sie 2. und mehrere Stunden. Und diese Cur ist nach ihrer Nennung das beste Mittel wider alle Kranckheit. Die Bequemlichkeit der Reisenden wird durch Schlitten befördert. Der Schlitten ist oben herum so feste zugemacht, daß nicht die geringste Lufft hinein dringen kan. Zu beyden Seiten sind kleine Fenster und zwey Behältnisse, in welche man die mitgenommenen Lebens-Mittel setzen kan. Forne über dem Haupte hängt eine Laterne mit Wachs-Kertzen; unten im Schlitten sind die Betten, in welchen man Tag und Nacht liegt; zu den Füssen hat man warme Steine, oder zinnerne mit warmen Wasser angefüllte Flaschen. Die fahrenden Posten werden von gewissen dazu gesetzten Bauern unterhalten, welche von allen Abgaben frey sind, und nur ein geringes Post-Geld nehmen dürffen. Im Jahre 1718. sind die reutenden Posten auf deutschen Fuß angelegt worden, und befinden sich im gutem Stande. Es ist an den Rußischen Hofe ungewöhnlich, sich bey den Grossen melden zulassen, und daher sehr schwer, sie zu sprechen. Bey den Gasterenen wird starck getruncken, und pflegt man mit der ersten Gesundheit Bosche Milusti, der göttlichen Gnade den Anfang zu machen. Ehe man zur Tafel geht, wird von dem Wirthe oder der Wirthin einem ieden Eingeladenen ein Schälchen Branndtwein auf einem Teller gereicht, auch unter guten Freunden von der Wirthin den Gästen ein Kuß gegeben. Wenn man sich gesetzt: so werden zuerst kalte Speisen, Schincken, Würste, Sülze, und dergleichen aufgetragen. Dieses bleibt über eine Stunde auf der Tafel stehen, bis die Suppen, Braten, und warme Speisen kommen. Zum dritten kommt das Confect. Man siehet bey vornehmen Gastmahlen keinen andern, als Ungarischen Wein. Die Russen verheyrathen sich sehr jung, und man findet alle Bauer-Höfe voll Kinder. Heyrathet ein Bauer aus einem andern Dorffe: so muß er für die Erlaubniß 4. bis 5. Rubel; vor ein Weib aus seinem Dorffe aber nur 4. Pfennige erlegen. Die Rußischen Weiber müssen sehr eingeschränckt leben, und werden von ihren Männern so hart gehalten, daß viele eine Furcht für dem Ehestande bekommen, und lieber das Kloster erwehlen; wie denn auch [1296] durch Erwehlung des Kloster-Lebens die Ehe getrennet werden kan. Die Todten werden bey dieser Nation ausserordentlich beklaget, bedienet man sich ietzo einiger Orten gemietheter alter Weiber, welche in den Leichen-Häusern ein Trauer-Geschrey anfangen. Gemeine Leichen pflegt man zur Schau auszulegen, und bey denselben ein Wachs-Licht anzuzünden, wobey die vorbeygehenden um ein Almosen ersucht werden. Der Cörper wird hierauf in eine Matte genehet, und wie ein Sack an einen Baum gehangen, welchen 2. Träger auf die Schultern nehmen, und etliche gute Freunde ansprechen, daß sie mit zu Grabe gehen sollen. Der Kayser Petrus I. befahl die Klaglieder bey denen Begräbnissen abzuschaffen. Die gemeinen Leute haben den Aberglauben, daß sich die Seele noch 6. Wochen um den Ort, wo sie den Cörper verlassen, aufhalte. So haben auch die Russen kurz vor Weynachten einen Fast-Tag, den sie Raditeli Sabot, das ist, der Verwandeten Sonnabend nennen. An diesem Tage finden sich die Bluts-Freunde bey den Gräbern der Verstorbenen ein, bringen allerley Geschencke und Eß-Waren, treiben ein grosses Geheule, fragen die Todten, was sie machen etc. gehen hernach ihres Weges, und sammlen alsdenn die Popen die hinterlaßnen Waaren und Geschencke. Der Mangel der Unterweisung war in vorigen Zeiten sehr groß. Daher auch das Volck wenig Erkenntniß der Religion hatte. Die wenigsten konnten lesen und schreiben. Diesen Ubel abzuhelffen, sind auf Befehl Parti I, in Städten und Dörfern Schreibe- und Lehr-Meister der Jugend vorgesetzt worden. In Moscau, Petersburg und noch andern Orten wurden Buchdruckereyen angelegt, welche fast nicht zu verbessern sind. Man hat auch den Anfang gemacht, die nützlichsten und gangbarsten Schrifften aus fremden Sprachen zu übersetzen, wie denn auch wöchentlich Zeitungen gedruckt werden. Was die Rußische Sprache betrifft; so daß solche, nach dem Berichte Adam Olearii in Moscowitischen u. Persianischen Reisebeschreibung, mit den Sclavonischen grosse Gemeinschaft haben, also, daß, wer der einen kundig ist, die andre leicht verstehen könne: Mit der Griechischen aber habe sie gar keine Gemeinschafft; ausgenommen in etlichen wenigen Wörtern, die sie von den Griechen entlehnet, welche sie in dem Kirchen Gottesdienste und Aemtern annoch zu gebrauchen pflegen. Heutiges Tages findet man in Rußland die Bibel in Sclavonischer Sprache geschrieben, ferner ihre Sluzeboik oder Kirchen-Agende, welche aus dem grossen Euchologio der Griechen, und aus demjenigen Kirchen-Buche, so Trebnik genannt wird, excerpiret worden, wie solches Johannes Herbinius in Cryptis Kiovesium c. 6. bezeugt. Hiernechst ist nicht so wohl ihr Corpus Juris; als auch die Schrifften der Alt-Väter, als des Cyrilli, Hierosolymitani, Johannes Damasceni[WS 1], Gregorii Nazianzeni und Chrysostomi in Sclavonischer Sprache gedruckt. So gedenckt auch Papebroch eines Moscowitischen Bilder-Calenders, worinnen die Potraits ihrer vornehmsten Leute und Heiligen enthalten; zu geschweigen der vielen Historischen Bücher, welche sie in obgedachter Sprache beschrieben haben. Denn wie Becmannus in seiner Historia Orbis Terrarum meldet, so wollen wohl 60. Nationen seyn, welche die Sclavonische Sprache reden; wie sie denn auch der Janitscharen gewöhnliche Sprache ist, und an dem Türckischen Hofe in der Hochachtung steht, wie bey uns Deutschen die Französische an unsern Fürstlichen Höfen. Einige Auctores sind der Meynung, daß solche Sprache aus der Scythischen und Gothischen wegen der offtmahligen Vermischung, zusammengesetzt, und entstanden sey; doch so, daß die Scythischen Wörter am meisten darinnen zu finden, weil auch die Russen an den Buchstaben, die sie von den Griechen empfangen, die Rußische Sprache zu schreiben nicht genug hatten: Als sind dieselben mit vielen Rußischen vermengt, und also ihr Alphabeth auf 40. Buchstaben vermehret worden. Man gebraucht sich aber eines in etwas unterschiedenen Alphabeths[WS 2] in der Rußischen Druckerey; sonderlich in denen Büchern, die von ihrem Gottesdienste handeln gegen dem Alphabeth, welches in Briefen und Kayserl. Befehlen zu sehen ist, welcher Unterschied auch verursacht, daß die Rußische Sprache nicht so leicht zu erlernen ist, als man sich wohl einbildet. [1297] Das Justiz-Wesen hat Petrus I. auf einen andern Fuß gesetzt, als es ehedem war. Die Russen haben ihre ersten geschriebenen Gesetzte von Johann Basilide und Alexio Michaelowitz, welcher um das Jahr 1647, ein Gesetz-Buch in Rußischer Sprache publiciret hat, welches Buch Sobornoje Mochene genennet wird, wozu derer nachfolgenden Kayser; insonderheit des grossen und klugen Petri I. Verordnungen in ziemlicher Anzahl gekommen. Die Art zu verfahren in den Gerichten ist sehr kurtz, und braucht nicht viel Schreibens, indem es auf des Richters Untersuchung und Gerechtigkeit ankömmt. Die Landes-Sachen werden in der Cantzeley zu Moscau geschlichtet. In Criminal-Sachen ist die Justiz sehr strenge, und pflegt man nach der Beschaffenheit des Verbrechens die Bagoggi, Knuth-Peitschen, Folter, und dergleichen zu gebrauchen. Sonst giebt man dieser Nation schuld, daß die meisten unter ihnen mißtrauisch, hochmüthig, verrätherisch, hartnäckigt, und von Natur grausam wären. Im Handel und Wandel bezeigten sie zwar eine grosse Listigkeit; hielten es sich aber für eine Ehre, wenn sie iemanden betrügen könnten. Im übrigen sind sie zu Erlernung aller Wissenschafften geschickt, unermüdet und aufmercksam, wovon sie bisher viele Proben, mit Bewunderung der gantzen Welt, abgelegt haben. Wiewohl das meiste ihrem Monarchen Petro I. zuzuschreiben ist, welcher durch erstaunenswürdige Geduld, Fleiß und Eifer die Unterrichtung dieser unerfahrnen Nation unternommen, und glücklich zu Stande gebracht. Von der Regierungs-Form ist zu mercken, daß Rußland eine von den strengsten Monarchien in gantz Europa ist, und das Leben und Vermögen der Unterthanen in der unbedungenen Gewalt ihres Monarchen steht. Der Rußische Adel hatte ehemahls mehr zu bedeuten, als ietzo, weil dessen Unterwürffigkeit in den letzten Zeiten sehr vergrössert worden. Der Bruder Perti I, Theodorus, bähnete den Weg dazu, indem er den gantzen Adel des Reiches zusammen berieff, mit dem Befehle, ihre schrifftliche Urkunden, Privilegia etc. nach Hofe zu liefern. Er brachte hierauf ein ieder seine besten Pappiere, welche der Kayser, ohne sie zu lesen, zusammen wickelte, und ins Feuer warff; erklärte sich auch dabey, daß hinführo die Freyheiten und Vorzüge auf das blosse Verdienst, und nicht auf die Geburt gegründet seyn solte. Es ist zwar auch in den Rußischen Staaten ein Senat, welcher bey wichtigen und splendiden Gelegenheiten zusammen kömmt. Man weiß aber doch, daß dieses ansehnliche Collegium von dem Kayser nach Gefallen regieret wird. Der Hof-Staat des Kaysers wimmelt gleichsam von vornehmen Personen, unter denen die Knesen oder Fürsten oben an stehen, und zu den wichtigsten Stadthalterschafften und Gesandtschafften gebrauchet werden. Ehemahls waren die Bojars Reichs-Räthe, und den hohen Collegiis vorgesetzt. Auf diese folgten die Ocolnitzen, die in den Regierungen sassen, und kleine Woywodschafften unter sich hatten. Auf diese folgten die Dumenoy Duorainy, so auch Sinbojarsky hiessen, und den Kammer-Herren anderer Höfe gleich kamen. Denn kamen die drey Dumenoy Diaki, oder geheime Reichs-Cantzler, welche das Reichs-Archiv unter ihren Händen hatten, worinnen aber heut zu Tage die größten Veränderungen vorgegangen, und diese Titul ganz ins Abnehmen gekommen sind. Nächst den Hof-Aemtern folgen die Bedienungen von den Pricassen oder Cantzeleyen, in welchen alle Regierungs- Civil- und Militair-Geschäffte abgehandelt werden, und zählte man zu Petri I. Zeiten derselben drey und dreyßig, welche sich in Moscau befanden; bey der nachmahligen Regierungs-Form aber in einen gantz andern Zustand gesetzet wurden. So reich als Rußland an Waaren und Gütern der Natur ist; so ein rosser Mangel scheint an baarem Gelde zu seyn, [1298] welches auch über dieses zu keiner Circulation kommen kan; sondern von den Besitzern auf alle Art verborgen wird. Die Einkünffte des Kaysers sind ungemein groß, und fast unerschöpflich. Es bestehen dieselben in Personen, Proviant und Gelde. Die Einkünffte an Gelde sind beständige und veränderliche. Zu den ersten gehören die Einkünffte, welche aus den publiquen, und dem Kayser directe und utiliter zukommenden Gütern fallen, und einig und allein zum Unterhalt des Hof-Staats gewidmet sind. Einige geben vor, daß die Summe sich auf 400000. Rthlr. belauffe, welche Rechnung man aber nicht für unfehlbar annehmen kan, weil in den Güthern, woraus diese Einkünffte gezogen werden, viele Veränderungen vorzugehen pflegen. Ein ieder Bauer muß in die Reichs-Cassa jährlich gewisse ordentliche Steuern erlegen, und werden diese Anlagen von einem iedem Dorffe, nach der Zahl der Höfe, wie sie in dem Visitations-Inventario angesetzt worden, eingetrieben: wiewohl diese Inventarien bey aller gebrauchten Behutsamkeit doch nicht vermögend gewesen sind, allen Betrug zu verhindern. Ausser den ordentlichen Steuern müssen die Land-Leute für Mühlen, Teiche, Fischereyen, Bienen-Stöcke, Weisen, Gärten, Bade-Stuben und dergleichen Dinge, jährlich einen gewissen Zinß erlegen. Die Mühlen hat man angeschlagen, nachdem, was darinnen alle Jahre kan gemahlen werden. Fischereyen, und die anderen beniemten Dinge, und dergleichen, haben keine proportionirte Taxe; sondern tragen die Zinsen, die ihnen von Alters her, nach Beschaffenheit der Zeiten und Umstände aufgelegt worden. Die Dörptische-Provintz giebt, vermöge des getroffenen Accords, 25000; die Riegische 600; die Oeselische 9000; die Revalische 15000. Rubel. Die Einwohner der Städte und Marckt-Flecken müssen, ausser den ordentlichen Steuern, noch zwey andere Anlagen, die Grund-Zinse und Vermögen-Steuer tragen. Den Grund-Zinß von 5. Copeken müssen alle bürgerliche Häuser zahlen, welche nicht auf weissem Grunde stehen, das ist, auf einem solchen Platze, der ehemahls grossen Herren oder Edelleuten gehöret, oder in vorigen Zeiten den Soldaten angewiesen gewesen, und hierdurch Freyheit erlanget haben. Die Vermögen-Steuer wird einig und allein von dejenigen gegeben, welche Kauffmannschafft, Handwerck, oder andere bürgerliche Handthierung treiben, und bey Eintreibung dieser Anlage wird auf eine richtige Gleichheit gesehen. Es ist auch die Eintheilung in gewisse Classen gemacht, darinnen einige auf ein halbes Copeken; andere auf eins, zwey Copecken, und bis auf einen Rubel gesetzet worden. Diese Abgaben kommen sehr hoch, also, daß es denen von der ersten Classe, ein Jahr in das andere gerechnet, ohne den Zoll, auf 500. bis 600. Rubel zu stehen kommt. Ueber dieses müssem auch die Bürger in denen Städten eine besondere Auflage für ihre Bade-Stuben; ingleichen zu Anrichtung des Pflasters, oder hölzernen Brücken, alle neun Jahre vor iede Klaffter, die das Haus in der Länge hat, fünf Copecken zahlen. Auch die Priessterschafft ist mit den Anlagen nicht verschonet; ja man nahm den Geistlichen und Klöstern damahls, als der Krieg wider Schweden noch unglücklich geführet ward, die Land-Güther, und schlug dieselben zu den Kayserlichen Domainen: wiewohl dieselben größten Theils, im Jahre 1711. dem Clero wiedergegeben wurden, ausser den Patriarchal-Gütern, welche sich der Monarche vorbehielt. Die weltlichen Priester werden mit Auflagen ihrer Einkünffte mehr, als die Bürger, gedrückt. Ein Pfarr muß vor iedes in seinem Bezirck liegendes Haus 6. Copecken geben, wenn es ihm auch gleich kaum so viel einbringt: so müssen sie auch die Bad-Stuben theurer, als andere, bezahlen. Dieses sind die gewöhnlichen Anlagen, welche einige zusammen zu rechnen gesucht, und davon folgende Rechnung gezogen haben: [1299]
Die unbeständigen und ausserordentlichen Einkünffte bestehen in den ausserordentlichen Steuern, unter denen die vornehmste Tschapprosniedengi genennet wird, und man mit dem Don Gratuit vergleichen kan. Es werden dieselben bey ausserordentlichen Zufällen eingefodert. Nachgehends werden einige Vortheile von der dem Kayser allein zustehenden Müntz-Gerechtigkeiten gezogen, und soll dieselbe jährlich mehr als 200000. Rubel eintragen. Ehemahls hatten die Städte Novogrod und Pleskow die Freyheit, Müntze zu schlagen, welche ihnen aber nachgehends genommen, und die Müntze allein nach Moscau gebracht worden, deren hier zwey angetroffen werden. In einer hat man bisher nichts als Kupfer-Geld; in der anderen aber alles Silber-Geld geschlagen; wobey auch die göldenen Müntzen und Ducaten von feinem Golde, und sehr schönem Gepräge, genugsam bekannt sind. Es stehet auch dem Kayser die Schenck-Gerechtigkeit in allen Provintzen des Rußischen Reichs, ausser der Ukraine und Liefland, zu, vermöge welcher kein im Lande zugerichtetes Geträncke von iemanden verkaufft werden darff. Die Einkünffte betragen jährlich bey nahe eine Million; und dieser Profit würde noch grösser seyn, wenn denen Standes-Personen nicht erlaubt wäre, vor ihre Versorgung Brandtewein nach Moscau und St. Petersburg zu bringen, wobey es nicht an Gelegenheit fehlt, grossen Unterschleiff zu machen. Ferner ist niemanden erlaubt, einige Handlungen mit Engelländischen, Cosackischen, oder inländischen Taback zu treiben, welche allein dem Kayser zustehet. Die Einfuhre des Türckischen Tabacks, ingleichen des Schnupf-Tabacks, ist frey gelassen. So hat auch der Kayser das Monopolium von der Pott-Asche, Weid-Asche, Fischlein und Theer; insonderheit von allen Saltz-Wercken, deren ehemahls eine grosse Anzahl in dem Rußischen Reiche anzutreffen waren, welche aber hernach bis auf drey verlassen worden. Es sind dieselben Straganofischen, so in dem Casanischen Gouvernement liegen, und den Nahmen von einem reichen Kauffmanne, in Moscau, Straganoff haben, welcher dieses Saltzwerck aufgebracht hat. Die Siberischen Saltz-Wercke werden schlecht unterhalten, und siedet man daselbst nicht mehr, als man in selbiger Provintz, und bey den benachbarten Tartarn, vertreiben kan. Das Bachmuthische Saltz-Werck liegt an dem Don-Flusse, und gehöret den Tartarn unmittelbar zu; daher aus selbigen etwa nur 30000. Rubel in die kayserliche Rent-Kammer geliefert werden, wiewohl allem Ansehen nach grosser Unterschleiff gemacht wird. Das Monopolium aller Siberischen Waaren, worzu auch diejenigen, welche aus China kommen, gerechnet werden, ist nicht von geringer Wichtigkeit. Der vornehmste Handel bestehet in schwartzen und andern Siberischen Füchsen, Zobeln, Vielfraß, Hermelin, Luchsen, und andern dergleichen Rauchwerk, Chinesischen Golde, Fisch-Knochen, Mamant-Zähnen, Chinesischen Zeuge etc. Endlich tragen aich die Zölle nicht wenig ein. In allen Rußischen Städten sind Zoll-Buden, da die Waare, die der Kauffmann daselbst einkaufft, oder verkaufft, verzollt werden müssen. Doch rechnet man nicht mehr, als 5. [1300] grosse Zoll-Häuser, nehmlich zu Archangel, und St. Petersburg, allwo die Waaren verzollt werden, welche Rußland aus Preussen, Engelland, Holland, Dänemarck, Franckreich, Hamburg, und andern See-Städten einnimmt und ausgiebt. In Astracan werden die Persianischen; in Kiow die Türckischen Waaren mit Zoll belegt; und in Moscau muß alles wiederum aufs neue in der Börse verzollt werden. Der andere Grund der Kayserlichen Einkünffte bestehet in den Proviant, welcher für die Armée aus den Dörfern muß geliefert werden. Weil aber diese Lieferungen höchst beschwerlich und weitläufftig waren; so ward beschlossen, daß man an statt des Korns, den Werth von der Landschafft eincassiren wolte. Es giengen aber nachgehends allerley Betrügereyen vor, welche man durch eine im Jahre 1715. angestellte Inquisition ziemlich gedämpfet hat. Zu den Kayserlichen Einkünfften werden drittens auch Personen gerechnet, aus deren Lieferung einiger Vortheil