In der Gruft eines deutschen Kaisers

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Textdaten
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Autor: J. O.
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Titel: In der Gruft eines deutschen Kaisers
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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In der Gruft eines deutschen Kaisers.

Einer der herrlichsten Genüsse, welcher den Besucher des Germanischen Museums im ehemaligen Karthäuserkloster zu Nürnberg überrascht, ist das unvermuthete Erblicken einer der vorzüglichsten Schöpfungen neuerer deutscher Kunst, das pracht- und effectvolle Wandgemälde, welches Wilhelm v. Kaulbach in der zu einer reichen Kunsthalle umgewandelten Klosterkirche als das werthvollste Geschenk in hoher Vaterlandsliebe und Künstlerbegeisterung stiftete.

Die treffliche Wahl des Stoffes, die pikante Composition und Ausführung der meisterhaft vollendeten Darstellung, bringen auf den unvorbereitet eintretenden Beschauer einen fesselnden Eindruck hervor und nehmen ihn mit allen Zaubern und Schauern ehrwürdigen deutschen Alterthums gefangen, in deren Banne er hernach die herrlich aufgestellten werthvollen Sammlungen der Relicten deutscher Vorzeit in Hallen, Sälen und Gängen auf das Vortheilhafteste betrachten kann.

Das stereochromatisch auf die südliche Wand des Langhauses gemalte große Bild stellt den Besuch Kaiser Otto’s III. in der Kaisergruft Karl’s des Großen zu Aachen, im Jahre 1000 nach Christi Geburt, in großartiger Wirkung dar. Im vollen Krönungsornate, die Kaiserkrone auf dem Haupte, das Reichsschwert in der Rechten, das Evangelienbuch, als Schirmherr der Kirche, auf den Knieen, in all der sagenhaften Herrlichkeit thront die alte blasse Kaisergestalt beinahe 200 Jahre in geschlossener Gruft den ewigen Schlaf schlafend, nachdem mit ihm heimgegangen des Reiches Herrlichkeit und die weltgebietende Macht seines Namens, seines Geschlechtes

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Kaiser Otto III. im Grabgewölbe Karl’s des Großen.
Nach dem Orignialgemälde von W. v. Kaulbach.

[438] fast mit ihm erloschen. Diese feierliche alte Kaiserleiche, aufrecht zur Linken des Gemäldes vom Beschauer sitzend, mit rothem Fackelschein von unten geisterhaft beleuchtet, ist der Brennpunkt, von welchem das geistige Leben des Bildes ausströmt.

Rechts im Bilde erhebt sich vor allen aus reichbewegter Gruppe seines Gefolges die herrliche Gestalt Kaiser Otto’s III. von einer Steintreppe, aus welcher ein matter Tagesschimmer die meisterhaft gelungene Gruppe der Eindringenden umsäumt und mit dem Fackelschein, der die Gruft und Kaiserleiche erhellt, einen effectvoll gelungenen Lichtercontrast bildet. Der lustige Spielmann und ein Krieger des Kaisers sind bereits unten, in der Mitte des Bildes auf dem Vordergrunde, am Boden vor der geisterhaften Erscheinung des thronenden Kaisers, welchen der vom Schilde verdeckte Fackelbrand in der Hand des kauernden Kämpen grell von unten beleuchtet, in plötzlich geänderter Stimmung, mit Grauen und Scheu in die Kniee gesunken, während ein blonder Edelknecht und ein voraneilender Meßknabe, erschreckt über die Majestät der Erscheinung, zurückweichen. Der Edelknecht, eine herrliche Figur von echt deutschem Typus, schmiegt sich verwirrt an die rechte Seite des Kaisers Otto, welcher, eben im Begriff herunterzuschreiten, auf der Mitte der Steintreppe in höchster Spannung und Bewegung innehält und die plötzlich vom Fackellichte erhellte phantastische Gestalt anstarrt.

Man sieht die Erschütterung, die den hochstrebenden Kaiserjüngling vor der gewaltigen Hülle des ruhmreichsten und größten seiner Vorfahren erfaßt. Mit weinlaub- und rosenumranker Krone, das reiche Gewand vom kostbaren Gürtel aufgeschürzt, ist er unmittelbar vom Jubel des heitersten Zechgelages und den Freuden des Mahles mit dem vom Wein erhitzten Gefolge hinabgestiegen in das Gewölbe des Todes, hat das fast zweihundert Jahre geschlossene Heiligthum des geheimnißvollen Kaisergrabes gesprengt; vergebens warnet und mahnet zu heiliger Scheu der nachgeeilte Bischof mit seinem geistlichen Begleiter; da überrascht ihn mitten auf den Stufen mit ungeahnter Macht die Majestät des feierlich ernsten Kaiserbildes und hemmt seinen Schritt, bangend vor Entweihung der heiligen Stätte; während zu seiner Linken in Weinlust ein Fremder, ein Italiener, mit spöttisch-frivoler Miene keck auf die Leiche deutet. Die zwei neugierig hinter dem Kaiser vorblickenden Ritter schließen im Hintergrunde die wirksame Gruppe. Das ganze herrliche Wandgemälde ist in Gestalt eines Teppichs gehalten und von einem äußerst geschmackvollen Rahmen umgeben; eine effectvoll wirkende, doch maßvoll zur Stimmung gehaltene Färbung ist über das Ganze gehaucht, vereint harmonisch die contrastirenden Lichteffecte und verklärt die Schauer des Grabes, bar aller crassen Effecthascherei, zu einem der schönsten, sinnigsten Meisterwerke deutscher Kunst.

Freiherr v. Aufseß entwickelte bei der Enthüllungsfeier dieser werthvollsten Gabe des patriotischen, deutschen Künstlers die Bedeutung des Bildes in Bezug auf das Germanische Museum ebenso tief und wahr mit den Worten:

„Kein treffenderes und schöneres Sinnbild seines Strebens könnte dem Germanischen Museum gegeben werden als dieses; denn auch wir sind berufen, hinabzusteigen in die lang verschlossenen Tiefen der Vorzeit, um aufzusuchen des alten Reiches Herrlichkeit, sie, die längst abgestorbene, wieder hell zu beleuchten mit dem Fackelschein deutscher Wissenschaft, daß sich ein Jeder daran erfreue und stärke, ja, wie Kaiser Otto wollte, zu neuen Thaten der Ehre und des Ruhmes der deutschen Nation sich ermanne.“

J. O.