Im siebenbürgischen Erzgebirge
Im siebenbürgischen Erzgebirge.
Vor drei Jahrzehnten war Siebenbürgen im ganzen und großen wenig bekannt; heute ist das freilich nicht mehr der Fall. Insbesondere der Süden, der ehemalige „Königsboden“, das von einem kerndeutschen Völkchen bewohnte Sachsenland mit seinen malerischen Städten, seinen eigenartigen Bürger- und Bauernburgen und seinen prächtigen deutschen Bauerngestalten, sowie der sich dahinter auftürmende mächtige Bergwall der Südkarpathen oder Transsylvanischen Alpen – sie alle sind in den letzten Jahren häufiger von Reisenden aus dem Deutschen Reiche besucht worden. Auch für die Folge wird dieser Landstrich von den deutschen Touristen mit vollem Recht bevorzugt werden. Denn einesteils lockt der ungemein billige Fahrpreis der ungarischen Eisenbahnen zum Wagnis des Ausfluges dahin – kostet doch die Fahrt von Wien nach Hermannstadt oder Kronstadt selbst bei Benutzung der zweiten Wagenklasse kaum dreißig Mark – andernteils bietet die deutsche Verkehrssprache sowie die bequeme Unterkunft in den Städten, endlich die dank den unermüdlichen Anstrengungen des siebenbürgischen Karpathenvereins verhältnismäßig leichte Zugänglichkeit des nahen Hochgebirges Grund und Anlaß genug, Land und Leute gerade von hier aus kennenzulernen. Daneben giebt es indes auch noch manche andere Gegend, die viel Anziehendes und Schönes in sich birgt und es verdiente, allgemeiner bekannt und besucht zu werden, gleichwohl aber bis heute fast bloß von Gelehrten und Forschern durchstreift wird, wie u. a. das an landschaftlichen Reizen und an geschichtlichen Erinnerungen reiche siebenbürgische Erzgebirge.
Durch welche Einbruchspforte das schnaubende Dampfroß den Reisenden aus der endlosen Tiefebene des eigentlichen Ungarn in das Hochland Siebenbürgens hinaufführen mag, immer wird sich sein Blick unwillkürlich zu jener in der Nähe der ehemaligen Westgrenze des Landes gelagerten Berggruppe hingezogen fühlen, deren Nord- und Südabhänge von den Wellen des Aranyos und Mieresch (Maros), bespült werden, und deren Höhen fast stetig, von einem geheimnisvollen bläulichen Duftschleier umwoben erscheinen. Wer diesen Schleier lüften und in das Erzgebirge eindringen will, der muß freilich ein gut Stück Urwüchsigkeit mit in Kauf nehmen, sich geduldig von kunstlosen Fuhrwerken durchrütteln lassen und eine mangelhafte, manchmal jeder Bequemlichkeit entbehrende Unterkunft ohne Einbuße an seiner guten Reiselaune ertragen können. Vermag er dies, dann nehme er nur seinen Wanderstab frohgemut zur Hand, denn eine Reihe unauslöschlich schöner Eindrücke wird ihn für alle Mühen und Entbehrungen mehr als reichlich entschädigen.
Auf die am wenigsten umständliche Weise gelangt man von Karlsburg (magyarisch Gyulafehérvár), einer mittelgroßen gemischtsprachigen Stadt und Festung, in das Innere des Erzgebirges. Wer dazu Zeit hat, lasse es sich nicht verdrießen, hier einen Gang in die nach Plänen des Prinzen Eugen im Jahre 1715 an Stelle der alten Bischofs- und Fürstenresidenz, der Weißenburg, angelegte Festung zu machen; dort erhebt sich der sehenswerte altersgraue Dom, dessen Seitenschiffe eine Reihe Grabdenkmäler von Fürsten und Großen Siebenbürgens aus dem fünfzehnten bis zum siebenzehnten Jahrhundert schmückt. Mittlerweile hat uns wohl der Wirt des Gasthofes, in dem wir abgestiegen sind und dem wir unser Anliegen anvertraut haben, einen Platz auf der Post besorgt, die den Verkehr zwischen Karlsburg und Abrudbánya, dem Hauptort des Erzgebirges, vermittelt und die auch wir zur Fahrt benutzen wollen. Wem jedoch bei ihrer Erwähnung eine dunkle Erinnerung an die altehrwürdige gelbe Postkutsche aufsteigen sollte, der würde sich in seiner Annahme sehr getäuscht finden, wenn er am nächsten Morgen das eigentümliche Fuhrwerk erblickt, das ihn weiter befördern soll. Es ist dies ein mit Rücksicht auf die Straße fest, aber dennoch, leicht gebauter, gedeckter Stützwagen, in dem vier Personen bequem Platz haben, vorausgesetzt, daß dieser nicht gerade durch die gleichzeitig mitbeförderten und in seinem Innenraume aufgestapelten Postsendungen über Gebühr beschränkt wird. Doch dies ist heute nicht der Fall; auch kein Reisegefährte setzt sich zu uns – wir bleiben allein. Der flinke magyarische Kutscher knallt mit der Peitsche; die vor den Wagen gespannten drei munteren Rosse greifen kräftig aus, und in raschem Trabe geht es den nahen Bergen zu.