zuwachsen kan. Die in der Ukraine lebenden Cosacken hatten sich bey ihrer Unterwerffung unter Rußischen Schutz anheischig gemacht, bey dem ersten Aufgeboth ein Corps von 60000. Mann Reuter zu stellen. Weil man aber bey der neuern Rußischen Militz dieser Hülffe nicht benöthiget ist; so wolte man sie lieber dieser Krieges-Dienste erlassen, und sie in eine Auflage verwandeln. So sind auch die Doniischen Cosacken der Rußischen Bothmäßigkeit unterworffen, man hat aber auch diesen das Kriegs-Handwerck beyzubringen, noch nicht für rathsam gehalten. Gleiche Art von Soldaten kan der Kayser von den Calmuckischen Horden aufbiethen. Weil aber diesen gewisse Hülffs-Leistungen müssen gereicht werden, welche nach des Rußischen Ministerii Schatzung mehr belauffen, als ihre Hülffe nützen kan, werden sie selten gebraucht. Etwas bessere Dienste thun die dem Rußischen Reiche unterworffene Tartarn, welche sich auf Kayserlichen Befehl stellen müssen, und nicht nur in dem Feld-Zuge gebraucht, sondern auch zu anderer Arbeit angehalten werden. Von Recrutirung der Armée wollen wir unten bey Erzehlung des Militair-Staats gedencken. Hier ist noch zu erinnern, daß der Rußische Landman, auf Befehl seines Herrn allerhand Handwercker, insbesonderheit Mäurer, Zimmerleute und Schmiede zu liefern verbunden ist, welche auch so lange müssen unterhalten werden, bis sie an Ort und Stelle kommen, allwo sie in den Kayserlichen Sold treten, und monathlich einen Rubel bekommen. Man gebraucht diese Leute bey dem Festungs-Bau und Aufrichtung anderer Wercke, und müssen so viel Menschen herbey geschafft werden, als man benöthiget ist. Bey Errichtung der einzigen Festung Taganerog sind über 300000. Bauern umkommen. Zu besserer Einrichtung und Beobachtung der Finanzen ward unter Petro I. ein Finanz-Collegium niedergesetzt. Der Kriegs-Staat ist unter nur gedachtem Monarchen, in ein gantz anderes Ansehen gesetzet worden, als zuvor. Es ist anietzo dem Kayser von Rußland leicht, eine mächtige Armée ins Feld zu stellen. Zur Zeit des Friedens fällt es ihm nicht schwer 100000. Mann auf den Beinen zu halten, welche bey angehender [1301] Noth leicht verdoppelt werden. Ehemahls bestund die gantze Stärcke der Rußischen Armée in Strelitzen, welche sich öffters auf 40000. Mann belieffen, allerhand Vorrechte und Freyheit hatten, auch sehr geschickt waren, Aufruhr und Meutherey anzufangen. Nebst den Strelitzen war noch eine andere Art Fuß-Volck, die nicht mit Feuer-Röhren, sondern mit einer Art von Aexten, die man Pardisch genennet, bewaffnet gewesen. Die Reuterey bestund meistens aus dem Adel, welche nach dem Vermögen ihrer Land-Güter, sich mit Knechten in das Feld stellen mußten. Ihre Waffen waren Bogen, Pfeile und Wurff-Spiesse. Allein dieser Zustand des Kriegs-Wesens kam unter Petro I. auf einen gantz anedrn Fuß. Sr. Majestät trugen Verlangen, den Kriegs-Staat, wie andere Nationen , einzurichten, worzu sie sich der Dienste ausländischer und besonders Deutscher Officier bedieneten. Sie richteten eine Compagnie von 50. Mann auf, die mit den Strelitzen keine Verwandschafft und Gemeinschafft hatten, liessen dieselben Deutsch kleiden, setzten ihnen ausländische Ober- und Unter-Officiers, machten sich zur Aufmunterung der Neugeworbenen selbst zum Drommel-Schläger, hiernächst zum Unter-Officier, und so weiter, bis zum Capitain; zogen mit diesem kleinen Hauffen auf die Parade, dabey bildeten sich die Russen ein, daß er diese Leute blos zu seiner Ergötzlichkeit hielte. Doch das kleine Corpo wurde von Zeit zu Zeit verstärcket, bis ein Batallion, und daraus viele Regimenter entstunden, welche endlich der alten Militz, und insbesondere den Strelitzen den Hals gebrochen. Deswegen er auch seine in 10000. Mann bestehende Leib-Guarde, als die Stützte des Reiches, vor allen andern hochhielte. Auf solche Weise ist die Rußische Armée nach und nach in vortreflichen Zustand gesetzet worden. Diese grosse Macht wird in scharffer Kriegs-Zucht gehalten, und ordentlich recroutiret. Ehedem gieng das Aufgeboth sehr verworren zu. Ehe man in die Campagne gehen solte, ward dem Obersten in der Cantzeley eine Liste gegeben, worinnen die Nahmen der Dörffer, woraus sie ihre Mannschafft holen solten, aufgezeichnet waren. Heutiges Tages werden die Recrouten auf Befehl des Senats aus dem Gouvernement genommen, und machen die Statthalter eine Einrichtung nach den unter sich habenden Bauer-Höfen, da denn gemeiniglich vierzig, funffzig, offt auch zwantzig Höfe einen Mann aus ihrem Mittel stellen müssen. Das Rußische Fuß-Volck giebt keinem andern was nach; und ob zwar die Reuterey noch aus lauter ansehnlichen Leuten bestehet; so ist doch noch eins und das andere an ihr auszusetzen, zumahl, da es keine grosse Pferde allda giebt, und ein Russe sich nicht gewöhnen will, sein Pferd wohl zu warten und zu schonen. Die Rußische See-Macht ist anietzo in besondere Betrachtung zu ziehen, welche, mit Verwunderung der gantzen Welt, von Petro I. in kurtzer Zeit sehr hoch getrieben worden. Die Flotte ward durch die tägliche anwachsende Zahl der Schiffe vermehret. Im Jahre 1718. bestand selbige schon aus viertzig Kriegs-Schiffen, und drey hundert Galeeren. Der einzige Fehler bey der Flotte war, daß die Matrosen dem Handwercke noch nicht gewachsen, und die ausländischen Matrosen nicht zulänglich waren, bey einem See-Treffen Manoevre allein zu verrichten. Doch wurden sie nach und nach unterrichtet. Das Rußische Wappen ist ein goldener Schild mit einem schwartzen zweyköpfigten gecrönten Adler, wegen des Griechischen Kayserthums. In dem rothen Mittel-Schilde auf des Adlers-Brust ist ein silberner Ritter St. George, der den Lind-Wurm erlegt, wegen Moscau. In dem ersten Blauen Schildlein, auf dem rechten Flügel des Adlers ist eine göldene geschlossene Crone, unter welcher ein quer liegender [1302] silbender Säbel, wegen des Königreichs Astracan. In dem andern göldenen sind zwey schwartze aufgerichtete Bären, welche mit dem innern Tatzen einen rothen Stuhl, und mit dem äussersten zwey goldene Scepter halten, wegen des Groß-Fürstenthums Novogrod. Im dritten blauen ein silberner stehender Engel mit göldenen Waffen, wegen Kyovien. Im ersten blauen Schildlein des lincken Flügels sind zwey silberne aufgerichtete, und noch ein Paar, als ein Andreas-Creutz geschränckte unter sich gekehrte Wölffe, welche Pfeile halten, wegen des Königreichs Severien. Im zweyten silbernen ein schwartzer gecrönter Lind-Wurm, wegen des Königreichs Casan. Im dritten rothen ein göldener gecrönter aufgerichteter Löwe, welcher ein silbernes Creutz hält, wegen des Fürstenthums Wilodimerien. Die Ritter-Orden sind in Rußland ehedem unbekannt gewesen. Im Jahre 1698. stifftete Petrus I. den Ritter-Orden S. Andreas, und erwehlete zu dessen Ordens-Zeichen ein Burgundisches, oder so genanntes Andreas-Creutz. Auf der einen Seite stehen diese Worte: Petrus Alexiewicz, Possessor & Autocrator Russix. Quer über stund des verstorbenen Czaarewizes Nahmen, nehmlich Alexius Petrowitz. Die Kayserin Catharina stifftete zum Angedencken der am Pruth mit den Türcken vorgefallenen Schlacht einen Orden, dessen Zeichen in einem Creutze an einen weissen Bande, mit der Beyschrifft: Aus Lieb und Treu vors Vaterland, bestehet. So gehöret auch zu den Russischen Ritter-Orden der Orden des heiligen Alexanders Newsky, von dem aber keine zulängliche Nachrichten vorhanden sind. Die Religion haben die Russen, wie andere Nordische Völcker, gehabt, und in dem Heydenthume gesteckt, und sind erst unter Wladimiro zu dem Christlichen Glauben gelangt. Weil aber bereits dazumahl die Trennung zwischen der Orientalischen und Occidentalischen Kirche war vorgegangen; so ergriffen die Russen die Parthey der Griechen, und kommen noch bis ietzo mit denselben in der Lehre und denen Ceremonien gröstentheils überein. In den Kirchen gebrauchen sie keine Instrumental-Music; sie haben auch keine Stühle; sondern stehen entweder, oder liegen auf den Knien, segnen sich vor den Bildern ohne Unterlaß, beten das Gospodin Pomilui, das ist: HErr, erbarme dich! weil die Priester Messe lesen. Sie halten viel auf das Creutz-Schlagen, welches vom Haupte zur Brust, und von der rechten zur lincken Schulter mit zwey Fingern geschiehet. Die Einführung der Bilder wird dem Basilidi zugeschrieben; einige Russen aber eignen sie dem Damasceno zu. Sie geben dem Heylande die erste; und der Maria die zweyte Stelle. Hierauf folgt das Heer der übrigen Heiligen, und iede Noth und iedes Anliegen hat seinen besondern Patron. Jedoch ist unter der neuern Regierung der Eifer vor dieselben etwas gefallen, wie denn auch die Wallfarthen nach den Gebeinen der Heiligen sehr abgenommen haben. Die Fasten werden von ihnen sehr strenge gehalten; und ob zwar Petrus I. sich bemühte, das Volck in etwas davon abzubringen, weil es sich dadurch öffters zur Arbeit und zu Kriegs-Diensten ungeschickt befindet; so hat es doch schwer gehalten, dem gemeinen Volcke den Glauben daran zu benehmen. Im übrigen ist der Gottes-Dienst so beschaffen, daß er wegen der vielen Ceremonien sehr in die Augen fällt. Der Neu-Jahrs-Tag ist einer von den grössesten Fest-Tagen der Russen. Petrus I. hat seit dem eingezogenen Patriarchat angefangen, in der Kirche Lieder zu singen, und vor dem Altare die Epistel vorzulesen; gleichwie auch der Gebrauch des Slawens beybehalten worden. Es bestehet derselbe in folgenden Ceremonien: Zwey Russen gehen mit einer eisernen Maschine, so einer Paucken ähnlich sieht, voran. Der [1303] Klöppel, womit sie darauf schlagen, ist zu Dämpfung des Schalls, mit einem Tuche umwunden. Hiernächst folgt der Kayser mit der gantzen Clerisey, und einem grossem Gefolge von Kneesen und Bojaren. Die gantze Gesellschaft fähret auf Schlitten, und besuchet alle Vornehme des Hofes. Wenn sie in ein Haus kommen, singen sie das Rußische Te Deum laudamus, und den Neu-Jahres-Wunsch ab. Nach dessen Endigung kömmt der Wirth, und giebt dem Kayser, als dem Ober-Priester, eine ansehnliche Erkänntlichkeit an Gelde, und setzet alle diese Gäste an die Tafel, und bewirthet sie aufs beste mit Essen und Trincken. Auch das Fest der heiligen Drey-Könige wird mit vielen Ceremonien begangen, und an demselben das Wasser geweihet. Ehemahls begleitete der Czaar den Patriarchen an diesem Tage, und muste ihm auf, und von dem Pferde helffen, welche Gewohnheit von Petro I. abgeschafft ward. Ueberhaupt ist zu mercken, daß in Rußland die Christliche, Mahometanisch und Heydnische Religion geduldet wird. Wiewohl nun die Christliche eigentlich die Griechische ist; so wird doch auch die Evangelisch-Lutherische sehr geübet; wie man denn in Petersburg 2, in Bialogrodko eine, und in Moscau zwey Lutherische Kirchen findet, ohne die Privat-Versammlungen. Da die ausländischen Generals ihre eigene Priester haben; so ist es billig, sie mit hierher zu rechnen. Die Römisch-Catholischen und Reformirten haben gleichfalls in Petersburg und Moscau ihre Kirchen. Doch wird keine Jesuite gelitten. Auch besitzen die Armenianer eine Kirche in Astracan, und haben einen eigenen Bischof. Ob sich zwar die Rußische Kirche grosser Einigkeit rühmet, und die Streitigkeiten in der Religion scharff verbothen sind; so fehlet es doch nicht an Secten, welche unter den Roskolnicken sich hervor gethan, eine Secte, die um das Jahr 1668. soll entstanden seyn. Sonst heissen diese Separatisten auch Roscolcziki, oder auch Starowersci, das ist, Altgläubige. Sie hält sich gantz abgesondert, ausser, daß sie einige der Russischen Kirche gewöhnliche Ceremonien und Adiaphora beybehält. Sie hält sich in Wäldern und andern abgelegenen Oertern auf; erlegt zwar ihre Contribution richtig, geht aber doch nicht unter solchen Gehorsam, wie die Russen. Man hat sie vergebens auszurotten gesucht. Denn wenn man gleich einige hundert in eine Enge oder Kirche getrieben; haben sie sich doch nicht gefangen geben wollen; sondern das Gebäude mit Feuer angestecket, und sich selbst in die Flamme geworffen, daher auch Petrus I. befohlen, sie in ihren Wäldern, so lange sie ihre Lehre unter den Russen nicht ausbreiteten, in Friede zu lassen. Das Kirchen-Regiment beruhet in dem Gefallen des Kaysers, welcher seine Befehle an die Geistlichkeit publiciren läst. Der gegenwärtige Kirchen-Staat in Rußland beruhet auf dem Ertz-Bischof zu Resan, welcher Exarchus sedis Patriarchalis ist. Der ehemahlige Patriarche stand unter dem Constantinopolitanischen; ward aber von Petro I. abgeschafft. Auf den ietzigen Vice-Patriarchen folgen die Metropoliten von Groß-Novogrod und Welklika, von Rostow und Jaroslow, von Casan und Wiatka, von Saski und Podon; hierauf die Ertz-Bischöffe von Permia und Wologda, Susdal, Tarrn, Tweer, Castin, Syberien, Tobul, Astracan, Teesi, Pleskow, Kiow und Czernicow. Dieser letztere hat die in Pohlen sich befindliche fünff Griechische Bischöffe, als zu Lemberg, Premislaw, Meisslaw, Chelmy und Lacca unter sich. Bißthümer sind zwey in Rußland, zu Colonna und Casti, und zu Smolensko. Denn kommen die Archimandriten und Igumenes, (Aebte und Priores) Popen und Protopopen, (Priester und Ertz-Priester). Die Geistlichen wissen von keinem Predigen, und wird also das Volck schlecht erbauet. Doch hat Petrus I. die Anordnung gemacht, daß von geschickten und gelehrten Priestern das Volck [1304] möge unterrichtet werden. Die Anzahl der Protopopen, Popen und Diaconorum ist, wegen Menge der Kirchen, ungemein groß. Der Ehestand wird von einem Protopopen und Popen unumgänglich erfordert. Hingegen ist derselbe dem Patriachen, Metropoliten, Bischöffen und Ertz-Bischöffen bey Verlust ihres Amtes untersagt. Sie dürffen keine Ringe am Finger, keine Hosen, keine Leinwandene, sondern nur wöllene Hemden, oder ein Cilicium tragen, in keinem weichen Bette schlafen, etc. Jedoch kan der Patriarche ein Hemde von braunem Zeuge tragen. Ihre gewöhnliche Kleidung sind lange schwartze Röcke mit dergleichen Mänteln. Auf dem Kopfe haben sie grosse weite Hauben drey Ellen weit, so hinten wie ein Teller herunter hängen. Wenn sie auf den Gassen gehen; so tragen sie Stäbe, welche sie Posach nennen, und oben eines Fingers lang gekrümmet sind. Zur andern Ehe darff ein Pope nicht schreiten. Doch stehet ihm frey, in den weltlichen Stand zu treten. Ueber die vielen Mönch- und Nonnen-Klöster hat kein Patriache oder Ertz-Bischof etc. zu befehlen. Sie haben ihre Archimandriten, Kilari und Igumenes, und einen von dem Kayser über alle Klöster gesetzten General-Inspector. Sie leben meistens nach der Regel des heiligen Basilii; wenige nach des heiligen Antonii, sehr strenge, essen in dem gantzen Kloster das gantze Jahr kein Fleisch, noch frische Fische; sondern gedörrete und gesaltzene, Honig, Milch, Käse, Garten-Gewächse, beten ein langes Officium von sechs Stunden, observiren im übrigen die gewöhnlichen Kloster-Gelübde. Die Nonnen gehen in langen schwartzen Röcken mit weiten Ermeln. Um den Leib spannen sie einen Gürtel. Auf dem Haupte tragen sie schwartze, auf die Schulter herabhangende Hauben, und wenn sie bey dem Gottes-Dienste sind, bedecken sie auch noch den obersten Theil des Gesichts mit einem Flor. Ihre Horas halten sie bey Tage und bey Nachte, und singen in zwey Chören, nach Rußischen Noten. Es gehen aber die Melodien fast in einem Tone weg, und haben nichts künstliches. Die Historie des Rußischen Reichs und Nation zu beschreiben, scheinet zwar eine schwere, aber nicht an sich selbst unmögliche Sache zu seyn. Es ist diese Nation in Aufzeichnung ihrer Geschichte nicht so nachläßig gewesen, als man sich insgemein einbildet. Es haben verschiedene vornehme Hauser in Rußland seit etlichen hundert Jahren, alle Begebenheiten der Czaare, in welche ihre Familie und Anverwandten mit geflochten gewesen, zu Papiere gebracht, und der Nachkommenschaft hinterlassen. Es ist aber zu beklagen, daß die Besitzer derselben mit diesen Nachrichten insgemein geheim thun, und selbige nicht an das Tage-Licht kommen lassen. Die gröste Unwissenheit ist in der Historie der alten Zeiten anzutreffen. Das meiste, was man davon erzehlt, siehet fabelhafft aus. Die ältesten Jahr-Bücher dieser Nation erzehlen, daß vor dem neunten Jahrhunderte dieses grosse Reich in viel kleine Herrschafften zertheilet gewesen, und mit einem an der Ost-See gelegenen Volcke der Wareger in beständigem Kriege gelebet. Endlich wäre ein kluger und verständiger Bürger von Neugard, Namens Gostomissel, auf den Vorschlag gefallen, man solte die Wareger und drey kluge Herren vom Fürstlichen Stamme ersuchen, und selbige zu Regenten über Rußland machen. Einige führen auch die Nahmen dieser drey Herren an, und nennen sie Rurich, Sinaus und Truwor, welche die Russischen Länder unter sich getheilet, bis endlich Rurich, nach Absterben der beyden Mit-Regenten, ganz Rußland allein behalten. Die Griechischen Historien-Schreiber gedencken, daß um diese Zeit die Russen starcke Einfälle in die Oreintalischen Länder gethan, auch einige von ihnen die Christliche [1305] Religion angenommen, nicht aber lange behalten hätten. Dem Rurich folgte Iger, welcher seine Siege bis an Nicomedien und Heraclea ausbreitete, endlich aber auf der Flucht von Maldito, dem Fürsten der Drewlianer, im Jahre 950. erschlagen worden. Die Regierung übernahm nach seinem Tode seine Gemahlin Olba oder Olga, welche die Vormundschafft über ihren Sohn, Swatoslaus, führte, und einen sehr tapferen Geist von sich blicken ließ. Im Jahre 941. erhielten die Griechen einen vollkommenen Sieg über die Rußische Flotte, worauf die Olga nach Constantinopel gieng, und daselbst die heilige Tauffe, nebst dem Nahmen Helena, erhielt. Um das Jahr 959. fand sich auf den Rußischen Gräntzen der heilige Adelbert ein, welcher auch zu Rom zum Bischoffe der Russen war ordiniret worden. Er muste aber bald unverrichteter Sache abkehren. Swaroslaus war ein guter Soldate, und führte ein strenges Leben, und lag meistens auf der blossen Erde, mit einem Sattel unter dem Kopfe. Er überwand