In der Prairie verirrt
Vor wenigen Tagen trat ein Mann in den dreißiger Jahren, hoch gewachsen, kräftig gebaut, mit wettergebräuntem Gesicht, die Cigarre im Munde, wie ein alter Bekannter zu mir in das Zimmer und begrüßte mich mit den Worten:
„Ich soll Ihnen einen herzlichen Gruß von Ihrem Bruder sagen.“
Das klang, als habe der Mann einen Spaziergang gemacht und dabei den gesehen, der mich grüßen ließ, aber mein Bruder lebt in Greytown (San Juan) in Centralamerika, das die Amerikaner kürzlich verbrannt haben.
„So kommen Sie aus Amerika?“ fragte ich.
„Ja wohl; ich hole mir eine Frau in Sachsen. Auf der Brautfahrt besah ich mir aber erst Californien und als ich auf der Rückkehr von da in Greytown anlegte, lernte ich den deutschen Hafencapitain dort kennen.“
Man kann sich denken, daß wir lange plauderten. Der Reisende hatte sehr viel erlebt; er besuchte mich noch mehrmals und hat mir manch Abenteuer erzählt, auch das nachstehende, das ihm auf seiner Farm in Illinois an der Grenze der Prairie kurz vor seiner Abreise von dort begegnete.
Ich lasse ihn reden, wie er mir erzählte:
„Wenn Sie die Sache ganz verstehen sollen, müssen Sie eine rechte Vorstellung von einer Prairie haben und beschreiben läßt sie sich nicht wohl. Sie hat auch darin, wie in Anderm, Aehnlichkeit mit dem Meere. Ihr Anblick macht einen ganz eigenthümlichen Eindruck, der wohl von der endlosen Ausdehnung herkommt und von dem Mangel irgend eines Gegenstandes, auf welchem das Auge ruhen kann.
„Ich habe sie mitten im Winter gesehen, eine kalte Schneewüste, eine Fläche, so weiß, daß der Himmel über ihr fast schwarzblau aussah. Ich habe sie dann im Frühling gesehen als unendlichen Raum von Grün, überreich an Blumen, die nicht etwa auf einzelnen Stellen stehen, sondern Aecker, Hunderte von Aeckern bedecken, meilenweit an einem Flüßchen sich hinziehen, da nur rothe, dort nur blaue. Ich sah die Prairie, wenn der erste Winterfrost eingetreten war und das grüne Gras gelb, fast weiß gefärbt und nieder gelegt hatte, so daß das Wild keinen Schutz mehr in ihm fand und sichtbar geworden war, bis es nach den fernen Wäldern flüchtete, der Wolf wie ein Verbrecher scheu einherschlich, sich zu verstecken suchte und nichts fand, das ihn barg, und die Kraniche einher stelzten, bis sie sich in Schaaren erhoben und hinwegflogen. Ich habe die Prairie auch in Flammen gesehen und in Rauch, der wie riesige Wolken aufstieg, bis er den ganzen Himmel verdunkelte. Während man bei Tag, im Sonnenlichte, die Flammen kaum sah, erschien die brennende Prairie in der Nacht wie ein Feuermeer, das bald langsam und schwach über kahle Stellen schlich, wo es nur einzelne Grashalme aufzulecken hatte, bald vor dem Winde herjagte in einer Schnelligkeit, welche den fliehenden Hirsch einholt und den heulenden Wolf versengt, brausend, sausend, zischend, knatternd, donnernd sich fort und fort wälzt, den Hügel hinan, in das Thal hinein, selbst über den Fluß hinüber. Ich habe die Prairie endlich gesehen, nachdem das Feuer über sie hingezogen war und eine schwarze öde Fläche hinterlassen hatte, welche dem Auge fast so lästig und schmerzlich ist, wie die weiße Schneedecke im Winter.
„Aber alle diese Veränderungen geben doch noch kein Bild von der Prairie. Ihre Unübersehbarkeit, die Oede in derselben, die Stille, die Gleichförmigkeit kann man nicht beschreiben und sie gehören doch dazu. Ihr Aussehen ist wie das eines plötzlich festgewordenen Meeres: der Boden hebt sich allmälig, wogenartig, zwei bis zehn Fuß hoch, dann folgt eine Vertiefung, wieder eine Erhöhung und so in endloser Aufeinanderfolge. Und diese ganze meilenlange, meilenbreite Fläche ist über und über mit Gras bewachsen, ohne daß man nur die kleinste Stelle der nackten Erde sähe; Acker um Acker, Meile um Meile dehnt sich das endlose Gras aus, das je nach dem Boden oder nach der Art zwei Fuß bis über zwei Ellen hoch ist.
