Insectenfressende Pflanzen/Achtzehntes Capitel

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
<<< Achtzehntes Capitel >>>
{{{UNTERTITEL}}}
aus: Insectenfressende Pflanzen
Seite: {{{SEITE}}}
von: Charles Darwin
Zusammenfassung: {{{ZUSAMMENFASSUNG}}}
Anmerkung: {{{ANMERKUNG}}}
Bild
[[Bild:{{{BILD}}}|250px]]
[[w:{{{WIKIPEDIA}}}|Artikel in der Wikipedia]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wikisource-Indexseite
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[388]
Achtzehntes Capitel.
Utricularia (Fortsetzung).

Utricularia montana. – Beschreibung der Blasen an den unterirdischen Wurzelstöcken. – Beute, welche die Blasen bei Pflanzen im Culturzustande und im Naturzustande fangen. – Absorption durch die viertheiligen Fortsätze und durch die Drüsen. – Knollen, welche als Wasserbehälter dienen. – Verschiedene andere Arten von Utricularia. – Polypompholyx. – Genlisea: verschiedene Natur der Falle zum Fangen von Beute. – Verschiedenartige Methoden, durch welche sich Pflanzen ernähren.

Utricularia montana. – Diese Species bewohnt die tropischen Theile von Süd-America und soll epiphytisch leben; aber nach dem Zustande der Wurzeln einiger getrockneten Exemplare in dem Herbarium
Fig. 26. (Utricularia montana.) Wurzelstock in einen Knollen angeschwollen; die Zweige tragen sehr kleine Blasen; natürliche Grösze.
in Kew zu urtheilen, gedeiht sie gleichfalls in der Erde, wahrscheinlich in Felsenspalten. In englischen Gewächshäusern wird sie in Torfboden gezogen. Lady Dorothy Nevill war so freundlich, mir eine schöne Pflanze zu geben, und eine andere erhielt ich von Dr. Hooker. Die Blätter sind ganz, anstatt wie in den vorhergehenden, im Wasser lebenden Species sehr zertheilt zu sein. Sie sind verlängert, ungefähr 1 1/2- Zoll breit, und mit einem deutlichen Stiel versehn. Die Pflanze bringt zahlreiche farblose Rhizome hervor, so dünn wie Fäden, welche kleine Blasen tragen und gelegentlich zu Knollen anschwellen, wie später beschrieben werden wird. Diese Rhizome erscheinen genau wie Wurzeln, aber schicken gelegentlich grüne Schöszlinge ab.

Sie durchdringen das Erdreich gewöhnlich bis zur Tiefe von mehr als 2 Zoll; aber wenn die Pflanze als Epiphyt [389] wächst, müssen sie zwischen dem Moos, den Wurzeln, verwester Rinde etc., mit welchen die Bäume jener Länder dicht bedeckt sind, zwischen durchkriechen.

Da die Blasen an die Rhizome befestigt sind, so sind sie jedenfalls unterirdisch. Sie werden in auszerordentlicher Anzahl hervorgebracht. Eine meiner Pflanzen, obgleich jung, musz mehrere hundert getragen haben; denn ein einziger Zweig aus einem verwirrten Haufen hatte zweiunddreiszig, und ein anderer Zweig, ungefähr 2 Zoll lang, (aber sein Ende und ein Seitenzweig war abgebrochen), hatte dreiundsiebzig Blasen[1]. Die Blasen sind zusammengedrückt und abgerundet; ihre untere Fläche, oder die zwischen der Spitze des langen zarten Stieles und der Klappe, ist auszerordentlich kurz (Fig. 27).
Fig. 27. (Utricularia montana.) Blase, ungefähr 27 mal vergröszert.
Sie sind farblos und beinahe so durchsichtig wie Glas, so dasz sie kleiner erscheinen als sie wirklich sind; die gröszte war unter 1/20 Zoll (1,27 Mm.) in ihrem längeren Durchmesser. Sie werden von ziemlich groszen eckigen Zellen gebildet, an deren Verbindungen oblonge Papillen vor­springen, welche denen auf der Oberfläche der Blasen bei den vorhergehenden

[390] Species entsprechen. Gleiche Papillen sind in groszer Menge auf den Rhizomen und selbst auf den ganzen Blättern vorhanden, aber sie sind etwas breiter auf den letzteren. Gefäsze, die mit parallelen Balken, anstatt mit einer Spirallinie gezeichnet sind, laufen die Stiele hinauf und treten gerade in die Basen der Blasen; aber sie theilen sich nicht gabelförmig und erstrecken sich nicht die dorsalen und ventralen Flächen hinauf wie in den vorhergehenden Arten.

Die Antennen sind von mäsziger Länge und laufen in eine feine Spitze aus; sie sind von den vorher beschriebenen in so fern augenfällig verschieden, dasz sie nicht mit Borsten bewaffnet sind. Ihre Basen sind so plötzlich gebogen, dasz ihre Spitzen gewöhnlich eine auf jeder Seite der Mitte der Blase liegen, aber manchmal nahe dem Rand. Ihre gekrümmten Basen bilden so ein Dach über der Höhlung, in welcher die Klappe liegt; aber es ist immer auf jeder Seite ein kleiner runder Gang in die Höhlung frei gelassen, wie in der Zeichnung zu sehen ist, ebenso wie ein schmaler Gang zwischen den Basen der beiden Antennen. Da die Blasen unterirdisch sind, würde die Höhlung, in welcher die Klappe liegt, wenn nicht das Dach vorhanden wäre, leicht mit Erde und Abfällen verstopft werden; so dasz die Krümmungen der Antennen eine nützliche Einrichtung ist. Es sind keine Borsten auf der Auszenseite des Kragens oder Peristoms vorhanden, wie in den vorhergehenden Species.

Die Klappe ist klein und steil geneigt und stöszt mit ihrem freien hinteren Rand gegen einen halbkreisförmigen, tief niedersteigenden Kragen an. Sie ist mäszig durchsichtig und trägt zwei Paar kurze steife Borsten, in derselben Stellung wie in den andern Arten. Das Vorhandensein dieser vier Borsten, im Gegensatz zu der Abwesenheit jener an den Antennen und dem Kragen, zeigt an, dasz sie von functioneller Wichtigkeit sind, nämlich, wie ich glaube, um zu verhindern, dasz grosze Thiere sich einen Eintritt durch die Klappe erzwingen. Die vielen Drüsen verschiedener Formen, welche an die Klappe und ringsum den Kragen in den vorhergehenden Species geheftet sind, fehlen hier, mit Ausnahme von ungefähr einem Dutzend der zweiarmigen oder quer verlängerten Art, welche nahe dem Rand der Klappe sitzen und auf sehr kurze Stiele geheftet sind. Diese Drüsen sind nur 3/4000 Zoll (0,019 Mm.) lang; obgleich sie so klein sind, fungiren sie doch als aufsaugende Organe. Der Kragen ist dick, [391] steif und beinahe halbkreisförmig; er wird von demselben sonderbaren bräunlichen Gewebe gebildet, wie in den früheren Species.