die Bulgaren bis an die Donau, schlug die Griechen, den Kayser Basilium und Constantinum, wurde aber auf seinem Zurückzuge von Constantinopel, von dem Fürsten Bonoinger hinterlistiger Weise erschlagen, und aus seinem Hirn-Schedel ein Trinck-Geschirr verfertigt. Er theilete noch bey Lebzeiten das Reich unter seine drey Söhne, davon der eine Wolodimir, der ausser der Ehe gezeuget war, im Jahre 976. alles wieder zusammen brachte. Unter ihm nahm die Rußische Nation, um das Jahr 987, den Christlichen Glauben an, nachdem sich zuvor dieser Wolodimir mit Annen, einer Schwester der Griechischen Kayser Basilii und Constantini, vermählet hatte. Er nahm den Nahmen Basilius an, und ward unter die Heiligen gezehlt, dessen Fest-Tag noch ietzo den 15. Julii feyerlich begangen wird. Sein Tod gab zu vielen Theilungen und Unordnungen Anlaß. Endlich brachte Jaroslaus, um das Jahr 1033. alle Provinzen zusammen, und nennete sich einen Monarchen von Rußland. Nach seinem Tode erfolgte wieder eine fünffache Theilung unter seinen hinterlassenen Printzen. Die Pohlen und Tartarn bedienten sich dieser Uneinigkeit zu ihrem Vortheile. Bisweilen that sich auch etwa ein Rußischer Printz hervor; besonders ward damahls das Königreich Halycz bekannt, welches im schwartzen Reussen lag, und von den Pohlen unabläßig beunruhiget ward, welches sie auch, nach Absterben seines Königs Leonis, meistens unter sich brachten. Die Tartarn überschwemmten im Jahre 1224. gantz Rußland, verwüsteten die Residenz Wolodimeria; und brachten die Rußischen Regenten unter ihr Lehn. Um das Jahr 1477. ward man dieses Joches erst wieder loß. Fürst Daniel legte um das Jahr 1500. seine Residentz nach Moscau. Die Pohlen nahmen den Russen von ihren Ländern ab, was sie nur konnten. Diese Unordnung dauerte bis auf Johannem Basilidem, welcher den Grund zu ietziger Grösse von Rußland legte. Er brachte das Fürstenthum Tweer an sich, und vertrieb dessen Fürsten, Michaelem. Seine zweyte Gemahlin war Sophia, eine Tochter Thomae Palaeologi, eines Sohnes Kaysers Emaunuelis, und nach Ermordung seines unglücklichen Bruders Constantini, nächsten Erbens vom Orientalischen Kayserthume, welches aber in Türckische Hände verfallen war. Diese Sophia erweckte in ihrem Gemahl die Begierde, das Tartarische Joch abzuschütteln, worinnen er nicht nur glücklich war; sondern auch die mächtige Handels-Stadt Novogrod an sich brachte; die Severischen Printzen, so von Pohlen abfielen, unter seinen Schutz nahm; in Casan Könige einsetzte, die Perinner, Ingrer, Bulgarer und Syberier zu einem Tribut nöthigte; Ivanogrod in einem Sommer erbauete; sich den Titul eines Groß-Fürsten von Wladomir, Moscau und Novogrod gab, und sich einen gebieterischen Herrn über alle Russen nannte. Als er im Jahre 1505. starb, bemächtigte [1306] sich Gabriel, der hernach Basilius hieß, seines Stieff-Bruders Demetrii, und setzte ihn ins Gefängniß. Er suchte die Siege seines Vaters fortzusetzen. Der erste Anschlag auf Smolensko, welcher von einem Lithauischen Malcontenten, Michael Glinsky, befördert ward, lieff unglücklich ab. Im Jahre 1509. eroberte er Pleskow; schloß mit dem Kayser Maximiliano eine Allianz wider Pohlen; nahm Smolensko mehr durch Geld, als Gewalt ein; eroberte die Nordischen Länder Pelzora, Pagina, einen Theil von Samojedien, Vogulizia, Vgroja, Grussina, Obdora, Condora, Calama, und Premskaw, und erweiterte seine Gräntzen bis an das Eiß-Meer, Nova-Zembla, und den Fluß Oby. Er bemächtigte sich der Stadt Plesgow, und der Stadt und des Fürstenthums Smolensko. Sein Sohn, Johannes Basilides, unterwarff sich das Tartarische Königreich Casan, und ward Herr von Astracan. Was er sonst in Liefland gewann, ward in den folgenden Zeiten wieder verlohren. Viele Geschichtsschreiber nennen ihn einen unbedachtsamen, grausamen Tyrannen; allein die gemeinen Nachrichten finden viel darwieder zu erinnern. Er starb 1584, und hinterließ einen Sohn Theodor, oder Foedor Iwanowicz, einen einfaltigen Herrn. Er starb 1598, und alsdenn ward das Rußische Reich in einem Zwischen-Reiche, 50. Jahr, durch den Boris Godenow, und die vier falschen Demetrios gewaltig zerrüttet. Die Pohlen und Schweden nahmen den Russen die besten zwey Festungen, Smolensko und Neugard ab. Endlich erwehlten die Russen im Jahr 1613. Michaelem Foederowicz zum Groß-Fürsten, einen Printzen aus dem alten Geschlechte Romanow. Er fand das Reich in grosser Unordnung; brachte aber solches durch seine Klugheit bald zur Ruhe. Er schloß mit den benachbarten Potentaten Friede, und überließ den Pohlen Smolensko und Czernicow; den Schweden Kexholm und Ingermannsland. Er war ein tugendhaffter und gütiger Herr. Sein Tod erfolgte im Jahre 1645. den 12. Julii, im 49. Jahre seines Alters, und im 33. seiner Regierung. Von seiner Gemahlin Iconomasia ward Alexius Michaelowicz im Jahre 1630. den 17. Mertz gebohren, welcher seinem Vater in der Regierung folgte, welche ihm sein Obrist-Hofmeister getreulich führen half. Die in Moscau, Neugard und Pleskow entstandene Empörungen machten ihm Anfangs viel Beschwerde; wurden aber durch Hinrichtung der Urheber gestillet. Die Cosackischen Händel zogen ihn zu einem Kriege mit Pohlen, indem er die Zaporowischen Cosacken in seinen Schutz nahm, sich von ihnen die Städte Nimerow und den Brazlowischen District einnehmen ließ, und mit einer Armée von 50000. Mann in Litthauen einbrach, welche auch so glücklich war, daß sie die grosse Handels-Stadt Poloczkow, die Festungen Smolensko, Dombronna, Mohilow, Willna, Witepsk, die Festung Kioff und Bialoczerkiow, auch viele andere Städte eroberte. Jedoch wendete sich das Glücke gar bald. Die Cosacken wurden wanckelmüthig, welche auch im Jahre 1660. mit den Tartarn einen Streiff in Moscau thaten, und alles verheerten. Die Pohlen wurden dadurch muthig, breiteten sich in Litthauen aus, bis endlich im Jahre 1667. ein dreyzehnjähriger Stillstand geschlossen ward, in welchem die Pohlen alles, was disseits des Dniepers liegt, wieder abgegeben wurde. Hingegen blieb Kiow, Smolensko sammt der Ukraine jenseit des Dniepers den Russen, die aber in gedachtem Flusse liegende Japorowische Insuln blieben Pohlen gemeinschafftlich. Indessen hatten die Cosacken sich unter Türckischen Schutz begeben, und wurden durch die Waffen des Czaars im Jahre 1668. genöthigt, die ihm vorbehaltenen Plätze auszuantworten. Im Jahre 1670. wurde mit den Tartarn ein Friede geschlossen, und denselben gegen Versprechung, sich alles Streiffens zu enthalten, ein gewisses jährliches Donativ zugesagt. Die von dem Cosackischen Rebellen, Stephan Raczin, entsponnene gefährliche Rebellion wurde mit dessen Tode gedämpfet, und die von ihm bereits eroberten [1307] zwey Königreiche, Casan und Astracan, gerettet. Von seiner Gemahlin Ilginishna ward Alexius Alexiewicz, welcher Candidat von der Pohlnischen Crone war, als Casimir selbige niederlegte, gebohren. Foedor Alexiewicz bekam im Jahre 1676. die Regierung, und erhielte das Jahr darauf in der Gegend von Czenchim eine Haupt-Schlacht wider die Türcken, in welcher über 40000. erlegt wurden. Er versicherte Rußland den Besitz von Smolensko und Kiow, und starb im Jahre 1682. den 27. April, worauf der Scepter von Rußland an seine beyden Brüder, Ivan und Peter Alexiewicz kam, welche die Verwaltung des Reiches 6. Jahre mit grosser Eintracht führten. Ivan übergab es alsdenn, wegen schwächlicher Leibes-Constitution, seinem Bruder völlig, und lebte bis 1696. gantz stille, da er denn starb. Im Jahre 1725. den 8. Februarii ward der Rußische Thron durch das Absterben des grossen und klugen Monarchen, Petri Alexiewicz, des ersten Kaysers, erlediget. Alle Grossen des Reiches gaben sich viele Mühe, iedoch nicht einträchtig; sondern nach verschiedenen Absichten, diesen Thron wieder zu besetzen. Rußland war dermahlen in einem solchen Zustande, daß von aussen nichts zu befürchten; und innerlich Kräffte genug vorhanden waren. Die Miliz war starck, schön und geübt. Die Land-Miliz ward ebenfalls stets in Waffen-Uebung erhalten, und konnte allemahl ein beträchtliches Heer zusammen gebracht werden. Die Artillerie und Fortification war in fürtrefflichem Zustande. An geschickten Ingenieurs war kein Mangel, und die Rußische Jugend bey ihnen in fleissiger Erlernung begriffen. Die Verfassung zur See hatte 60. bis 70. mehrentheils tüchtige Kriegs-Schiffe, nebst einer Menge Galeeren und Brigantinen. Das gemeine Schiff-Volck war sehr hart und verwegen: und was an einem Theile der Russischen See-Officiers noch an Wissenschafft und Ueberlegung abgieng, das ward durch die Zahl derer aus fremden Ländern Beruffenen ersetzt. Der Schiffs-Bau war im schönsten Flor, und wurden allezeit Leute nach Engelland, Franckreich und Holland auf Kayserliche Kosten geschickt, um in dieser Kunst sich vollkommen zu machen. Der schöne Cronstädtische Hafen ward durch das daran liegende Cronslottische Castell beschützet. Also war Rußland genugsam im Stande, einer feindlichen Gewalt zu begegnen; insonderheit, da die votheilhaffte Lage desselben solche Sicherheit noch mehr befestigte. Es war von allen benachbarten Seiten ohne Sorgen; iedoch konnte es auch zu gleicher Zeit nach Petri I. Tode, und bey der ersten darauf folgenden Regierung keine Projecte zu auswärtigen Unternehmungen machen, weil der allgemeine Nutzen dem Nordischen Gleichgewichte im Wege stand; auch die Haupt-Absicht der neuen Regierung nur dahin gehen muste, von aussen das erworbene Ansehen; im Lande selbst aber die gemachten fürtreflichen Anstalten im Wesen zu erhalten, das Volck und Land nach Möglichkeit zu cultiviren, und die Handlung zu erweitern. In welcher Absicht beständig Leute ausgeschickt wurden, um in den weiten Provinzen die hierzu nöthigen Anmerckungen zu machen, auch derselben Natur und Eigenschafft besser zu entdecken. Auch ward ein neuer Versuch gethan, ob man durch das Eiß-Meer nach America kommen, und durch einen nähern Weg über die Stadt Kannhaz den Handel nach China erleichtern könnte. So sahe es in Rußland aus, als dieser Monarche starb. Bey seiner errichteten und von allen Unterthanen beschwornen Successions-Verordnung hatte er die Absicht, seine Familie und Nachkommen auf dem Throne zu erhalten. Auf dem Sterbe-Bette ernennete er seine Gemahlin mündlich zur Nachfolge, und empfahl sie denen Umstehenden, weil er seines Lebens-Ende sich nicht so nahe vorgestellt, und deswegen kein [1308] schrifftliches Testament errichtete hatte. Er besorgte aber, daß viele Unterthanen, nach seinem Ableben, sich von dem gethanen Eide loß machen, und ihren Neigungen und Vorurtheilen folgen würden. Er wuste, daß das Rußische Volck nicht raisonniret, und daß es sich leiten lässet, wie es ein beherzter und kluger Führer haben will, folglich alle Staats-Veränderungen auf die Grossen des Reichs ankommen würden. Unter diesen waren überaus viele Mißvergnügte, welche die Regierung des verstorbenen Kaysers einer gar zu grossen Strenge beschuldigten, und allerley betrübte Merckmahle in ihren Familien davon zur Erinnerung brachten. Andern Alten gieng der merckliche Abgang ehemahligen Gewohnheiten noch zu Hertzen. Andere waren der Descendenz Petri I. abhold, und liessen sich vermercken, daß man die Regierung Jure postliminii wieder auf die Familie des Czaars Ivan, Petri I. ältern Herrn Bruders, bringen müste, und alsdenn hoffen könnte, von einer Regentin, welche Cron und Scepter nicht durch das neu eingeführte Successions- sondern ihr angestammtes, und vermittels der freywilligen Neigung der Grossen wiederum behauptestes Recht erhalten, mehr Danck und Liebe zu verdienen, mithin die gantz gefallene Auctorität der Bojaren wieder empor zu bringen. Alles dieses zielte nun dahin, die alte Souverainität abzuschaffen, und die Kayserliche Gewalt guten Theils an den Senat zu binden. Hingegen urtheileten diejenigen, die nicht in solchen Gedancken und solcher Neigung waren, daß aus dergleichen Veränderung nichts als Zwiespalt und Empörungen entstehen, auch die alte Barbarey wieder die Oberhand gewinnen, nicht weniger die in Russichen Diensten stehende und unentbehrliche Ausländer zum Verfall des Reiches abgedanckt werden würden. Diese Betrachtungen standen den Urhebern der einzuschränckenden Gewalt im Wege, um ein Systema einzuführen, welches der Art und Gewohnheit des Rußischen Volcks so sehr zuwider, als dem allgemeinen Nutzen des Reichs nachtheilig war. Es kam also noch auf die Person an, welche den Rußischen Thron besteigen solte. Denn da waren die Kayserin und ihre Printzeßinnen, der junge Groß-Fürst, als des unglücklichen Czaarewiczen hinterlassener Printz, und die drey Ivanischen Printzeßinnen, welche alle die Vota der Nation getheilet hatten. Viele Politici meynten damahls, daß der junge Groß-Fürst, wegen seiner angenehmen und fürtreflichen Eigenschafften, und weil er in Ansehung seines Herrn Vaters die Liebe des Volckes für sich hatte, zum Ober-Haupte erkohren werden, und die Regierung unter der Vormundschafft des Senats bis zu seiner Mündigkeit anfangen und fortsetzen würde. Aber es war bechlossen, daß Petri I. Gemahlin, Catharina, zuerst dieser Hoheit theilhafftig werden solte. Sie hatte sich bisher bemühet, die Hertzen der Unterthanen durch Wohlthun, Fürbitte und Freundlichkeit zu gewinnen. Insonderheit war sie stets bemüht gewesen, von der Neigung der Preobrazinskischen Leib-Guarde sich zu versichern, welche Vorsichtigkeit ihr denn auch bey dem Sterbe-Falle des Kaysers dergestalt zu statten kam, daß der für ihre Erhöhung arbeitende Fürst Menzikof wenig Mühe hatte, nebst dem General Butterlin, die Chefs der Leib-Regimenter auf ihre Seite zu ziehen, und die Widerwärtigen zu überstimmen; besonders da die Mildigkeit hier auch nicht vergessen, und der Nation die Versicherung gegeben wurde, daß die Erwählung der Kayserin dem jungen, und zur Regierung noch unmündigen Printzen, an seiner unmittelbaren Cron-Folge nicht hinderlich seyn, noch seinem Rechte das geringste benehmen solte. Man brachte dabey alle Geistlichkeit zur Erinnerung, daß sie durch ihr ehemahliges Synodal-Urthel den unglücklichen Vater des jungen Groß-Fürsten zum Tode verdammt hätten, und daß, wenn dieser letzte vor Erreichung eines männlichen Alters und reiffen Verstandes zur [1309] Regierung käme, er diese noch in gantz frischen Andencken ruhende Sache hervorsuchen, und es ihnen gedencken würde; da sie hingegen Hoffnung haben könnten, unter der Regierung der Kayserin Catharinae zu einem Theile ihrer verlohrnen Auctorität, ja wohl gar wieder zu einem Patriarchen zu gelangen. Diese Bewegungs-Gründe thaten die gewünschete Würkung, und erwarben die Geistlichen Stimmen. Hierzu kam eine fast allgemeine, auch hiernächst erfüllete Hoffnung, daß man unter diesem weiblichem Regimente einer mehrern Ruhe und gelindern Führung geniessen würde, wodurch es endlich dahin kam, daß diejenigen, welche lieber dem unumschränckten Macht-Spruche eines gekrönten Haupts, als einigen eigennützigen Mit-Brüdern unterworffen seyn wolten, die Kayserin, und zwar nach Art der Römer, ex cohorte praetoriana auf ihrem Throne bekräfftigten, und dadurch die vorige Hoheit und Souverainität desselben im Fortgange erhielten. Darauf ward im Senat ein Manifest zur Publication ausgefertigt, und im gantzen Reiche durch Abstattung einer vorgeschriebenen Eydes-Formul die Huldigung eingenommen. Hierauf war man bedacht, die Regierungs-Sachen, so viel möglich, in Ordnung zu bringen. Der Senat beschloß mit Ihro Majestät Genehmhaltung, daß vier Tage in der Woche vor dessen Beschäfftigung ausgesetzt, auch nach Endigung einer ieden Session, 2. Reichs-Räthe an die Kayserin geschickt würden, um von demjenigen, was angenommen und beschlossen war, den gebührenden Bericht abzustatten, und die Bekräfftigung einzuholen. Es wurden aber iedesmahl zwey andere Senatores zu solchen Deputationen genommen, damit keiner deßfalls sich ein Recht anmassen, oder bey der Souverainin einen Credit für den übrigen erwerben möchte. Die übrigen beyden Werck-Tage der Woche wurden denen geheimen Staats-Berathschlagungen gewidmet. Die bisherige Kopf-Steuer, welche nach Deutschen Gelde 2. Rthlr. und 6 Gr. betrug, wurde um den achten Theil vermindert, denen Kriegs-Völckern der rückständige Sold bezahlt, und noch 20000. Mann angeworben. Die Flotte blieb in gegenwärtigen Stande, und die Gräntz-Festungen wurden in einem bessern Wehrstand gesetzt, auch an dem Ladogaischen Canale jährlich von 15000. Soldaten gearbeitet, und ihnen ein besserer Unterhalt, als vorhin, gereicht. Viele unter der vorigen Regierung ins Exilium vertriebene Personen wurden zurück beruffen, und wieder in Dienste gesetzt, da denn der ehemahlige, um das Reich verdiente Vice-Cantzler, Baron von Schafferof, sich dieses Glückes zu erfreuen hatte. Ueberhaupt machte man einen heilsamen Entwurff, die Ehre GOttes, als den höchsten Endzweck einer wohl eingerichteten Regierung, zu befördern; denn auch die Ehre, Hoheit, und das Ansehen dieser Regentin zu erhalten; Gerechtigkeit, Friede und Ruhe zu handhaben; die Nahrung der Unterthanen zu verbessern; ihnen Schutz und Schirm zu verschaffen; die ehemahlige grobe Unwissenheit, durch Fortsetzung der eingeführten Wissenschafften, gäntzlich zu verbannen; folglich im geistlichen und weltlichen Stande ein allgemeines Wohlseyn zu behaupten. Bey allen diesen nützlichen Einrichtungen konnte der Kayserin eine durchgehends hervor blickende Liebe des Volcks nicht fehlen, besonders, da sie keine Gelegenheit vorbey gehen ließ, Gnade und Barmhertzigkeit zu erzeigen, auch vor den jungen Groß-Fürsten, den sie stets zur Seiten hatte, eine zärtliche Neigung öffentlich spüren zu lassen, weil sie wuste, wie es in den Hertzen der Unterthanen für diesen Printz beschaffen war. Ob es nun gleich bey dieser weiblichen und gelinden Regierung mehr, als vorhin, auf die eigenwillige Application der Diener ankam, und die alte unter der Aufsicht Petri I. erfoderte genaue Beobachtung, [1310] auch der schnelle