Zum Inhalt springen

Im Kreislauf des Jahres (1898)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Rudolf Lavant
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Im Kreislauf des Jahres.
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Illustrierter Neue Welt-Kalender
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Auer/Hamburg und J.H.W. Dietz/Stuttgart (in Kommission)
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]

[25]

Im Kreislauf des Jahres.

Es schmolz der Schnee in allen Forsten
Vor linder Nächte warmem Hauch;
Der Flüsse Panzer ist geborsten
Und Kätzchen trägt der Weidenstrauch.

5
Am Raine sonnen sich die Lurche,

Es weicht dem Grün das öde Grau,
Und aus der braunen Ackerfurche
Schwingt eine Lerche sich in’s Blau.
Schon irrt ein Falter auf und nieder,

10
Die Imme summt am Waldessaum —

Nun, armes Herz, nun hoffe wieder,
Denn Lieb‘ und Glück sind mehr als Traum.

Die schweren Wetterwolken drohen
Nach schwüler Zeit mit ihrem Zorn;

15
Der Donner grollt, die Blitze lohen,

Und unter ihnen reift das Korn.
Der Kuckuck ruft, der Pirol flötet,
Es hebt in Wirbeln sich der Staub,
Und munter und verheißend röthet

20
Die Kirsche sich im dunkeln Laub.

Es wogt und wallt das Meer der Aehren
Im Radenschmuck bei Wachtelschlag;
Es will mit seinem Segen nähren
Den Mann, der rüstig schaffen mag.

25
Entblättert sind die Heckenrosen,

Des Waldes Sänger sind entflohn;
Es stehn die fahlen Herbstzeitlosen
In allen Wiesengründen schon.
Die Traube schwillt, die Früchte reifen,

30
Es prangt der Hain in bunter Pracht;

Des Nordens Wandervögel pfeifen
Hoch über Dir in stiller Nacht.
Die Zeit des Welkens und Verschwebens
Läßt keine Seele ungerührt;

35
Hast Du die Ernte Deines Lebens,

Die volle Ernte, heimgeführt?

Es schneit in dichten, grauen Flocken,
Und in den Lüften heult es bang;
Der Schnee hängt auch in Deinen Locken

40
Und schwer und müde wird Dein Gang.

Es kracht das Eis, die Tannen ächzen,
Und höher steigt der weiße Wall,
Und wenn die Raben hungrig krächzen —
Wer denkt noch an die Nachtigall?

45
Dann sorge, daß noch in den Scherben

Der heil’ge Sonnenschein sich bricht,
Denn als ein freier Mensch zu sterben,
Ist Deines Lebens letzte Pflicht.
                                                                      R. L.