Die Blasen sind mit Wasser gefüllt, und schlieszen manchmal Luft ein. Sie tragen innen ziemlich kurze, dicke, viertheilige Fortsätze in annähernd concentrischen Reihen angeordnet. Die zwei Paar Arme, aus denen sie gebildet werden, variiren nur wenig in der Länge, und stehen in einer eigenthümlichen Stellung (Fig. 28); die zwei längeren bilden eine Linie und die zwei kürzeren eine andere
Fig. 28. (Utricularia montana.) Einer der viertheiligen Fortsätze; stark vergröszert.
parallele Linie. Jeder Arm schlieszt eine kleine kuglige Masse von bräunlicher Substanz ein, welche, wenn sie zerdrückt wird, in eckige Stücke zerbricht. Ich habe keinen Zweifel daran, dasz diese Kugeln Kerne sind, denn sehr nahe ähnliche sind in den Zellen vorhanden, welche die Wände der Blasen bilden. Zweispaltige Fortsätze, welche ziemlich kurze ovale Arme haben, erheben sich in der gewöhnlichen Stellung von der inneren Seite des Kragens.

Diese Blasen gleichen daher in allen wesentlichen Theilen den gröszeren der vorhergehenden Species. Sie weichen von ihnen hauptsächlich in der Abwesenheit der zahlreichen Drüsen auf der Klappe und rings um den Kragen herum ab, indem nur einige wenige, kleine einer Art an der Klappe vorhanden sind. Noch augenfälliger sind sie durch die Abwesenheit der langen Borsten an den Antennen und an der Auszenseite des Kragens von jenen verschieden. Die Anwesenheit dieser Borsten in den früher erwähnten Arten hängt wahrscheinlich mit dem Fangen von Wasserthierchen zusammen.

Es schien mir eine interessante Frage zu sein, ob die kleinen Blasen der Utricularia montana wie in den vorhergehenden Arten dazu dienten, Thiere zu fangen, welche in der Erde oder in der dichten, die Bäume, auf denen diese Art epiphytisch wächst, bedeckenden Vegetation leben; denn in diesem Falle würden wir eine neue Unterrasse von fleischfressenden Pflanzen haben, nämlich solche, die sich unterirdisch ernähren. Es wurden daher viele Blasen untersucht, und zwar mit den folgenden Resultaten: [392] 1) Eine kleine Blase, weniger als 1/30 Zoll (0,847 Mm.) im Durchmesser, enthielt eine kleine Masse voll brauner sehr verwester Substanz; und in dieser wurde ein Tarsus mit vier oder fünf Gliedern, mit einer doppelten Klaue endend, deutlich unter dem Mikroskop unterschieden. Ich vermuthe, dasz es ein Überbleibsel von einem der Thysanuren war. Die viertheiligen Fortsätze, welche in Berührung mit diesen verwesten Überbleibseln waren, enthielten entweder kleine Massen durchscheinender gelblicher Substanz, gewöhnlich mehr oder weniger kuglig, oder feine Körner. In entfernten Theilen derselben Blase waren die Fortsätze durchsichtig und ganz leer, mit Ausnahme ihrer soliden Kerne. Mein Sohn machte nach kurzen Zwischenräumen Skizzen von den oben erwähnten zusammengeballten Massen, und fand, dasz sie unaufhörlich und vollständig ihre Form änderten, manchmal sich von einander trennend und wieder vereinigend. Augenscheinlich war Protoplasma durch die Aufsaugung von irgend einem Elemente aus der verwesenden thierischen Substanz erzeugt worden.

2) Eine andere Blase umschlosz einen noch kleineren Fleck von verwester brauner Substanz, und die anstoszenden viertheiligen Fortsätze enthielten zusammengeballte Substanz genau wie im letzten Fall.

3) Eine dritte Blase umschlosz einen gröszeren Organismus, welcher so sehr verwest war, dasz ich nur erkennen konnte, dasz er stachelig oder haarig war. Die viertheiligen Fortsätze waren in diesem Fall nicht sehr afficirt, ausgenommen, dasz die Kerne in den verschiedenen Armen in der Grösze sehr verschieden waren; einige derselben enthielten zwei Massen, welche ein ähnliches Ansehn hatten.

4) Eine vierte Blase enthielt die Überreste eines Gliederthieres, denn ich sah deutlich die Reste eines Glieds, welches in einer Klaue endigte. Die viertheiligen Fortsätze wurden nicht untersucht.

5) Eine fünfte umschlosz sehr verweste Substanz, augenscheinlich von einem Thier, aber ohne wieder erkennbare Züge. Die viertheiligen Fortsätze in Berührung mit ihr enthielten zahlreiche Kugeln von Protoplasma.

6) Einige wenige Blasen auf der Pflanze, welche ich von Kew erhielt, wurden untersucht; in einer war ein wurmförmiges Thier, sehr wenig verwest, zusammen mit dem deutlichen Rest eines ähnlichen stark verwesten, vorhanden. Mehrere Arme von den Fortsätzen, welche in Berührung mit diesen Resten standen, enthielten zwei solche kuglige Massen wie der einfache solide Kern, welcher eigentlich in jedem Arm gefunden wird. In einer andern Blase war ein kleines Körnchen Quarz, welches mich an zwei gleiche Fälle bei der Utricularia neglecta erinnerte.