„Sie werden sich denken können, wie schwer es ist, in einer geraden Linie über die Prairie zu gehen, wo das Auge keinen Baum, keinen Berg als Richtpunkt hat. Auch habe ich mich in einem Jahre in der Prairie mehrmals verirrt, als in fünf Jahren im Urwalde.
„Vor Kurzem noch mußte ich zwei Stunden lang in der Prairie warten bis die Sterne aufgingen, um mich zurecht zu finden und ich war keine Viertelstunde weit von meiner Farm entfernt.
„Nun was ich Ihnen erzählen wollte.
„Eine Frau, eine Landsmännin, kam eines Tages zu mir lange vor Sonnenaufgang und bat mich um Hülfe oder vielmehr um die Hülfe meines Hundes, den mir die Spitzbuben in Californien nun gestohlen haben. Ihr kleiner Sohn war von der Farm verschwunden und hatte sich in der Prairie verirrt. Sie wissen vielleicht, was es heißt, sich in einem Walde verirren, aber das ist gar nichts im Verhältniß zu dem Sichverirren in den Prairien. So lange ich an der Prairie wohnte, verirrten sich zwei Männer in ihr; Einer wurde von den Wölfen gefressen, von dem Andern hat man niemals wieder gehört. Sie werden sich nicht darüber wundern, wenn Sie sich erinnern, was eine Prairie ist. Ein Kind von fünf Jahren vollends kann nur hier und da über das Gras hinweg sehen und dann nie weit um sich. Bäume, nach denen man sich richten könnte, giebt es nicht, dagegen Wege genug zum Irreführen, Wege, welche die Indianer oder die Büffel machten, und die von einem fernen Walde oder Flusse zu einem andern führen. Jeder falsche Weg aber ist ein Weg zum Verderben und der Gefahren sind so viel, daß man noch gar nicht an Wölfe zu denken braucht.
„Ich setzte der armen Frau vergebens auseinander, daß mein Hund kein Spürhund sei und keiner andern Menschenspur folgen werde als der meinigen; sie wollte oder konnte nicht glauben, daß der Hund nicht Alles thun werde, was ich ihm heiße, und ich bereute es fast, etwas gesagt zu haben, das die Hoffnung in der geängstigten Brust der Mutter niederschlagen konnte. Ich hatte es wahrhaftig nicht gethan, um mir eine Mühe zu ersparen, denn ich wäre auf jeden Fall mit ihr gegangen.
„Ich ging mit ihr. Unterwegs erzählte sie mir, ihr kleiner Knabe habe vor der Thür des Hauses gespielt, während sie den Männern das Essen auf die Prairiefelder getragen. Als sie zurückgekommen, sei er nicht da gewesen; sie sei in die Prairie hineingelaufen, um ihn zu suchen und habe ihn gerufen, bis die Männer sie gehört hätten und zu ihr gekommen wären, ihr suchen zu helfen; noch vor Abend wären auch ihre wenigen Nachbarn, Männer und Weiber, gekommen und hätten sich ihrem Suchen angeschlossen, aber die finstere Nacht sei eingebrochen und sie hätten noch keine Spur von dem Kinde gefunden; sie sei mit ihrem Manne die ganze Nacht umhergelaufen, habe gerufen, geschrieen, Lärm gemacht, um wenigstens die wilden Thiere aus der Nähe zu verscheuchen und als es endlich Morgen geworden, sei sie in ihrer Verzweiflung zu mir gegangen, damit ich mit meinem Hunde ihr Kind suchen helfe. Das erzählte sie, während sie so rasch lief, daß ich mit meinem Jägerschritt ihr kaum gleich bleiben konnte.