Erfolg in einigen Stücken nachließ: so konnte man doch bey dem Haupt-Wesen, in der einmahl wohl eingerichteten, und in Gang gebrachten Machine, keine Veränderungen wahrnehmen, vielweniger besorgen, daß dieselbe ohne Ereignung grosser und wichtiger Begebenheiten zerfallen würde. Dem aber ohngeachtet schlich sich gar bald in viele Gemüther ein Mißvergnügen ein, welches hauptsächlich durch die wieder empor steigende Autorität des Fürsten Menzikofs, und weil er seine Gewalt mißbrauchte, erreget, und täglich vermehret wurde. Dieser hatte in Rußland den Gipfel der Glückseeligkeit schon unter dem Kayser Petro I. erstiegen; war aber theils seines Hochmuths; theils seiner Ungerechtigkeit wegen in Ungnade gefallen, und vieler Ehren-Aemter entsetzt worden; hatte aber doch noch durch Fürbitte der Kayserin einige behalten, und bey der Regierung gedachter Catharinae wurde er in seiner Autorität bestätiget. Nunmehr ließ er seine Hoffarth von neuem blicken, insonderheit, da er ohne Vorwissen und Einstimmung des Senats sich wichtigen Sachen unterzog, und derselben Vollstreckung eigenmächtig verfügte. Inzwischen ließ doch Menzikof seine Printzen und Printzeßinnen durch Deutsche und Frantzösische mit grossen Kosten zu unterhaltende Hof-Meister und Hof-Meisterinnen in allen Fürstlichen Eigenschafften und Wissenschafften auferziehen. Im Februario des 1725. Jahres wurde dem in der Ukraine commandirenden Fürsten und General Gallizin Befehl zugeschickt, sich nach Petersburg zu verfügen, weil man an seiner vollständigen Ergebenheit vor die Kayserin einigen Zweifel hegte, und deswegen seine Gegenwart nöthig fand, um ihn entweder durch Gutthaten zu gewinnen, oder sich seiner Person zu versichern, sintemahl er unter dem Volcke, und insonderheit bey der Armée sich durchgehends eine sonderbare Liebe und Hochachtung; im Kriege selbsten aber grossen Ruhm erworben hatte. Es wurde auch in diesem Monathe ein Kirchen-Gebet für die Kayserin und ihre Printzeßinnen verordnet, welches zu allerley Nachdencken Anlaß gab, weil dasselbe den jungen Groß-Fürsten mit Schweigen übergieng. Im Mertz wurden verschiedene Campements auf den Gräntzen veranstaltet, und der General-Feld-Marschall, Fürst Repnin, beordert, selbige zu commandiren. Er entfernte sich ungern von Hofe, muste aber seinen gar zu mächtigen Widersacher, dem Fürsten Menzikof, weichen. Dieser letzte hatte am grünen Donnerstage die Ehre, daß, als die Kayserin vor dem Altare zur Heiligen Dreyfaltigkeit ihre Andacht verrichtete, er, als ältester Ordens-Ritter, ihr den St. Andreas-Orden umlegte. Den 6. Aprilis wurde der ehemahlige Vice-Cantzler, Baron von Schaffirof, von der Kayserin in die verlohrne Freyheit, Gnade und Ehre förmlich wieder hergestellt, und nachher in wichtigen Staats- und Handlungs-Angelegenheiten mit grossen Nutzen wieder gebraucht. Diese so gnädige Aufnahme war ein scharfer Stachel in seiner Feinde Augen; und es konnten diese nicht begreiffen, warum der Fürst Menzikof sich solcher Begnadigung nicht stärcker widersetzt hatte. Sie erwegten aber nicht, daß die Kayserin bey sich fest gesetzt, ihre Regierung mit Gnade und Gelindigkeit anzufangen; daß sie in der Campagne am Prut dem Dienste des Baron Schaffirofs wegen ihres Lebens und ihrer Freyheit verpflichtet war, und daß sie auf die Intercession ihres künfftigen Herrn Schwieger-Sohns grosse Achtung wendete; auch der Fürst Menzikof solchen starcken Gründen nicht zu widerstehen vermochte, als er zu thun willens war, weil er bey der täglich anwachsenden Menge seiner Feinde den Entschluß fassete, sich mit dem Baron Schaffirof wieder zu versöhnen, und dadurch seine Gegenwehr zu verstärcken. [1311] Am Oster-Feste hatten die Vornehmsten des Hofes und die ausländischen Ministri die Ehre, der Kayserin die Hand, ihre Gemahlinnen aber die Wangen, zu küssen. Den 16. Aprilis war ihr Geburts-Tag, sonder einige Pracht, gefeyert, weil 14. Tage zuvorher die Beerdigung des Kaysers geschehen war, von welchem also hier nichts mehr zu erwehnen ist, als daß einige der Kayserin anriethen, dem Cörper seine Ruhe in denen alten Czaarischen Begräbnissen der Stadt Moscau zu gönnen. Sie erhielten aber die Antwort: Die alten Czaare möchten ruhen, wo sie wären: ihre Schuldigkeit erfordere, daß sie ein Mausoleum der Danckbarkeit vor ihren Augen, und mitten in Petersburg aufrichtete. Nach kurtzer Zeit veränderte der Ertz-Bischof von Novogrod, als der vornehmste Geistliche von Rußland, auf einmahl seine bisherige Aufführung gegen die Kayserin, und ließ sein Mißvergnügen auf allerley Weise ausbrechen. Damahls lauteten einige Nachrichten, daß er zum Besten des jungen Groß-Fürsten harte Reden geführet, auch auf die wiederherzustellende Auctorität der Geistlichen ungeziemend gedrungen hätte. Daher er auch wegen anderer groben Verbrechen seiner Ehren-Aemter entsetzet wurde, und in das an dem Ufer des Flusses Dwina gelegene Kloster Xerel exiliret werden solte, welche Straffe aber hernach noch gemildert ward, daß er in dem Kloster Walday, zwischen den Städten Novogrod und Moscau seine übrige Lebens-Zeit zugebracht hat. Inzwischen gewann die Kayserin durch ihre bey dieser Sache gezeigte Lindigkeit die Hertzen der Unterthanen ie mehr und mehr, insonderheit, da sie die dem jungen Groß-Fürsten bisher bezeigte Liebkosungen täglich verdoppelte; iedoch das Wohlseyn ihrer eignen Printzeßinnen nicht aus den Augen setzte. Um diese Zeit eröffnete die Kayserin ihrem Hofe, daß die von ihrem Gemahl beschlossene Vermählung dero ältesten Printzeßin Annae, mit Ihro Hoheit dem Hertzoge von Holstein, im May ihren Fortgang gewinnen, und mit aller möglichster Pracht vollzogen werden solte. Der Fürst Menzikof wurde zum Marschall, und vier und zwantzig andere zu Schafnern ernennet. Der Groß-Admiral Apraxin überließ dem hohen Braut-Paare sein prächtiges Haus mit allen Meublen. Der Braut-Schatz der Printzeßin bestand in 125000. Ducaten, ohne den ihr beygelegten Jubelen-Schmuck. Dabey ward Sr. Hoheit dem Hertzoge noch über dieses jährlich, so lange er mit seiner Gemahlin in Rußland bleiben würde, eine ansehnliche Summe Geldes versprochen, auch demselben die Insul Oesel, mit ihrem Ertrage angewiesen, und eingeräumet. Die Kayserin beschloß, in dem vorstehenden Sommer 12. Kriegs-Schiffe und 7. Fregatten auf der Ost-See sich bewegen zu lassen, damit das Schiffs-Volck in der Manoeuvre bleiben möchte. Auch musterte sie die Preobrazinskische Leib-Guarde, von welcher sie sich nunmehro als Obriste declarirt hatte. Nach vollendeten Exercitiis, an welchen der junge Groß-Fürst sich sehr ergötzte, und dabey niemahls von der Kayserin Seite kam, wurde denen Soldaten allerley Speise und Tranck im Ueberflusse gereichet. Mit dem St. Alexander-Ritter-Orden, welchen Petrus I. zwar aufgerichtet, aber nicht ausgetheilet hatte, wurden nunmehro verschiedene Standes-Personen begnadigt. Den 16. Junii kam der Printz von Georgien oder Meliten, mit mehr als 1000. Adelichen Georgianern zu Petersburg an, und wurde mit grossen Ehren-Bezeigungen empfangen. Die in seinem Lande erlittene Drangsale hatten ihn genöthiget, sich unter Rußischen Schutz zu begeben, gleichwie sein Vetter, der Printz Melitinsky, Rußischer General-Feld-Zeug-Meister, auch gethan hatte. Er ward den 22. Junii Nachmittags um 6. Uhr zur Kayserlichen Audienz abgeholet, welche eine Stunde dauerte. Der Printz empfing alle Versicherungen eines kräfftigen Beystandes [1312] und Schutzes. Seine mitgebrachten Geschencke bestunden in Persianischen Teppichen und Pferde-Decken. Die eigentliche Ursache seiner Ankunfft war theils der verwirrte Zustand im Orient überhaupt; theils auch, und besonders, weil der junge Sophi, Sciat Agla, den Rußischen Minister von seinem Hofe gewiesen, und weil die Persianer die Russen aus der Gregorianischen Stadt Langa, und aus der gantzen Provintz Gilan vertrieben hatten. Inzwischen wurden von der Kayserin 50000. Mann Cavallerie nach dem Orient zur Verstärckung der daselbst liegenden 22000. Russen geschickt, weil die letztern durch Kranckheiten den dritten Theil der ihrigen verlohren, und die Tartarn die Communication zwischen Astracan und der Festung zum Heiligen Creutz, durch Besetzung des Flusses Sulak, mithin dieser Festung alle Zufuhre abgeschnitten hatten. Den 9. Julii wurde der Graf Sava ernennet, als Gesandter nach China zu gehen, um der Kayserin Erhöhung auf den Thron dem dasigen Regenten kund zu thun, und die nachbarliche Freundschafft, zum Besten des Handels, von neuem zu befestigen. Am Tage des Apostels Petri verfügte sich die Kayserin mit dem gantzen Hofe in die Haupt-Kirche, woselbst der Leichnam des Kaysers noch zur Schau lag, und ihm von dem Ertz-Bischoffe Theophano eine Lob-Rede gehalten wurde. Weil der 19. Augusti derjenige Tag war, an welchem Petrus I. die Leib-Guarde der Preobrazinsky aufgerichtet hatte: so wurde dieser Tag auf Befehl der Kayserin feyerlich beehret, und viele Staabs-Officiers befördert. Inzwischen wuchs das Ansehen des Barons Schaffirof von Tage zu Tage wieder an, und stund mit dem Fürsten Menzikof, und dem geheimen Rath Tolsty, wenigstens dem äusserlichen Ansehen nach, in gutem Vernehmen. Sein Sohn und Schwieger-Sohn, der Fürst Gagarin, wurden zu Ehren-Aemtern bey Hofe gezogen. Er kauffte eines seiner confiscirten Güter wieder, und bezog auch seinen ehemahligen Pallast, welcher sonst zu einer Academie gewidmet worden war. Der Graf Gallowin ward in diesem Monathe, als ausserordentlicher Abgesandter nach Schweden geschickt. Den 6. Septembris fand sich der General und Graf von Münch zu Petersburg ein, und beschwerte sich, daß man die an dem ihm vertrauten Ladogaischen Canale arbeitende Soldaten, ohne Ursache wegnähme, und dadurch den Fortgang dieses so glücklich und erwünscht angefangenen, und schon mehrentheils zu Stande gebrachten Werckes auf einmahl unterbräche. Nach Untersuchung der Sache fiel die Schuld auf den sich alle Regenten-Gewalt anmassenden Fürsten Menzikof, welcher die Trouppen, unter dem Vorwande, sie zu schonen, von dem Canale zurück gezogen hatte, und ietzo befehligt wurde, sie ohne Säumniß wieder hinzuschicken, daß also der Graf Münch das Vergnügen hatte, die Arbeit mit Krafft und Nachdruck fortsetzen zu lassen. Auf die Vorstellung und Bitte, welche die Kaufleute von Archangel thaten, daß der Handel so wohl daselbst, als in Petersburg, und nicht privative in dem letzten Orte allein aufrecht erhalten werden müste und möchte; so wurde solchem Ansuchen Statt gegeben, und dadurch das Archangelische Commercium befestigt. Aus der Kriegs-Cantzeley ward eine Liste der würcklich auf den Beinen habenden Trouppen, die da regulirt sind, überreichet, und da fand es sich, daß sie aus 180000. Köpfen bestand, ohne die Tartarn, Cosacken, Calmucken mit darunter zu rechnen. Es wurden im Octobri, abermahls 10. Batallions beordert, nach Persien zu gehen, und die dortige Armée zu ergäntzen. Im November wurden zu Petersburg zwey Bösewichter enthauptet, welche sich vor den Czaarewicz Alexi Petrowicz ausgaben. Einer hieß Alexander Sennkof, eines Glöckners Sohn, aus dem Syberischen Pagorelsky, welches ein Flecken ist. Der andere war ein Fuhrmann, und hieß Estefei Artemis, eines Bauern Sohn aus Juschin in Siberien. [1313] Den 5. December wurde der Nahmens-Tag der Kayserin Catharina mit aller ersinnlichen Pracht celebriret, und durch die Erhöh- und Beförderungen unterschiedlicher geheimden Räthe noch ansehnlicher gemacht. Unterdessen hatte der Rußische Gesandte zu Constantinopel beständig darauf gedrungen, mit der versprochenen Gräntz-Scheidung ein Ende zu machen; weil aber die Türcken gegen die Persianer starcke Progressen machten, so bekam er von dem Groß-Vezier das Compliment: Er könnte seine Reise noch aufschieben, weil man erst eine genauere Nachricht von dem Lande einziehen müste, wo er die Gräntze zu ziehen verlangte. In dem Anfange des 1726. Jahres wurde die Kopf-Steuer des gantzen Reichs dergestalt geändert und gemildert, daß, da alle Manns-Leute von 5. bis 60. Jahren ihres Alters bisher solche bezahlen müssen, hinführo nur die vom 12. bis ins 55. Jahr derselben unterworffen seyn solten. Ingleichen wurde die Chevalier-Garde von 60. Maitres aufgerichtet, und ihnen der Capitains-Rang beygeleget. Nachdem die Kayserin aus andern Ländern verschiedene gelehrte Männer kommen lassen, um in der aufgerichteten Academie der Wissenschafften die Geometrie, Astronomie und Mathematic, sodann die Anatomie, Chymie und Mahlerey zu lehren, so wurde diese Academie den 7. Januarii gedachten Jahres in Gegenwart der Kayserin und aller Grossen des Hofes eröffnet, wobey der Professor Bülfinger eine sehr gelehrte Rede über die Longitudinem und die Tugend des Magnet-Steines ablegete. Den 17. Januarii, als heiligen Drey-Königen, wurde durch die Kayserin denen drey Printzeßinnen Schwestern, der Hertzogin von Mecklenburg, der Hertzogin von Curland, und der Printzeßin Proscovia, der Catharinen-Orden angeleget. Auch wurde ein Anschlag gemacht, in Liefland gewisse Güter auszusuchen, dieselbe in Commenthureyen zu theilen, denen Rittern des S. Andreae-Ordens zuzueignen, und einige derer ältesten Ritter als Comters zu setzen, welche die Einkünffte berechnen, und einen ansehnlichen Theil selbst davon geniessen solten. Am 22. Februarii ließ die Kayserin kund machen, daß sie einen grossen und neuen Cabinets-Rath errichtet hätte, in welchem sie selbst praesidiren wolte. Die darzu ernannten Glieder waren der Hertzog von Holstein, der Fürst Menzikof, der Groß-Admiral Apraxin, der Groß-Cantzler Golofkin, der geheime Rath Tolstoi, der Fürst und General-Feld-Marschall Demetrius Gallizin und der Vice-Cantzler, Graf Ostermann. Die Gerichtsbarkeit dieses Collegii solte über alle andere, ja über den Senat selbst sich erstrecken, auch so wohl einheimische als ausländische Sachen in demselben vorgenommen und abgethan werden. Hiernächst wurde der Bruder des General-Feld-Marschalls Galliczin zum Reichs-Rath ernennet, um diese Familie in beständiger Devotion zu erhalten. Den 8. April wurde der Baron von Schaffirow, als Praesident des Commercien-Collegii befehliget, nach Archangel zu gehen, um daselbst dem Wallfisch-Handel in eine bessere Verfassung zu setzen. Bey allen diesen guten Anstalten steckte doch noch hin und wieder in Rußland böses Geblüte, an welchem sich das Mißvergnügen über die gegenwärtige Regierung ie mehr und mehr äusserte, da man verschiedene Klag- und Schmäh-Schrifften auf denen Gassen heimlich angeschlagen fand. Dahero die Kayserin von der höchsten Nothwendigkeit zu seyn glaubte, solchem Unwesen und denen daraus zu besorgenden Folgerungen kräfftig zu steuern. Zu welchem Ende ein Manifest d. d. St. Petersburg, den 21. April 1726. publiciret wurde. Im Anfange des May-Monaths schickten des Königs von Pohlen Majestät der Kayserin den Ritter-Orden des weissen Adlers, und bevollmächtigten den Fürsten Menzikof denselben ihr anzulegen, welche Ceremonie am 12. May bewerckstelliget wurde. Um diese Zeit wurde von verschiedenen Standes-Personen eine Gesellschaft aufgerichtet, welche mit dem [1314] Nahmen der lustigen Brüderschafft beleget wurde, und eine Gemüths-Ergötzung zum Endzwecke hatte. Allein diese Gesellschaft wurde so wenig geduldet, als einige geheime Hebräische Versammlungen, da man in Erfahrung brachte, daß ein und andere Russen noch ein Jüdisches Hertz hatten, und am Sonnabend heimliche Versammlungen in unterirdischen Gewölbern hielten, um ihren Gottes-Dienst abzuwarten. Deshalber kehrte man alle dienliche Mittel vor, um diese unsichtbaren Hebräer ans Tages-Licht zu bringen, und zu bestraffen. Den 12. August wurde die Academie der Wissenschafften in Gegenwart[WS 3] der Kayserin und des Holsteinischen Hofes, auch aller Grossen des Reichs feyerlichst eingeweihet. Diese Academie hatte guten Fortgang in der Gelehrsamkeit, da ihre sorgfältige Entdeckungen in natürlichen und mineralischen Sachen dem Rußischen Reiche überaus zuträglich sind; vornehmlich wurde dadurch offenbar, daß Rußland unsägliche Schätze seit viel tausend Jahren in der Erde verborgen gehabt. Die damahlige Hertzogin von Curland setzte bey dero Anwesenheit in Petersburg die mitgebrachten Beschwerden wider den Fürst Menzikof mit solchem Nachdrucke fort, daß die Kayserin nicht umhin konnte, eine besondere Commission, welche aus den Gliedern des ohnlängst vorher errichteten grossen Cabinets-Raths bestund, zu Untersuchung der Sache anzuordnen, und es wurde in derselben alles zum Vergnügen der Hertzogin abgethan, wobey denn der Holsteinische Hof seinen Dienst-Eifer vor gedachte Printzeßin auf alle Weise bezeigte, und dem Fürsten Menzikof sich nachdrücklich entgegen setzte. Dieser letztere hatte schon bey verschiedenen Gelegenheiten seine widrige Neigungen gegen den Hertzog von Holstein blicken lassen, auch sogar ihm das Commando über die Leib-Garde streitig machen wollen; wiewohl er doch endlich weichen muste. Menzikof behielt indessen noch das Hefft in Händen, weil er den jungen Groß-Fürsten liebkosete, und sich dadurch hin und wieder neue Freunde machte. Der Anfang des 1727. Jahres wurde zwar mit denen sonst gewöhnlichen Ceremonien, iedoch mit weit mehrerer Pracht, als ehemahls, gefeyert. Als den an den heiligen Drey-Königen gewöhnlichen Wasser-Weihungen der junge Groß-Fürst und dessen Printzessin Schwester nicht beywohneten, welches unter dem Volck ein heimliches Mißvergnügen erregte, und da zugleich ein naher Anverwandter der Kayserin mit zwey Töchtern und drey Söhnen sich zu Petersburg einfand, die man Grafen und Gräfinnen Ikaworensky nennete; so gab dieses zu allerhand Reden Anlaß, und einige erkühnten sich, über die Kayserin Abkunfft zu klügeln. Daher die Kayserin darwider einen öffentlichen gerechten Befehl ergehen ließ, daß niemand bey Lebens-Strafe sich unterstehen solte, von dem verstorbenen Kayser und der regierenden Kayserin oder ihrer Familie ungebührliche Reden zu führen. Damit aber die Gemüther desto kräfftiger