Da es mir wahrscheinlich schien, dasz diese Pflanze in ihrem Geburtslande eine gröszere Anzahl Thiere fangen würde, als im Zustande der Cultur, erhielt ich Erlaubnis, kleine Theilchen der Rhizome von getrockneten Exemplaren in dem Herbarium in Kew zu entfernen. Zuerst merkte ich nicht, dasz es räthlich war, die Rhizome zwei oder drei Tage lang aufzuweichen und dasz es nöthig war, die Blasen zu öffnen und ihren Inhalt auf Glas auszubreiten; wegen des Zustandes von Verwesung, in dem dieser sich befand, und da er getrocknet und gepreszt war, konnte nämlich seine Natur anderweitig nicht erkannt werden. Mehrere Blasen [393] von einer Pflanze, welche in Neu-Granada in schwarzer Erde gewachsen war, wurden zuerst untersucht; und vier dieser umschloszen Thierreste. Die erste enthielt einen haarigen Acarus, so sehr verwest, dasz nichts übrig war als seine durchsichtige Haut; auch ein gelber chitinisirter Kopf von irgend einem Thier mit einer inneren Gabel, an welcher der Oesophagus aufgehangen war; ich konnte aber keine Mandibeln sehen; ferner die doppelte Kralle des Tarsus irgend eines Thiers; dann ein längliches, stark verwestes Thier; und endlich ein sonderbarer flaschenförmiger Organismus, dessen Wände von gerundeten Zellen gebildet wurden. Professor Claus hat diesen letzten Organismus angesehn und denkt, dasz es die Schale eines Rhizopoden, wahrscheinlich einer Arcellide ist. In dieser Blase sowohl wie in mehreren andern fanden sich einige einzellige Algen und eine vielzellige Alge, welche ohne Zweifel als Eindringlinge dort gelebt hatten.

Eine zweite Blase enthielt einen viel weniger als der frühere verwesten Acarus, dessen acht Beine erhalten waren; ebenso auch die Überreste von mehreren andern Gliederthieren. Eine dritte Blase enthielt das Ende des Abdomen mit den beiden hinteren Gliedmaszen eines Acarus, wie ich glaube. Eine vierte enthielt Reste von einem deutlich gegliederten borstigen Thier, und von mehreren anderen Organismen sowohl als viel dunkel braune organische Substanz, deren Natur nicht erkannt werden konnte.

Einige Blasen von einer Pflanze, welche als ein Epiphyt auf Trinidad in Westindien gelebt hatte, wurden zunächst untersucht, aber nicht so sorgfältig wie die andern; auch waren sie nicht lange genug aufgeweicht worden. Vier derselben enthielten viel braune durchscheinende körnige Substanz, augenscheinlich organisch, aber mit keinen unterscheidbaren Theilen. Die viertheiligen Fortsätze in zweien derselben waren bräunlich und ihr Inhalt körnig; und es war augenscheinlich, dasz sie Substanz aufgesaugt hatten. In einer fünften Blase war ein flaschenförmiger Organismus, wie der oben erwähnte, vorhanden. Eine sechste enthielt ein sehr langes, stark verwestes, wurmförmiges Thier. Endlich enthielt eine siebente Blase einen Organismus, aber von welcher Art, konnte nicht entschieden werden.

Nur ein Experiment wurde an den viertheiligen Processen und den Drüsen in Bezug auf ihr Aufsaugungsvermögen angestellt. Eine Blase wurde fein angestochen und 24 Stunden lang in einer Lösung von einem Theil Harnstoff auf 437 Theile Wasser gelassen; die viertheiligen und zweispaltigen Fortsätze wurden stark afficirt gefunden. In einigen Armen war nur eine einzige symmetrische kuglige Masse, gröszer als der gewöhnliche Kern, vorhanden, welche aus gelblicher Substanz bestand, meistentheils durchscheinend, aber zuweilen körnig; in andern waren zwei Massen von verschiedener Grösze, die eine grosz und die andere klein; und in noch anderen waren unregelmäszig geformte Körner, so dasz es schien, als ob der flüssige Inhalt [394] der Fortsätze, in Folge der Aufsaugung von Substanz aus der Lösung, um den Kern herum zusammengeballt worden wäre, zuweilen auch zu separaten Massen, und als ob diese dann sich wieder zu vereinigen strebten. Der Primordialschlauch oder das Protoplasma, welches die Fortsätze auskleidete, war auch hie und da zu unregelmäszigen und verschiedentlich geformten Flecken von gelblicher durchsichtiger Substanz verdickt, wie es bei Utricularia neglecta bei einer ähnlichen Behandlung vorkam. Diese Flecken veränderten augenscheinlich ihre Form nicht.

Die kleinen zweiarmigen Drüsen auf der Klappe wurden auch durch die Lösung afficirt; denn sie enthielten nun mehrere, manchmal bis zu sechs oder acht, beinahe kuglige Massen von durchsichtiger Substanz, mit einem Stiche in's Gelbe, welche ihre Formen und Stellungen langsam veränderten. Solche Massen wurden niemals in diesen Drüsen in ihrem gewöhnlichen Zustande beobachtet. Wir können daher folgern, dasz diese zum Aufsaugen dienen. Sobald nur immer etwas Wasser aus einer Blase, welche Thierreste enthält, ausgetrieben wird (durch die früher speciell angeführten Mittel, besonders durch die Erzeugung von Luftblasen), wird es die Höhlung, in welcher die Klappe liegt, füllen; und so werden die Drüsen fähig sein, verweste Substanz, welche andernfalls sonst nutzlos sein würde, zu verwerthen.

Da endlich zahllose kleine Thiere von dieser Pflanze in ihrem Heimathslande und wenn sie cultivirt wird, gefangen werden, so kann kein Zweifel darüber sein, dasz die Blasen, trotzdem sie so klein sind, sich durchaus nicht in einem rudimentären Zustande befinden; im Gegentheil stellen sie sehr wirksame Fallen dar. Ebensowenig kann ein Zweifel darüber sein, dasz Substanz aus der verwesten Beute durch die viertheiligen und zweispaltigen Fortsätze aufgesaugt wird, und dasz Protoplasma hierdurch gebildet wird. Was die Thiere so verschiedener Arten verführt, sich in die Höhlung unter den gebognen Antennen zu begeben, und dann ihren Weg durch das kleine schlitzartige Loch zwischen der Klappe und dem Kragen in die mit Wasser gefüllten Blasen zu erzwingen, darüber kann ich nicht einmal eine Vermuthung äuszern.