„Wir erreichten ihr Haus als die ersten Morgenstrahlen darauf schienen. Es war ein kleines Breterhaus, so groß als es eben die Länge der Breter gab und stand dicht an der Grenze des angebauten Landes. An den Seiten des Hauses, mit Ausnahme der Thürseite, war einen Fuß dick Prairierasen bis an das kleine Fenster hinan gelegt und an der Mittagsseite führte von der Thür ein Weg hinunter zu einer Quelle. Ein Wagen, ein Pflug und einige andere Ackergeräthschaften lagen und standen umher. An der Thür standen ein Paar kleine Holzschuhe, die der kleine Hans hatte stehen lassen. Ein nicht umzäunter Platz am Hause war bebaut und nach Norden und Osten hin sah man einige wenige andere ähnliche Farmen in weiten Entfernungen aus einander, nach Süden und Westen aber die grenzenlose Prairie ohne Strauch und Baum so weit das Auge reichte.
„Die Sonne, sagte ich, war eben aufgegangen als wir ankamen. Ein Sonnenaufgang dort ist auch etwas Eigenthümliches. Man sieht da in der Prairie nicht schattige und sonnige Stellen abwechseln, je nachdem ein Baum, ein Hügel das Licht aufhält. Ein Lichtguß breitet sich auf einmal über die grüne Fläche und das Licht wird nur heller und stärker je höher die Sonne heraufsteigt.
„Auf den Fußwegen sahen wir bereits hier und da Leute hingehen, um noch einen Tag lang nach dem Kinde zu suchen.
„Mein Plan war bald gemacht. Ich nahm einige Kleidungsstücke von dem Knaben, hielt sie dem Hunde hin und suchte ihm [585] begreiflich zu machen was ich von ihm verlangte. Er beroch sie, weil ich’s ihm hieß, aber ohne irgend ein Interesse dabei zu verrathen und sah nach meinem Gewehre, das ich in die Ecke gestellt hatte. Ich ließ es stehen und ging mit ihm hinaus. Auf der Schwelle beroch er die Schuhe des Knaben und darüber freute ich mich.
„Das Kind war nun achtzehn Stunden schon fort und die Spur von seinen Fußtapfen in der Nähe des Hauses ließ sich schwerlich auffinden, wenn ich dem Hunde auch hätte begreiflich machen können, daß er derselben folgen solle. Die Wege nach den Nachbarn und die nähere Umgegend des Hauses waren schon durchsucht worden und so nahm ich mir vor, sogleich in die Prairie hinaus zu gehen. Der Hund folgte mir, sah aber gelegentlich verwundert nach dem Hause zurück, in dem ich die Flinte gelassen hatte.
„Wir waren etwa eine Viertelstunde weit von dem Hause weg, als ich den Hund wieder zu mir rief und ihm verständlich zu machen versuchte, was ich wünschte. Er beschnoberte den Strumpf des Knaben, den ich mitgenommen hatte und sah mich an, als wolle er aus meinem Gesichte erkennen, was er mit dem Strumpfe solle. Dann lief er in einer Richtung fort und sah sich nach mir um, als wolle er sich überzeugen, ob er es recht gemacht habe. Ich rief ihn zurück und hielt ihm wieder den Strumpf vor, vergebens wie es schien, denn er lief nun in einer andern Richtung fort und sah sich um wie um zu fragen, ob es so recht sei. Ich rief ihn wieder zurück und er ging verlegen und verdrüßlich neben mir.
„Die Nachbarn hatten sich unterdeß nach allen Richtungen hin zerstreut zu dem fast hoffnungslosen Suchen, denn der Knabe konnte unterdeß Stunden weit gelaufen sein und wir wußten auch, daß wir zehn Schritte von ihm vorüber gehen konnten, ohne ihn in dem hohen dichten Prairiegrase zu bemerken. Aber die arme Mutter hatte ihre letzte Hoffnung auf mich und meinen Hund gesetzt. So gingen wir Stunden lang. Von Zeit zu Zeit versuchte ich immer wieder, dem Hunde begreiflich zu machen was man von ihm erwarte, immer vergebens. Einmal kam er rasch zu mir und sah mich mit glänzenden freudigen Augen an; als ich ihm den Strumpf des Knaben vorhielt, faßte er ihn mit den Zähnen und trug ihn stolz als wollte er sagen: „Nun weiß ich’s, den Strumpf soll ich tragen.“
„Mein Gesicht muß unwillkürlich meine Gedanken verrathen haben, denn er ließ gleich darauf Kopf und Schwanz hängen und brachte mir den Strumpf wieder. Ich nahm ihm denselben ab, streichelte ihn aber und ging langsam weiter.
