Zum Inhalt springen

Insectenfressende Pflanzen/Siebenzehntes Capitel

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
<<< Siebenzehntes Capitel >>>
{{{UNTERTITEL}}}
aus: Insectenfressende Pflanzen
Seite: {{{SEITE}}}
von: Charles Darwin
Zusammenfassung: {{{ZUSAMMENFASSUNG}}}
Anmerkung: {{{ANMERKUNG}}}
Bild
[[Bild:{{{BILD}}}|250px]]
[[w:{{{WIKIPEDIA}}}|Artikel in der Wikipedia]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wikisource-Indexseite
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe


[357]
Siebenzehntes Capitel.
Utricularia.

Utricularia neglecta. – Structur der Blase. – Der Gebrauch der verschiedenen Theile. – Anzahl der gefangenen Thiere. – Art und Weise des Fanges. – Die Blasen können animale Substanz nicht verdauen, aber absorbiren die Producte ihres Zerfalls. – Versuche über die Aufsaugung gewisser Flüssigkeiten durch die viertheiligen Fortsätze. – Aufsaugung durch die Drüsen. – Zusammenfassung der Beobachtungen über Aufsaugung. – Entwickelung der Blasen. – Utricularia vulgaris. – Utricularia minor. – Utricularia clandestina.

Die Lebensweise und den Bau der Species dieser Gattung zu untersuchen, dazu wurde ich zum Theil dadurch geführt, dasz sie zu derselben natürlichen Familie gehört wie Pinguicula, aber noch besonders durch die Angabe Holland's, dasz "Wasser-Insecten häufig in den Blasen gefangen gehalten gefunden werden," welche, wie er vermuthet, "dazu bestimmt sind, der Pflanze als Nahrung zu dienen"[1]. Die Pflanzen, welche ich zuerst als Utricularia vulgaris aus dem New Forest in Hampshire und aus Cornwall erhielt, und mit denen ich hauptsächlich gearbeitet habe, hat Dr. Hooker als eine sehr seltene englische Art, nämlich als Utricularia neglecta Lehmann bestimmt[2]. Ich habe später die echte Utricularia vulgaris aus Yorkshire erhalten. Seitdem ich die folgende Beschreibung nach meinen [358] eigenen Beobachtungen und nach denen meines Sohnes Francis aufgesetzt habe, ist eine wichtige Abhandlung von Professor Cohn über Utricularia vulgaris erschienen[3]; und es hat mir keine kleine Genugthuung gewährt zu finden, dasz meine Schilderung beinahe vollständig mit der jenes ausgezeichneten Beobachters übereinstimmt. Ich will meine Beschreibung so veröffentlichen, wie ich sie niedergeschrieben hatte, ehe ich Prof. Cohn's Schilderung gelesen hatte und gelegentlich einige Angaben auf seine Autorität hinzufügen.

Fig. 17. (Utricularia neglecta.) Zweig mit den getheilten blasentragenden Blättern; ungefähr zweimal vergröszert.

Utricularia neglecta. – Die allgemeine Erscheinung eines Zweiges (ungefähr zweimal vergröszert) mit den gefiederten Blättern, welche die Blasen tragen, ist in der beistehenden Skizze dargestellt (Fig. 17). Die Blätter theilen sich beständig gabelig, so dasz ein erwachsenes Blatt mit von zwanzig bis dreiszig Spitzen endet. Jedes Ende trägt an seiner Spitze eine kurze gerade Borste, und leichte Vertiefungen an den Seiten der Blätter tragen ähnliche Borsten. Auf beiden Flächen finden sich viele kleine Papillen, auf deren Höhe zwei halbkugelige Zellen in dichter Berührung stehn. Die Pflanzen schwimmen in der Nähe der Oberfläche des Wassers und sind vollständig ohne [359] Wurzeln, selbst während ihrer frühesten Wachsthumsperiode[4]. Sie bewohnen gewöhnlich, wie mehr als ein Beobachter gegen mich bemerkt hat, merkwürdig faule Gräben.

Die Blasen bieten den hauptsächlich interessanten Punkt dar. Es finden sich häufig zwei oder drei an einem und demselben getheilten Blatte, meistens in der Nähe der Basis; doch habe ich auch eine einzelne aus dem Stengel entspringen sehn. Sie stehen auf kurzen Stielen. Wenn sie völlig ausgewachsen sind, sind sie nahezu 1/10 Zoll (2,54 Mm.) lang. Sie sind durchscheinend, von einer grünen Färbung und die Wandungen werden aus zwei Schichten von Zellen gebildet. Die äuszeren Zellen sind polygonal und ziemlich grosz; aber an vielen von den Punkten, wo sich die Winkel treffen, finden sich kleinere rundliche Zellen. Diese letzteren tragen kurze kegelförmige Vorsprünge, welche von zwei hemisphärischen Zellen in so dichter Aneinanderlagerung, dasz sie vereinigt zu sein scheinen, überragt werden; häufig trennen sich die letztern ein wenig von einander, wenn sie in gewisse Flüssigkeiten eingetaucht werden. Die in dieser Weise gebildeten Papillen sind denen genau gleich, welche sich auf der Oberfläche der Blätter finden. Diejenigen an einer und derselben Blase sind der Grösze nach sehr verschieden; auch finden sich einige wenige, besonders an sehr jungen Blättern, welche einen elliptischen, statt eines kreisförmigen, Umrisz haben. Die zwei endständigen Zellen sind durchsichtig, müssen aber viel Substanz in Lösung enthalten, nach der Menge zu urtheilen, welche durch längeres Eintauchen in Alkohol oder Äther zur Gerinnung gebracht wird.

Die Blasen sind mit Wasser angefüllt. Sie enthalten meistens, aber durchaus nicht immer, Luftblasen. Je nach der in ihnen enthaltenen Wasser- oder Luftmenge sind sie in der Dicke sehr verschieden, sie sind aber immer etwas zusammengedrückt. Auf einem frühern Wachsthumsstadium ist die platte oder ventrale Oberfläche nach der Axe oder dem Stengel hin gerichtet; es musz aber der Stiel in gewisses Bewegungsvermögen haben; denn an Pflanzen, welche ich in meinem Gewächshause hielt, war die ventrale Fläche meistens entweder gerade oder schräg niederwärts gedreht. Mr. H. M. Wilkinson [360] untersuchte meinetwegen Pflanzen im Naturzustande und fand, dasz dies gewöhnlich der Fall ist; aber die jüngeren Blasen hatten häufig ihre Klappen nach oben gekehrt.

Das allgemeine äuszere Ansehn einer Blase von der Seite betrachtet ist in der beistehenden Figur wiedergegeben, wobei die Anhänge der dem Beschauer zugekehrten Seite allein dargestellt sind (Fig. 18). Die untere Seite, wo der Stiel entspringt, ist

Fig. 18. (Utricularia neglecta.)) Blase, bedeutend vergröszert, c Kragen, undeutlich durch die Wandungen gesehn.
ist nahezu gerade; ich habe sie die ventrale Oberfläche genannt. Die andere dorsale Oberfläche ist convex und endigt in zwei langen, aus mehreren Reihen von Chlorophyll enthaltenden Zellen gebildeten und, hauptsächlich an der äuszeren Seite, sechs oder sieben lange, zugespitzte, vielzellige Borsten tragenden Verlängerungen. Diese Verlängerungen der Blase können passenderweise die Antennen genannt werden, denn die ganze Blase (vergl. Fig. 17) ist einem entomostraken Krustenthiere merkwürdig ähnlich, wobei der kurze Stiel den Schwanz darstellt. In Fig. 18 ist nur die nähere, dem Beschauer zu gelegene Antenne dargestellt. Unterhalb der beiden Antennen ist das Ende der Blase leicht abgestutzt und hier liegt der allerwichtigste Theil des ganzen Gebildes, nämlich der Eingang und die Klappe. Auf jeder Seite des Eingangs ragen von drei bis (selten) sieben lange, vielzählige Borsten nach auszen vor; aber nur diejenigen (vier an Zahl) auf der näheren, dem Beschauer zugekehrten Seite sind in der Zeichnung wiedergegeben. Diese Borsten bilden zusammen mit den von den Antennen getragenen eine Art von hohlem, den Eingang umgebenden Kegel.