Knollen. – Diese Organe, deren eines in einer früheren Figur (Fig. 26) in natürlicher Grösze dargestellt ist, verdienen einige wenige Bemerkungen. Es wurden zwanzig auf den Rhizomen einer einzigen [395] Pflanze gefunden, aber sie können nicht genau gezählt werden; denn auszer den zwanzig waren alle möglichen Abstufungen von einer kurzen, eben bemerkbar geschwollnen Strecke eines Rhizoms und einer so stark geschwollnen Strecke vorhanden, dasz sie zweifelhafterweise schon ein Knollen genannt werden könnte. Wenn gut entwickelt, sind sie oval und symmetrisch, mehr als es in der Figur erscheint. Der gröszte, den ich sah, war 1 Zoll (25,4 Mm.) lang und 0,45 Zoll (11,48 Mm.) breit. Sie liegen gewöhnlich nahe der Oberfläche, aber einige sind bis zur Tiefe von 2 Zoll begraben. Die begrabnen sind schmutzig weisz, aber die dem Lichte theilweise ausgesetzten werden durch die Entwicklung von Chlorophyll in ihren oberflächlichen Zellen grünlich. Sie enden in einem Rhizom, aber dies verwelkt manchmal und fällt ab. Sie enthalten keine Luft und sinken im Wasser unter; ihre Oberflächen sind mit den gewöhnlichen Papillen bedeckt. Das Bündel Gefäsze, welches in jedem Rhizom hinaufläuft, theilt sich, sobald es in den Knollen eintritt, in drei verschiedene Bündel, welche sich am entgegengesetzten Ende wieder vereinigen. Ein ziemlich dicker Schnitt eines Knollen ist beinahe so durchsichtig wie Glas, und besteht aus groszen eckigen Zellen voll Wasser, welche weder Stärke noch irgend eine andere solide Substanz enthalten. Einige Schnitte wurden mehrere Tage in Alkohol liegen gelassen; aber nur einige wenige auszerordentlich kleine Körnchen Substanz schlugen sich an den Wänden der Zellen nieder; und diese waren viel kleiner und der Zahl nach weniger als diejenigen, welche sich an den Zellen wänden der Rhizome und Blasen niederschlugen. Wir können daher schlieszen, dasz die Knollen nicht als Nahrungsbehälter dienen, sondern als Wasserbehälter während der trocknen Jahreszeit, welcher die Pflanze wahrscheinlich ausgesetzt ist. Die vielen kleinen mit Wasser gefüllten Blasen würden demselben Zwecke dienen.

Um die Richtigkeit dieser Ansicht zu prüfen, wurde eine kleine Pflanze, welche in leichtem Torfboden in einem Topfe (nur 4 1/2 zu 4 1/2 Zoll äuszeres Masz) wuchs, häufig begossen, und dann ohne einen Tropfen Wasser im Gewächshause gelassen. Zwei der oberen Knollen wurden vorher unbedeckt und gemessen und dann wieder leicht zugedeckt. Nach der Zeit von vierzehn Tagen schien die Erde in dem Topf auszerordentlich trocken zu sein; aber nicht vor dem fünfunddreiszigsten Tage wurden die Blätter im geringsten afficirt; sie wurden dann leicht zurückgebogen, obgleich sie noch weich und grün [396] waren. Diese Pflanze, welche nur zehn Knollen trug, würde ohne Zweifel der Trockenheit noch eine viel längere Zeit widerstanden haben, wenn ich nicht vorher drei von den Knollen entfernt und mehrere lange Rhizome abgeschnitten hätte. Als am fünfunddreiszigsten Tage die Erde aus dem Topfe geschüttet wurde, war sie so trocken, wie der Staub auf der Landstrasze. Alle Knollen hatten sehr gerunzelte Oberflächen anstatt platt und straff zu sein. Sie waren alle eingeschrumpft, aber ich kann nicht genau angeben, um wie viel; denn da sie anfangs symmetrisch oval waren, masz ich nur ihre Länge und Dicke; sie zogen sich aber der Quere nach viel mehr in einer Richtung als in einer andern zusammen, so dasz sie bedeutend abgeplattet wurden. Einer der zwei Knollen, welche gemessen worden waren, hatte nun nur drei Viertel seiner ursprünglichen Länge, und zwei Drittel seiner ursprünglichen Dicke in der Richtung, in welcher er gemessen worden war; aber in einer andern Richtung nur ein Drittel seiner früheren Dicke. Der andere Knollen war ein Viertel kürzer und ein Achtel weniger dick in der Richtung, in welcher er gemessen worden war, und nur halb so dick in einer andern Richtung.

Ein Scheibchen wurde von einem dieser zusammengeschrumpften Knollen ausgeschnitten und untersucht. Die Zellen enthielten noch viel Wasser und keine Luft, aber sie waren abgerundeter und weniger eckig als vorher; auch waren ihre Wände nicht so gerade; es war daher klar, dasz sich die Zellen zusammengezogen hatten. Die Knollen haben, so lange sie lebendig bleiben, eine starke Anziehungskraft für Wasser; der zusammengeschrumpfte, von welchem eine Scheibe abgeschnitten worden war, wurde 22 Stunden 30 Minuten lang in Wasser gelassen, und seine Oberfläche wurde so glatt und so straff wie sie ursprünglich gewesen war. Auf der andern Seite schwoll ein geschrumpfter Knollen, welcher durch Zufall von seinem Rhizome getrennt worden war, und abgestorben schien, nicht im Geringsten an, obgleich er mehrere Tage in Wasser gelassen wurde.

Bei vielen Arten Pflanzen dienen ohne Zweifel die Knollen, Zwiebeln u. s. w. theilweise als Behälter für Wasser; aber ich weisz von keinem Fall, auszer dem vorliegenden, wo solche Organe allein zu diesem Zweck entwickelt worden wären. Prof. Oliver theilt mir mit, dasz zwei oder drei andere Arten von Utricularia mit diesen Anhängen versehen sind; und die Gruppe, welche diese umfaszt, hat in Folge davon den Namen orchidioides erhalten. Alle die andern Arten [397] von Utricularia sowohl als von gewissen nahe verwandten Gattungen sind entweder Wasser- oder Marsch-Pflanzen; es wird daher nach dem Grundsatze, dasz nahe verwandte Pflanzen gewöhnlich von gleicher Constitution sind, ein niemals versiegender Vorrath von Wasser wahrscheinlich von groszer Bedeutung für unsere vorliegende Art sein. Wir können hiernach die Bedeutung der Entwickelung ihrer Knollen und deren groszen Zahl auf einer und derselben Pflanze, die in einem Falle bis zu wenigstens zwanzig anstieg, verstehen.

Utricularia nelumbifolia, amethystina, Griffithli, caerulea, orbiculata, multicaulis.