zu pflichtmäßigen Gedancken und zu mehrerer Neigung vor das gegenwärtige Regiement geleitet würden, so wurde die äusserliche Liebe und Achtung von den jungen Groß-Fürsten verdoppelt, sintemahl die Nation hohen und niedern Standes ihn ihre Hoffnung und Stütze nennete, auch ihn fast anbetete, so offt sie seiner ansichtig wurde. Man faßte seine Unterweisung auf bessern Fuß, und die Geistlichkeit trat zusammen, ihn in dieser Erkänntniß GOttes und der Religion zu befestigen; und der Ertz-Bischof Theophanes machte einen Entwurff, auf was Art und Weise der Groß-Fürst in der Christlichen Religion unterrichtet werden solte. Weil auch der Kayser Petrus I. aus Persien über das Mittelländische und schwartze Meer, und auf der Wolga durch gantz Rußland, nach Finnland und allen an der Ost-See gelegenen Ländern die Schiffarth möglich gemacht, und glücklich eingerichtet hatte; so gedachte die Academie auf Mittel und Wege, zu einer sichern [1315] Farth nach dem durch die Holländer im Anfange des XVI. Jahrhunderts gefundenen Nova Zembla zu gelangen, um durch solche Communication den Wallfisch-Fang, um dessen Willen der Baron Schaffirof nach Arachnagel geschicket wurde, zum grossen Nutzen des Reichs anzulegen, weil man schon Nachricht hatte, daß, ie höher man in Norden käme, ie grösser solche Fische angetroffen würden. Der General-Major Bregny kam von der Caspischen See zurücke, an welcher er den Plan der vornehmsten Oerter bis nach Gilan und Rescht aufgenommen, auch sonst allerley nutzbare Anmerckungen gemacht hatte, welcher der Academie ebenfalls zur Aufzeichnung und fernern Untersuchung vorgeleget wurden. Es wurde auch der General-Lieutenant, Graf Devier, mit der wichtigen Commission nach Curland geschicket, die von der daselbst residirenden verwittweten Herzogin von Curland gegen den Fürsten Menzikof angebrachte Beschwerden weiter zu untersuchen. Um diese Zeit sahe es mit der Gesundheit der Kayserin sehr mißlich aus, und es konnte so wohl der Fürst Menzikof, als andere Leute, begreiffen, daß sie die meiste Zeit gelebet hätte. Er wolte also sein Glück bey Zeiten bauen, und sein Geblüte bis auf den Kayserlichen Thron erhöhen. Gegen den Holsteinischen Hof betrug er sich so übel, daß derselbe alle Ursache hatte, mit ihm höchst mißvergnügt zu seyn. Daher rührete auch, daß die Kayserin in ihrer, dem Fürsten vorhin bezeigten Gnade, eine merckliche Aenderung spüren ließ, deswegen denn auch der Fürst seines Orts andere Gedancken und den Vorsatz faßte, bey dem jungen Groß-Fürsten sich feste zu setzen, und dermahleins seine Printzeßin mit dem künfftigen Kayser, und den Printzen mit der jungen Groß-Fürstin zu vermählen, folglich, als ein zwiefacher Schwieger-Vater sich vormundschafftlich der Kayserlichen Auctorität zu bemächtigen. Die Bewegungen, welche er sich in dieser so weitläufftigen und mißlichen Absicht gab, konnten nicht so geheim gehen, daß diese Nation dieselbe nicht solte gemerckt haben. Weil nun Devier das ihm bevorstehende Ungewitter vorher sahe, falls der Fürst Menzikof seine Ehr-Geitz ersättigte, so ließ er sich dadurch verleiten, mit andern Vornehmen ein Project zu schmieden, um durch dasselbe den Vorsatz des Fürsten zu hintertreiben. Daß der Handel in Archangel einiger massen wieder in den Stand gesetzet worden, darzu hatten die General-Staaten der vereinigten Niederlande viel beygetragen, und als die Kayserin ihnen davon Nachricht ertheilte, bedanckten sie sich in ihrer Antwort, daß man auf ihr eingelegtes Vorwort vor diesen Handel gesehen hätte; wünschten aber, daß die in dasigem Zolle eingeführte Auflagen gemindert werden, und es bey dem alten zu lassen, weil sonst der ietzige Vortheil der Handlung nicht erhalten werden könnte. Allein dieses Begehren wolte in dem Commercien-Collegio zu Petersburg nicht statt finden, weil man nach dem Willen Petri I. einen Theil der Handlung von Archangel nach Petersburg ziehen wolte. Also blieb es bey der einmahl gefaßten Entschliessung, welche zum Besten des Archangelischen Handels nicht geschehen wäre, wenn die Kayserin nicht täglich das Abnehmen ihrer Gesundheit, und das Zunehmen der daher entstehenden Intriguen, so wohl als eines hier und da sich geäusserten Mißvergnügens gespühret, und sich deswegen auch ausserhalb Landes mehr Freunde zu erwerben, vor nöthig gefunden hätte. Zu Ende des Mertzes reisete der Naip oder Persianische Staathalter von Derbent wieder dahin, nachdem er den Rußischen Hof seiner Treue versichert, und dagegen das Patent eines General-Majors empfangen hatte. Nach seiner Abreise wurde die Kayserin den 29. April von einem hefftigen Fieber überfallen, und hatte sie auch die gröste Mühe, um Lufft holen zu können. Denen Arméen wurden auf ihren Befehl 15000. Rubel ausgetheilet, viele Gefangene losgelassen, und öffentliche Kirchen-Gebete angestellet. Als man nun [1316] den letzten Odem vermuthete, half sich die Natur durch ein starckes Erbrechen, worauf sie in den Armen der Hertzogin von Holstein fünff Stunden gantz geruhig schlieff, und nach ihrer Erwachung sich leidlich befand, auch von Tage zu Tage etwas mehr Hoffnung zur Genesung gab. Dieses veranlasste die Gemüther zu einem vernünfftigen Nachdencken auf die Cron-Folge. Die meisten waren dem Groß-Fürsten geneigt. Hingegen merckte man eine grosse Bewegung bey denenjenigen, welche die üblen Folgen seiner Verheyrathung mit der Printzeßin Menzikof einsahen, und deswegen in ihrer Liebe gegen ihn erkalteten. Darunter soll man auch der obgemeldete Graf Devier nebst dem geheimen Rath Tolstoi, und andern gewesen seyn. Der Kayserin wurde die Beschaffenheit dieser entdeckten Verbindung mit solchem Nachdrucke vorgestellet, daß Anfangs denen darinnen verflochtenen Ehre und Leben abgesprochen, solches Urtheil aber vor ihrem Ende dergestalt gemildert wurde, daß denen Beschuldigten theils eine Leibes-Straffe, theils der Verlust ihrer Freyheit und Bedienungen zuerkannt wurde. Kaum war dieser Pardon unterzeichnet, so verfiel die Kayserin vom neuen in einen gefährlichen Zustand, da den 16. May sich ein Lungen-Geschwüre öffnete, und sie den folgenden Abend um 8. Uhr ihren Geist aufgab, nachdem sie zu ihrem Abschiede sich mit der heissesten Andacht bereitet, und wegen der Nachfolge auch ihrer Domestic ein Testament unterzeichnet haben soll. Die im Friede auf den Thron gestiegene und im Friede entschlaffene Kayserin verließ ein beglücktes Reich, obwohl der gantze männliche Stamm des Kayserl. Hauses auf dem eintzigen Peter Alexewitz, welcher ietzo den Thron bestieg, beruhete. Es hatte die Kayserin in der Zeit ihrer kurtzen Regierung den gantzen Kriegs-Staat zu Wasser und zu Lande in seinem gantzen Wesen sorgfältig unterhalten, und bey nahe 180000. Mann auf den Beinen, welche durchgehends wohlgeübte Leute waren. Auf der Flotte wurden 14000. Matrosen gezehlet, welche man täglich in der See-Wissenschafft vollkommen zu machen sich bemühete. Auch waren durch kluge und vorsichtige Anstalt der Kayserin und ihrer Minister die in die errichtete Academie de Marine gegebene junge Russen mit augenscheinlichem Vortheil angeführet worden. Nunmehro schienen fast alle Russen hohen und niedrigen Standes, nur ein Hertz und Gemüthe zu haben, um den einzigen männlichen Erben des Kayserlichen Hauses Peter II. Alexewitz, als ihr Ober-Haupt mit aller ersinnlichen Freude zu grüssen und zu erkennen, wie er denn von der Stunde seiner Geburt an die Liebe des Volckes hatte. Und dieser war es auch, dem die göttliche Vorsehung den Russischen Thron bestimmet hatte. Es versammleten sich so fort die beyden Leib-Regimenter Preobrazinsky und Semonofsky unter den Fenstern des Pallastes. Immittelst verfügte sich der junge Monarche mit der gantzen Kayserlichen Familie, auch allen Grossen des Hofes in den Reichs-Saal, woselbst er sich in einem erhabenen Lehn-Stuhl niederließ, da denn in Gegenwart von 300. Personen das Testament der Kayserin verlesen, und darauf die Huldigung von dem hohen Rathe, und denen Garde-Regimentern geleistet, auch darauf ein unbeschreibliches Frohlocken und Vivat! gehöret wurde. Den folgenden Tag schrieb er selbst an seine Printzeßin Schwester einen Brief, worinnen er ihr seinen Entschluß, das Reich mit Gottesfurcht und Gerechtigkeit zu regieren, eröffnete. Hierauf waren seine Ministri, und insonderheit sein Ober-Hofmeister, Graf Ostermann, bemühet, den jungen Monarchen zur Regierung geschickt zu machen. Daher wurde die Einrichtung seiner Studien schrifftlich verfasset, und als eine Richtschnur der gantzen Unterweisung vorgenommen. Als nun der junge Kayser diesen Entwurff beliebet hatte, fieng er sein Regiment mit lauter Gnaden-Bezeigungen an zu verherrlichen, die Pensionen der drey Iwanischen Printzeßinnen wurden ansehnlich vermehret, [1317] die Czaarin, väterliche Groß-Mutter des Kaysers, aus ihrer gefänglichen Kloster-Wohnung geholet, und mit ersinnlichster Ehrerbietung aufgenommen, auch noch mehrere Gnaden-Zeichen der alten Kayserlichen Familie gegeben, so wohl als allen denenjenigen, die bisher ihre Ergebenheit vor den jungen Monarchen blicken lassen. Darunter waren der Groß-Cantzler Golofkin, und der Fürst Menzikof vergaß sich dabey auch nicht. Er hieß und war nunmehro alles in allem, weil er das Recht des Kaysers noch bey der vorigen Regierung vertheidiget, und sich dadurch seiner Gnade versichert hatte. Es soll auch das Manifest unterm 6. Junii 1727, in welchem die Umstände des mehr berührten Complots vor Augen geleget werden, von seinem Anrathen und Eingeben grösten Theils entsprungen seyn, weil er den Untergang seines Schwagers Devier, und dessen Freunde geschworen hatte, als welche der Ausführung seines grossen Plans einen Riegel vorschieben wolten. Merckwürdig ist es, daß an eben dem Tage, da gedachtes Manifest unterschrieben wurde, die Verlöbniß des Kaysers mit der Printzeßin Menzikof, die Maria hieß, würcklich ihren Fortgang hatte, und also Menzikof nichts mehr wünschen konnte, als die noch vorhabende Verlöbniß seines Printzens mit der jungen Groß-Fürstin, des Kaysers Schwester. Alles gieng nunmehr durch ihn, zumahl da seine berührte Feinde zu Boden lagen. Es kamen zu Ende des May-Monaths vier Verordnungen zum Vorschein. Erstlich, daß zwey Cour-Tage in der Woche gehalten; zweytens, daß die Insul Wasili Ostrow, auf welcher der Fürst Menzikof wohnte, Neu-Preobrazinsky genennet; drittens, daß aus denen Häusern, wo die Pocken regiereten, kein Mensch auf gedachte Insul, woselbst der Kayser seine Residentz nahm, gelassen; und viertens, daß die noch etwa im Lande befindliche Juden hinaus geschaffet, und keiner von solchem Volcke ins Reich gelassen werden solte. Den 21. Junii verfügeten Ihro Majestät sich in das Zimmer des Fürsten Menzikof, und sagten zu ihm, und der gantzen Gesellschafft: Ich komme her, um heute einen General-Feld-Marschall zu zernichten. Darauf schwieg er einige Zeit stille, und ließ so wohl den Fürsten, welcher solche Bedienung damahls bekleidete, als die Umstehenden in Furcht und Ungewißheit; bis er endlich ein Papier aus der Tasche zog, es dem Fürsten überreichte, und krafft desselben ihn zu seinem Generalissimo ernennete. Den Vice-Cantzler, bisherigen Baron Ostermann, erhob der Kayser in den Grafen-Stand. Der Graf Münch wurde zum General der Infanterie, der junge Printz Menzikof zum Ober-Cammer-Herrn, und der Fürst Gallizin zum Cammer-Herrn ernennet. Das Kirchen-Gebet, welches die Kayserin Catharina, vor sich und ihre Printzeßinnen eingeführet hatte, wurde nunmehro geändert. Dieser von den Rathschlägen des Fürsten Menzikofs herrührenden Veränderung folgten noch andere, wovon die Unterdrückung der von der Kayserin Catharina errichteten Cabinets-Cantzley den Anfang machte. Das Haupt von derselben, der geheime Rath Macarof, wurde zum Cammer-Praesidenten, anstatt des vertriebenen Nariskin gemacht. Der General und Graf von Münch, welcher mit der Ausführung der Ladogaischen Canal-Arbeit bemühet war, erhielt Befehl, sich von dannen nach Peterhof zu begeben, um daselbst eine kleine Festung aufzuwerffen, und so wohl zu Belustigung als Unterweisung des Kaysers bestürmen zu lassen. Derselbe bezeigte so viel Vergnügen darüber, daß er den General Münch mit 5000. Rubeln und ansehnlichen Ländereyen, auch dem confiscirten Hause des Grafens Tolstoi beschenckete. Den 2. Julii nahm der Kayser zum ersten mahle Sitz in dem grossen Rathe, und begehrte, daß man seinen Unterthanen die Straff-Gelder erlassen solte, welche sie der Crone schuldig wären, und wovon das Capital sich auf fünff Millionen belieff, weil er nicht Blutarme [1318] Unterthanen haben wolte. Dieser Vorschlag kam auch zu seiner Würckung. Die ausländischen Ministri empfiengen nunmehro ihre neue Credentz-Schreiben und Befehle, bey dem jungen Monarchen die gehörigen Complimente abzulegen. Bey solchen Audientzen stand der Kayser unter einem Thron-Himmel an einem Tische, den Huth unter dem Arme haltend, der Groß-Admiral Apraxin stand zur rechten Seite etwas voraus, gleichwie der Groß-Cantzler Golofkin zur Lincken that. Der Vice-Cantzler Ostermann stand noch etwas weiter vorwärts, und ertheilte denen Gesandten die Antwort: Weder bey denen Audientzen noch sonst bey andern öffentlichen Gelgenheiten redete der junge Monarch mit denen ausländischen Ministern nicht das geringste, sondern beobachtete wegen seiner Minderjährigkeit allezeit ein wohlbedächtiges Stillschweigen. Ueber die Newa ließ der Kayser von der Admiralität eine Schiff-Brücke bis an die Insul, worauf er residirte, schlagen. So offt des Monarchens Geburts-Tag einfiel, hatte ein ieglicher Gemeiner von der Leib-Garde die Freyheit, ihm ein frisches länglichtes Brodt zu bringen, welches derselbe von dem Soldaten annahm, es ihm an die Stirn drückte, entzwey brach, die eine Helffte ihm zurücke, und dabey einen Kuß gab, welches die Liebe und Ergebenheit dieses fast aus lauter Edelleuten bestehenden Regiments natürlicher Weise täglich vermehrete. Dieser Monarche gab auch täglich noch viele andere Merckmahle seiner ungemeinen Güte und Gerechtigkeit, deswegen auch die Neigung des Hofes und des gantzen Volckes täglich anwuchs, auch dem allgemeinen Vergnügen weiter nichts im Wege stand, als die unterträgliche Gewalt und ungerechte Auctorität, welche der Fürst Menzikof ie mehr und mehr sich anmassete, so, daß die getreuen Kayserlichen Diener sich endlich gezwungen sahen, ihrer grossen Geduld Ziel und Maaß zu setzen. Als nun dieselben unter andern treflichen Eigenschafften des Kaysers wahrnahmen, daß er ein Geheimniß bewahren, und sich dasselbe zu Nutze machen konnte, auch vorher sahen, wie höchst nachtheilig die ehrgeitzigen Absichten des Menzikofs dem Kayser und seinem Reiche mit der Zeit werden könnten, so entschlossen sie sich, ihm begreiflich zu machen, was er von diesem gefährlichen Favoriten mit der Zeit zu befürchten hätte. Der junge Monarche hörte den guten Rath mit Aufmercksamkeit an, und gab auf die Aufführung des Fürsten genauer acht, ohne etwas davon mercken zu lassen. Seiner Printzessin Schwester wurde auch unter der Hand zu erkennen gegeben, daß bey der von dem Fürsten zwischen ihr und seinem Printzen entworffenen Vermählung seine Absichten bis auf den Kayserlichen Thron giengen, auch ohnedem die Vermählung an sich selbst wider die Würde und Hoheit ihres Durchlauchtigsten Ursprunges stritte. Der Fürst Menzikof blieb bey seiner Aufführung, und weil er wuste, daß ihm die gantze Nation gehäßig war, so suchte er die Crönung des Kaysers von Zeit zu Zeit aufzuschieben, welche zu Moscau geschehen muste, damit er sich nicht von Petersburg entfernen dürffte, noch auch der Kayser, welcher mit ihm in einem Pallaste wohnete, Gelegenheit hätte, mit denen, die es aufrichtig meyneten, vertraulich umzugehen. Jedoch sein Fall war nahe. Denn als den 17. September die Zunfft der Mäurer ein Geschencke von etlichen 1000. Ducaten dem Kayser brachte, welcher sie durch einen Cavalier an seine Printzeßin Schwester, als eine Verehrung sendete, und gedachter Cavalier dem Fürsten Menzikof begegnete, so fragte dieser ihn, wo er hin wolte, und nach erhaltener Antwort sagte er: Gebt mir das Geld, ich will mit dem Kayser deswegen sprechen, da ihm denn auch der Cavalier gehorsamete. Den folgenden Morgen besuchte die Printzessin den Kayser nach ihrer Gewohnheit, um mit ihm den Coffée zu trincken. Bey dem Weggehen fragte er sie, ob das Geschencke, welches er ihr gestern zugesandt, [1319] ihr vielleicht nicht gefallen, weil sie ihm deswegen nicht einmahl danckte. Die Printzeßin war hierüber bestürtzt, und versicherte, daß sie nichts gesehen oder empfangen. Der Kayser ereiferte, und fragte den herzugeruffenen Cavalier im Zorn, was er mit denen ihm gestern anvertraueten Ducaten gemacht hätte. Dieser erzehlte den wahren Verlauff der Sache, worauf der Kayser mit dem Fusse auf die Erde stieß, und befahl, den Menzikof kommen zu lassen. Als er kam, fand er den Kayser in einem hefftigen Eifer, und die Printzeßin in Thränen. Auf die Frage nun, warum er den Cavalier verhindert, den ihm gegebenen Befehl zu vollstrecken, gab er zur Antwort: Er hätte Ihro Majestät schon öffters vorgestellet, daß sich ein grosser Geld-Mangel hervor thäte, und die Geld-Kammer erschöpfet wäre. Er hätte bey Abnehmung der Ducaten sich vorgesetzet, heute Ihro Majestät einen Vorschlag zu thun, wie solche Summe nützlich verwandt werden könne. Er fügte hinzu, daß, wenn es dennoch deroselben beliebte, davon zu disponiren, er nicht allein dieses Geld, sondern auch, wenn sie es verlangten, noch eine Million Rubel darüber – – – Der Kayser fiel ihm hier in die Rede und sagte: Gehe zum – – bin ich nicht Kayser, und kan ich nicht ohne deine Erlaubniß mit meinem Gelde thun, was ich will? Mit diesen Worten ließ er ihn stehen, und verfügte sich nach seinem eigenen Sommer-Pallaste, woselbst er den Rath zusammen beruffen, und nach dessen Endigung dem Fürsten durch den General-Lieutenant Soltikof wissen ließ, daß er seiner Ehre und Würden, seines