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In der Dampfwäscherei

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Textdaten
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Autor: St. v. J.
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Titel: In der Dampfwäscherei
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 848–850
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[848]

In der Dampfwäscherei.

„Waschmaschine!“ Schon das eine Wort genügt, um den weiten Kreis meiner Leserinnen in zwei feindliche Lager zu spalten. Die meisten Frauen sind gegen dieselbe ebenso eingenommen, wie ihre älteren Schwestern noch vor Kurzem gegen die Nähmaschine wetteiferten, und sie weisen mit Entrüstung die Zumuthung zurück, daß sie die Hauswäsche, das Werk ihrer zarten Hände, den eisernen Armen und Griffen eines mit Dampf gespeisten Ungethüms anvertrauen sollen. Leider ist ihr Vorurtheil zum großen Theil nicht unbegründet, denn unberufene Erfinder haben seit vielen Jahrzehnten die Welt mit einer nicht geringen Anzahl von Maschinen beglückt, die in der That in dem Zerstören der Wäsche Erstaunliches leisten. Aber dieses Vorurtheil ist heute nicht mehr berechtigt, denn die Erfindungskraft des Menschen hat auch auf diesem Gebiete endlich alle Schwierigkeit besiegt und Waschmaschinen hergestellt, die den Anforderungen der sorgsamsten Hausfrau genügen. Die Zeit ist wirklich eingetreten, in welcher der Ingenieur der Waschfrau Concurrenz bereitet und das eintönige Hämmern der Kolben und Walzen das gemüthliche Plaudern aus der Waschküche verdrängt. Man mag über diese Umwälzung denken, wie man will, sie hat einmal ihren Anfang genommen, sie hat in vielen Städten festen Fuß gefaßt, und sie wird weiter um sich greifen, denn Niemand wird gegen die Zeitströmung ankämpfen können, welche auf allen Gebieten die Arbeit der menschlichen Hand durch Maschinenarbeit ersetzt.

Noch vor zehn Jahren sagte mir eine resolute Waschfrau: „Wissen Sie, mein Herr, die Waschmaschinen sind gut für Lumpen, aber taugen nichts für feine Herrenwäsche.“ Damals hatte die Waschfrau nicht Unrecht, denn in der That beschränkte sich die Anwendung der Waschmaschine lange Zeit nur auf das Reinigen der Lumpen in Papierfabriken. Was würde aber die Frau heute sagen, wenn ich ihr mittheilte, daß eine einzige Waschmaschinenfabrik, die von Oscar Schimmel u. Comp. in Chemnitz bis heute in 11 Garnisonen, in 5 Garnisonlazarethen, in 13 Kranken- und Siechenhäusern, in 10 Irrenanstalten und in 4 Strafanstalten Dampfwäschereien eingerichtet und außerdem eine nicht unbedeutende Anzahl von Privatdampfwaschanstalten in den verschiedensten Städten eingeführt hat, worunter in erster Linie die des Kaisers in Potsdam sich befindet. Das sind Thatsachen und Erfolge, mit denen man rechnen muß.

Desinfectionsapparat von Oscar Schimmel u. Comp. in Chemnitz.

Doch ich will nicht vorgreifen und meine Leserin lieber selbst urtheilen lassen. Sie möge mir aufmerksam durch eine derartige Dampfwaschanstalt folgen und dabei von Zeit zu Zeit die beigegebene Abbildung der Dampfwaschanstalt der Charité, des weltberühmten Berliner Krankenhauses, genauer ansehen.

Das Etablissement, welchem unser heutiger Besuch gilt, ist nach dem Systeme Oscar Schimmel u. Comp. in Chemnitz eingerichtet, und ich habe dieses System darum zur Unterlage meines Artikels gewählt, weil die genannte Fabrik auf diesem Gebiete zuerst bahnbrechend vorgegangen ist und sich des besten Rufes nicht nur in Deutschland, sondern weit über unsere Grenzen hinaus erfreut, dasselbe auch keine Nachahmung ist, sondern auf Verwirklichung eigener Ideen beruht.

Da liegt ein Bündel unreiner Wäsche vor uns, treten wir mit ihm die Wanderung durch die Waschanstalt an, sie wird nicht lange dauern, denn es wird ja hier mit Dampf gearbeitet.

Auf der ersten Station ist etwas Besonderes nicht zu sehen. Wir machen vor einem großen Bottiche Halt, in welchen je nach Bedarf kaltes oder warmes Wasser eingelassen werden kann. In ihm wird die Wäsche eingeweicht, und dazu ist keine Maschinenarbeit nöthig, das besorgen, wie bei uns zu Hause, Frauenhände.