Da ich zu ermitteln wünschte, ob die Blasen auf den Rhizomen andrer Arten von Utricularia und von Arten gewisser nahe verwandter Gattungen dieselbe wesentliche Structur, wie diejenigen der Utricularia montana hätten und ob sie Beute fiengen, bat ich Prof. Oliver, mir Stücke aus dem Herbarium in Kew zu schicken. Er suchte freundlichst einige von den verschiedensten Formen aus, welche ganze Blätter haben, und von denen man glaubt, dasz sie marschigen Boden oder Wasser bewohnen. Mein Sohn, Francis Darwin, untersuchte sie und hat mir folgende Beobachtungen mitgetheilt; aber man musz im Auge behalten, dasz es auszerordentlich schwer ist, die Structur solcher kleiner und zarter Gegenstände, nachdem sie getrocknet und gepreszt worden waren, zu erkennen[2].

Utricularia nelumbifolia (Orgel-Berge, Brasilien). – Der Wohnort dieser Art ist merkwürdig. Seinem Entdecker, Herrn Gardener[3], zufolge lebt sie im Wasser, aber "wird nur in dem Wasser wachsend gefunden, welches sich auf dem Grunde der Blätter einer groszen Tillandsia ansammelt, welche sehr reichlich auf luftigen felsigen Theilen der Berge in einer Höhe von ungefähr 5000 Fusz über dem Meeresspiegel vorkommt. Auszer der gewöhnlichen Methode durch Samen pflanzt sie sich auch durch Ausläufer fort, welche sie von der Basis des Blüthenstiels ausschickt; diesen Ausläufer findet man immer nach der nächsten Tillandsia hingerichtet, wo er seine Spitze [398] in das Wasser bringt, und so die Entstehung einer neuen Pflanze verursacht, welche dann ihrerseits andere Schöszlinge aussendet. Auf diese Weise habe ich nicht weniger denn sechs Pflanzen verbunden gesehen." Die Blasen gleichen denen der Utricularia montana in allen wesentlichen Beziehungen, selbst in der Anwesenheit einiger kleiner zweiarmigen Drüsen auf der Klappe. Innerhalb einer Blase war der Rest von dem Abdomen irgend einer Larve oder eines Krusters von bedeutender Grösze, welche an der Spitze eine Bürste von langen scharfen Borsten hatte. Andere Blasen umschlossen Reste von gegliederten Thieren, und viele derselben enthielten abgebrochene Stücke eines merkwürdigen Organismus, dessen Natur von Niemand, dem er gezeigt wurde, erkannt wurde.

Utricularia amethystina (Guiana). – Diese Art hat kleine ganze Blätter, und ist augenscheinlich eine Marsch-Pflanze; aber sie musz in Gegenden, wo Kruster existiren, wachsen, denn es fanden sich zwei kleine Arten solcher innerhalb einer der Blasen. Die Blasen sind beinahe von derselben Form wie die der Utricularia monana, und sind auszen mit den gewöhnlichen Papillen bedeckt; aber sie weichen in merkwürdiger Weise darin von jenen ab, dasz die Antennen auf zwei kurze Spitzen reducirt sind, welche durch eine in der Mitte ausgehöhlte Membran verbunden sind. Diese Membran ist von unzähligen, länglichen, auf langen Stielen stehenden Drüsen bedeckt, von denen die meisten in zwei nach der Klappe zu convergirenden Reihen angeordnet sind. Einige sitzen indessen an den Rändern der Membran; auch ist die kurze ventrale Oberfläche der Blase, zwischen dem Stiel und der Klappe, dicht mit Drüsen bedeckt. Die meisten der Köpfe waren abgefallen und nur die Stiele waren geblieben, so dasz die ventrale Oberfläche und die Mündung, unter schwacher Vergröszerung betrachtet, wie mit feinen Borsten bekleidet erschien. Die Klappe ist schmal und trägt ein Paar beinahe sessiler Drüsen. Der Kragen, gegen welchen der Rand schlieszt, ist gelblich und bietet die gewöhnliche Structur dar. Nach der gröszeren Anzahl Drüsen auf der ventralen Fläche und um die Mündung ist es wahrscheinlich, dasz diese Art in sehr faulem Wasser lebt, von welchem es ebenso wohl wie aus der gefangenen und verwesenden Beute Substanz aufsaugt.

Utricularia Griffithii (Malay und Borneo). – Die Drüsen sind durchsichtig und klein; eine, welche gemessen wurde, war nur 28/1000 Zoll (0,711 Mm.) im Durchmesser. Die Antennen sind von mäsziger [399] Länge, und springen gerade vor; sie sind eine kurze Strecke an ihren Basen durch eine Membran verbunden und tragen eine mäszige Anzahl von Borsten oder Haaren, nicht wie bisher einfache, sondern mit Drüsen versehene. Die Blasen sind auch darin merkbar von denen der vorhergehenden Arten verschieden, dasz innen keine viertheiligen, sondern nur zweispaltige Fortsätze vorhanden sind. In einer Blase war eine kleine wasserbewohnende Larve; in einer andern fanden sich die Reste von irgend einem gegliederten Thier, und in den meisten Sandkörner.

Utricularia caerulea (Indien). – Die Blasen sind denen der letzten Art ähnlich, sowohl in dem allgemeinen Character der Antennen, als auch dadurch, dasz die Fortsätze innen ausschlieszlich zweispaltig sind. Sie enthielten Reste von entomostraken Krustern.

Utricularia orbiculata (Indien). – Die kreisförmigen Blätter und die Stämme, welche die Blasen tragen, schwimmen augenscheinlich im Wasser. Die Blasen sind nicht sehr von denen der zwei letzten Arten verschieden. Die Antennen, welche eine kurze Strecke an ihren Basen verbunden sind, tragen an ihren äuszern Flächen und Gipfeln zahlreiche lange vielzellige Haare, welche Drüsen an ihrer Spitze tragen. Die Fortsätze in den Blasen sind viertheilig, und die vier divergirenden Arme sind von gleicher Länge. Die Beute, welche sie gefangen hatten, bestand aus entomostraken Krustern.

Utricularia multicaulis (Sikkim, Indien, 7000 bis 11,000 Fusz). – Die Blasen, welche an die Rhizome geheftet sind, sind wegen der Structur der Antennen merkwürdig. Diese sind breit, abgeplattet und von bedeutender Grösze; sie tragen an ihren Rändern vielzellige Haare mit Drüsen an ihren Spitzen. Ihre Basen sind zu einem einzigen ziemlich schmalen Stiel verbunden, und sie erscheinen dadurch wie eine grosze fingerförmige Ausbreitung an einem Ende der Blase. Innen haben die viertheiligen Fortsätze divergirende Arme von gleicher Länge. Die Blasen enthielten Reste von gegliederten Thieren.

Polypompholyx.