Ritter-Ordens, und seiner Freyheit verlustig erkannt wäre. Zugleich wurde befohlen, hinführo keinen andern Verordnungen, als die von dem Kayser unterschrieben wären, Folge zu leisten. Darauf wurde er ins Elend weggeführet. Ueber diese Gelegenheit ließ der Kayser den 21. Sept. ein Schreiben an den Hertzog und die Hertzogin von Holstein ergehen. Nach dieser wichtigen Begebenheit nahm der Kayser keinen weitern Anstand, zu seiner Crönung die gebührende Verfügung zu machen, zu dem Ende er auch ein Edict unterm 21. Oct. 1727. publiciren ließ. Immittelst setzte der Kayser seine Studia mit eifriger Begierde fort. Dreymahl in der Woche exercirte er die Compagnie der Cadets, welche er aus jungen Edelleuten von 10. bis 15. Jahren aufgerichtet hatte. Der Rußische Hof fand nöthig, bey der gegenwärtigen neuen Regierung und Minderjährigkeit des Kaysers der Liebe und Treue dieses vorhin ziemlich mißvergnügten mächtigen Volckes sich von neuen wieder zu versichern, wozu insonderheit die ihnen zulassende freye Wahl eines Hetmanns sehr behülflich war. Wie den auch der in der Ukraine damahls bey der Regierung praesidirende Rußische Staats-Rath Theodor Naumow disfalls die Sache sich angelegen seyn ließ, also, daß die Devotion der Cosacken unterhalten, und fester gesetzt wurde. Der Kayser befahl zu gleicher Zeit, allen in seinen Diensten stehenden Ausländern, die es begehren würden, das Recht der eingebohrnen Landes-Kinder zu verleihen, welches Vorrecht auch nebst andern der Vice-Cantzler Graf Ostermann genoß. Auch wurde befohlen, daß die zwischen Petersburg und Lübeck angelegte Packet-Böthe zu Ueberbringung der Personen und Waaren ihren bisherigen Lauff fortsetzen, auch die nach Rußland mit demselben kommende Ausländer ohne Passeports ins Reich gelassen, und dabey eben diese Böthe hinführo von dem dritten Theile des bisher erlegten Zolles befreyet seyn solten. Der Tarif vom Jahre 1724. wurde untersuchet, und wegen der darwider eingebrachten gegründeten Beschwerden mehrentheils zum Nutzen des Rußischen Handels geändert. Der junge Kayser erkundigte sich indessen um alle und iede Umstände seiner Länder, und fand an dem Unterrichte davon ein grosses Vergnügen. Zu Ende des 1727. Jahres wurde über die in dem Orient eine andere Gestalt fassende Türckische und Persianische Sachen fleißig gerathschlaget, wobey iedoch Rußland nur dieses that, daß es seine [1320] Wachsamkeit auf den Rußischen Gräntzen gegen Orient verdoppelte, um die Caspische Conqueten vor den Persianern, und Georgien vor denen Türcken zu beschützen. Im Jahre 1728. den 2. Januarii reisete der Kayser von Petersburg nach Moscau zu seiner Crönung, auf welcher Reise er zu Novogrod, wordurch er passirte, den 22. Januarii mit besondern Ehren-Bezeigungen eingeholet wurde. Den 29. kam er vor der Stadt Moscau an, und den 15. Febr. hielt er darein seinen Einzug mit der ersinnlichsten Pracht und unter unaufhörlichen Frohlocken etlicher 100000. Menschen. Den 7. Mertz geschahe die Crönung mit eben denen Ceremonien, als bey der Crönung Petri I., und an solchem Tag ließ er alle Gefangene des Reichs, ausser denen nach Siberien exilirten Staats-Gefangenen, ihrer Hafft entschlagen, und in Freyheit setzen. Es wurden hierbey goldene und silberne Müntzen unter das Volck geworffen, welche an einer Seite die Kayserliche Crone, insbesondere mit den Worten: Petrus II, Kayser und Autocrator aller Russen, vorstelleten. Kurtz nach der Crönung fand man an dem Spaski-Thore ein in Form eines Briefes zusammen gelegtes und versiegeltes Papier, welches eine Vertheidigung des Fürsten Menzikof, und eine Beschuldigung der damahls am Ruder sitzenden Staats-Bedienten war. Daher der Kayser bewogen wurde, deswegen ein Manifest zu Moscau den 7. April 1728. ergehen zu lassen. Gleichwie gedachte Schrifft aus Mißgungst gegen die noch in Gnaden stehenden Ministros gemacht worden, also äusserte sich auch dieselbe in vielen Fällen gegen die in Rußischen Diensten stehende Ausländer, iedoch nur von denenjenigen Russen, welche wegen der ihnen ermangelnden Fähigkeit bey denen Beförderungen zurück gesetzet wurden. Alle Collegia gaben ihre Rechenschafft und ihr Gutdüncken an den Senat, wiewohl viele aus denen Collegiis selbst Reichs-Räthe waren. Diejenigen, welche in dem geheimen Cabinette mit dem Kayser denen Staats-Sachen den Ausschlag gaben, waren würckliche Glieder des hohen Senats, und der Schlüssel, durch welche der junge Monarch die Neigung, Absichten und Meynungen aller seiner in denen Collegiis sitzenden Bedienten aufschloß. Unter denenselben zehlete man verschiedene Ausländer, welche dem Reiche durch Aufrichtung eben dieser Collegiorum, und durch die in demselben behauptete Ordnung so wohl als durch den Bau der Canäle stattliche Dienste erwiesen hatten. Ein ansehnlicher Theil des Staats- und des Militarischen Wesens beruhete ebenfalls auf Deutscher Direction, und die Flotte konnte ohne die auf derselben befindliche Englische und andere ausheimische trefliche See-Officiers nicht bestehen. Nun suchten einige neidische Russen bey gegenwärtiger unmündiger Regierung den Ausländern das Hefft gäntzlich aus den Händen zu drehen, weswegen sie ietzo in Moscau gegen die denenselben ohnlängst verstattete und zu allen Ehren-Aemtern die Thür öffnende Naturalisirung, öffentlich zu klagen anfiengen. Daher ließ sich der junge Monarche gegen seine Räthe vernehmen: Es wäre bey einigen Leuten der Geist des Ungehorsams und der Aufruhr so starck eingewurtzelt, daß es fast nicht möglich schien, sie mit Güte und Gelindigkeit zu regieren, deswegen müste er nach dem Exempel seines Herrn Groß-Vaters dergleichen widerspenstigen Köpfen das Gebiß anlegen, um sie ruhig zu machen. Indessen bemühete sich der junge Regente, die Gemüther, Sitten und Handlungen seiner Unterthanen in Erfahrung zu bringen. Auch ließ er sich von der Beschaffenheit der in der Stadt Moscau befinlichen Cantzeleyen einen deutlichen Unterricht geben. Zu dieser Zeit schickte der Graf Sava, als Rußischer Gesandter in China, von dar einen umständlichen Bericht seiner Geschäffte ein, welche der Kayser zu Ende des Aprils in Moscau empfieng. Weil der Chinesische Regente den Rußischen Kaufleuten allerley sehr vortheilhaffte Bedingungen versprach und einräumete, so legte solches den Grund zu einem hiernächst geschlossenen förmlichen Commercien-Tractat, [1321] und zu Einrichtung einer ordentlichen Caravane, in welche denen Ausländern so wohl, als denen Russen zu treten erlaubet, auch zu dem Ende von allen Interessenten ein Capital von 600000. Rubeln zusammen gebracht wurde. Hiernächst gedachte man auch an die Ausbesserung der Heer-Strassen, und an die Legung eines vom Petro I. schon entworffenen, und nach der Gesichts-Linie durch Wald und Acker, durch Berg und Thale, gezogenen gantz neuen Weges von Moscau bis Petersburg über Olonitz, weil die bisher gebrauchte Land-Strasse wegen der vielen Knüppel-Brücken und gekrümmten Umschweiffe langsam und beschwerlich in Sommers-Zeiten war. Und hierzu wurden gleich anfangs 3000. Arbeits-Leute, und eine anderweitige Anzahl zu Verbesserung der übrigen Wege commandiret. Jedoch mit der Sicherheit der grossen insonderheit entlegenen Heer-Strassen gieng es etwas schwer her, weil das Raub-Gesindel der Rosbonikken bis hieher nicht ausgerottet werden können. Weil sich der Kayser auch von allen in Rußischen Diensten zu des Landes Nutzen gestandenen Ausländern einen genauen Unterricht geben ließ, so wurde dadurch seine Hochachtung gegen dieselben nicht wenig vermehret, daher er auch dem Graf Münch befohl, daß er alle ausländischen Officier, welche in Rußische Dienste treten wolten, annehmen, und sie unter die in denen eroberten Ländern liegende Regimenter vertheilen solte. Auch wurde die bisher von dem Grafen von Münch so eifrig und rühmlich fortgesetzte Arbeit des Ladogaischen Canals zu Stande gebracht, und die Schiffarth auf demselben den 12. Junii eröffnet; wie nicht weniger an der Erhöhung und Befestigung des Newischen Ufers unaufhörlich gearbeitet, worzu bereits schon über 300000. Rubel angewendet worden, und wobey täglich 3000. Soldaten beschäfftiget waren. Weil sich die Türckische Pforte sperrete, hinführo die aus dem Don-Flusse in das Schwartze Meer gehende Waaren nicht weiter passiren zu lassen, wo der in den vorigen Zeiten üblich gewesene Zoll bey der Stadt Azof nicht abgetragen würde, so schickte man dem in Constantinopel stehenden Rußischen Minister den Befehl, dem Groß-Vezier dagegen nachdrückliche und bedrohliche Vorstellungen zu thun. Einige Rußische Kauffleute von Archangel überreichten im August dem Hofe einen Entwurff, wie man der Handlung des Reiches ansehnliche Vortheile zuwege bringen könnte, nehmlich: Der Kayser solte ihnen mit Ausschliessung aller fremden Kaufleute eine Octroy verleihen, daß niemanden, als ihrer Compagnie, vergönnet seyn solte, Waaren in das Reich zu führen, und zu verkauffen, oder davor einen doppelten Zoll zu erlegen. Dagegen wolten sie in einigen Rußischen Städten Manufacturen anlegen, auch zu desto besserer Ausführung ihres Vorhabens einen Canal aus der Caspischen See nach Archangel auf eigene Kosten führen lassen. Dieser letzte Vorschlag fand ziemlich Gehör, um so viel mehr, da der Baron von Schaffirof schon vorhin damit umgegangen war, daher wurde die Sache dem Commercien-Collegio zu weiterer Untersuchung aufgetragen. Die aus dem Orient einlauffende Zeitungen regeten den dem Kayser angebohrnen Trieb zu grossen Thaten, und er wünschete Gelegenheit, an denen Türcken, oder Persianern, als Feinden des Christlichen Nahmens, sich zu reiben, eben so sehr, als das Glück, mit allen Europäischen Puissantzen in Friede und Freundschafft zu leben. Der Römisch-Kayserliche Hof ließ es an keinen Vorstellungen mangeln, um die Pforte zu vermögen, daß sie dem Eschref gegen den dem Tachmasib ergebenen Rußischen Hofe keine hülfliche Hand leisten möchte. Hierauf versprach auch der Groß-Vezier Friede und Einigkeit, auch die endliche mit Rußland vorzunehmende Gräntz-Scheidung, und ließ den Rußischen Gesandten Romanzof ersuchen, sich nach Tiflis in Georgien zu solchem Ende zu verfügen. [1322] Unterdessen war zu Petersburg ein Schreiben aus Ispahan vom 4. Julii eingelauffen, welches vornehmlich enthielt, daß Eschref alles zu vermeiden suchte, womit er bey dem jungen Rußischen Monarchen es verstossen könnte, so gar, daß er auch dem Cham Wekil zu Casbin wegen seiner mit den Russen unternommenen Action hart bestraffet hatte, auch versicherte, den Russen das gantze Dagestanische abzutreten, im Fall sie dem Printzen Tachmasib nicht weiter mit Rath und That behülflich seyn würden. Weswegen auch zu Niaschtsche, einen Flecken in der Provintz Gilan, ein ewiger Friede zwischen Rußland und dem Eschref und Kuli Cham den 13. Februarii 1729. geschlossen wurde, welches ein schönes Kleinod in die Crone Petri II. setzte. Im December 1728. ließ der Kayser eine Verordnung ergehen, vermöge welcher die Anzahl der Klöster auf funfzig eingeschräncket werden, und in iedem Kloster sich nicht mehr, als zwey und funfzig Mönche aufhalten, auch dieselbe nicht vor dem viertzigsten Jahre hinein kommen solten. Der von der Kayserin Catahrina nach China versandt gewesene Sava kam im Anfange des 1729. Jahres in Moscau zurück, und war er sehr angenehm, weil er mit dem Chinesischen Kayser einen erwünschten Tractat zu Stande gebracht hatte. Nach Archangel wurde ein Befehl geschickt, daß hinführo die Kauffardey-Schiffe nach dem Model der Fregatten, und zu dreyßig bis viertzig Canonen gebohret, gebauet werden solten. Man zehlet nunmehro in der Ost-See bis hundert und achtzig Rußische Kriegs-Schiffe und bewaffnete Fahrzeuge. Ohne diese waren noch zwey und zwantzig Schiffe auf der Caspischen See, und noch eine grosse Anzahl Transport-Schiffe. Die Kayserliche Gnade und Liebe vor die Ausländer bewog ihn, ein Edict publiciren zu lassen, in welchem allen in einer Profession und Wissenschafft erfahrnen nach Rußland kommenden Ausländern über die vom Petro I. bereits verwilligte Privilegia eine zehnjährige Befreyung von allen und ieden Auflagen; ferner auf eine gewisse Zeit eine gäntzliche Zoll-Freyheit derer von ihnen verfertigten Waaren, und daneben eine unumschränckte Erlaubniß, wieder aus dem Lande zu reisen, versprochen, auch dabey angeboten wurde, daß, wenn einige Familien sich zusammen setzen, und unbebauete Länder bauen wolten, man ihnen das Land ohnentgeltlich anweisen, und ihnen eine zwantzigjährige Freyheit von allen Schatzungen und Bürgerlichen Lasten verleihen wolte. Die Printzeßin Elisabeth wurde zur Groß-Priorin des St. Catharinen-Ordens erkläret, und mit demselben viele Hof-Damen beehret. Den 23. December entstand ein hefftiger Sturm zu und um Petersburg, welcher alle Insuln unter Wasser setzte, und viel Schaden verursachte; und weil man in der Stadt Moscau nicht das geringste von einem Sturm gemercket, so fand der Kayser ie mehr und mehr Vergnügen, in solcher Residentz seinen beständigen Aufenthalt zu nehmen, worzu er auch noch um anderer, als unter andern das gesunde Clima betreffenden Ursachen wegen, und einigen vornehmen Rußischen Familien zu Gefallen den Entschluß fassete. Daher wurde ein Entwurff gemacht, zu Petersburg vor die durch den Krieg gewonnene Länder eine besondere Regierung aufzurichten, und daselbst, und in dortiger Gegend beständig eine Armée von 40000. Mann zu halten; ingleichen daselbst ein General-Admiralitäts-Collegium anzulegen, von welchem drey andere darunter gesetzte Collegia zu Archangel, Veronitz und Derbent dependiren, auch in jenem der Admiral Sivers; in einem ieglichen der dreyen letzten ein Contre-Admiral das Praesidium haben solten. Im Monath October erhielt man die angenehme Nachricht aus Tobolsky, daß die dortigen Minen allezeit ergiebiger würden, und 100. Pfund Ertz bis 40. Pfund Kupfer enthielten; ingleichen daß man aus denen Bergwercken zu Catharinenberg [1323] schon 15000. Puhd (iedes Puhd hält 40. Pfund) Kupfer und Eisen erbeutet hätte; welcher den jungen Monarchen sehr erfreuete. Der Türckische Effendi, welcher sich zu Moscau befand, ließ sein Mißvergnügen über das gute Verständniß zwischen dem Rußischen Hofe und dem Sultan Eschref spüren. Man bedeutete ihn aber, daß, da der Groß-Sultan selbst die Freundschafft des so genannten Persischen Usurpatores suchte, auch der Rußische Monarche zu Sicherung und Behauptung der Caspischen Conqueten sein Bestes beobachten wollen. Es wurde ihm auch eine Nachricht aus Ispahan vom 8. April 1729. vorgeleget, woraus er von der Wahrheit, daß der Groß-Sultan einen Gesandten an den Eschref in Freundschaffts-Angelegenheiten geschickt hätte, überzeuget wurde. Nach Anleitung dieser Nachricht machte man in der Stadt Moscau alle mögliche Anstalten, um den von Seiten des Eschrefs dahin auf der Reise begriffenen Gesandten wohl zu empfangen, und indessen versicherte man den Effendi, daß es auf den Groß-Sultan selbst ankame, um sich der Rußischen Freundschafft zu versichern. Zu Ende des 1729. Jahres beschloß der Kayser, sich mit Catharina, der Tochter des Fürsten Alexii Gregorowitz Dolgorucki, zu vermählen, und ihr die Kayserliche Crone aufzusetzen. Man faßte den 22. Januarii zu denen Vermählungs-Ceremonien an. Allein, indessen wurde der junge Kayser den 17. Januarii von denen Blattern befallen, welche er zwar meistens überstand; iedoch da er sich durch eine Verkühlung am Fenster den Rücktritt derselben zuzog, so kam es mit der Kranckheit des jungen Monarchens aufs äusserste. Als er in den letzten Zügen lag, wurden die Glieder des hohen Raths, und die drey Feld-Marschalle, Galliczin, Dolgorucky und Trübezkoy, nebst dem Ertz-Bischof von Novogrod, nach Hofe geruffen, allwo sich auch Abends um 10. Uhr die alte Czaarin, des Kaysers Groß-Mutter, einfand, welche man befragte, ob sie geneigt wäre, die Regierung anzunehmen, im Fall GOtt den jungen Monarchen zu sich nehmen würde? Sie fiel aber auf die Knie, betete mit heissen Thränen zu GOtt, vor die Erhaltung des Kaysers, und entschuldigte sich dabey, daß sie eine so schwere Last, als die Regierung des Rußischen Reiches sey, nicht über sich nehmen könnte, weil sie ihre Gesundheit und Gedächtniß-Krafft durch die seit zwey und dreyßig Jahren ausgestandene Verhafftung und Verfolgung eingebüsset hätte. Als der Kayser den 29. Januarii alten Calenders eine Viertel-Stunde nach Mitternacht verschieden, verfügten und verschlossen sich die Glieder des hohen Raths in ein Zimmer, in welchem sie bis vier Uhr Morgens über der Succession berathschlageten. Die Wahl traff endlich die verwittwete Hertzogin Anna Ivanowna, oder Iwanowna, in welche der sämmtliche hohe Rath willigte. Man beschloß darauf, den Fürsten Basilium Lucnivetz Dolgorucky, im Nahmen des hohen Raths, den Fürsten Michael Michaelowitz Galliczin im Nahmen des Senats, und den General-Major Leontiew im Nahmen der Generalität, als Abgeordnete nach Mietau zu schicken, und der verwittweten Hertzogin den Rußischen Scepter anzutragen. Diese alles wurde kurtz darauf in einem öffentlichen Manifeste, das in dem Senat zu Moscau den 15. Februarii neuen Calenders ausgefertiget worden, dem gantzen Reiche kund gethan. Anna Ivanowna wuste immittelst zu Mietau von alle dem nichts, was zu ihrem Besten in Petersburg beschlossen worden. Sie erstaunte daher nicht wenig, als die obgedachten Herren sich bey ihr einfanden, und ihr die Rußische Crone antrugen. Es begieng zwar der obgedachte Fürst Dolgorucky die Schalckheit, daß er eigenmächtig, und ohne hierzu habenden Befehl, im Nahmen des gantzen Reichs derselben den Vortrag that, daß sie unter der Bedingung, wenn sie dem Rechte der Souverainität, [1324] oder der unumschränckten Beherrschung absagen würde, zur Kayserin erwehlet werden solte. Die Puncte, die er ihr deshalben vorlegte, bestunden in folgenden: 1) solte sie nicht anders, als nach dem Gutbefinden des grossen Senats regieren; 2) ohne dessen Bewilligung weder Krieg