Nur kurze Zeit ergötzt sich unser Auge noch an dem schönen Bilde, den das dorfreiche weite Miereschthal mit dem spitzen Felsgipfel des Ziegensteins im Hintergrunde gewährt, dann treten die Berge näher zusammen: wir fahren in das Ampolythal hinein. Die Straße schlängelt sich meist im Thalgrunde zur Seite des rauschenden Ampoly dahin, und wenn nicht etwa außergewöhnliche Dürre den Pflanzenwuchs der Berglehnen beeinträchtigt und die Wassermenge des Baches verringert hat, gestaltet sich die Fahrt ganz anziehend und angenehm. Die zahlreichen rumänischen Dörfer und insbesondere die vereinzelten, zwischen grünbewaldeten Höhen in Getreide- oder Maisfelder eingebetteten Bauerngehöfte mit ihren schwerfälligen, wettergebräunten Strohdächern und den weißgetünchten Wänden bieten einen eigentümlichen Anblick, während die hier und da aus den Aeckern oder Wiesen aufsteigenden [507] Felskegel oder die über das grüne Laubwerk der Wälder emporragenden malerischen Felsgebilde dem Auge eine willkommene Abwechslung gewähren.
Nach schier vierstündiger Fahrt taucht zur Linken ein mächtiger, bis zum Gipfel bewaldeter, abgestumpfter Bergkegel auf; es ist der malerische Judenberg, das Wahrzeichen des Bergortes Zalatna. Helle Flecken, die hie und da an den fernen Berglehnen sichtbar werden und die Mundlöcher der Stollen anzeigen, die von Goldsuchern angelegt wurden, auch etliche halbnackte, sonnverbrannte Zigeuner, die an einer Krümmung des Ampoly beschäftigt sind, den Flußsand mit ihren Waschtrögen auf seinen Goldgehalt zu untersuchen, verraten, daß wir die Grenzen des Golddistriktes erreicht haben. Bald darauf fahren wir in Zalatna (rumänisch Slagna), einem hübschen, von Magyaren und Rumänen bewohnten Marktflecken ein, der wahrscheinlich auf der Stelle der ehemaligen Römerkolonie Ampela liegt. Hier in diesem stillen, rings von Bergeshöhen umschlossenen, vom Ampoly durchrauschten Orte dichtete im Jahre 1629 der von dem Landesfürsten Gabriel Bethlen als Professor nach Weißenburg berufene Stifter der Schlesischen Dichterschule, Martin Opitz, sein Lehrgedicht „Zlatna oder von der Ruhe des Gemütes“. Zahlreiche Häuserruinen, die in den Gassen auftauchen, erzählen uns noch immer von den blutigen Greuelscenen des achtundvierziger Bürgerkrieges, die sich hier in erschütternder Furchtbarkeit abspielten. Obwohl sich in der Umgebung Zalatnas eine ganze Menge von Goldbergwerken befindet, bemerken wir davon doch sehr wenig, und nur das ärarische Hüttenwerk mit seinem mächtigen Hochofen erinnert uns daran. Hier werden die gepulverten goldhaltigen Kiese, der „Schlich“ geröstet und von dem Schwefel befreit, sodann geschmolzen, worauf aus dem Schmelzergebnis, dem „Lech“ oder „Stein“, einem Gemenge von edlen und unedlen Metallen, das Gold und Silber geschieden wird. Der als Nebenerzeugnis gewonnene Schwefel wird in einer zum Hüttenwerk gehörigen Schwefelsäurefabrik zu Schwefelkohlenstoff verarbeitet, der von der Regierung zu billigem Preise an die Weingartenbesitzer behufs Bekämpfung der Reblaus abgegeben wird.