Diese Gattung, welche auf das westliche Australien beschränkt ist, ist dadurch characterisirt, dasz sie einen "viertheiligen Kelch" hat. In andrer Hinsicht ist sie, wie Prof. Oliver bemerkt[4], "ganz eine Utricularia." [400] Polypompholyx multifida. – Die Blasen sind in Wirteln rings um die Spitzen steifer Stiele angeordnet. Die zwei Antennen werden durch eine kleine membranöse Gabel dargestellt, deren basaler Theil eine Art Kappe über der Mündung bildet. Diese Kappe breitet sich in zwei Flügel auf jeder Seite der Blase aus. Ein dritter Flügel oder Kamm scheint durch die Ausbreitung der dorsalen Fläche des Stiels gebildet zu werden; aber die Structur dieser drei Flügel konnte in Folge der Beschaffenheit der Exemplare nicht klar ermittelt werden. Die innere Oberfläche der Kappe ist mit langen einfachen Haaren ausgekleidet, welche zusammengeballte Substanz enthalten, wie die in den viertheiligen Fortsätzen der früher beschriebenen Species, wenn sie in Berührung mit verwesten Thieren gekommen waren. Diese Haare schienen daher als aufsaugende Organe zu dienen. Eine Klappe wurde gesehen, aber ihre Structur konnte nicht ermittelt werden. Auf dem Kragen um die Klappe finden sich anstatt der Drüsen zahlreiche einzellige Papillen, welche sehr kurze Stiele haben. Die viertheiligen Fortsätze haben divergirende Arme von gleicher Länge. Reste von entomostraken Krustern wurden in den Blasen gefunden.

Polypompholyx tenella. – Die Blasen sind kleiner als jene der letzten Art, aber haben dieselbe allgemeine Structur. Sie waren voll zerfallner, augenscheinlich organischer Substanz, aber es konnten keine Reste von Gliederthieren darin unterschieden werden.

Genlisea.

Diese merkwürdige Gattung wird, wie ich von Prof. Oliver höre, technisch dadurch von Utricularia unterschieden, dasz sie einen fünftheiligen Kelch hat. Arten davon werden in mehreren Theilen der Welt gefunden, und gelten für "herbae annuae paludosae."

Genlisea ornata (Brasilien). – Diese Art ist von Dr. Warming beschrieben und abgebildet worden[5], welcher angibt, dasz sie zwei Arten Blätter trägt, die er spatelförmig und schlauchtragend nennt. Die letzteren umschlieszen Höhlungen; und da diese von den Blasen der vorhergehenden Arten sehr verschieden sind, so wird es zweckmäszig sein, von ihnen als "Schläuchen" zu sprechen. Die beistehende Abbildung (Fig. 29) eines der schlauchtragenden Blätter, ungefähr dreimal vergröszert, wird die folgende Beschreibung von meinem Sohn illustriren, welche in allen wesentlichen Punkten mit der von [401] Dr. Warming gegebenen übereinstimmt.

Der Schlauch (b) wird von einer unbedeutenden Erweiterung der schmalen Scheibe des Blattes gebildet. Ein hohler Hals (n), nicht weniger als fünfzehn Mal so lang wie der Schlauch selbst, bildet einen Gang von der schrägen schlitzartigen Mündung (o) in die Höhlung des Schlauchs. Ein Schlauch, welcher in seinem längeren Durchmesser 1/36 Zoll (0,705 Mm.) masz,
Fig. 29. (Genlisea ornata.)
Schlauchtragendes Blatt.
ungefähr dreimal vergröszert.
l Oberer Theil der Blattscheibe.
b Schlauch oder Blase.
n Hals des Schlauches.
o Mündung.
a Spiral gewundne Arme, ihre Enden abgebrochen.
hatte einen Hals, welcher 15/36 Zoll (10,583 Mm.) lang und 1/100 Zoll (0,254 Mm.) breit war. Auf jeder Seite der Mündung ist ein langer spiraler Arm oder eine Röhre (a), deren Bauart am Besten durch folgende Erklärung verstanden werden wird. Man nehme ein schmales Band und winde es spiral um einen dünnen Cylinder, so dasz seine Ränder der ganzen Länge entlang in Berührung kommen, dann drücke man die bei den Ränder etwas zusammen, so dasz sie eine kleine Leiste bilden, welche sich natürlich um den Cylinder windet, wie ein Faden um eine Schraube. Wenn der Cylinder nun entfernt wird, wird man eine Röhre haben, welche einem der spiralen Arme gleich ist. Die zwei vorspringenden Ränder sind nicht thatsächlich verbunden, und eine Nadel kann leicht zwischen ihnen durchgeschoben werden. Sie sind in der That an vielen Stellen ein wenig von einander getrennt, dadurch schmale Einlässe in die Röhre bildend; aber dies kann das Resultat des Trocknens der Exemplare sein. Die Platte, aus der die Röhre gebildet wird, scheint eine seitliche Verlängerung der Lippe der Mündung zu sein; und die spirale Linie zwischen den zwei vorspringenden Kanten steht mit dem Winkel der Mündung in continuirlichem Zusammenhange. Wenn eine feine Borste einen der Arme hinunter gestoszen wird, so geht sie in die Spitze des hohlen Halses ein. Ob die Arme an ihren Enden offen oder geschlossen sind, konnte nicht ermittelt werden, da alle Exemplare zerbrochen waren; es scheint auch, als hätte sich Dr. Warming nicht über diesen Punkt vergewissert.

So viel über den äuszeren Bau. Innerlich ist der untere Theil [402] des Schlauchs mit sphärischen, aus vier Zellen (manchmal acht, nach Dr. Warming) gebildeten Papillen bedeckt, welche augenscheinlich den viertheiligen Fortsätzen in den Blasen der Utricularia gleichkommen.

