Hypochonders Mondlied (1836)
Singt ihr in eurem Freudenliede:
„Der heitre Mond am Himmel lacht,
Und ihm entstrahlt ein süßer Friede,“
So habt ihr nie den Mond bedacht.
Bleich, ohne Wasser, ohne Luft?
Er zieht mit ausgestorbnem Leben,
Ein Todtengräber sammt der Gruft.
Dort dringt der Mond mit seinem Schimmer
Er winkt und lockt aus Bett und Zimmer,
Der Schläfer folgt ihm auf das Dach
Und huscht, geschlossner Augenlieder,
Hin, her des Daches steilsten Bug,
Enthoben ihn dem Erdenzug.
Der Mond geht traurig durch die Sphären,
Denn all die Seinen ruhn im Grab,
Drum wischt er sich die hellen Zähren
Darum durchschleicht er Fenster, Thüren
Auf Diebessohlen leis und lind,
Der Erde heimlich zu entführen
Im Schlafe dies und jenes Kind.
Sucht er sein feines Silbernetz,
Und sie zu sich hinaufzuschwingen;
Doch seine Fäden reißen stets.
Und immer wird es ihm mißglücken,
In seine Oede zu entrücken
Ein lebenwarmes Erdenkind. –
Der Mond wohl auch die Schlummerlosen
Der Erde zu entlocken sucht,
Bereden uns zu früher Flucht.
Oft wenn ich ging durch Wald und Wiesen,
Log mir der Mondenschein so lang,
Ich sey auf Erden nur verwiesen,
Weil er uns nicht vermag zu stehlen,
Nicht wachend, nicht in Schlafesruh,
Schickt er mit Blicken, stieren, scheelen,
Der Erde Todeswünsche zu.
Zum stillen, blassen Mond empor,
Daß nicht ein wunderliches Grauen
Mir heimlich das Gebein durchfror.
Nirgends auf Wald und Feld und Straßen
Wie auf dem Kirchhof, wo verlassen
Ein armes Herz in Klagen bricht.
Ja, Gräber sind für ihn die Stelle,
Und an Ruinen Dorngesträuch;
Bewahrt das Brautbett, rath’ ich euch.
Laßt ihr den Mond in’s Brautbett scheinen,
Ist euer künftig Kind bedroht,
Denn viele Stunden wird es weinen,
Wenn Schiffer Nachts das Meer befahren,
Umhüllen sie das Haupt genau,
Denn spielt der Mond mit ihren Haaren,
So färbt er sie frühzeitig grau.
Ein Dolch, gewezt im Mondenschein,
Sticht eine ewig stumme Wunde,
Trifft mittendurch in’s Herz hinein.
Bergjäger, der kein Raubschütz, meidet
Geschossen oder ausgeweidet,
Verwest so frühe noch einmal.
Und eine Tann’ im Wald geschlagen,
Wenn hell der Mond am Himmel blinkt,
Zerbricht der Sturm, das Schiff versinkt.
Und jene losen, alten Weiber,
Die man nicht gern genauer nennt,
Weil ihnen sonst die dürren Leiber
Die ziehn auf mondbestralten Haiden
Und pflücken murmelnd Gras und Kraut,
Woraus zu manchen Zauberleiden
Manch böses Tränklein wird gebraut. –
Kenn’ ich ein Dörflein, wo man meint:
Der Mond wird schuld an dicken Hälsen,
Wenn er in einen Brunnen scheint.
Dort meint man auch, wenn Mondgefunkel
Und niederglänzt von ihrer Kunkel,
Daß sie ein Leichenhemd gewinnt. – –
Weil mich der Mond, in’s Zimmer glotzend,
Nicht schlafen ließ in dieser Nacht,
Dies Lied zum Schimpf auf ihn gemacht.
Noch wüßt’ ich viel von ihm zu melden,
Doch seh’ ich jezt im Untergang
Hinunterducken meinen Helden,
Lenau.