„Endlich blieb er stehen, beschnoberte den Boden, sah erfreut aus, lief hin und her, um eine frischere Spur zu finden, blickte zu mir empor und lief langsam fort, die Nase dicht am Boden haltend. Wir folgten ihm, ich zum erstenmale mit der Hoffnung, daß er doch wohl endlich verstanden habe, was er thun solle. Aber er folgte vielleicht – wahrscheinlich sogar – der Fährte eines Wildes. Aber nein, er beschnoberte ein großes Gras, zu hoch oben, als daß ein Vogel so weit hinauf hätte reichen können, und ein Hirsch konnte nicht da gegangen sein, da wir keine Fährte sahen, auch kein Wolf, denn der Hund knurrte nicht und wieß nicht die Zähne wie er es immer that, wenn er eine Wolfsfährte fand. Er ging weiter und weiter, beroch einen jeden Grasbüschel, jede Prairieblume, blieb stehen, schnoberte lange und drückte dabei die Augen halb zu, als wolle er ganz allein den Geruchsinn wirken lassen.
„Die Mutter war dicht neben mir und fragte jede Minute: „Hat er die Spur? Wird er das Kind finden?“ Ich wagte nicht ja zu sagen, denn ich wußte es nicht, gleichwohl hatte ich den Hund noch nie so auf einer Fährte gesehen. Die Fährte war jedoch nicht warm, wovon sie auch herrühren mag, denn er blieb stehen, lief in weitem Kreise umher und kehrte an dieselbe Stelle zurück; er hatte die Spur verloren.
„Er machte einen neuen Versuch in weiterm Kreise; nichts. Er bellte ärgerlich, kehrte sich plötzlich um und verfolgte im scharfen Trabe seine eigene Spur wohl zweihundert Ellen weit zurück. Da blieb er stehen, beschnoberte den Boden, kam an einen Büffelweg und ging langsam und bedächtig über denselben quer hinüber, dann rasch vorwärts, er hatte offenbar die Spur, die er suchte, plötzlich aber blieb er stehen und kehrte um, etwa als habe er vergessen einen Grasbüschel zu beachten, an dem er eben vorbei gekommen. Ich besah diesen auch und da an dem dürren Stengel hing ein kleines Stückchen blauer Baumwolle. Die Mutter sah, daß ich es betrachtete, kam schnell herbei, entriß mir die kostbare Reliquie und sagte, sie wisse bestimmt, das sei von ihrem Hans. Ich dachte es auch; aber wie lange konnte das Baumwollenstückchen da gehangen haben! Der Hund war unterdeß voraus gekommen und wir eilten ihm nach.
„Denken Sie sich recht lebhaft die arme Mutter. Sie verwendete kein Auge von dem Hunde und folgte jeder seiner Bewegungen. Sie hoffte bereits und ich hatte nicht den Muth, durch Zweifel und Bedenken sie zu stören. Der Hund lief immer noch voraus und ich hatte die einzige Noth jetzt, die ungeduldige Mutter zurückzuhalten, damit sie dem Hunde nicht vorlaufe und so die Spur verderbe.
„Von allen Seiten her kamen die übrigen suchenden Nachbarn auf uns zu. Wir blieben in gehöriger Entfernung von dem Hunde und Aller Augen folgten ihm. Er hatte offenbar die Spur, aber sie war schwach; er wußte was er sollte. Stunden lang folgte er so der Spur des Knaben, die sich bald hier hin bald dort hin wendete, und aller Zweifel hörte auch bald auf: da auf einer alten Büffelfährte zeigte sich deutlich die Fußtapfe eines Kindes. Ich stellte rasch meinen Fuß darauf, damit die Mutter sie nicht sehe, weil ich fürchtete, ihr Eifer werde sich dann nicht mehr zügeln lassen und den Hund stören, der unsere einzige Hoffnung war. Aber meine Bemühung war vergebens; sie hatte meine Bewegung gesehen, lief vor und sah eine andere Fußtapfe. Ich hielt sie fest, ehe sie dieselbe erreichte und während sie in einem Tone, den ich in meinem Leben nicht vergessen werde und der nur aus einer geängstigten Mutterbrust kommen kann, aufschrie: „das ist seine Spur! Mein Kind! Mein Kind!