Im Kreislauf des Jahres (1889)
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Im Kreislauf des Jahres.
Die Lüfte wehten lau und lind,
Vom Walde klang des Finken Locken;
Am Raine saß ein spielend Kind,
Im Haar den Kranz von Maienglocken.
Flog nach dem Duft voll süßer Würze;
Es wehrte nicht dem bunten Dieb ―
Von Veilchen voll war seine Schürze.
Es kam die Nacht mit sachtem Gang
Ein Bursche zog das Thal entlang,
Das leichte Ränzel auf dem Rücken.
Die Rose, die ein Mädchen schlank
Beim Abschied ihm gereicht mit Thränen ―
Sie lässig fest mit weißen Zähnen.
An Zaun und Dorn und am Gewand
Hing des Mariengarns Gewebe;
Es bräunte sich im Sonnenbrand
Heim schritt ein Mann, der über Tag
Die Zweige ihrer Last entbunden,
Und auf der duft’gen Ernte lag
Ein Asternstrauß, mit Gras umwunden.
Der Wald, als ob er stumm sich härme;
Zur Hütte schleicht zur Schlafenszeit
Ein Greis, voll Sehnsucht nach der Wärme.
Er lächelt, als sie prasselnd sprühn,
Denn eine Ranke Immergrün
Hat achtlos er mit aufgehoben.
R.L.