Die Klappe senkt sich in die Höhlung der Blase hinein, oder aufwärts in Fig. 18. Sie ist auf allen Seiten an die Blase angeheftet,

[361] mit Ausnahme ihres hinteren Randes, oder des unteren in Fig. 19, welcher frei ist und die eine Seite der schlitzförmigen in die Blase führenden Mündung bildet. Dieser Rand ist scharf, dünn und glatt und ruht auf dem Rande einer Leiste oder eines Kragens, welcher tief in die Blase hineinragt, wie der Längsschnitt des Kragens und
Fig. 19. (Utricularia neglecta.) Klappe der Blase; bedeutend vergröszert.
der Klappe zeigt (Fig. 20); er ist auch bei c in Fig. 18 zu sehen. Der Rand der Klappe kann sich hiernach nur nach innen öffnen. Da beides, sowohl die Klappe als auch der Kragen, in die Blase
Fig. 20. (Utricularia neglecta.) Verticaler Längsschnitt durch den ventralen Theil einer Blase, der die Klappe und den Kragen zeigt; v Klappe; der ganze Vorsprung oberhalb e bildet den Kragen; b zweispaltige Fortsätze; s ventrale Oberfläche der Blase.
hineinragen, so bildet sich hier eine Höhlung oder Vertiefung, an deren Basis die schlitzförmige Mündung liegt.

Die Klappe ist farblos, in hohem Grade durchsichtig, biegsam und elastisch. Sie ist in querer Richtung convex, ist aber hier (Fig. 19) in abgeplattetem Zustande gezeichnet worden, wodurch ihre scheinbare Breite vergröszert ist. Sie wird nach Cohn aus zwei Schichten kleiner Zellen gebildet, welche continuirlich mit den beiden Schichten gröszerer Zellen zusammenhängen, welche die Wandungen der Blase bilden, von welchen sie offenbar eine Verlängerung ist. Zwei [362] Paar durchsichtiger spitzer Borsten, ungefähr so lang wie die Klappe selbst, entspringen in der Nähe ihres freien hinteren Randes (Fig. 19) und weisen schräg nach auszen in der Richtung der Antennen. Auch finden sich auf der Oberfläche der Klappe zahlreiche Drüsen, wie ich sie nennen will; denn sie haben die Fähigkeit zu absorbiren, obschon ich zweifle, ob sie jemals absondern. Sie bestehen aus dreierlei Arten, welche bis zu einem gewissen Grade in einander übergehen. Diejenigen, welche rund um den vorderen Rand der Klappe (obere Rand in Fig. 19) herumstehen, sind sehr zahlreich und stehen dicht gedrängt; sie bestehen aus einem oblongen Köpfchen auf einem langen Stiele. Der Stiel selbst wird von einer verlängerten Zelle gebildet, auf welcher eine kurze sitzt. Die Drüsen nach dem freien hinteren Rande zu sind viel gröszer, wenig an Zahl und beinahe sphärisch; sie haben kurze Stiele. Das Köpfchen wird durch das Verschmelzen zweier Zellen gebildet, die untere entspricht der kurzen oberen Zelle des Stiels der oblongen Drüsen. Die Drüsen der dritten Art haben quer verlängerte Köpfchen und sitzen auf sehr kurzen Stielen, so dasz sie parallel mit und dicht an der Oberfläche der Klappe stehen; sie können zweiarmige Drüsen genannt werden. Die Zellen, welche alle diese Drüsen bilden, enthalten einen Kern und sind mit einer Schicht mehr oder weniger körnigen Protoplasmas, dem Primordialschlauch Mohl's, ausgekleidet. Sie sind mit Flüssigkeit erfüllt, welche viel Substanz in Lösung halten musz, nach der Menge der geronnenen Masse nach einem langen Eintauchen in Alkohol oder Äther zu urtheilen. Die Vertiefung, in welcher die Klappe liegt, ist gleichfalls mit unzähligen Drüsen bekleidet; diejenigen an den Seiten haben oblonge Köpfchen und verlängerte Stiele, genau so wie die Drüsen auf den anstoszenden Theilen der Klappe.

Der Kragen (von Cohn Peristom genannt) wird offenbar, wie auch die Klappe, durch einen Vorsprung der Wandungen der Blase nach innen gebildet. Die die äuszere oder die nach der Klappe hinsehende Fläche zusammensetzenden Zellen haben ziemlich dicke Wände, sind von einer bräunlichen Farbe, sehr klein, sehr zahlreich und verlängert; die untern sind durch verticale Scheidewände getheilt. Das Ganze bietet ein complicirtes und elegantes Ansehen dar. Die die innere Oberfläche bildenden Zellen sind in continuirlichem Zusammenhange mit den über die ganze innere Oberfläche der Blase verbreiteten. Der Raum zwischen der äuszeren und inneren Oberfläche [363] besteht aus grobem zelligen Gewebe (Fig. 20). Die innere Seite ist dicht mit zarten zweispaltigen, hernach zu beschreibenden Fortsätzen bedeckt. Hierdurch wird der Kragen dick; und er ist so steif, dasz er denselben Umrisz beibehält, mag die Blase wenig oder viel Wasser oder Luft enthalten. Dies ist von groszer Bedeutung, da sonst die dünne und biegsame Klappe nicht gehörig fungiren würde.

Alles zusammengenommen, bietet der Eingang in die Blase, gebildet von der durchsichtigen Klappe mit ihren vier schräg vorspringenden Borsten, ihren zahlreichen verschieden geformten Drüsen, umgeben von dem Kragen, auf der Innenseite Drüsen und auf der Auszenseite Borsten tragend, in Verbindung mit den von den Antennen getragenen Borsten, eine auszerordentlich complicirte Erscheinung dar, wenn sie unter dem Mikroskop beobachtet wird.

Wir wollen nun die innere Structur der Blase betrachten. Unter einer mäszig starken Vergröszerung betrachtet zeigt sich die ganze

Fig. 21. (Utricularia neglecta.)
Kleines Stück der Innenseite der Blase, stark vergröszert, um die viertheiligen Fortsätze zu zeigen.
Fig. 22. Utricularia neglecta.)
Einer der viertheiligen Fortsätze, stark vergröszert.

innere Oberfläche, mit Ausnahme der Klappe, von einer dicht zusammengedrängten Masse von Fortsätzen bedeckt (Fig. 21). Jeder derselben besteht aus vier divergirenden Armen; daher ihr Name der viertheiligen oder vierspaltigen Fortsätze. Sie entspringen von kleinen eckigen Zellen an den Verbindungsstellen der Winkel der gröszeren Zellen, welche das Innere der Blase bilden. Der mittlere Theil der oberen Fläche dieser kleinen Zellen springt ein wenig vor und zieht sich dann zu einem kurzen und schmalen Stiel zusammen, welcher [364] die vier Arme trägt (Fig. 22). Von diesen sind zwei lang, aber häufig nicht von gleicher Länge, und springen schräg nach innen und nach dem hinteren Ende der Blase vor. Die zwei andern sind viel kürzer und springen in einem kleineren Winkel vor, d. h. sie sind mehr oder beinahe horizontal und sind nach dem vordern Ende der Blase hin gerichtet. Diese Arme sind nur mäszig scharf zugespitzt; sie werden von einer äuszerst dünnen Membran gebildet, so dasz sie in jedweder Richtung gebogen oder eingefaltet werden können, ohne zu zerbrechen. Sie werden von einer zarten Schicht von Protoplasma ausgekleidet, was gleichfalls bei den kurzen kegelförmigen Fortsätzen der Fall ist, von denen sie entspringen. Jeder Arm enthält meistens (aber nicht ausnahmslos) ein äuszerst kleines, schwach braunes Körperchen, entweder rundlich oder häufiger länglich, welches unaufhörliche Brown'sche Bewegung zeigt. Diese Körperchen ändern langsam ihre Stellung und wandern von einem Ende der Arme zum andern, werden aber gewöhnlich in der Nähe ihrer Basen gefunden. Sie sind in den viertheiligen Fortsätzen junger Blasen vorhanden, wenn diese nur ungefähr ein Drittel ihrer vollen Grösze erreicht haben. Gewöhnlichen Zellenkernen sind sie nicht ähnlich; ich glaube aber, dasz es Kerne in einem modificirten Zustande sind; denn wenn sie fehlen, konnte ich gelegentlich an ihrer Stelle eben noch eine zarte Wolke von Substanz erkennen, welche einen dunkleren Fleck einschlosz. Überdies enthalten die viertheiligen Fortsätze von Utricularia montana eher etwas gröszere und viel regelmäsziger sphärische, aber im Übrigen ähnliche Körperchen, welche den Kernen in den, die Wandungen der Blasen bildenden Zellen sehr ähnlich sind. Im vorliegenden Falle fanden sich zuweilen zwei, drei, oder selbst noch mehr nahezu ähnliche Körperchen innerhalb eines einzelnen Arms; es scheint indessen, wie wir nachher sehen werden, die Gegenwart von mehr als einem immer mit der Absorption sich zersetzender Substanz zusammenzuhängen.