Doch schon auf der zweiten Etappe stehen wir vor der wirklichen Waschmaschine. Ihre Wirkung ist leicht zu erklären. Unbekümmert um das complicirte Räderwerk, welches wir an ihrem oberen Theile bemerken (vergl. Abbildung Nr. 4), öffnen wir den untersten Kasten und schauen in das Innere hinein. Hier hängen in der Mitte eines kupfernen Bottichs vier messingerne Walkhämmer herunter, die um ihre Aufhängungsachse, je zwei nach rück- und vorwärts, bewegt werden können. Zu beiden Seiten dieser Hämmer befindet sich ein freier Raum, in welchen je zwölf Kilo Wäsche eingelegt werden. Am oberen Theil dieser Waschräume liegt ein Einlaufrohr für kaltes und heißes Wasser, während am Boden ein feingelöchertes Rohr zur Dampfeinströmung dient.

In diese Waschräume wird nun die Wäsche hineingethan, sowie die nöthige Menge aufgelöster Seife und Soda zugegossen und darauf das erforderliche Wasser eingelassen; zum Schluß läßt man den Dampf einströmen, um das Ganze während des Waschprocesses heiß oder kochend zu erhalten, je nach Erforderniß. Schon bei Beginn des Einlegens der Wäsche wird die Maschine in Thätigkeit gesetzt, durch das Hin- und Hergehen der Messinghämmer wird der Waschknäul gedrückt und in rollende Bewegung versetzt, das heißt gewalkt. Alle Flächen, welche die Wäsche berührt, sind von Metall und spiegelglatt; der Gang der Hämmer ist ein gezwungener, sicherer und arbeitet in sanftester Weise, sodaß die Wäsche gar nicht angegriffen werden kann.

Und die Wäsche ist schon rein? So schnell geht das freilich nicht. Fettflecke und Streifen sind noch zum Theil an ihr geblieben, und um diese wegzubringen, muß der Maschine die Frauenhand nachhelfen. Jedes Stück wird jetzt von Wäscherinnen genau nachgesehen, welche die fleckigen Stellen tüchtig einseifen. Diese Arbeit muß jedoch im Interesse des Wäsche-Inhabers nur mit der Hand besorgt werden, und in den uns bekannten Anstalten wird die Waschfrau, welche eine Bürste in die Anstalt bringt, mit einer Mark Strafe belegt.

Unser Bündel revidirter und nachgeseifter Wäsche wandert jetzt in einen Bottich, in welchem sich kochendes Wasser befindet, und hier wird die Wäsche gekocht. Selbstverständlich nimmt man für jede Partie frisches Wasser; an heißem Dampf fehlt es ja nie in einer Dampfwaschanstalt.

Jetzt wird die Wäsche in zwei Sorten gesondert, diejenige, welche in stark unreinem Zustande in die Anstalt gelangte, wandert noch einmal in die Waschmaschine, wo sie nunmehr ohne Seifenzuguß, da sie schon, wie erwähnt, mit der Hand angeseift wurde, nochmals gewaschen wird.

Doch folgen wir unserem reinen Bündel. Wir treten jetzt vor einen hölzernen Bottich, in dessen Mitte inselartig eine dicke Wand emporragt; zwischen dieser und der einen Bottichwand befindet sich ein Flügelrad, welches das Wasser in stromartige, kreisende Bewegung bringt. In diesem Bottich wird unsere gewaschene Wäsche geschüttet, sie schwimmt im Strom und wird bei jedem Durchgang von dem Flügelrade energisch getaucht, wodurch das Reinspülen erfolgt. Doch wir haben lange genug mit dem nassen Elemente zu schaffen gehabt und möchten nun gern sammt unserm Bündel Wäsche in’s Trockene gelangen.

Das Trocknen besorgt wiederum eine Maschine, die Centrifugaltrockenmaschine. Sehen wir uns nur den runden Apparat, in welchen das Waschmädchen die nasse Wäsche hineinlegt (vergl. Abbildung

[849]

In der Dampfwaschanstalt der Berliner Charité.
1. Anstaltsgebäude. 2. Trockenmaschine. 3. Centrifugal-Trockenmaschine. 4. Waschhalle.
5. Sortiren der Wäsche. 6. Rollen der Wäsche.

[850] Nr. 3), genauer an. In seiner Mitte steht ein rundes Gefäß, dessen Wand siebartig durchlöchert ist, in dieses kommt die Wäsche, durch einen Griff wird die Achse des Gefäßes mit der Maschinenkraft in Verbindung gebracht, und nun dreht sich das Gefäß mit einer Geschwindigkeit von 1000 Umdrehungen in der Minute. Die Wäsche wird hierdurch fest an die Wand gedrückt, und das nasse Element rieselt an den Wänden zum Abflußrohr herab. In kaum zwei Minuten ist unser Bündel „ausgerungen“ und zwar in einer so sanften Weise, daß das gewöhnliche Ausringen mit der Hand dagegen ein Act roher Gewaltthätigkeit genannt werden muß. – Meine Begleiterin sieht das Wunder erstaunt an, aber Geschwindigkeit ist bekanntlich keine Hexerei.