“ betrachtete ich mit Jägerauge und Aufmerksamkeit die Fußtapfe. Es war der deutliche Abdruck eines Kinderfußes in weichem Staube. Die Fußtapfe war übrigens gemacht, nachdem die Sonne aufgegangen und der Thau aufgetrocknet, da der Staub ganz trocken gewesen war, als der kleine Fuß darauf getreten. Ein Wurm war darüber gekrochen; also war doch schon längere Zeit vergangen, seit sie entstanden. Wir konnten vielleicht noch eine Stunde weit gehen müssen, ehe wir den Knaben einholten, wenn ihn nicht Ermüdung aufgehalten. Die Aufgabe, ihm zu folgen, war nicht leicht, da der Knabe auf dem Büffelwege fortgegangen war. Die Leute alle mußten mindestens einen Steinwurf weit hinter dem Hunde zurückbleiben. Ich allein blieb bei ihm. Er freuete sich, denn er wedelte mit dem zottigen Schweife. Der Weg, auf dem wir gingen, war vielleicht schon seit hundert Jahren von Büffeln und Indianern gegangen; er führte die kleinen Hügel hinan, in die kleinen Thäler hinein und wieder hinauf. Auf ihm in der weiten Prairie, den blauen Himmel über uns, die grüne Erde unter uns, folgten wir der Spur, nicht um zu tödten, was wir suchten, sondern um zu retten, denn es war ja das theuerste Gut zweier Menschenherzen, der reichste Schatz einer Prairie-Farm. Auf dem Gipfel eines Hügels blieb der Hund stehen; die Mutter und ich standen neben ihm. Gewiß war da das Kind gewesen, um sich umzusehen, wo das Haus des Vaters stehe. Vergebliche Hoffnung! Von da aus war keine Spur von einer menschlichen Wohnung zu sehen. Er war oben auf dem Gipfel rund um gegangen, um nach allen Seiten hinzusehen. Er hatte sich niedergesetzt, um auszuruhen, vielleicht zu weinen, denn ich konnte am Wege den Eindruck der beiden Fersen sehen.
„Aber wieder war er fort und – wohin? Der Hund suchte und suchte lange, bis er an der Seite des Hügels hinunter in das grüne Gras hineinlief, so schnell, daß wir, ich und die Mutter, kaum mit ihm Schritt halten konnten. Er führte uns an einen kleinen Bach, an dem der Knabe getrunken hatte. Wir konnten sehen, wo die kleinen Füße in den weichen Boden am Ufer getreten waren, und wo er niedergekniet, sah man beide Hände eingedrückt. Von da ging die Spur wieder rückwärts. Da plötzlich blieb der Hund stehen und sein Wesen änderte sich. Er hielt die Nase nicht mehr an den Boden, um der Spur zu folgen, er hob den Kopf empor, streckte den Hals und ging fest und sicher weiter. Er brauchte sicherlich der Spur nicht mehr, er witterte den Knaben wo er lag. Ich bemerkte diese Veränderung sogleich und kannte ihre Bedeutung, wagte aber nicht der Mutter etwas davon zu sagen. Aber was entginge einer Mutter, die ihr Kind sucht? Sie bemerkte, daß der Hund sicher nach einer Stelle zu ging, rief aus: „er hat es gefunden! er hat es!“ stürzte an mir vorbei, als fliege sie und im nächsten Augenblick hörte ich des Knaben Angst- und der Mutter Freudenschrei.
[586] „Wir waren bald bei ihr und der Hund schien ihr fast den Anspruch auf das Kind streitig machen zu wollen, theilte aber ihre Freude, sprang an mir an, lief zu den Kinde, das die Mutter an ihre Brust drückte, leckte ihm die Füße und bellte vor Freude.
„Wie freudig war der Rückweg! Ich ging voraus und der Hund blieb dicht hinter mir, aber bisweilen glaubte er doch nachsehen zu müssen, ob mit dem Knaben alles in Ordnung sei, der von den Männern abwechselnd getragen wurde.
„In der Mitte des Weges etwa zu der Farm, zu welcher die Mutter mit dem Wiedergefundenen zurückkehrte, trennte ich mich von den Uebrigen und schritt quer über die Prairie nach meiner Farm, die ich mit dem Abenddunkel erreichte, in der mich aber weder Weib noch Kind erwartete.
„An jenem Tage habe ich tiefer in ein weibliches Herz geblickt als je und in der Nacht darauf nahm ich mir fest vor, mir auch ein solches Herz zu gewinnen und zwar ein deutsches.“