Diese Papillen verbreiten sich eine kleine Strecke die dorsale und ventrale Fläche des Schlauchs hinauf; und nach Dr. Warming können einige wenige in dem oberen Theil gefunden werden. Diese obere Region ist durch viele quere Reihen, eine über der andern, von kurzen, dicht an einander stehenden Haaren bedeckt, welche mit den
Fig. 30. (Genlisea ornata.)
Theil der Innenfläche des in den schlauch führenden Halses; stark vergröszert; zeigt die mit ihren Spitzen abwärts gerichteten Borsten und die kleinen viertheiligen Zellen oder Fortsätze.
Spitzen nach unten gerichtet sind. Diese Haare haben breite Basen und ihre Spitzen werden durch je eine besondere Zelle gebildet. Sie fehlen im unteren Theil des Schlauches, wo die Papillen äuszerst zahlreich vorhanden sind. Der Hals ist gleichfalls durch seine ganze Länge mit queren Reihen von langen, dünnen, durchsichtigen Haaren ausgekleidet, welche breite bulböse (Fig. 30) Basen und ähnlich gebaute scharfe Spitzen haben. Sie entspringen von kleinen vorspringenden Leisten, welche aus rechtwinkligen Epidermis-Zellen gebildet werden. Die Haare variiren ein wenig in Länge, aber ihre Spitzen reichen meistens hinunter bis zu der zunächst darunter befindlichen Reihe, so dasz, wenn der Hals aufgeschlitzt und flach auseinander gelegt wird, die innere Oberfläche einem Stecknadelbriefe gleicht: die Haare stellen die Nadeln, und die kleinen schrägen Leisten die Papierfalten, durch welche die Nadeln gestoszen sind, dar. Diese Reihen Haare sind in der vorhergehenden Figur (Fig. 29) durch zahlreiche quere, den Hals kreuzende Linien angedeutet. Das Innere des Halses ist auch mit Papillen besetzt; jene im unteren Theil sind sphärisch und werden von vier Zellen gebildet, wie im unteren Theil des Schlauchs; jene im oberen Theil werden von zwei Zellen gebildet, welche nach abwärts unterhalb ihres Befestigungspunktes sehr verlängert sind.

Diese zweizelligen Papillen entsprechen augenscheinlich den zweispaltigen Fortsätzen im [403] oberen Theil der Blasen der Utricularia. Die schmale quere Mündung (o, Fig. 29) liegt zwischen den Basen der zwei spiralen Arme. Keine Klappe konnte hier entdeckt werden; auch hat Dr. Warming keine irgend derartige Bildung hier gesehen. Die Lippen der Mündung sind mit vielen kurzen, dicken, scharf zugespitzten, etwas eingebognen Haaren oder Zähnen bewaffnet.

Die zwei vorspringenden Ränder der spiral gewundenen Platte, welche die Arme bilden, sind mit kurzen eingebognen Haaren oder Zähnen, genau gleich denen auf den Lippen, versehen. Diese springen nach innen im rechten Winkel zu der Spirallinie der Verbindung zwischen den beiden Rändern vor. Die innere Oberfläche der Platte trägt zweizellige verlängerte Papillen, welche denen im oberen Theil des Halses gleich sind, aber Dr. Warming zufolge darin leicht von ihnen verschieden sind, dasz ihre Stiele von Verlängerungen groszer Epidermis-Zellen gebildet werden, während die Papillen im Halse auf kleinen, zwischen die gröszeren eingelassenen Zellen ruhen. Diese spiralen Arme bilden einen auffallenden Unterschied zwischen der vorliegenden Gattung und Utricularia.

Endlich ist ein Bündel von Spiralgefäszen da, welches den unteren Theil des linearen Blattes hinauf laufend sich dicht unter dem Schlauche theilt. Ein Zweig erstreckt sich die dorsale und der andere die ventrale Seite sowohl des Schlauches als des Halses hinauf. Von diesen zwei Zweigen tritt einer in den einen spiralen Arm, der andere Zweig in den andern Arm.

Die Schläuche enthielten viel Abfall oder schmutzige Substanz, welche organisch zu sein schien, obgleich keine bestimmten Organismen erkannt werden konnten. Es ist in der That kaum möglich, dasz irgend ein anderer Gegenstand in die kleinen Mündungen eintreten und den langen schmalen Hals hinunter gehen könnte, auszer einem lebenden Wesen. In den Hälsen jedoch von einigen Exemplaren wurde ein Wurm mit zurückgezognen hörnigen Kinnladen, das Abdomen irgend eines Gliederthieres, und Flecke von Schmutz, wahrscheinlich die Reste von andern kleinen Geschöpfen, gefunden. Viele der Papillen sowohl in den Schläuchen als in den Hälsen waren misfarbig, als ob sie Substanz aufgesaugt hätten.

Aus dieser Beschreibung geht zur Genüge hervor, wie Genlisea sich ihrer Beute versichert. Kleine Thiere, welche in die schmale Mündung eintreten – (aber was sie bewegt, da hinein zu gehen, ist [404] ebenso wenig bekannt, wie im Fall der Utricularia) – werden ihren Wiederaustritt durch die scharfen eingebogenen Haare auf den Lippen erschwert finden, und sobald sie ein kleines Stück den Hals hinuntergegangen sind, wird es für sie kaum möglich sein umzukehren in Folge der vielen queren Reihen von langen geraden, mit den Spitzen nach unten gerichteten Haaren, zusammen mit den Leisten, von welchen diese vorspringen. Solche Geschöpfe werden daher entweder in dem Hals oder im Schlauche umkommen; und die viertheiligen und zweispaltigen Fortsätze werden aus ihren zerfallenen Resten Substanz aufsaugen. Die queren Reihen Haare sind so zahlreich, dasz sie blosz um das Entkommen der Beute zu verhindern, überflüssig scheinen, und da sie dünn und zart sind, so fungiren sie wahrscheinlich als weitere aufsaugende Organe, in derselben Weise, wie die biegsamen Borsten auf den eingebogenen Rändern der Blätter von Aldrovanda. Die Spiralarme fungiren ohne Zweifel als accessorische Fallen. Bis nicht frische Blätter untersucht worden sind, kann man nicht sagen, ob die Verbindungslinie der spiral gewundenen Platte ihrem ganzen Verlaufe entlang oder nur stellenweise etwas offen ist, aber ein kleines Geschöpf, welches seinen Weg an irgend einem Punkt in die Röhre erzwang, würde durch die eingebogenen Haare am Entkommen verhindert werden, und würde einen offenen Pfad nur die Röhre hinunter in den Hals und dadurch in den Schlauch finden. Wenn das Geschöpf in den Spiralarmen umkäme, würden seine verwesenden Reste von den zweispaltigen Papillen aufgesaugt und verwerthet werden. Wir sehen hieraus, dasz Thiere von Genlisea gefangen werden, nicht mittelst einer elastischen Klappe wie in den vorgehenden Arten, sondern durch eine, einer Aal-Falle ähnliche, wenngleich complicirtere Einrichtung.

