Im Garten (Rudolf Lavant)

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Textdaten
Autor: Rudolf Lavant
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Titel: Im Garten
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Herausgeber: Königlich Sächsischer Ameisen-Kalender
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Friedrich Geissler (E. Trachbrodt)
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Erscheinungsort: Leipzig
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Im Garten.

Nun quillt aus dunklem Rebenlaube,
Das üppig wuchert an der Wand,
Verlockend schon die Purpurtraube
Und klärt sich still im Sonnenbrand;

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In engen Stuben dumpfe Schwüle,

Die lähmend auf die Sinne drückt!
Da lockt und winkt der Lauben Kühle,
Die rothe Bohnenblüthe schmückt.

Da sind sie glücklich denn zu preisen,

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Die keine Pflicht ins Zimmer bannt,

Die nicht im nüchtern-kahlen, heißen,
Erschöpfung leise übermannt,
Die nicht herab auf's Blatt sich neigen,
Den Staub der Akten im Gesicht,

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Jndeß Gekritzel nur das Schweigen

Und Fliegensummen unterbricht.

Der Vater runzelt wohl die Brauen,
Doch sinkt die Hand nicht in den Schooß —
Fiel doch den Kindern und den Frauen

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Ein freundlicher, ein milder Loos.

„Sie dürfen sich im Freien tummeln",
Denkt er, und taucht die Feder ein;
„Wie wird den kleinen wilden Hummeln
So wohl in dieser Stunde sein!"

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Die Feder läßt er emsig gleiten —

Da stellt ein herzig Bild sich dar;
Er sieht sie nach dem Garten schreiten
Im Geist, die frohgemuthe Schaar.
Die Buben lärmen und trompeten,

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Mit Fahne, Streitroß und Gewehr —

Die beiden Mädchen aber treten
Schon sittig und gesetzt daher.

Was gilt's, die wilden Jungen ziehen
In ihre Spiele selbst den Hund!

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Die sanften Mädchen aber knieen

Und senken Pflanzen in den Grund.
Die Jungen rennen, fechten, schießen
Und schlagen in die Flucht den Hahn,
Die Mädchen jäten und begießen,

40
Bis grau die Dämmerstunden nahn.


Den Kleinsten muß die Mutter tragen,
Aus deren Aug' die Freude blitzt;
Wie wird er in die Händchen schlagen,
Wenn er im weichen Grase sitzt!

45
Nach jeder Blume wird er greifen,

Um die ein bunter Falter fliegt,
Bis Finkenruf und Amselpfeifen
Allmählig ihn in Schlummer wiegt.

Er schläft so fest und süß im Grase,

50
Fern tobt der Brüder Scheingefecht,

Da rückt die Brille auf der Nase
Die alte Großmama zurecht.
Sie lugt, ob sich die Aeste neigen,
Auf die im Herbst der Enkel steigt.

55
Sie späht, ob sich an allen Zweigen

Verheißung reicher Ernte zeigt.

Es ist ihr nicht um ihren Gaumen,
Wenn sie die Sorge nicht verhehlt,
Ob es an Birnen nicht und Pflaumen,

60
An Nüssen nicht und Aepfeln fehlt.

Sie tritt sogar auf eine Leiter,
Und strotzt von Früchten jeder Ast,
So schmunzelt sie vergnügt und heiter —
Vom Herzen fiel ihr eine Last.

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Daß von des Herbstes süßen Gaben,

Bis grün der Lenz die Erde macht,
Nur ja genug die Enkel haben,
Nur auf dies Eine hat sie Acht.
Fast jugendlich erscheint die Alte,

70
Trotz ihrer zitternden Gestalt,

Trotz mancher Runzel, mancher Falte —
Ein Frauenherz wird nimmer alt! —

So sieht im Geiste seine Lieben
Der Mann im Zimmer dumpf und heiß;

75
Er lächelte und hat geschrieben

Mit doppelt angestrengtem Fleiß.
Weiß er die Seinen doch geborgen,
Und ihre Freude unvergällt;
Für sie das Glück, für ihn die Sorgen,

80
So lang der Leib zusammenhält!


                                                       R.L.