Sie fragt: „Jetzt werden wir wohl den Trockenboden besuchen?“ Aber sie irrt sich. Auch das Fertigtrocknen der Wäsche geschieht durch eine Maschine. Da stehen wir schon vor dem länglichen Kasten, an welchem ein Mädchen soeben eine Stange befestigt (vergl. Abbildung Nr. 2). An den Wänden desselben bewegen sich in sehr langsamem, schneckenartigem Tempo zwei Paar Ketten, in welche in abgemessenen Zwischenräumen Stäbe eingesetzt werden. Ueber diese wird nun unser Bündel Wäsche gehängt und rückt langsam in den Kasten hinein. In etwa vierzig Minuten ist er an der entgegengesetzten Oeffnung der Maschine angelangt und zwar in vollständig trockenem Zustande, denn dieser Apparat wird durch Rippen-Rohre geheizt und durch besondere Vorrichtung gründlich gelüftet.

Das Rollen und Plätten geschieht in der bekannten Weise.

Wie wir gesehen haben, ist durch diese Dampfwäscherei die Handarbeit keineswegs entbehrlich gemacht worden, und Frauenhände sind auch hier zum Nachseifen, Stärken, Auflegen, Plätten etc. durchaus nöthig. Aber mit Hülfe dieser Maschinen können diese Hände in kürzester Zeit den größten Anforderungen genügen. Giebt es doch Waschanstalten, die täglich achtzig bis hundert Centner Wäsche waschen. Aber alle diese Anstalten haben leider noch gegen Vorurtheile zu kämpfen, die durchaus unbegründet sind und die wir gern zerstreuen möchten.

Bietet schon das Schimmel’sche Verfahren an und für sich eine große Garantie gegen Verbreitung ansteckender Krankheiten durch unreine Wäsche, so kann diese Sicherheit noch bedeutend erhöht werden durch einen Desinfectionsapparat, welchen diese Fabrik in neuester Zeit hergestellt hat. Vielfache Untersuchungen des Reichsgesundheitsamtes haben nämlich erwiesen, daß das sicherste Desinfectionsmittel eine Temperatur von 106° C. bildet, und auf diesem Princip beruht auch die Wirksamkeit unseres auf Seite 848 abgebildeten Apparates. Derselbe ist aus starkem Eisenblech mit doppelten Wandungen gebaut, die mit einem schlechten Wärmeleiter (Holzasche, Sägespähne u. dergl. m.) ausgefüllt sind. Die Handhabung des Apparates erklärt uns die Abbildung. Die zu desinficirenden Kleidungsstücke werden in einem Gestelle, welches auf Rädern ruht, aufgehängt und dann mit diesem Wagen in das Innere des Apparates hineingeschoben. Darnach wird die Doppelthür dampfdicht verschlossen, und nun erfolgt die Dampfeinströmung in die Rippenheizrohre am Boden des Apparates. Ist die Temperatur auf ziemlich 100° C. gestiegen, so läßt man directen trockenen Dampf einströmen, und dieser trägt seine höhere Temperatur bis in die feinsten Poren der betreffenden Gegenstände, sodaß dieselben durch und durch auf 110° C. erwärmt werden, wodurch die Zerstörung der etwa vorhandenen Krankheitskeime eintritt. Nach dreißig Minuten stellt man die Dampfeinströmung ab und öffnet die Luftklappen, durch welche vermittelst eines Rohres die entstandene schlechte Luft nach dem nächsten Schornstein entweicht.

Alles dies sind Apparate, deren Aufstellung eine nicht geringe Capitalanlage erfordert, und die somit den wenig bemittelten Frauen der Arbeiterclasse besondere Vortheile nicht bieten können. Für die Waschfrauen kann sogar diese Concurrenz mit der Zeit gewissermaßen gefährlich werden, denn selbst wenn sie in den Dampfwaschanstalten Arbeit finden, sinken sie doch von der freieren Stellung, die sie jetzt einnehmen, zu der abhängigeren und unsichereren Lage einer Fabrikarbeiterin hinab. Dagegen entsteht ein bequemes Mittel für die jetzt bestehenden kleineren Wasch- und Plättanstalten, wenn dieselben gemeinschaftlich Waschanstalten dieses Systems errichten und nur das Plätten der Wäsche, sowie das Holen und Wiederabliefern derselben fortsetzen, wie dies auch schon von Haushaltungen vielfach gehandhabt wird, zumal in diesen Waschanstalten jeder Wäscheposten der einzelnen Familien eine Behandlung für sich erfährt. Die deutschen Frauenvereine sollten daher diese Frage näher erörtern und namentlich darauf hinwirken, daß Dampfwäschereien rechtzeitig in den Besitz von Frauenvereinen gelangen, daß durch Vereinsthätigkeit das kleine Capital sich auf diesem Gebiete festsetze, bevor das große Capital dasselbe vollständig beherrscht hat. Eine vernünftige Selbsthülfe kann hier ungemein nutzbringend wirken.

Unsere Frauenbewegung hat ja die Selbsthülfe auf ihre Fahne geschrieben, und ihre Führerinnen werden sicher für die Lage ihrer ärmeren Schwestern stets ein warmes Herz haben. St. v. J.