Doch unseres Bleibens in Zalatna ist nicht lange; wir eilen, noch am selben Tage nach Abrudbánya zu gelangen. Der Weg, der nun durch das Thal von Trimpoële, von da in zahlreichen Schlangenwindungen ansteigend über die Wasserscheide des Ampoly und Abrudbaches und schließlich dem Laufe des letzteren folgend, durch das Hirschthal (Valea Cserbului) führt, ist viel anziehender als die bisher zurückgelegte Strecke, und die wechselnden landschaftlichen Scenerien wie die Ausblicke über die Berge sind bisweilen geradezu großartig. Nach einer Fahrt von vier Stunden haben wir Abrudbánya und damit jenen Punkt des Erzgebirges erreicht, von dem aus dieses nach allen Richtungen am bequemsten durchstreift werden kann. Merkwürdiger als der Ort selber, dessen fünf Kirchen uns andeuten, daß hier Angehörige von fünf christlichen Glaubensbekenntnissen wohnen, meist Rumänen und Magyaren, ist das eigenartige Leben und Treiben, das uns in diesem „Sacramento Siebenbürgens“ und seiner Umgebung entgegentritt und uns den Beweis erbringt, daß wir uns thatsächlich im „Goldlande“ befinden. Wenn am Montag, dem Tage des Wochenmarktes, sich auf dem von drei Kirchen umschlossenen Marktplatze das rumänische Landvolk der Umgebung sammelt, wenn die sehnigen Männer aus den Bergen, die Motzen, deren manche noch die Haarsträhne in Zöpfe gewunden tragen, sowie die schönen Frauengestalten in der kleidsamen Tracht jener Gegend sich einfinden, sehen wir zahlreiche Leute zum Goldeinlösungsamte eilen. Denn mit dem Markttag fällt auch der zur Goldeinlösung festgesetzte Tag zusammen. Der Eintritt in das Amtsgebäude ist uns unverwehrt. Da erblicken wir neben dem reichen Bergwerksbesitzer gar manchen oft recht zerlumpten Kerl, der seinen Goldfund aus schmutzigem Tüchlein herausschält und triumphierend dem Beamten hinreicht; meist aber sind es Bauern, welche hier die Ausbeute ihrer Gruben verwerten. Das Gold wird probiert, gewogen und sein Wert sofort in klingender Münze vergütet.
Mancher dieser Goldsucher erhält so bis zu hundert, nicht selten aber auch etliche hundert, ja tausend Mark ausgezahlt. Aber was nützt es ihn? Hat er nach wochen-, oft auch monatelanger harter Arbeit endlich „Glück gehabt“, so säumt er keinen Augenblick, sich nach den Tagen der Entbehrung in den zahlreichen Schenken so lange gütlich zu thun, bis der letzte Kreuzer wieder verjubelt ist. Darum schallt uns jetzt aus allen Wirtsstuben und Schenken rauschende Zigeunermusik entgegen, die heute den ganzen Tag und auch die folgenden Nächte schier nie verstummt, während eine bunte Gesellschaft bei dem mit Borszeker Sauerwasser gemischten Weine sitzt und eifrig über die Ergiebigkeit der Goldgruben, über deren Ausbeutung und über erworbene Schurfrechte spricht. Hier sieht man einen zerpochte Gesteinsproben vermittelst eines fächerförmigen Sichertroges auf ihren Gogldgehalt untersuchen, dort werden Käufe und Verkäufe geschlossen, durch Handschlag bekräftigt und zuletzt mit einer reichlichen Weinspende besiegelt. Unermüdlich fideln die braunen Söhne Indiens dazu, und wir bleiben im Zweifel, ob wir die Ausdauer der Geiger oder der Zuhörer mehr bewundern sollen.