anfangen, noch Frieden schliessen, auch 3) eben so wenig Schatzungen ausschreiben, oder wichtige Bedienungen vergeben; 4) keinen Edelmann ohne völlige Ueberführung mit der Todes-Strafe belegen; noch 5) dessen Güter confisciren lassen; 6) von veräussern, und 7) sich ohne Einwilligung des Senats nicht vermählen, oder einen Nachfolger ernennen. Die Hertzogin hörete diesen Vortrag mit grosser Gleichgültigkeit an, danckte dem Reiche, daß sie selbige zur Regentin erwehlen wollen, und ließ nicht das geringste Mißfallen blicken, daß solches durch die Wahl geschehen, wobey sie aber nicht die geringste Erwehnung von der Souverainität thate. Der Fürst Dolgorucky, welcher sich irrig einbildete, es habe diese grosse Printzeßin seinen Antrag völlig angenommen, begrüßte sie hierauf als Kayserin, wünschte ihr alles Glücke, und bat, sie möchte sich bald einfinden, und das Reich in Besitz nehmen. Er nahm hierauf so gleich seinen Rückweg nach Moscau, unter dem Vorgeben, er wolle zu Empfahung der Kayserin alle Anstalten machen; in der That aber war sein Vorsatz, seinen Anverwandten den guten Fortgang seiner Commission zu berichten, in der wunderlichen Einbildung, die neue Kayserin würde sich damit begnügen, daß sie die Crone trüge, denen Fürsten von Dolgorucky aber überlassen, den Scepter zu führen. Allein nach Abreise des <tt<Basilii Dolgorucky überlegte sie die Sache. Es kam ihr höchst empfindlich für, daß sie nicht nur eine erwählte Kayserin heissen; sonder nauch die souveraine Gewalt mit dem Senate theilen solte. Es wurde daher beschlossen, daß sie ohne Zeit-Verlust von dem Rußischen Throne Besitz nehmen solte; nicht zwar als eine erwählte Kayserin: sondern als eine Erbin, welche ihr Recht zu Cron und Scepter allein von dem allmächtigen GOtt habe. Diesem zu Folge trat sie so gleich ihre Reise nach Moscau an. Als sie auf dem zehen Werste von der Stadt gelegenen Schlosse Morislow anlangte, empfingen sie die Abgeordneten des Senats. Den 26. Februarii hielte sie zu Moscau ihren Einzug, und ward bey der ersten Triumph-Pforte von dem Magistrate und der Kauffmannschafft; bey der andern vom Adel; bey der dritten von der Geistlichkeit empfangen. Sie that in dem Kremelin, oder Kayserlichen Residentz-Schlosse ab, allwo das Te Deum laudamus abgesungen wurde. Der Ertz-Bischof von Novogrod, Theophanes, hielt iene kurtze Anrede an sie, worauf sie die Kirche von S. Michaelis und die von der Verkündigung Mariä besuchte. Von dar erhob sie sich in die Kayserlichen Gemächer, und ließ die Vornehmsten von beyderley Geschlechte zum Hand-Kusse. So wohl die auf den Wällen, als die vor den Schloß-Plätzen gepflantzten Canonen wurden drey mahl gelöset, und die von der ersten Triumph-Pforte an bis an das Schloß rangirte Regimenter gaben eine dreyfache Salve. Nachdem die neue Kayserin vom Throne Besitz genommen, währte es nicht lange, so kriegte die Regierungs-Form eine gantze andre Gestalt. Die Anhänger Ihrer Majestät brachten es dahin, daß die vormahlige Souverainität wieder völlig eingeführet wurde. Die Umstände davon sind folgende: Den 8. Mertz begaben sich der Feld-Marschall, Fürst Trubezkoy, und der Fürst Alexius Czerkaskoy, unter einem Gefolge von 390. Edelleuten, die meistens in Civil- und Militair-Bedienungen stunden, in dem Pallast, und liessen die Kayserin ersuchen, daß sie ihren Vortrag anzuhören geruhen möchte. Diese ließ darauf so gleich den hohen Rath in den grossen Audientz-Saale zusammen beruffen, befahl auch dem Obrist-Lieutenant von der Guarde, Soltikow, ihrer Mutter Bruder, Sorge zu tragen, daß aller Unruhe gesteuret würde, welcher daher die Wachen verdoppeln, und alle Posten und Zugänge besitzen ließ. [1325] So bald die Glieder des hohen Raths beysammen waren, setzte sich die Kayserin auf den Thron, und befahl dem Hauptmanne, der die Wache hatte, von niemand anders, als dem Obrist-Lieutenant Soltikow, Befehle anzunehmen. Hierauf trat der Feld-Marschall Trubezkoy mit seinem Gefolge in den Saal, und überreichte der Kayserin ein Memorial des Inhalts, daß weil in denen von Ihro Majestät unterzeichneten Artickeln viele Dinge enthalten, die dem Reiche nachtheilig seyn könnten, sie Ihro Majestät ersuchten, daß sie ihnen erlauben möchte, sich über die Regiments-Form noch einmahl zu berathschlagen. Dieses gestattete sie, und setzte hinzu, daß sie es gerne sähe, wenn ihr der Schluß ihrer Berathschlagungen noch an diesem Tage zu wissen gethan würde. Die Glieder des hohen Raths behielt sie zur Tafel, nach deren Aufhebung der Feld-Marschall Trubezkoy mit seinem Anhange wieder in den Saal kam, und vorstellete, daß sie nach reiffer Ueberlegung befunden, wie eine Monarchische Regierung die eintzige wäre, welche sich vor das Rußische Reich schicke; daher sie die Kayserin bäthen, die vollkommene Gewalt und Souverainität, wie solche ihre Vorfahren besessen, anzunehmen. Sie antwortete darauf: Ihre Meynung wäre, ihre Unterthanen mit Gerechtigkeit und friedlich zu regieren; nachdem sie aber gewisse Artickel unterzeichnet; so müste sie zuvor wissen, ob die Glieder des hohen Raths damit zufrieden wären. Als die Glieder des hohen Raths mit einem Haupt-Neigen ihre Einwilligung zu verstehen gegeben, nahm die Kayserin die Souverainität an, und ließ sich von dem Groß-Cantzler, die von ihr unterschriebenen Artickel bringen, welche man alsobald zerriß. Hierauf hielt sie eine allergnädigste Anrede, in welcher sie versicherte, daß sie eine wahre Mutter des Vaterlandes seyn wolte, die ihren Unterthanen alle Arten von Gnade erweisen würde. Sie ließ so denn den General Jagousinsky vor sich kommen, und gab demselben seinen Degen und Orden wieder, welcher gleich nach des jungen Groß-Fürsten Tode, auf Befehl des Senats, in Verhafft genommen, und seines Ordens beraubet worden war, weil er sich bemühet hatte, der Kayserin Anna die völlige Souverainität, wie sie ihre Vorfahren gehabt, zu versichern. Die Kayserin machte darauf ihren Unterthanen die neu eingeführte Souverainität durch ein Manifest kund, welchem sie zugleich einen neuen Huldigungs-Eid beyfügte. Den 12. Mertz neuen Calenders wurde durch ein Manifest die im April vorhabende Crönung bekannt gemacht, und den 15. dieses Monaths der hohe geheimde Rath mit dem Senate vereiniget, und zu einem eintzigen Collegio, welches der regierende Senat genennet ward, gemacht. Die Kayserin Anna fieng ihre Regierung sehr löblich an. Sie bezeigte nicht nur einen grossen Eifer für die Erhaltung und Ausbreitung der Griechischen Religion; sondern beförderte auf alle Art und Weise den Lauff der Gerechtigkeit. Zwar gab sie bey Besteigung des Thrones das Ansehen von sich, als ob sie lange Jahre regieren würde, weil sie nicht nur ein blühendes Alter, sondern auch eine gesunde Leibes-Constitution hatte; allein sie ward nach und nach sehr fett und starck, welches ihre Gesundheit nicht wenig alterirte, und derselben mancherley Leibes-Beschwerungen zuzog, durch welche sie endlich am 28. Octobris im Jahre 1740. ihres Lebens beraubet ward. Sie hatte weder Gemahl noch Kinder; daher ieder begierig war, wer ihr succediren würde. Die meisten fielen mit ihren Gedancken auf die Printzeßin Anna, gebohrne Printzeßin von Mecklenburg-Schwerin, eine Gemahlin des Printzen Antonii Ulrici von Braunschweig-Wolffenbüttel, welche der Kayserin leibliche Schwester war; über dieses in Rußland erzogen, und von ihr selbst bey dem Antritte ihrer Regierung an Kindes statt angenommen, auch in allen Stücken bisher als eine zukünfftige Cron-Erbin bey Hofe tractiret worden. Ob nun wohl dieselbe kurtz vor der Kayserin Tode einen Printzen zur Welt gebracht hatte; so glaubte doch niemand, daß [1326] dieses Kind der Mutter vorgezogen werden würde, weil es sein Successions-Recht erst von derselben erhielte, und nach ihrem Tode zeitig genug zur Rußischen Crone gelangen könnte. Es würde dieses auch ohnfehlbar erfolget seyn, wenn nicht die Herrschsucht des Hertzogs von Curland, der gerne Theil an der neuen Regierung haben wolte, ein anders veranlasset hätte. Den 16. Octobris neues Calenders wurde die Successions-Acte abgefaßt, von der krancken Kayserin unterschrieben, und folgendes Tages bey dem Senate gedruckt und publiciret, in welcher dieser junge Printz, Nahmens Johannes, zum Kayser erkläret ward. Auf diese Successions-Acte folgte den künfftigen Tag eine andere, darinnen der Hertzog von Curland, Ernestus Johannes, mit einer unumschränckten Macht, währender Minderjährigkeit des jungen Kaysers, zum Regenten des Reichs ernennet wurde. Auf solche Weise ward der Hertzog von Curland gleichsam zum Vice-Kayser, mit einer absoluten Macht, ernennet. Dieses muste die Printzeßin Anna allerdings nicht wenig kräncken. Daher bemühete sie sich, alles anzuwenden, den Hertzog zu stürtzen. Den 29. Octobris ward der Tod der Kayserin öffentlich kund gemacht, und zugleich der junge Printz Johann, oder Ivan III, zum Kayser ausgeruffen. Es ward auch an diesem Tage ein Manifest im Nahmen dieses jungen Kaysers publiciret, darinnen nicht nur desselben Erhebung auf den Thron; sondern auch die Regentenschafft des Hertzogs von Curland allem Volcke bekannt gemacht ward. Dieser Hertzog bekam das Praedicatum in einem andern in des Kaysers Nahmen ausgefertigten Manifeste: Ihro Hoheit, der Regente des Rußischen Reichs, Hertzog in Liefland, Curland, und Semgallien. Bald hernach ward dem Hertzoge, Anton Ulrichen, als dem Vater des jungen Kaysers, der Titul: Ihro Hoheit, beygelegt, und deswegen ein besonders Manifest vom 3. Novembris bekannt gemacht. Damit auch die Unterthanen der neuen Regentschafft sich um so viel williger unterwerffen möchten, wurde zu gleicher Zeit ein Manifest publiciret, darinnen viele, die um mancherley Verbrechen willen zu Leibes-Straffen verurtheilet waren, begnadiget wurden. Allein es war dieses alles nicht zulänglich, das grosse Mißvergnügen, das der gröste Theil der Nation, und sonderlich viele Grosse des Hofes über die Regentschafft des Hertzogs verspühren liessen, zu stillen. Sie murreten öffentlich darwider, und weigerten sich, ihn in solcher Qualität zu erkennen. Selbst der General Keith, der das Commando in der Ukraine führte, und der bekannte Donduc Ombo, oberster Befehlshaber der Calmucken, wolten seine Befehle nicht respectiren, ob sie wohl den jungen Kayser selbsten als ihren Herrn und Souverain mit allen Freuden erkannten. Da der Regente merckte, daß das Murren immer grösser wurde, ließ er sechs vornehme Russen, und etliche andere Personen von gerigerm Range in Verhafft nehmen, dadurch aber das Mißvergnügen nicht gehoben wurde. Jedoch es würde ihm dieses alles noch keine Gefahr gebracht haben, wenn er nur nicht auch des jungen Kaysers Eltern wider sich gehabt hätte. Denn da diese durch des Hertzogs Intriguen nicht nur von der Regentschafft ausgeschlossen; sondern auch aller Hoffnungen zur Succession beraubet worden: so waren sie auf das äusserste wider ihn erbittert. Der Hertzog Anton Ulrich von Braunschweig, der zum Generalissimo und Groß-Admiral des Reichs erkläret worden, legte so gar alle seine Bedienungen nieder, weil er den Regenten nicht frey schalten und walten sehen konnte. Man gieng daher Tag und Nacht, wiewohl auf das geheimste, damit um, wie man ihn absetzen, und sich seiner Person versichern möchte. Endlich wurde den 19. Novembris in einer geheimen Berathschlagung, die in dem Kayserlichen Pallaste zu der Zeit, da sich der Hertzog in seinem Sommer-Palais abwesend befand, in Gegenwart der Printzeßin Anna und ihres Durchlauchtigen [1327] Gemahls von einigen vertrauten Ministern der Entschluß gefaßt, den Hertzog vor Tage in Arrest zu nehmen, und nach Schlüsselburg in Verwahrung zu bringen; die Printzeßin Anna aber zur Regentin des Reichs auszuruffen. Die Vollziehung dieser Sache wurde dem Feld-Marschall, Grafen von Münnich, aufgetragen, der auch den 20. November solche, wiewohl nach starcker Gegenwehr des Hertzogs, glücklich ins Werck gerichtet, und er mit seiner gantzen Familie nach Schlüsselburg gebracht, nachdem er die Regentschafft 22. Tage geführt hatte. So bald der Hertzog auf die Festung gebracht worden, wurde eine General-Salve aus dem Geschütze gegeben, die Printzeßin Anna zur Regentin des Reichs ausgeruffen, und das Te Deum laudamus angestimmet. Zu gleicher Zeit trat im Nahmen des jungen Kaysers ein Manifest ans Licht, darinnen diese Veränderung, sammt deren Ursachen, dem Reiche kund gethan, und der Anna der Titul einer Groß-Fürstin aller Reussen beygelegt wurde. Die Russen verhielten sich sehr ruhig, und sahen den jungen Kayser mit Vergnügen in ihren mütterlichen Armen. Sie hatten es auch nicht anders Ursache, weil die Groß-Fürstin nicht nur überhaupt viel Gnaden-Bezeigungen über sie ausschüttete, sondern sie auch insbesondere vor vielen Ausländern distinguirte. Mit denen auswärtigen Potentzen erneuerte sie die alten Bündnisse; die Trouppen aber hielt sie in solchem Stande, daß sie damit einen ieden Angriff auspariren, und sich zur Gnüge vertheidigen konnte. Dem General-Feld-Marschall, Grafen von Münnich, ernannte sie zu ihrem ersten Minister und Chef von allen Collegiis, wobey sie in Gegenwart des gantzen Hofes sprach: Dieser ist es, der mich und das Reich beschützet; er ist es, der mich von den Birons und ihren bösen Anschlägen befreyet. Sie hatte zugleich eine Verordnung ergehen lassen, daß er unmittelbar nach dem Hertzoge Anton Ulrichen von Braunschweig und vor allen Ministris und Generals, gleichwie seine Gemahlin vor allen Damen des Hofes, den Rang haben solte. Allein die Regierung des jungen Kaysers dauerte nur ein Jahr. Hier nun gieng die merckwürdigste aller Revolutionen, woran Rußland sehr fruchtbar ist, vor sich. Die Haupt-Person hierbey ist die Printzeßin Elisabeth, eine Tochter Petri I, die er mit seiner zweyten Gemahlin, Catharina, gezeuget. Der Sohn Petri I, Nahmens Alexius, den er mit seiner ersten Gemahlin erzeuget, wurde verschiedener Staats-Verbrechen wegen mit seinen Kindern von der Succession ausgeschlossen. Hierdurch bekamen die Kinder der zweyten Ehe das nächste Recht zur Erb-Folge, welches aber ihr Groß-Vater ein wenig einschränckte, als er das unwiderrufliche Reichs-Gesetze machte, daß ein ieder Souverain im Rußischen Reiche bey seinen Leb-Zeiten Macht haben solte, ohne Ansehen des Geschlechts, einen Nachfolger aus seiner Bluts-Freundschafft zu erwählen. Da nun die Kayserin Catharina bey ihrem Absterben nur zwey Printzeßinnen am Leben hatte, davon die ältere, Anna, an den damahligen Hertzog, Carolum Fridericum von Holstein-Gottorp vermählet war; die jüngere aber, Nahmens Elisabeth, sich noch im ledigen Stande befand: so meynte iedermann, sie würde eine von diesen Printzeßinnen zur Nachfolgerin ernennen. Allein die Intriguen des damahligen Premier-Ministers, Fürstens von Menzikof, oder Menschikow, der nur auf die Erhebung seines eignen Hauses bedacht war, triumphirte damahls über die mütterliche Liebe der sterbenden Kayserin, daß sie, mit Uebergehung ihrer beyden Printzeßinnen, den jungen Printzen, Petrum Alexiewicz, des unglücklichen Czaarewiczens Sohn, zum Successore bestimmte. Dieses widrige Schicksal bewegte die Printzeßin Elisabeth, daß sie dem Antrage des Printzens Caroli von Holstein-Gottorp, Administratoris des Bißthums Lübeck, Gehöre gab, und sich den 20. May im Jahre 1727. mit ihm verlobte, der aber 10. Tage darauf an den Kinder-Blattern zu Petersburg starb, seit welcher Zeit sie beständig am Rußischen Hofe geblieben, ohne sich weiter um eine Vermählung zu bekümmern. [1328] Der Tod des jungen Kaysers Petri II. gab ihr neue Hoffnung zur Cron-Folge, weil sie nach Absterben ihrer altern Schwester von dem Hause des grossen Petri I. allein noch übrig war. Allein sie wurde abermahls übergangen, und ihrer Muhme, der Printzeßin Anna, verwittweten Hertzogin von Curland, nachgesetzt. Jedoch schmertzete sie dieses alles nicht so sehr, als daß die neue Kayserin ihr die Printzeßin von Mecklenburg, ihrer Schwester Tochter, in allen Stücken vorzog; selbige auch zu ihrer Nachfolgerin bestimmte. Sie verbarg ihren Verdruß zwar; allein den Unwillen über diese Printzeßin ließ sie bey vieler Gelegenheit mercken. So betrübt und niedergeschlagen die Printzeßin Anna wegen der Successions-Verfassung war: so erfreut bezeigte sich die Printzeßin Elisabeth darüber, und legte den ihr vorgeschriebenen Eyd der Treue mit der größten Standhafftigkeit ab, und achtete es wenig, daß man sie, währender Kranckheit der Kayserin, in ihrem Pallaste nicht anders, als eine Staats-Gefangene, hielt. Ihr war nur lieb, daß die Printzeßin Anna von der Succession ausgeschlossen blieb, ob sie gleich auch selbst übergangen ward. Allein da dieselbe nicht lange darauf durch Hülffe der Grafen von Münnich und Ostermann den Hertzog von Curland der Regentschafft entsetzte, und sich unter dem Nahmen der Groß-Fürstin aller Reussen der Regierung anmassete: so ward das Gemüthe der Elisabeth dermassen aufgebracht, daß sie insgeheim mit allen denen, die mit der gegenwärtigen Regierung nicht zufrieden waren, und ihre Parthey von langen Zeiten her gehalten hatten, zu Rathe gieng, welches man aber so heimlich hielt, daß es nicht eher zu mercken war, als da das concernirte Project zum völligen Ausbruche kam. Man erzehlet zwar, daß die Groß-Fürstin Anna schon einige Zeit vorher aus verschiedenen Orten benachrichtiget worden, wie sich eine starcke Parthey in Rußland verbunden habe, die Printzeßin Elisabeth auf den Thron zu setzen: sie habe aber solches nicht glauben können, weil die Printzeßin Elisabeth sich seit geraumer Zeit gestellet, als ob sie nicht nur eine gute Freundin von der Groß-Fürstin Anna sey: sondern auch, als ob sie sich um Staats-Sachen nicht das geringste bekümmere, und gar keine Vertrauten von Range und Ansehn habe. Ja noch den Tag vor der Revolution soll die Groß-Fürstin Briefe aus Breßlau bekommen haben, die sie vor der Parthey, en faveur der Printzeßin Elisabeth, gewarnet. Sie habe aber Gelegenheit genommen, die