Im Kreislauf des Jahres (1899)
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Im Kreislauf des Jahres.
Wenn die Knospen an den Zweigen springen
Und die Falter schwimmen in der Luft,
Wenn die Lerchen jubelnd auf sich schwingen
Und die Thäler voll von Veilchenduft,
Die das Blühen sprungbereit bewacht;
Alles, Alles kann zu Grunde gehen
Durch den Reiffrost einer einz’gen Nacht.
Gleiches Schicksal droht den höchsten Zielen,
Und die schönsten Völkerlenze fielen
Frostversehrt der Reaktion zum Raub.
Wenn im hohen Korn die Wachteln schlagen
Und die Breiten wogen wie ein Meer
Weil von Körnern jede Aehre schwer,
Ist noch nicht das Schicksal abgewendet,
Daß zur Tenne Alles wandeln mag,
Denn die fahle, gelbe Wolke sendet
Wenn die Ernte tadellos gerathen,
Tobt am liebsten ihrer Feinde Bund
Und der Freiheit überreife Saaten
Schlägt ein Schloßenwetter in den Grund.
Wenn das Heer der Halme lang und schwank
Bei der Lerche Abschiedslied in Schwaden
Vor des Schnitters Sense niedersank,
Zittert dennoch für den gold’nen Segen,
Denn verderben kann des Himmels Regen
Ihn noch immer, eh‘ er eingeführt!
Freiheits-Ernten, die heraus gefodert
And’rer Völker Neid durch gold’ne Pracht,
Und verdorben, eh‘ sie eingebracht.
Aber wenn in Schnee und Eis vergraben
Todtenähnlich schlummert die Natur,
Wenn mit heiserem Gekrächz die Raben
Auf den Frühling magst du dann vertrauen,
Der die Erde weckt mit warmem Kuß,
Der des Eises Fesseln wird zerthauen,
Der da kommen wird und kommen muß.
Frühlingsmächte, brechend Zwang und Trug,
Und die Throne und Tiaren halten
Sie nicht auf in ihrem Siegeszug! —
R. L.