Der nächste Morgen findet uns auf dem Wege nach Verespatak, der eine Strecke nordwärts am Abrudbache entlang, dann aber, von Gura Roschi weiter, ostwärts führt. Munteres Rauschen und Klappern schlägt fast ununterbrochen an unser Ohr; es sind dies die dem Landvolk gehörenden urwüchsigen Goldstampfen, deren wir auf unserer Wegestrecke schier ein halbes Tausend zählen können. Die Berge ringsum, insbesondere der langgestreckte Kirnik, enthalten in ihrem Gestein viel gediegenes Gold, das von den Anwohnern in sehr einfach betriebenem Bergbau zu Tage gefördert wird. Wer wohlhabend genug ist, schafft das goldhaltige Gestein auf Pferden zur Stampfe; der Aermere muß es sich selber dahin schleppen, und oft genug keuchen Männer und Frauen an uns vorüber, die das Gestein in Körben auf dem Rücken von der Grube zu ihrem Pochwerk tragen. Eine solche Goldstampfe besteht aus einem Holzschuppen, in dem der gezahnte Wellbaum eines durch Wasserkraft getriebenen Rades abwechselnd mehrere schwere Pochstempel hebt und fallen läßt; wuchtig schlagen diese auf das in einer Vertiefung befindliche Gestein nieder und zerstampfen es. Darüber rieselndes Wasser schwemmt die leichteren Teile des Steinmehles weg, während die schweren Goldkörnchen auf dem Grunde liegen bleiben; was davon vom Wasser mitgerissen wird, wird unten auf rauhen Wolldecken aufgefangen. Feine Goldstäubchen gelangen trotzdem in den Bach, dessen Sand hernach noch von Goldwäschern mittels des Sichertroges ausgebeutet wird. Die dem Staate gehörenden Pochwerke, so jenes bei Gura Roschi, sind dagegen sehr vollkommen eingerichtet, und durch ein zweckmäßiges Amalgamierungsverfahren mit Quecksilber wird dort jeder Verlust an kostbarem Goldstaub vermieden. Auch die dem Staate gehörigen Bergwerke werden in systematischer Weise betrieben und ihr Besuch ist ebenso anziehend wie lehrreich. Was dem Fremden dort am [508] meisten auffällt, ist die peinliche Untersuchung aller aus den Stollen tretenden Grubenarbeiter, doch ist das Vorgehen leider nicht zu vermeiden, da das Verstecken gediegenen Goldes oder goldreichen Gesteins häufig genug vorkommt. Der ganze Höhenzug des Kirnik ist von den zahllosen Stollen der Goldgräber durchlöchert und durchwühlt und gleicht mit seinen Schutthalden und den dort hantierenden Menschen einem ungeheuern Ameisenhaufen. Am anziehendsten ist der Besuch jener Partie des Kirnik, welcher „Csetaye“ („Burg“) heißt. Hier stoßen wir auf zahlreiche Spuren der Römer, die einst mit staunenerregender Ausdauer an jenem Orte das goldhaltige Gestein abbauten. Durch einen wundervollen ovalen Stollen, den sie mit ihren unvollkommenen Werkzeugen durch den harten porphyrartigen Fels getrieben haben, gelangen wir in das Innere des Berges, das dem Krater eines ausgebrannten Vulkans ähnlich ist. Staunend verfolgt das Auge die labyrinthartig die Felsmassen durchbohrenden Gänge; in einem von ihnen wurden vor einem Menschenalter allerlei Werkzeuge und etliche der unter dem Namen „Triptychen“ in der Gelehrtenwelt bekannten hölzernen, mit Wachs überzogenen Schreibtafeln gefunden, die über das Leben jener Tage so wertvolle Aufklärungen geben. Alles lag unberührt da, wie es vor anderthalbtausend Jahren bei der Flucht der Römer aus Siebenbürgen von irgend einem römischen Grubenaufseher hingelegt worden sein mochte. Sehenswert sind auch die bei dem Hause des Romulus Gritta am unteren Ende von Verespatak aufgestellten römischen Grabsteine und sonstige Fundstücke aus der Römerzeit, die uns verläßliche Kunde vom alten Alburnus major, wie die hiesige Römersiedlung hieß, vermitteln. –
Sind wir nicht ermüdet, so können wir noch den südöstlich von Verespatak gelegenen „Donnersbergen“ („Detunata“) unsern Besuch abstatten und von dort durch das Dorf Bučsum, dessen Bewohner meist Goldgräber sind, nach Abrudbánya zurückkehren. Die Donnersberge sind zwei gewaltige Basaltkuppen, von denen besonders die nördlicher gelegene auf den Beschauer einen unauslöschlichen Eindruck macht. Ihr kahler, aus gewaltigen Basaltsäulen gebildeter Gipfel steigt über den dunkeln Tannenwald empor und sieht einer ungeheuern Riesenorgel nicht unähnlich.
Von Abrudbánya aus können wir auch noch andere lohnende Ausflüge unternehmen, so in das Bergwerk von Vulkoj, das im sechzehnten Jahrhundert die Fugger von Augsburg ausbeuteten, oder, nach Faczebánya, wo das seltene Schrifterz (Tellur) gefunden wird, oder aber nach Topánfalva, um uns einen Einblick in die an Naturschönheiten aller Art reichen Thäler des Aranyos zu verschaffen.