Printzeßin, als sie gegen Abend einen Besuch bey ihr abstattete, in ihr Cabinet zu führen, und sich mit ihr in ein Gespräch einzulassen, um von ihr was heraus zu bringen, daß sie verdächtig machen könnte. Allein weil sie alle Fragen ohne Verwandelung des Gesichts beantwortet, habe die Groß-Fürstin den Verdacht fahren lassen. Jedoch sey diese nunmehr desto eiferiger beflissen gewesen, den gemachten Anschlag schleunig auszuführen. Diese geschahe zu Petersburg den 6. Decembris, oder nach dem alten in Rußland gewöhnlichen Calender, den 25. Novembris, im Jahre 1741. Am 5. Decembris Abends merckte man zu Petersburg einige ausserordentliche Bewegungen, deren Ursache niemand errathen konnte. Die Preobrazinskyschen und Semonowskyschen Guarde-Regimenter besetzten alle Zugänge in den Kayserlichen Pallast. Die andern Regimenter, welche die Garnison ausmachten, nahmen auch die vornehmsten Posten ein. Die Groß-Fürstin, die über diese Bewegungen Argwohn schöpfte, schickte, und ließ nach der Ursache fragen, aber vergebens. Die Trouppen hatten Befehl, niemand, wer es auch sey, passiren zu lassen. Sonst waren auch Wachten bey den Zugängen zu den Häusern verschiedener Minister des Hofes und der Cantzeley ausgestellt. Binnen solcher Zeit waren die Ministri des Reichs, die Generals und Glieder des Synodi, die der Printzeßin Elisabeth getreu waren, in ihrem Pallaste versammlet. In dieser Versammlung zeigte man an, wie wenig die letzte feyerliche Willens-Erklärung Petri I. erfüllet worden; was für [1329] Usurpationes nach seinem Tode geschehen; wie diejenigen, so die vornehmste Verwaltung der Sachen gehabt, ihre Gewalt gemißbrauchet; wie man allerhand dem Reiche nachtheilige Verbindungen eingegangen; wie die Finantzen durch die seit etlichen Jahren unternommene Kriege erschöpfft worden; wie viel Mißvergnügen man in allen Theilen von Rußland verursacht; was für Gewaltthätigkeiten und andere Dinge geschehen, die den Ruhm und Glantz des Reichs verdunckeln können, und wie nöthig es sey, einer so grossen Unordnung durch eine schleunige Aenderung abzuhelffen. Die gantze Versammlung gab diesem Vortrage Beyfall, und baten die Printzeßin Elisabeth, als die einzige, und nach dem Willen Petri I. rechtmäßige Erbin des Thrones, die Crone anzunehmen, und dem Verlangen der Truppen und der gantzen Nation statt zu geben. Elisabeth, die durch so vielen Eifer gerühret ward, nahm also die Crone an, und ward von den Ständen als Kayserin und Selbsthalterin aller Reussen gegrüsset. Die Groß-Fürstin und ihre Parthey erfuhren die Ursache dieser Bewegung nicht eher, als durch ein dreymahliges Feuer der Garde-Regimenter, und durch das wiederholte Ruffen: Es lebe die Kayserin Elisabeth! Dem Beyspiele der Garde folgte der Rest der Truppen von der Besatzung, über 20000. Mann an der Zahl. Bey Anbruche des Tages proclamirte man die Kayserin öffentlich. Ihro Kayserliche Majestät liessen zu gleicher Zeit ein Manifest publiciren, um Dero Unterthanen kund zu thun, daß sie die Regierung übernommen. Es wurde so wohl durch ausserordentliche Couriers in alle Städte und Provintzen des Reichs, als an die in auswärtigen Landen stehende Gesandten und Ministros der Kayserin abgesandt. Nachdem die Monarchin von den Garde-Regimentern und denen Chefs der Garnison den Eid der Treue angenommen; erklärte sie den Erb-Printzen von Hessen-Homburg zum General-Feld-Marschall, in Betrachtung des Antheils, den er an dem, was vorgegangen, genommen; und der Klugheit, womit er alles bey den Truppen geführet. Hierauf ließ sie die Wache der Groß-Fürstin ablösen, und dieser Printzeßin sagen, daß sie mit dem Printzen, ihrem Gemahl, und ihrer Familie, in ihrem Pallaste bleiben solte, und daß man für ihre Personen alle Hochachtung haben würde. Die Grafen von Ostermann und Münnich wurden, nebst verschiedenen andern vornehmen Herren von Hofe, in Verhafft genommen, und auf die Festung gebracht. Die Kayserin hat bey Notification dieser Veränderung an ihre Ministros in auswärtigen Landen Befehl gegeben, allen Puissancen, wo sie sich befinden, die Erklärung zu thun, wie Ihro Kayserliche Majestät die vollkommenste Freundschafft und das beste Vernehmen mit ihnen unterhalten, und sich ein Vergnügen machen würde, bey aller Gelegenheit Proben davon abzulegen. Der Frantzösische Minister, Marquis von Chetardie, ist der erste gewesen, der der neuen Kayserin gratuliret. Sonst giebt man von dieser merckwürdigen Revolution folgenden Bericht: In der Nacht vom 5. bis 6. Decembris neuen Calenders um 12. Uhr fuhr die Printzeßin Elisabeth mit wenigen Leuten in einem Schlitten nach dem Quartier der Preobrazinskischen Garde, welches die Haupt-Wache ist, und fragte den daselbst die Wache habenden Capitain: Kennest du mich, un wilst du mir als deiner Kayserin folgen? Als nun derselbe sich gleich erkläret, wie er sie gar wohl kenne, sie wäre des Kaysers Peters Printzeßin Tochter, und seine Gebietherin, er wolle ihr gerne folgen; so musten gleich die Soldaten ins Gewehr treten, und ihr die Treue geloben. Hierauf fuhr sie auch nach den übrigen Wachen, und ließ sich von denselben Treue und Beystand versprechen. Als dieses geschehen, wurde dem Erb-Printzen von Hessen-Homburg, der zugleich zum Feld-Marschall erkläret wurde, Befehl ertheilet, die sämmtlichen Compagnien von der Garde vor Dero Pallaste zu versammlen, wo ihnen der Printz fürstellete, daß die Printzeßin Elisabeth sich entschliessen müssen, die Kayserliche Würde anzunehmen, um [1330] das Rußische Reich von seinem Untergange zu erretten. Ihro Majestät wolten gleich mit Schweden Friede machen, und sich mit der gantzen Hof-Staat nach Moscau begeben, wie auch alle unschuldig vertriebene Russen zurücke ruffen, und sie schützen, etc. Ihro Majestät begaben sich so dann nach dem Kayserlichen Pallaste, wo sich der Capitain von der Wache so gleich bequemte. Als aber der Major sich widersetzen wolte, ergriff die Kayserin selbst das Espaton, und commandirte; worauf der Major arrestiret, die Wache entwaffnet, auch das Spiel weggenommen wurde, damit kein Lermen gemacht werden könnte. Es erfuhren auch die Groß-Fürstin, Regentin Anna, und dero Gemahl von allen nichts, bis ein Detachement vor des Printzens, ihres Gemahls, Schlaf-Gemache anlangete. Die Kayserin kam selbst, und weckte die Groß-Fürstin auf, der sie declarirte, wie sie nunmehro ihre Kayserin wäre, und verlangte, daß sie sich mit nach Dero Pallast begeben möchte, mit der Versicherung, daß ihr kein Leid geschehen solte, wohin denn auch der junge Kayser Ivan gebracht wurde. Zu gleicher Zeit ließ man den Groß-Admiral, Grafen von Ostermann, den Feld-Marschall, Grafen von Münnich nebst dessen Sohne, den Ober-Hofmeister, den Unter-Cantzler, Grafen Golowkin, den Ober-Hof-Marschall, Grafen von Löwenwolde, den Praesidenten des Commercien-Collegii, Baron von Mengden, und dessen Schwester, die Hof-Dame und Favoritin der Regentin, den General Albrecht, und noch verschiedene andere in Arrest nehmen, und sie mit ihren Familien in die Festung bringen. Als dieses alles geschehen war, liessen Ihro Majestät die Garde-Regimenter und die übrigen Truppen fragen, wie sie ihnen ihre Treue vergelten solte? welche sich darauf erklärten, wie sie nichts verlangten, als die Ehre zu haben, die ersten zu seyn, die Ihro Majestät den Eid der Treue leisten möchten. Des Morgens ließ die Kayserin den gantzen Senat zusammen beruffen, und that ihnen ihre Resolution wegen angetretener Regierung kund, wovon die Nachricht durch verschiedene Couriers nach Dreßden und andere Höfe abgefertiget wurde. Sie erhob sich darauf unter beständigem Frohlocken des Volcks nach dem Kayserl. Winter-Pallaste, wo in der Hof-Capelle, nach Verlesung eines deshalben gedruckten Manifests, ein solennes Danck-Fest gehalten, und von den sämmtlichen Ständen die Glück-Wünschungen abgestattet wurden. Es gieng alles so geheim zu, daß diejenigen, die man in Verhafft nahm, alle in ihren Betten aufgehoben wurden. Der Erb-Printz von Hessen-Homburg führte das gantze Werck. Die Armée des Feld-Marschalls Lascy stund nur 2. oder 3. Tage-Reisen vor Petersburg, als er den Befehl erhielt, die neue Kayserin zu proclamiren, welches mit unglaublichen Freuden geschahe. Der Graf Lascy war sonst ein geheimer und grosser Freund des Printzens von Hessen-Homburg. Der Türckische und Frantzösische Gesandte sind, nebst denen zu Petersburg befindlichen Schwedischen Gefangenen, die ersten unter den Ausländern gewesen, so der neuen Kayserin gratuliret, welche daher ihnen die Freyheit gegeben, diese Veränderung so gleich an ihre Höfe zu berichten. Der Hertzog Anton Ulrich hat mit seiner Familie, bis zu seiner Abreise nach Deutschland, seinen Aufenthalt unter genauer Aufsicht einer Wache von der Preobrazinskischen Garde, in dem Pallaste gehabt, den sonst die neue Kayserin bewohnet hatte. Die übrigen Staats-Gefangene wurden bis auf wenige, nach Schlüsselburg in Verwahrung gebracht, auf die Festung, die mitten in der Stadt, auf der Insul Retusari liegt. Der Groß-Fürstin hat man weiter nichts, als die Cron-Kleinodien und Jubelen abgefodert, wobey man ihr die Versicherung gab, daß man auf eine ihrer Geburt und Range gemässe Art für ihren Unterhalt sorgen würde. Sie soll darauf derselben für ihre Gütigkeit gedanckt, und ihr Glück gewünscht haben. Alle Ministri, Bediente und Beamten, musten den Eid der Treue unterschreiben. Den 9. Decembris neues Calenders kam ein Manifest ans Licht, welches die Ursachen der Regierungs-Veränderung enthielt. Den 12. Decembr. früh um 4. Uhr [1331] wolte der Hertzog mit seiner Gemahlin, als gewesenen Regentin, nebst dem Printzen Ivan, und der Printzeßin Catharina, unter einer Escorte nach Deutschland abreisen, nachdem die Kayserin der Regentin nochmahls die Versicherung thun lassen, für ihren Standes-mäßigen Unterhalt zu sorgen. Sie soll ihr dabey so gleich eine ansehnliche Summe Geldes, und über dieses durch den Hof-Fourier 30000. Rubeln Reise-Kosten haben auszahlen lassen. Allein sie kamen nicht nach Deutschland; sondern wurden auf Kayserlichen Befehl zu Riga arretiret, und genöthiget, für sich und ihre Kinder auf das Rußische Reich gäntzlich zu renunciren. Der Printz Ludovicus Ernestus von Braunschweig, den man der ietzigen Kayserin, vor ihrer Erhebung, zum Bräutigam bestimmet hatte, blieb zwar in Petersburg; man gab ihm aber zu erkennen, daß er, wenn es ihm beliebte, abreisen, und dabey sich der Carossen und Equipage des Hofes bedienen könnte. Den 24. Decembris kam ein Manifest zum Vorschein, worinnen die künfftige Regierungs-Art der Unterthanen enthalten war. Den 26. Decembris erschien die Kayserin das erstemahl im Senate, und gab in einer gehaltenen Rede zu erkennen, daß sie, wie Petrus I, Glück und Ruhm suchen, und seinen Staats-Regeln unveränderlich folgen würde, welche Rede der Groß-Cantzler, Fürst Czerkaskoy, mit denen gewöhnlichen Lobes-Erhebungen, beantwortete. Solchergestalt sitzt Elisabeth I. auf dem Rußischen Throne. Das gantze Reich hat sie willig angenommen. Die Generals Keith und Löwendahl zu Wyborg und Reval stellten deswegen grosse Freuden-Feste an. Im April des Jahres 1742. ließ sie sich zu Moscau öffentlich crönen, weswegen sie ein Manifest vom 3. Jan. ausgestellet. Alle unter den vorigen beyden Regierungen entweder ins Gefängniß[WS 4] verstossene, oder ins Exilium getriebene Standes-Personen, sind, wo nicht zurück beruffen, und in Freyheit gesetzt, doch wenigstens in leidlichere Umstände gesetzt worden, welches sich sogar auf den gewesenen Hertzog von Curland und dessen Familie erstreckt, denen in ihrem Exilio viele Erleichterung wiederfuhr. Sie publicirte auch ein weitläufftiges Gnaden-Patent, darinnen nicht nur unter gewissen Einschränckungen allen Uebertretern u. Gefangenen ein General-Pardon ertheilt; sondern auch denen Unterthanen ein ansehnl. Erlaß der Gefälle u. Gaben angekündigt ward. Die Rußischen Federn können ihre Klugheit, Schönheit und Moderation in den bisherigen Reichs-Veränderungen nicht gnugsam beschreiben. Das gantze Rußisch-Kayserliche Hauß besteht vorietzo aus folgenden Personen: 1) Elisabeth I, Kayserin von Rußland, gebohren den 29. Dec. im Jahre 1709; succedirte den 6. Dec. 1741. 2) Ihrer Schwester Sohn, Carolus Petrus Ulricus, regierender Hertzog von Holstein-Gottorp, gebohren den 21. Febr. im Jahre 1728; succedirte den 18. Jun. 1739. im Hertzogthume. 3) Die Enckelin von ihres Vatern Bruder, Elisabeth Catharina Christiana, gebohrne Printzeßin von Mecklenburg, gebohren den 18. Dec. im Jahre 1718; vermählt mit Antonio Ulrico, Printzen von Braunschweig-Lüneburg, den 14. Jul. 1739. Deren beyde Kinder sind 1) Johannes, gewesener Kayser von Rußland, gebohren den 23. Aug. im Jahre 1740, und 2) Catharina, gebohren den 26. Jul. im Jahre 1741. Obgedachter Hertzog von Holstein-Gottorp nahm, auf Gutbefinden der ietzt regierenden Kayserin Elisabeth, im Jahre 1742. die Griechische Religion an, und ward gleich darauf von ihr zum Groß-Fürsten erklärt. Im Jahre 1744. den 10. Jul. als am Tage Petri und Pauli, und zugleich an dem Nahmens-Feste des Groß-Fürsten, alten Calenders, verlobte er sich mit der Printzeßin Catharina Alexiewna, von Anhalt-Zerbst mit grossen Gepränge. Gegen halb 12. Uhr erhob sich die Kayserin zu Fusse, aus dem Cremelin, nach der Haupt-Kirche der Stadt Moscau, in Begleitung des Groß-Fürsten, welcher der jungen Printzeßin die Hand gab. Der oberste Hof-Marschall, Graf von Brummer, führte die Fürstin von Zerbst, und der Hof folgte. Ihro Kayserl. Majestät wurden an der Kirch-Thüre von der Geistlichkeit empfangen, welche der Ertz-Bischof von Novogrod anführte. Der Praelat hielt die Verlobungs-Rede. Sodann empfieng die Kayserin [1332] die Ringe aus den Händen des Ertz-Bischofs, und wechselte sie unter den Verlobten, wobey die Canonen auf den Willen des Cremelins gelöst wurden. Die Printzeßin ward darauf in allen Kirchen, unter dem Titul: Ihro Kayserlichen Hoheit, der verlobten Braut des Groß-Fürsten, der rechtgläubigen Printzeßin und Groß-Fürstin, Catharina Alexiewna, in die Liturgie eingeschlossen, und durch ein Manifest, ihr den Titul, Ihro Kayserlichen Hoheit, beyzulegen, befohlen. Das Jahr darauf, als den 1. Sept. und die folgenden Tage gieng das Vermählungs-Fest Sr. Kayserlichen Hoheit des Groß-Fürsten in dem grösten Vergnügen vor sich. Die Solennitäten waren sonderbar. Früh um 6. Uhr gedachten Tages versammleten sie sich, nach einem gegebenen Signal von 5. Canonen-Schüssen, in dem Winter-Palais der Kayserin alle Personen von Distinction, beyderley Geschlechts. Vormittags um 11. Uhr fieng sich der Zug nach der Kirche von Kazamka an. In den Strassen, durch welche man passiren muste, waren zu beyden Seiten Soldaten gestellet, deren Anzahl sich auf 15000. Mann belieff. Das Gefolge bestand in 135. sechsspännigen Carossen, vor denen die Domestiquen in sehr reicher Livrey hergiengen. In der Carosse Ihro Majestät der Kayserin sassen beyderseits Kayserliche Hoheiten, vor denen alle Cavaliers herritten. Der Ertz-Bischof von Novogrod verrichtete die Trauuungs-Ceremonien, und der Ertz-Bischof von Pleskow hielte dabey die Rede. Sodann wurden die Canonen abgefeuert, und die sämmtlichen Regimenter gaben eine dreyfache Salve. Auf dem Neva-Strohme sahe man ein Kriegs-Schiff, 4. Jachten, 30. Galeeren, die mit einer grossen Menge Flaggen und Wimpel gezieret waren, und gleichfalls Salve gaben. Nach der Zurückkunfft aus der Kirche emfpieng die Kayserin von denen Ambassadeurs und ausländischen Ministris, wie auch einheimischen Standes-Personen beyderley Geschlechts die Glück-Wünschungen. Des Mittags speiseten Ihro Kayserliche Majestät unter einem Thron-Himmel mit dem hohen Braut-Paare, mit Ihro Durchlauchtigkeit der Fürstin von Anhalt-Zerbst, und dem Printzen Augusto von Holstein-Gottorp. Den Beschluß des ersten Tages machte ein Ball. Des andern Tags Vormittage empfiengen Ihro Kayserliche Hoheiten die Glückwünschungs-Complimente. Um 1. Uhr begaben sie sich in den Sommer-Pallast, um Ihro Majestät gehorsamst zu dancken, und speiseten auch bey denenselben. Abends war im Winter-Pallaste Ball, wobey alle Ambassadeurs und ausländische Ministri erschienen. Nach gezogenen Billets speisete man an einer figurirten Tafel, an deren Ecken man Fontainen mit Cascaden und andern Auszierungen sahe. Am 3. war Ruhe-Tag. Am 4. speiseten Ihro Majestät bey den Kayserlichen Hoheiten im Winter-Pallaste, wobey die Personen aus den ersten beyden Classen beyderley Geschlechts mit zur Tafel gezogen wurden. In verschiedenen andern Apartements war für die übrigen angerichtet. Nach geendigter Tafel ließ man aus etlichen Fontainen Wein springen, und gab dem Volcke gebratene Ochsen, und anderes gebratenes Fleisch, ingleichen Brodt auf einigen Pyramiden Preiß. Gegen Abend war bey Hofe Galla und Italiänisch Concert. Sonsten ist auch noch der Charten von Moscau zu gedencken. Der jüngere Nicolaus Fischer hat von diesem Reiche die accurateste Land-Charte ausgefertiget. Nächst dieser sind auch Mortiers und Friderici de Witt Charten deutlich gezeichnet. Die weitläufftigste hat gedachter Fischer in 2. Bogen geliefert, daran bey iedem Bogen noch ein Viertels-Bogen angehänget ist. Von dem letzten Schwedischen und Rußischen Kriege soll in dem Artickel Schweden vollständige Nachricht ertheilet werden. Sonst können von Rußland nachgelesen werden Adams Olearii Moscowitische und Persianische Reise-Beschr. Albert Heidenfelds Beschr. der Orient. Königr. Türckey, Persien, Moscau und China. Neu-entdecktes Siberien. Peter Petri Rußische Chron. Gottlieb Samuel Treuers Einl. zur Rußischen Histor. Das veränderte Rußland. Just. Gottfried Rabeners Leben Petri I. Gundlings Europ. Staaten. Peter von Havens [1333] Reise in Rußl. Schramm. Hübn. G. II. Th. Europ. Staats-Secr. Schließlich können wir nicht umhin, hier nachfolgende Geographische Tabelle von dem so weitläufftigen Rußischen Reiche beyzufügen.
Martin. Dict.
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