Die innere Seite des Kragens (s. die frühere Fig. 20) wird von mehreren dicht aneinander gedrängten Reihen von Fortsätzen bedeckt, welche in keiner wichtigen Beziehung von den viertheiligen abweichen, ausgenommen darin, dasz sie nur zwei Arme tragen anstatt vier; sie sind indessen eher etwas schmäler und zarter. Ich werde sie die zweispaltigen Fortsätze nennen. Sie springen in die Blase vor und sind nach deren hinterem Ende zu gerichtet. Die viertheiligen und [365] zweispaltigen Fortsätze sind ohne Zweifel den Papillen auf der Auszenseite der Blase und der Blätter homolog; und wir werden sehen, dasz sie sich von äuszerst ähnlichen Papillen aus entwickelt haben.

Der Gebrauch der verschiedenen Theile. – Nach der vorausgehenden langen, aber nothwendigen Beschreibung der einzelnen Theile wollen wir uns zu ihrem Gebrauche wenden. Einige Autoren haben vermuthet, dasz die Blasen als Schwimmapparate wirken; aber Zweige, welche keine Blasen trugen, und andere, von denen die Blasen entfernt worden waren, flottirten vollkommen, und zwar in Folge der in den Intercellularräumen enthaltenen Luft. Blasen, welche todte und gefangene Thiere enthalten, schlieszen gewöhnlich Luftblasen ein; dieselben können aber nicht allein durch den Zersetzungsprocesz entstanden sein, da ich häufig Luft in jungen, reinen und leeren Blasen gesehen habe; andererseits hatten manche alte Blasen mit viel sich zersetzender Substanz keine Luftblasen.

Die wirkliche Function der Blasen ist, kleine Wasserthiere zu fangen, und dies thun sie in einem groszen Maszstabe. Von der ersten Anzahl Pflanzen, welche ich zeitig im Juli von dem New Forest erhielt, umschlossen verhältnismäszig viele der völlig erwachsenen Blasen Beute; bei einer zweiten Sendung, welche ich anfangs August erhielt, waren die meisten der Blasen leer; es waren indessen Pflanzen ausgewählt worden, welche in ungewöhnlich reinem Wasser wuchsen. Von der ersten Sendung untersuchte mein Sohn siebenzehn Blasen, welche Beute irgend welcher Art umschlossen, und acht derselben enthielten entomostrake Krustenthiere, drei Insectenlarven, von denen eine noch lebendig war, und sechs so stark zersetzte Überreste von Thieren, dasz ihre Natur nicht mehr unterschieden. werden konnte. Ich wählte fünf Blasen heraus, welche sehr voll zu sein schienen, und fand in ihnen vier, fünf, acht und zehn Krustenthiere und in der fünften eine einzige sehr lang gestreckte Larve. In fünf anderen Blasen, welche ich gewählt hatte, weil sie Überreste enthielten, welche aber nicht sehr voll erschienen, fanden sich ein, zwei, vier, zwei und fünf Krustenthiere. Eine Pflanze von Utricularia vulgaris, welche in beinahe reinem Wasser gehalten worden war, wurde von Cohn eines Abends in Wasser gethan, in welchem zahllose Kruster umherschwärmten, und am nächsten Morgen enthielten die meisten Blasen diese Thiere gefangen und immer fort im Kreise in ihren Gefängnissen umherschwimmend. Sie blieben mehrere Tage lang lebendig, giengen [366] aber endlich zu Grunde, an Erstickung, wie ich vermuthe, da der ganze Sauerstoff des Wassers verbraucht worden war. Auch Süszwasser-Würmer wurden von Cohn in einigen Blasen gefunden. In allen Fällen waren die Blasen mit zerfallenen Thierresten voll von lebenden Algen vieler Arten, von Infusorien und anderen niederen Organismen, welche offenbar als Eindringlinge dort lebten.

Die Thiere gelangen in der Weise in die Blase, dasz sie den hintern freien Rand der Klappe abbiegen, welcher sich dann, da er in hohem Grade elastisch ist, augenblicklich wieder schlieszt. Da die Kante äuszerst dünn ist und dicht an den Rand des Kragens sich anlegt, wobei beide in die Blase vorspringen (s. Fig. 20), so wird es offenbar für alle Thiere sehr schwierig sein, wieder herauszukommen, wenn sie sich einmal gefangen haben; und allem Anscheine nach entschlüpfen sie niemals. Um zu zeigen, wie dicht der Rand schlieszt, will ich erwähnen, dasz mein Sohn eine Daphnia fand, welche eine ihrer Antennen in den Schlitz gesteckt hatte; und dadurch wurde sie einen ganzen Tag lang fest gehalten. Bei drei oder vier Gelegenheiten habe ich lange schmale Larven, sowohl todte als auch lebendige, zwischen die Klappe und den Kragen eingekeilt gefunden, wobei ihre Körper halb innerhalb und halb auszerhalb der Blasen waren.

Da es mir sehr schwierig war, einzusehen, wie derartige minutiöse und schwache Thiere, wie sie so häufig gefangen werden, sich ihren Eintritt in die Blasen erzwingen können, habe ich viele Versuche angestellt, um zu ermitteln, wie dies ausgeführt wird. Der freie Rand der Klappe biegt sich so leicht, dasz man keinen Widerstand fühlt, wenn eine Nadel oder eine dünne Borste eingeführt wird. Ein dünnes menschliches Haar, an einen Griff befestigt und so weit abgeschnitten, dasz es kaum 1/4 Zoll vorsprang, gieng mit etwas Schwierigkeit hinein; ein längeres Stück gab nach, anstatt einzugehn. Bei drei Gelegenheiten wurden äuszerst kleine Stückchen blauen Glases (um leicht erkannt zu werden) auf Klappen gelegt, während sie unter Wasser waren; als ich leise versuchte, sie mit einer Nadel zu bewegen, verschwanden sie so plötzlich, dasz ich, da ich nicht sah, was passiert war, glaubte, ich hätte sie fortgeschnellt; als ich aber die Blasen untersuchte, fand ich sie ganz sicher eingeschlossen. Dasselbe passirte meinem Sohne, welcher kleine Würfelehen von grünem Buchsbaumholz (von ungefähr 1/60 Zoll oder 0,423 Mm. Seitenlänge) auf einige Klappen legte; und dreimal kam es während des Actes, sie [367] aufzulegen oder sie leise auf eine andere Stelle zu bewegen, vor, dasz sich die Klappe plötzlich öffnete und sie verschluckt waren. Er legte dann ähnliche Stückchen Holz auf andere Klappen und bewegte sie eine Zeit lang auf ihnen herum; sie giengen aber nicht in die Blase. Ferner brachte ich Stückchen von blauem Glas auf drei Klappen und äuszerst minutiöse abgeschabte Stückchen Blei auf zwei andere Klappen; nach 1 oder 2 Stunden war keines eingetreten, aber in einer Zeit von 2 bis 5 Stunden waren sie alle fünf eingeschlossen. Eines der Glasstückchen war ein langer Splitter, dessen eines Ende schräg auf der Klappe ruhte; nach wenig Stunden fand man es fixirt, halb innerhalb der Blase und halb nach auszen vorspringend; wobei der Rand der Klappe rings herum dicht anschlosz mit Ausnahme des einen Winkels, wo eine kleine Stelle offen gelassen war. Es war so fest eingekeilt, ähnlich der oben erwähnten Larve, dasz die Blase von dem Zweig abgerissen und geschüttelt werden konnte, ohne dasz der Splitter herausgefallen wäre. Mein Sohn legte auch kleine Würfelchen (ungefähr 1/65 Zoll oder 0,391 Mm.) von grünem Buchsbaumholz, welche gerade schwer genug waren, um in Wasser unterzusinken, auf drei Klappen. Dieselben wurden nach 19 Stunden 30 Minuten untersucht und wurden noch immer auf den Klappen liegend gefunden; nach 22 Stunden 30 Minuten waren sie aber eingeschlossen. Ich will hier erwähnen, dasz ich in einer Blase an einer in natürlichen Verhältnissen wachsenden Pflanze ein Körnchen Sand und in einer andern Blase drei Körnchen fand; diese müssen durch irgend welchen Zufall auf die Klappen gefallen und dann wie die Glastheilchen in die Blasen gelangt sein.