Dort, im Hauptsitz der kernrumänischen Motzen, liegt Unter-Vidra mit seinem malerischen Wasserfall, dort die Eishöhle vom Skerischora mit ihren Wundern, und weiter unten am Aranyos Offenbánya, das ehemalige deutsche Ofenberg, dessen Gruben einst so ergiebig waren, daß ein dortiger Einlöser der Sage nach auf Goldplatten zur Kirche schritt! Und haben wir uns an all dem Schönen und Fesselnden erfreut, das Natur und Menschenleben hier auf Schritt und Tritt offenbaren, und wollen nun den Rückweg antreten, so wählen wir hierzu die Straße, die uns südwestlich über Brád nach Déva führt. Da kommen wir zunächst an dem „Vulkan“ vorüber, einem massiven Bergklotz, dessen kahlen, abgestumpften Gipfel wir auf allen unseren Wanderungen erblicken konnten. Obgleich nicht einmal 1300 Meter hoch, gewährt er doch mit seinen steilansteigenden Kalkwänden einen großartigen Anblick. Seine Besteigung, die nicht schwierig ist und von der Straße in einer Stunde vollzogen werden kann, lohnt durch eine malerisch schöne Rundschau.
Von hier blicken wir auch in das einsame Thal von Sztanizsa, aus dem unser Bild eine idyllische Mühle vorführt. Vom Vulkan senkt sich der durch Dörfer und Einzelgehöfte belebte Weg gen Brád ins Thal der weißen Körös hinab. Die diese Gegend bevölkernden Rumänen sind ein schöner Menschenschlag, deren äußere Erscheinung von der der Motzen des Aranyos wesentlich abweicht. Das ihre Tracht anschaulich darstellende Bild mit dem stattlichen Burschen, der, an die Umfriedigung seines elterlichen Gehöftes gelehnt, Gruß und Wort mit dem auf dem Fußpfad vorübereilenden Mädchen tauscht, ist dem Leben entnommen.
Auch der westliche Teil des Erzgebirges, in den wir nunmehr getreten sind, ist reich an Golderzen, die fleißig abgebaut werden, doch geschieht dies hier weniger durch den kleinen Mann als vielmehr durch geldkräftige Gesellschaften. Deutsches Kapital ist hierbei in hervorragendem Maße vertreten. Die namhaftesten Bergwerke dieser Gegend befinden sich in den Händen hervorragender deutscher Industrie-Gesellschaften, und da sie alle von Fachkräften vorzüglich geleitet werden, so ist die Steigerung ihrer Goldausbeute, die heute weit über tausend Kilogramm Rohgold jährlich beträgt, mit Sicherheit zu erwarten.
Im malerisch gelegenen Boicza, das vor Jahrhunderten deutsche Bergleute gründeten und Bärenseifen nannten, nunmehr [509] einem aufstrebenden Bergorte, den wir nach achtstündiger Fahrt von Abrudbánya aus erreichen, finden wir gute Aufnahme und können von hier aus die nahegelegenen Gruben, vor allem aber die verschiedenen Anstalten besichtigen, welche zur Scheidung des Goldes von seinen ihm zähe anhangenden metallischen Gefährten dienen. Zum Abschied empfiehlt sich noch der Besuch des Bergwerkes von Nagyág, das vielleicht das ausgedehnteste im ganzen Erzgebirge ist und unter staatlicher Leitung steht. Schon die Lage des Ortes – Bernhard von Cotta erklärt sie für eine der schönsten, die ein Gebirgsdorf in Europa haben könne – ist überraschend, noch mehr aber eine Einfahrt in die Grube durch den über sechs Kilometer langen Josefsstollen, wo sich uns zahlreiche Wunder des Erdinnern enthüllen.
Und nun geht es wieder bergab, dem Miereschthale zu, dem Ende unserer Fahrt. Im Hintergrunde tauchen die schneebedeckten Häupter der Südkarpathen auf und bald erkennen wir die an die Ausläufer des Csernagebirges geschmiegte Stadt Déva. Neben ihr steigt der Schloßberg auf, den altersgraues Gemäuer krönt. Dort in der stolzen Bergfeste ward im Jahre 1307 Herzog Otto von Niederbayern, der erste „teutsche Chunig“ von Ungarn, von treulosen Gegnern gefangen gesetzt, bis er seine Freiheit mit der Aufopferung von Krone und Reich erkaufte, und seither ist das Geschick der Burg mit dem des Landes enge verknüpft geblieben, bis sie der letzte Bürgerkrieg in eine Ruine verwandelte.
Der schrille Pfiff einer Lokomotive tönt an unser Ohr. Unwillkürlich wenden wir unsern Blick noch einmal zurück zum Erzgebirge, und seine wohlbekannten duftumflossenen zackigen Höhen winken uns freundlich den Scheidegruß zu.