Genlisea africana (Süd-Africa.) – Reste der schlauchtragenden Blätter dieser Art boten dieselbe Bauart dar, wie die der Genlisea ornata. Ein beinahe vollkommener Acarus wurde in dem Schlauch oder Hals eines Blattes gefunden, aber in welchem von den beiden Theilen wurde nicht berichtet.

Genlisea aurea (Brasilien). – Ein Rest des Halses eines Schlauches war mit queren Reihen von Haaren ausgekleidet und mit verlängerten Papillen versehn, genau so wie die im Hals der Genlisea ornata. Es ist demzufolge wahrscheinlich, dasz der ganze Schlauch ähnlich gebaut ist.

Genlisea filiformis (Babia, Brasilien). – Viele Blätter wurden [405] untersucht, und keine wurden mit Schläuchen versehen gefunden, während solche Blätter in den drei vorhergehenden Arten ohne Schwierigkeit gefunden worden waren. Auf der andern Seite tragen die Rhizome Blasen, welche dem wesentlichen Character nach denen an den Rhizomen der Utricularia ähnlich sind. Diese Blasen sind durchsichtig und sehr klein, nämlich nur 1/100 Zoll (0,254 Mm.) lang. Die Antennen sind an ihren Basen nicht verbunden und tragen augenscheinlich einige lange Haare. Auf der Auszenseite der Blasen sind nur einige wenige Papillen und innerlich sehr wenig viertheilige Fortsätze vorhanden. Diese letzteren jedoch sind von ungewöhnlich bedeutender Grösze im Verhältnis zu der Blase; ihre vier divergirenden Arme sind von gleicher Länge. In diesen kleinen Blasen war keine Beute zu sehen. Da die Rhizome dieser Art mit Blasen versehen waren, wurden die der Genlisea africana, ornata und aurea sorgfältig untersucht, aber es waren keine zu finden. Was sollen wir aus diesen Thatsachen schlieszen? Besaszen die drei eben genannten Arten, wie ihre nahen Verwandten, die verschiedenen Arten der Utricularia, ursprünglich Blasen an ihren Rhizomen, welche sie später verloren, wogegen sie an ihrer Stelle schlauchtragende Blätter erhielten? Um diese Ansicht zu unterstützen, könnte hervorgehoben werden, dasz die Blasen der Genlisea filiformis wegen ihrer geringen Grösze und wegen der geringen Zahl ihrer viertheiligen Fortsätze, auf dem Wege zu verkümmern begriffen zu sein scheinen; aber warum hat diese Art nicht schlauchtragende Blätter erhalten, wie ihre Gattungsgenossen?

Schlusz. – Es ist nun gezeigt worden. dasz viele Arten von Utricularia und zweier nahe verwandter Gattungen, welche die von einander entferntesten Theile der Welt – Europa, Africa, Indien, den malayischen Archipel, Australien, Nord- und Süd-America – bewohnen, wunderbar schön dazu angepaszt sind, auf zwei Methoden kleine wasser- oder landlebende Thiere zu fangen, und dasz sie die Produkte von deren Zerfall aufsaugen.

Gewöhnliche Pflanzen der höheren Classen verschaffen sich die nöthigen unorganischen Elemente aus dem Boden mittelst ihrer Wur­zeln und absorbiren Kohlensäure aus der Luft mittelst ihrer Blätter und Stengel. Wir haben aber in einem früheren Theile dieses Werkes gesehen, dasz es eine Classe von Pflanzen gibt, welche thierische [406] Substanz verdauen und nachher aufsaugen, nämlich alle Droseraceae, Pinguicula und, wie Dr. Hooker entdeckt hat, Nepentes; und dieser Classe werden beinahe sicher bald noch andere Arten hinzugefügt werden. Diese Pflanzen können Substanz aus gewissen vegetabilischen Stoffen, wie Pollen, Samen und Stückchen von Blättern auflösen. Ohne Zweifel saugen ihre Drüsen gleichfalls die ihnen vom Regen zugeführten Ammoniaksalze auf. Es ist auch gezeigt worden, dasz einige andere Pflanzen Ammoniak durch ihre drüsenartigen Haare aufsaugen können; und diese werden auch aus dem ihnen vom Regen angeführten Nutzen ziehen. Es ist auch noch eine zweite Classe von Pflanzen da, welche, wie wir so eben gesehen haben, nicht verdauen können, aber die Produkte des Zerfalls von Thieren, welche sie fangen, aufsaugen, nämlich Utricularia und ihre nahen Verwandten; und nach den ausgezeichneten Beobachtungen von Dr. Melichamp und Dr. Canby kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, dasz Sarracenia und Darlingtonia dieser Classe zugefügt werden können, obgleich die Thatsache bis jetzt noch kaum als vollständig bewiesen angesehen werden kann. Es gibt eine dritte Classe Pflanzen, welche, wie nun allgemein zugegeben wird, von Produkten des Zerfalls vegetabilischer Substanz leben, wie z. B. eine Orchidee (Neottia) u. s. w. Endlich findet sich noch die bekannte vierte Classe von Parasiten (so z. B. die Mistel), welche sich von den Säften lebender Pflanzen ernähren. Die meisten jedoch der Pflanzen, welche zu diesen vier Classen gehören, erhalten einen Theil ihres Kohlenstoffes wie die gewöhnlichen Arten aus der Luft. Dieses sind die verschiedenen Mittel, durch welche, so weit bis jetzt bekannt ist, höhere Pflanzen ihren Unterhalt gewinnen.


  1. Prof. Oliver hat eine Pflanze von Utricularia Jamesoniana abgebildet (Proceed. Linn. Soc. Vol. IV. p. 169), welche ungetheilte Blätter und Rhizome gleich denen unserer Species hat; aber die Ränder der terminalen Hälften einiger Blätter sind in Blasen verwandelt. Diese Thatsache weist deutlich darauf hin, dasz die Blasen auf den Rhizomen der gegenwärtigen und der folgenden Arten modificirte Segmente des Blattes sind; sie werden dadurch mit den an die getheilten und schwimmenden Blätter der in Wasser lebenden Arten gehefteten Blasen in Übereinstimmung gebracht.
  2. Prof. Oliver hat (Proc. Linn. Soc. Vol. IV, p. 169) Abbildungen von den Blasen zweier südamericanischer Species, nämlich Utricularia Jamesoniana und peltata gegeben; er scheint aber diesen Organen keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet zu haben.
  3. Travels in the Interior of Brazil, 1836-41, p. 527.
  4. Proceed. Linn. Soc. Vol. IV, p, 171.
  5. Bidrag til Kundskaben om Lentibulariaceae. Copenhagen, 1874.