Die langsame Biegung der Klappe unter dem Gewicht der Glasstückchen und selbst der Buchsbaumholzwürfelchen, trotzdem sie in hohem Masze vom Wasser getragen werden, ist, wie ich vermuthe, der langsamen Biegung colloider Substanzen analog. Es wurden beispielsweise Glasstückchen auf verschiedene Stellen schmaler Streifen von angefeuchteter Gelatine gelegt; und diese gaben mit äuszerster Langsamkeit nach und bogen sich. Es ist viel schwerer zu verstehen, woher es kommt, dasz das leise Hin- und Herbewegen eines Stückchens von einem Theile der Klappe zu einem andern dieselbe veranlaszt, sich plötzlich zu öffnen. Um zu ermitteln, ob die Klappen mit Irritabilität begabt wären, wurde die Oberfläche mehrerer mit einer Nadel gekratzt oder mit einem feinen Camelhaarpinsel bestrichen, um [368] die kriechende Bewegung kleiner Crustaceen nachzuahmen; die Klappe öffnete sich aber nicht. Einige Blasen wurden, ehe sie gepinselt wurden, eine Zeit lang in Wasser verschiedener Temperaturen zwischen 26,6° bis 54,4° C. (80°-130° F.) gelegt, da dies, nach einer weit verbreiteten Analogie zu urtheilen, dieselben gegen Reizung empfindlicher gemacht oder für sich selbst schon Bewegung erregt haben könnte; es wurde aber keine Wirkung hervorgebracht. Wir können daher schlieszen, dasz Thiere einfach dadurch in die Blase gelangen, dasz sie sich einen Eingang durch die schlitzförmige Öffnung erzwingen; ihr Kopf dient dabei als Keil. Ich bin aber darüber überrascht, dasz so kleine und schwache Geschöpfe, wie häufig gefangen werden, (so z. B. der Nauplius eines Krustenthieres und ein Tardigrade) stark genug sein sollten, in dieser Weise vorzugehen, wenn ich daneben bedenke, dasz es schwer war, das Ende eines 1/4 Zoll langen Stückchen Haares hineinzubringen. Demungeachtet ist es gewisz, dasz schwache und kleine Geschöpfe wirklich eindringen; Mrs. Treat in New-Jersey ist erfolgreicher als irgend ein anderer Beobachter gewesen und hat häufig bei der Utricularia clandestina den Vorgang mit angesehen[5]. Sie sah ein tardigrades Thier langsam um eine Blase herumgehen, wie zum Recognosciren; endlich kroch es in die Vertiefung, in welcher die Klappe liegt, und dann gieng es leicht hinein. Sie war auch Zeuge von dem Fangen verschiedener sehr kleiner Krustenthiere. (Cypris "war ganz schlau, wurde aber dem ungeachtet häufig gefangen. Kam sie bis an den Eingang in die Blase, dann hielt sie für einen Augenblick still und schosz dann hinweg; andere male kam sie ganz nahe heran und wagte sich selbst ein Stückchen Wegs in den Eingang hinein, kehrte aber zurück, als fürchtete sie sich. Eine andere, unbedachtsamere, öffnete die Thüre und gieng hinein; sobald sie indessen drin war, zeigte sie Unruhe, sie zog ihre Füsze und Antennen ein und schlosz ihre Schale." Wenn Larven, dem Anscheine nach von Mücken, "in der Nähe des Eingangs fraszen, so rannten sie ziemlich gewisz mit ihren Köpfen in das Netz, aus dem es kein Entrinnen gab. Ehe eine grosze Larve verschluckt wird, dauert es zuweilen drei oder vier Tage lang; der ganze Vorgang rief mir das Bild in das Gedächtnis, was ich erhielt, als eine kleine Schlange einen groszen Frosch verschlang." Da aber die Klappe [369] nicht im mindesten reizbar zu sein scheint, so musz der langsame Procesz des Verschlingens die Folge der Vorwärtsbewegung der Larve sein.

Es ist schwer, sich darüber eine Vermuthung zu bilden, was wohl so viele Geschöpfe, fleisch- und pflanzenfressende Krustenthiere, Würmer, Tardigraden und verschiedene Larven anreizen kann, in die Blasen zu gehen. Mrs. Treat sagt, dasz die eben erwähnten Larven von Pflanzennahrung leben und eine besondere Liebhaberei für die langen Borsten rings um die Klappe haben; dieser Geschmack kann aber den Eintritt von fleischfressenden Krustenthieren nicht erklären. Vielleicht versuchen kleine im Wasser lebende Thiere gewohnheitsgemäsz in jeden kleinen Spalt einzutreten, wie in den zwischen Klappe und Kragen, um Nahrung oder Schutz zu suchen. Es ist nicht wahrscheinlich, dasz die merkwürdige Durchsichtigkeit der Klappe ein zufälliger Umstand ist; der dadurch entstehende lichte Punkt könnte als Führer dienen. Die langen Borsten rings um den Eingang dienen allem Anscheine nach demselben Zwecke. Ich glaube deshalb, dasz dies der Fall ist, weil die Blasen einiger epiphytisch und auf Marschboden lebender Species von Utricularia, welche entweder in verfilzter Vegetation oder in Schlamm leben, keine Borsten um den Eingang haben; diese würden unter solchen Bedingungen von keinem Nutzen als Führer sein. Demungeachtet springen bei diesen epiphytischen auf Marschboden lebenden Arten zwei Paare Borsten von der Oberfläche der Klappe wie in den wasserlebenden Arten vor; ihre Function ist wahrscheinlich die, gröszere Thiere von einem Versuche, in die Blase einzudringen, abzuhalten, damit nicht dadurch die Mündung eingerissen werde.

Da unter günstigen Umständen die meisten Blasen im Fangen von Beute Erfolg haben (in einem Falle selbst zehn Krustenthiere), – da die Klappe so gut dazu angepaszt ist, den Thieren den Eingang zwar zu gestatten, aber ihr Entweichen zu verhindern, – und da die Innenseite der Blase eine so eigenthümliche Structur darbietet, in ihrer Auskleidung mit unzähligen viertheiligen und zweigespaltenen Fortsätzen, so läszt sich unmöglich daran zweifeln, dasz die Pflanze speciell für das Fangen von Beute eingerichtet worden ist. Nach Analogie mit der zu derselben Familie gehörigen Pinguicula erwartete ich natürlich, dasz die Blasen ihre Beute verdauen würden; dies [370] ist aber nicht der Fall, es sind auch keine zur Absonderung der gehörigen Flüssigkeit angepaszte Drüsen vorhanden. Nichtsdestoweniger wurden, um ihre Verdauungsfähigkeit auf die Probe zu stellen, minutiöse Fragmente gerösteten Fleisches, drei kleine Würfelchen von Eiweisz und drei dergleichen von Knorpel durch die Mündung in die Blasen kräftiger Pflanzen geschoben. Sie wurden einen bis drei und einen halben Tage lang darin gelassen und die Blasen dann aufgeschnitten; aber keine einzige der erwähnten Substanzen liesz auch nur das mindeste Zeichen von Verdauung oder Auflösung erkennen; die Kanten der Würfel waren so scharf wie je. Diese Beobachtungen wurden später gemacht als die an Drosera, Dionaea, Drosophyllum und Pinguicula, so dasz ich mit der äuszern Erscheinung dieser Substanzen, wenn sie sich in den früheren oder letzten Stadien der Verdauung befinden, wohl vertraut war. Wir können daher schlieszen, dasz Utricularia die Thiere, welche sie gewohnheitsgemäzs fängt, nicht verdauen kann.

In den meisten Blasen sind die gefangenen Thiere so stark zersetzt, dasz sie eine blaszbraune, breiige Masse bilden, während ihre chitinhaltigen Hüllen so zart geworden sind, dasz sie mit der gröszten Leichtigkeit in Stücke zerfallen. Der schwarze Farbstoff der Augenflecke erhält sich besser als irgend etwas anderes. Gliedmaszen, Kiefer u. s. w. werden häufig vollständig losgetrennt gefunden; und dies ist, wie ich vermuthe, die Folge des vergeblichen Sträubens der später gefangenen Thiere. Ich bin zuweilen über das geringe Verhältnis gefangener Thiere in einem frischen Zustande verglichen mit den gänzlich zerfallenen überrascht gewesen. Mrs. Treat gibt mit Bezug auf die oben angeführten Larven an, dasz "gewöhnlich in weniger als zwei Tagen, nachdem eine grosze Larve gefangen war, der flüssige Inhalt der Blasen ein wolkiges oder trübes Aussehen anzunehmen begann und dasz er oft so dick wurde, dasz die Umrisse des Thieres aus dem Gesichte verschwanden." Diese Angabe regt die Vermuthung an, dasz die Blasen irgend ein Ferment absondern, welches den Procesz des Zerfalls beschleunigt. An und für sich liegt in dieser Vermuthung nichts unwahrscheinliches, wenn man bedenkt, dasz Fleisch, welches 10 Minuten lang in, mit dem milchigen Safte des Traubenbaums (papaw) gemischtem Wasser eingeweicht wird, völlig weich wird und, wie Browne in seiner Naturgeschichte von Jamaica bemerkt, bald in einen Zustand von Fäulnis übergeht. [371] Mag der Zerfall der gefangen gehaltenen Thiere auf irgend eine Weise beschleunigt werden oder nicht, so ist doch sicher, dasz durch die viertheiligen und zweigespaltenen Fortsätze Stoffe aus ihnen absorbirt werden. Die äuszerst zarte Beschaffenheit der Membran, von welcher diese Fortsätze gebildet werden, und die grosze Oberfläche, welche sie darbieten, – in Folge ihrer groszen dicht gedrängt über die ganze innere Fläche der Blase verbreiteten Zahl, – sind Umstände, welche alle den Procesz der Aufsaugung begünstigen. Viele vollkommen reine Blasen, welche niemals irgend welche Beute gefangen hatten, wurden geöffnet; es konnte aber mit einem Hartnack'schen Objectivglas Nr. 8 innerhalb der zarten structurlosen, protoplasmatischen Auskleidung ihre Arme nichts unterschieden werden, ausgenommen das in jedem vorkommende einzelne gelbliche Körperchen oder der modificirte Kern. Zuweilen waren zwei oder selbst drei derartige Körperchen vorhanden; in diesem Falle aber konnten meist Spuren zerfallender Substanz entdeckt werden. Andererseits boten die Fortsätze in Blasen, welche entweder ein groszes oder mehrere kleinere zerfallene Thiere enthielten, ein gänzlich verschiedenes Ansehen dar. Sechs derartige Blasen wurden sorgfältig untersucht: eine enthielt eine langgestreckte, aufgerollte Larve, eine andere ein einzelnes groszes entomostrakes Krustenthier, und die übrigen von zwei bis fünf kleinere, sämmtlich in einem zersetzten Zustande. In diesen sechs Blasen enthielt eine grosze Zahl der viertheiligen Fortsätze durchsichtige, häufig gelbliche, mehr oder weniger zusammenflieszende sphärische oder unregelmäszig geformte Massen von Substanz. Einige von den Fortsätzen enthielten indessen nur fein granulirte Substanz, deren Theilchen so klein waren, dasz sie mit dem System Hartnack Nr. 8 nicht deutlich definirt werden konnten. Die zarte, ihre Wandungen auskleidende Schicht von Protoplasma war in einigen Fällen etwas eingeschrumpft. Bei drei Gelegenheiten wurden die eben erwähnten Substanzmassen beobachtet und nach kurzen Intervallen gezeichnet; sie hatten ganz sicher ihre Stellungen im Verhältnis zu einander wie zu den Wandungen der Arme geändert. Einzelne Massen flossen zuweilen zusammen und theilten sich dann wieder. Eine einzelne kleine Masse schickte einen Fortsatz ab, welcher sich nach einiger Zeit lostrennte. Es konnte daher daran kein Zweifel sein, dasz diese Massen aus Protoplasma bestanden. Bedenkt man aber, dasz viele reine Blasen mit gleicher Sorgfalt untersucht wurden, [372] und dasz diese keine solche Erscheinung darboten, so können wir getrost annehmen, dasz in den oben erwähnten Fällen das Protoplasma durch die Aufsaugung stickstoffhaltiger Substanz aus den sich zersetzenden Thieren sich erzeugt hatte. In zwei oder drei Blasen, welche anfangs völlig rein erschienen, fanden sich nach sorgfältigem Suchen einige wenige Fortsätze, deren Auszenseite mit etwas brauner Substanz bedeckt war, woraus hervorgieng, dasz irgend ein kleines Thier gefangen war und sich zersetzt hatte: hier schlossen die Arme sehr wenige mehr oder weniger sphärische und zusammengeballte Massen ein; die Fortsätze an anderen Stellen der Blasen waren leer und durchscheinend. Andererseits musz noch angegeben werden, dasz in drei, todte Krustenthiere enthaltenden Blasen die Fortsätze gleichfalls leer waren. Diese Thatsache kann dadurch erklärt werden, dasz die Thiere nicht hinreichend weit zersetzt waren oder dasz für die Bildung von Protoplasma nicht genug Zeit gelassen worden war, oder dasz es später absorbirt und anderen Theilen der Pflanze zugeführt worden war. Wir werden nachher sehen, dasz in drei oder vier andern Species von Utricularia die viertheiligen Fortsätze in Berührung mit zerfallenden Thieren gleichfalls zusammengeballte Massen von Protoplasma enthielten.

Über die Absorption gewisser Flüssigkeiten durch die viertheiligen und zwei gespaltenen Fortsätze. – Diese Versuche wurden angestellt, um zu ermitteln, ob gewisse Flüssigkeiten, welche zu diesem Zwecke passend zu sein schienen, dieselben Wirkungen auf die Fortsätze hervorbringen würden, wie die Absorption zerfallner thierischer Substanz. Derartige Experimente sind indessen mühsam; denn es ist nicht hinreichend, einen Zweig einfach in die Flüssigkeit einzulegen, da die Klappe so dicht schliest, dasz die Flüssigkeit dem Anscheine nach sobald nicht, wenn überhaupt, eindringt. Selbst als Borsten in die Mündungen gesteckt wurden, wurde sie in mehreren Fällen so dicht ringsum von dem dünnen biegsamen Rande der Klappe umgeben, dasz die Flüssigkeit allem Anscheine nach ausgeschlossen wurde. Die beste Methode würde gewesen sein, die Blasen anzustechen; hieran dachte ich aber nicht eher, ausgenommen in einigen wenigen Fällen, als bis es zu spät war. In allen derartigen Versuchen kann es indessen nicht positiv ermittelt werden, ob die Blase, obschon sie durchscheinend ist, nicht irgend ein minutiöses Thier auf dem letzten Stadium des Zerfalls enthalte. Es wurden [373] daher die meisten meiner Experimente so angestellt, dasz die Blasen längsweise in zwei Hälften zerschnitten wurden; die viertheiligen Fortsätze wurden dann mit dem System Hartnack Nr. 8 untersucht und, während sie unter dem Deckgläschen lagen, mit wenig Tropfen der zum Versuche dienenden Flüssigkeit befeuchtet, in einer feuchten Kammer erhalten und nach bestimmten Zwischenräumen mit derselben Vergröszerung wie vorher wieder untersucht.

Vier Blasen wurden zuerst, als Controlversuch, in der so eben geschilderten Weise in einer Auflösung von einem Theil arabischen Gummis auf 218 Theile Wasser, und zwei Blasen in einer Auflösung von einem Theil Zucker auf 437 Theile Wasser versucht; in keinem der beiden Fälle war nach 21 Stunden weder in den viertheiligen noch in den zweitheiligen Fortsätzen irgend eine Veränderung bemerkbar. Vier Blasen wurden dann in derselben Weise mit einer Lösung von einem Theile salpetersauren Ammoniaks auf 487 Theile Wasser behandelt und nach 21 Stunden wieder untersucht. In zweien von diesen erschienen nur die viertheiligen Fortsätze voll von sehr fein granulirter Substanz, und ihre protoplasmatische Auskleidung oder der Primordialschlauch war ein wenig geschrumpft. In der dritten Blase schlossen die viertheiligen Fortsätze deutlich sichtbare Körnchen ein, und der Primordialschlauch war nach nur 8 Stunden ein wenig geschrumpft. In der vierten Blase war der Primordialschlauch in den meisten der Fortsätze hier und da in kleinen unregelmäszigen, gelblichen Flecken verdickt; und nach den Abstufungen, welche in diesen und andern Fällen verfolgt werden konnten, schienen diese Flecke die gröszeren freien Körnchen entstehen zu lassen, welche innerhalb einiger der Fortsätze enthalten waren. Andere Blasen, welche, so weit es beurtheilt werden konnte, niemals irgend eine Beute gefangen hatten, wurden angestochen und in der nämlichen Lösung 17 Stunden lang liegen gelassen; ihre viertheiligen Fortsätze enthielten nun sehr fein granulirte Substanz.

Eine Blase wurde in zwei Hälften geschnitten, untersucht und mit einer Lösung von einem Theile kohlensauren Ammoniaks auf 487 Theile Wasser betropft. Nach 8 Stunden 30 Minuten enthielten die viertheiligen Fortsätze ziemlich viele Körnchen und der Primordialschlauch war etwas geschrumpft; nach 23 Stunden enthielten die viertheiligen und zweigespaltenen Fortsätze viele Kugeln hyaliner Substanz; in einem Arm wurden vierundzwanzig derartige Kugeln von mäsziger Grösze gezählt. Zwei durchgeschnittene Blasen, welche vorher 21 Stunden lang in der Gummiauflösung (ein Theil auf 218 Theile Wasser) liegen gelassen worden waren, ohne afficirt worden zu sein, wurden mit der Lösung von kohlensaurem Ammoniak benetzt; und in beiden wurden die viertheiligen Fortsätze in nahezu derselben Art und Weise modificirt wie oben beschrieben wurde, und zwar in der einen nach nur 9 Stunden und in der andern nach 24 Stunden. Zwei Blasen, welche noch niemals irgend eine Beute gefangen zu haben schienen, wurden angestochen und in die Lösung gelegt; die viertheiligen Fortsätze der einen wurden nach 17 Stunden untersucht [374] und leicht opak gefunden; die viertheiligen Fortsätze der andern hatten bei ihrer Untersuchung nach 45 Stunden mehr oder weniger geschrumpfte Primordialschläuche mit verdickten gelblichen Flecken, denen ähnlich, welche in Folge der Einwirkung des salpetersauren Ammoniaks auftraten. Mehrere unverletzte Blasen wurden in derselben Lösung, eben so wie in einer schwächeren von einem Theile auf 1750 Theile Wasser, oder 1 Gran auf 4 Unzen, liegen gelassen; nach zwei Tagen waren die viertheiligen Fortsätze mehr oder weniger opak, ihr Inhalt fein granulirt; ob aber die Lösung durch die Mündung eingetreten ist oder von der äuszern Seite absorbirt worden war, weisz ich nicht.

Zwei durchschnittene Blasen wurden mit einer Lösung von einem Theil Harnstoff auf 218 Theile Wasser benetzt; als aber diese Lösung angewandt wurde, vergasz ich, dasz sie einige Tage lang in einem warmen Zimmer gehalten worden war und daher wahrscheinlich etwas Ammoniak erzeugt hatte; wie dem auch sein mag, nach 21 Stunden waren die viertheiligen Fortsätze so afficirt, als wenn eine Auflösung von kohlensaurem Ammoniak gebraucht worden wäre; denn der Primordialschlauch war in Flecken verdickt, welche in sich lösende Körnchen überzugehen schienen. Die durchschnittenen Blasen wurden auch mit einer frischen Lösung von Harnstoff benetzt; nach 21 Stunden waren die viertheiligen Fortsätze viel weniger afficirt als in dem ersteren Falle; nichtsdestoweniger war der Primordialschlauch in einigen der Arme ein wenig geschrumpft und in andern in zwei beinahe symmetrische Schläuche getheilt.

Drei durchschnittene Blasen wurden, nachdem sie untersucht worden waren, mit einem fauligen und sehr stark übel riechenden Aufgusse von rohem Fleische benetzt. Nach 23 Stunden waren in den viertheiligen und zweigespaltenen Fortsätzen aller drei Exemplare ungemein viel minutiöse, sphärische Massen vorhanden, und einige von den Primordialschläuchen waren etwas geschrumpft. Drei durchschnittene Blasen wurden auch mit einem frischen Aufgusz von rohem Fleisch benetzt; und zu meiner Überraschung erschienen in einer von ihnen nach 23 Stunden die viertheiligen Fortsätze fein granulirt, der Primordialschlauch etwas geschrumpft und mit verdickten gelblichen Flecken gezeichnet, so dasz die Flüssigkeit in derselben Art und Weise auf sie gewirkt hatte wie der faulende Aufgusz oder die Ammoniaksalze. In der zweiten Blase hatte die Flüssigkeit in ähnlicher Weise, wennschon in einem sehr unbedeutenden Grade, auf die viertheiligen Fortsätze eingewirkt, während die dritte Blase durchaus nicht afficirt war.

Nach diesen Experimenten ist es klar, dasz die viertheiligen und zweigespaltenen Fortsätze das Vermögen haben, kohlensaures und salpetersaures Ammoniak, und Substanz von irgend welcher Art aus einem faulenden Aufgusse von rohem Fleische zu absorbiren. Es wurden Ammoniaksalze zum Versuche gewählt, weil bekannt ist, dasz sie sich bei der Zersetzung thierischer Substanz in Gegenwart von Luft und Wasser auszerordentlich schnell erzeugen und sich daher auch innerhalb der, gefangene Beute enthaltenden Blasen bilden werden. [375] Der auf die Fortsätze durch Einwirkung dieser Salze und eines faulenden Aufgusses von rohem Fleisch hervorgebrachte Erfolg weicht von dem durch die Zersetzung der auf natürlichem Wege gefangenen Thiere hervorgebrachten nur darin ab, dasz die zusammengeballten Massen von Protoplasma im letztern Falle von bedeutenderer Grösze sind; es ist aber wahrscheinlich, dasz die feinen Körnchen und die kleinen hyalinen Kugeln, welche die Lösungen erzeugen, zu gröszeren Massen verschmelzen würden, wenn man ihnen genug Zeit liesze. Wir haben bei Drosera. gesehen, dasz die erste Wirkung einer schwachen Auflösung von kohlensaurem Ammoniak auf den Zelleninhalt die Erzeugung der feinsten Körnchen ist, welche sich später zu gröszeren, mehr oder weniger abgerundeten Massen zusammenballen, und dasz die Körnchen in der Protoplasmaschicht, welche rings um die Zellen wände herumflieszt, schlieszlich mit diesen Massen verschmelzen. Veränderungen dieser Art sind indessen bei Drosera viel rapider als bei Utricularia. Da die Blasen nicht das Vermögen besitzen, Eiweisz, Knorpel oder geröstetes Fleisch zu verdauen, so war ich überrascht, dasz, mindestens in einem Falle, aus einem frischem Aufgusse von rohem Fleisch Substanz absorbirt wurde. Auch war ich, nach dem, was wir sofort in Bezug auf die Drüsen rings um die Mündung sehen werden, überrascht, dasz eine frische Auflösung von Harnstoff nur eine mäszige Wirkung auf die viertheiligen Fortsätze ausübte.

Da die viertheiligen Fortsätze sich aus Papillen entwickelt haben, welche anfangs denen auf der Auszenseite der Blasen und auf der Oberfläche der Blätter sehr ähnlich sind, so will ich hier noch anführen, dasz die zwei halbkugligen Zellen, welche auf der Spitze dieser letztern Papillen stehen und welche in ihrem natürlichen Zustande vollkommen durchsichtig sind, gleichfalls kohlensaures und salpetersaures Ammoniak absorbiren; denn nach einem 23 Stunden langen Eintauchen in Auflösungen von einem Theile dieser beiden Salze auf 437 Theile Wasser waren die Primordialschläuche ein wenig geschrumpft und von einer blasz-braunen Färbung, auch zuweilen fein granulirt. Dasselbe Resultat erfolgte, als ein ganzer Zweig nahezu drei Tage lang in eine Auflösung von einem Theile des kohlensauren Salzes auf 1750 Theile Wasser gelegt worden war. Auch wurden die Chlorophyllkörner in den Zellen der Blätter an diesem Zweige an vielen Stellen zu kleinen grünen Massen zusammengeballt, welche häufig durch die feinsten Fäden mit einander verbunden wurden. [376] Über die Absorption gewisser Flüssigkeiten durch die Drüsen an der Klappe und dem Kragen. – Die Drüsen rund um die Mündungen der Blasen, welche noch jung sind oder welche lange in mäszig reinem Wasser gehalten worden sind, sind farblos; und der Primordialschlauch in ihren Zellen ist nur unbedeutend oder kaum irgend wie körnig. Aber in der Mehrzahl der Pflanzen im Naturzustande – und hier müssen wir uns daran erinnern, dasz sie meistens in sehr fauligem Wasser wachsen – und in Pflanzen, welche in einem Aquarium mit faulem Wasser gehalten werden, sind die meisten Drüsen von einer blasz-bräunlichen Färbung; der Primordialschlauch ihrer Zellen war mehr oder weniger geschrumpft, zuweilen gerissen und der ganze Zelleninhalt häufig grob granulirt oder zu kleinen Massen zusammengeballt. Dasz dieser Zustand der Drüsen eine Folge davon ist, dasz sie Stoffe aus dem umgebenden Wasser absorbirt haben, daran kann ich nicht zweifeln, denn wie wir sofort sehen werden, tritt dasselbe Resultat ein, wenn sie wenige Stunden lang in verschiedene Lösung gelegt werden. Es ist auch nicht wahrschein­lich, dasz diese Aufsaugung nutzlos ist, wenn wir sehen, dasz sie bei Pflanzen, welche im Naturzustande wachsen, die Fälle ausgenommen, wo das Wasser merkwürdig rein ist, beinahe ganz allgemein ist.

Die Stiele der Drüsen, welche dicht an der schlitzförmigen Mündung sowohl auf der Klappe als auch auf dem Kragen stehen, sind kurz; während die Stiele der entfernter stehenden Drüsen sehr verlängert sind und nach innen vorspringen. Hiernach sind die Drüsen ganz gut dazu angeordnet, dasz sie von jeder, durch die Mündung aus der Blase tretenden Flüssigkeit umspült werden. Nach den Erfolgen eines Einlegens unverletzter Blasen in verschiedenartige Lösungen zu urtheilen, schlieszt die Klappe so dicht an, dasz es zweifelhaft ist, ob irgend welche faulige Flüssigkeit für gewöhnlich nach auszen tritt. Wir müssen uns aber daran erinnern, dasz eine Blase meistens mehrere Thiere fängt, und dasz jedes Mal, wenn ein frisches Thier in dieselbe eintritt, ein Stosz fauligen Wassers austreten und die Drüsen umspülen musz. Überdies habe ich wiederholt gefunden, dasz, wenn man Blasen, welche Luft enthalten, sanft drückt, äuszerst kleine Luftbläschen durch die Mündung nach auszen getrieben werden; und wenn eine Blase auf Löschpapier gelegt und leicht gedrückt wird, so quillt Wasser heraus. Sobald in diesem letzteren Falle mit dem Drucke nachgelassen wird, wird Luft eingezogen und die Blase erhält [377] ihre frühere Form wieder. Wenn sie nun unter Wasser gelegt und wieder leicht gedrückt wird, so kommen sehr kleine Luftbläschen zu der Öffnung und nirgends anders heraus, wodurch bewiesen wird, dasz die Wände der Blase nicht gesprengt sind. Ich erwähne dies deshalb, weil Cohn eine Angabe von Treviranus anführt, dasz Luft nicht aus einer Blase herausgepreszt werden könne, ohne sie zu zersprengen. Wir können daher schlieszen, dasz, wenn überhaupt Luft in einer bereits mit Wasser erfüllten Blase abgesondert wird, etwas Wasser langsam durch die Mündung ausgetrieben werden wird. Ich kann daher kaum daran zweifeln, dasz die rings um die Mündung dicht gedrängt stehenden Drüsen dazu angepaszt sind, Stoffe aus dem fauligen Wasser zu absorbiren, welches gelegentlich aus Blasen, die zerfallende Thiere enthalten, ausflieszen wird.

Um diese Schluszfolgerung zu prüfen, stellte ich Versuche mit verschiedenen Flüssigkeiten an den Drüsen an. Wie bei den viertheiligen Fortsätzen wurden auch hier Ammoniaksalze versucht, da sich diese bei dem endlichen Zerfall thierischer Substanz unter Wasser erzeugen. Unglücklicherweise können die Drüsen nicht sorgfältig untersucht werden, während sie noch an den Blasen in ihrem unverletzten Zustande angeheftet sind. Es wurden daher die Scheitel der Blasen, welche die Klappe, den Kragen und die Antennen enthielten, aufgeschlitzt und der Zustand der Drüsen beobachtet; sie wurden dann, während sie unter einem Deckgläschen lagen, mit den Lösungen benetzt und nach einiger Zeit mit der nämlichen Vergröszerung wie vorher, nämlich mit dem System Hartnack Nr. 8, wieder untersucht. In dieser Weise wurden die folgenden Experimente angestellt.

Zu einem Controlversuch wurden zuerst Auflösungen von einem Theile weiszen Zuckers und von einem Theile Gummi auf 218 Theile Wasser benutzt, um zu sehen, ob diese in den Drüsen irgendwelche Veränderungen hervorrufen. Es war auch nothwendig, darüber Beobachtungen anzustellen, ob die Drüsen durch das Abschneiden der Gipfel der Blasen afficirt waren. Es wurden in dieser Weise vier Blasenscheitel versucht; der eine wurde nach 2 Stunden 30 Minuten und die andern drei nach 23 Stunden untersucht; es war aber in den Drüsen nicht eines einzigen von ihnen eine ausgesprochene Veränderung eingetreten.

Zwei Blasenscheitel, welche völlig farblose Drüsen trugen, wurden mit einer Lösung kohlensauren Ammoniaks von derselben Stärke (nämlich ein Theil auf 218 Theile Wasser) benetzt, und in 5 Minuten war der Primordialschlauch der meisten Drüsenzellen etwas zusammengezogen; er war auch in Flecken oder Punkten verdickt und hatte eine blasz-bräunliche Färbung angenommen. Als die Drüsen nach 1 Stunde 80 Minuten wieder betrachtet wurden, boten die meisten von ihnen ein etwas verschiedenes Ansehen dar. Ein drittes Präparat wurde mit einer schwächeren Lösung, von einem Theile des kohlensauren Salzes auf 487 Theile [378] Wasser, behandelt, und nach 1 Stunde waren die Drüsen blasz braun und enthielten zahlreiche Körnchen.

Vier Scheitel wurden mit einer Lösung von einem Theile salpetersauren Ammoniaks auf 487 Theile Wasser benetzt. Der eine wurde nach 15 Minuten untersucht, wo die Drüsen etwas afficirt zu sein schienen; nach 1 Stunde 10 Minuten war die Veränderung bedeutender; der Primordialschlauch war in den meisten Zellen etwas geschrumpft und enthielt viele Körnchen. In dem zweiten Exemplar war nach 2 Stunden der Primordialschlauch in den Zellen beträchtlicher eingeschrumpft und bräunlich. Ähnliche Wirkungen wurden in den beiden übrigen Exemplaren beobachtet; doch wurden diese nicht vor Ablauf von 21 Stunden untersucht. Die Kerne vieler der Drüsenzellen hatten augenscheinlich an Grösze zugenommen. Fünf Blasen an einem Zweige, welcher lange Zeit in mäszig reinem Wasser gehalten worden war, wurden abgeschnitten und untersucht; ihre Drüsen waren sehr wenig modificirt. Der Rest dieses Zweiges wurde in die Lösung des salpetersauren Salzes gelegt, und nach 21 Stunden wurden zwei Blasen untersucht; alle ihre Drüsen waren bräunlich, der Primordialschlauch ihrer Zellen etwas geschrumpft und fein granulirt.

Der Scheitel einer andern Blase, deren Drüsen sich in einem wunderschönen klaren Zustande befanden, wurde mit einigen wenigen Tropfen einer gemischten Lösung von salpetersaurem und phosphorsaurem Ammoniak, jede von einem Theile auf 437 Theile Wasser, benetzt. Nach 2 Stunden waren einige wenige von den Drüsen bräunlich. Nach 8 Stunden waren beinahe sämmtliche oblonge Drüsen braun und viel opaker als sie vorher gewesen waren; ihr Primordialschlauch war etwas eingeschrumpft und enthielt ein wenig zusammengeballte granulöse Substanz. Die sphärischen Drüsen waren noch immer weisz, aber ihre Primordialschläuche waren in drei oder vier hyaline Kugeln aufgebrochen, mit einer unregelmäszig zusammengezogenen Masse in der Mitte des basalen Theils. Diese kleineren Kugeln änderten im Laufe einiger wenigen Stunden ihre Form, und einige von ihnen verschwanden. Am nächsten Morgen, nach 23 Stunden 30 Minuten, waren sie sämmtlich verschwunden und die Drüsen waren braun; der Primordialschlauch der Zellen bildete nun eine kuglige zusammengeschrumpfte Masse in der Mitte. Der Primordialschlauch in den Zellen der oblongen Drüsen war sehr wenig geschrumpft, der Inhalt war aber etwas zusammengeballt. Endlich wurde der Scheitel einer Blase, welche vorher 21 Stunden lang mit einer Lösung eines Theils Zucker auf 218 Theile Wasser ohne irgend welche Wirkung benetzt worden war, mit der erwähnten gemischten Lösung behandelt; und nach 8 Stunden 30 Minuten wurden alle Drüsen braun, ihr Primordialschlauch unbedeutend geschrumpft.

Vier Scheitel wurden mit einem fauligen Aufgusse von rohem Fleisch benetzt. Einige Stunden lang wurde in den Drüsen keine Veränderung bemerkbar; aber nach 24 Stunden waren die meisten derselben bräunlich geworden und opaker und körniger als sie vorher gewesen waren. In diesen Exemplaren, ebenso wie in den mit den Ammoniaksalzen befeuchteten, schienen die Kerne sowohl an Grösze als auch an Festigkeit zugenommen zu haben, sie wurden aber nicht gemessen. Fünf Scheitel wurden auch mit einem frischen Aufgusse von rohem Fleisch benetzt; von [379] diesen waren drei in 24 Stunden durchaus gar nicht afficirt; die Drüsen der beiden andern waren aber vielleicht etwas körniger geworden. Eines der Exemplare, welches nicht afficirt worden war, wurde dann mit der gemischten Lösung des salpetersauren und phosphorsauren Ammoniaks benetzt und nach nur 25 Minuten enthielten die Drüsen von vier oder fünf bis zu einem Dutzend Körnchen. Nach weiteren 6 Stunden war ihr Primordialschlauch bedeutend geschrumpft.

Der Scheitel einer Blase wurde untersucht und sämmtliche Drüsen farblos gefunden, auch war der Primordialschlauch ihrer Zellen durchaus nicht eingeschrumpft; doch enthielten viele von den oblongen Drüsen kleine, mit dem System Hartnack No. 8 gerade noch auflösbare Körnchen. Er wurde dann mit einigen wenigen Tropfen einer Lösung von einem Theil Harnstoff auf 218 Theile Wasser benetzt. Nach 2 Stunden 25 Minuten waren die sphärischen Drüsen noch immer farblos, während die länglichen und zweiarmigen von einer bräunlichen Färbung und ihre Primordialschläuche bedeutend geschrumpft waren, auch einige deutlich sichtbare Körnchen enthielten. Nach 9 Stunden waren einige der kugligen Drüsen bräunlich und die oblongen Drüsen waren noch mehr verändert, sie enthielten aber weniger einzelne Körnchen; andererseits erschienen ihre Kerne gröszer, als wenn sie Körnchen absorbirt hätten. Nach 23 Stunden waren sämmtliche Drüsen braun; der Primordialschlauch ihrer Zellen war bedeutend geschrumpft und in vielen Fällen durchbrochen.

Es wurde nun mit einer Blase ein Versuch gemacht, welche bereits etwas von dem umgebenden Wasser afficirt worden war; denn obschon die sphärischen Drüsen farblos waren, war doch der Primordialschlauch in ihren Zellen unbedeutend geschrumpft: auch waren die oblongen Drüsen bräunlich und deren Primordialschläuche bedeutend, aber unregelmäszig eingeschrumpft. Der Scheitel wurde mit der Harnstoffauflösung behandelt, wurde aber in 9 Stunden wenig von ihr afficirt; nichtsdestoweniger waren in 23 Stunden die sphärischen Drüsen braun, der Primordialschlauch ihrer Zellen mehr geschrumpft; mehrere von den andern Drüsen waren noch brauner und ihr Primordialschlauch in unregelmäszige kleine Massen zusammengezogen.

Zwei andere Scheitel, deren Drüsen farblos und deren Primordialschläuche nicht geschrumpft waren, wurden mit derselben Harnstofflösung behandelt. Nach 5 Stunden boten viele der Drüsen einen Stich in's Braune dar, auch war der Primordialschlauch unbedeutend geschrumpft. Nach 20 Stunden 40 Minuten waren einige wenige von ihnen ganz braun und enthielten unregelmäszig zusammengeballte Massen; andere waren noch immer farblos, trotzdem der Primordialschlauch geschrumpft war; aber die gröszere Anzahl war nicht bedeutend afficirt. Dies war ein gutes Beispiel dafür, wie ungleich die Drüsen an einer und der nämlichen Blase zuweilen afficirt werden; wie es auch häufig bei Pflanzen vorkommt, die in faulem Wasser wachsen. Zwei andere Scheitel wurden mit einer Auflösung behandelt, welche während mehrerer Tage in einem warmen Zimmer gehalten worden war; als sie nach 21 Stunden untersucht wurden, waren ihre Drüsen durchaus gar nicht afficirt.

Eine schwächere Auflösung von einem Theile Harnstoff auf 437 Theile Wasser wurde dann an den Scheiteln von sechs Blasen versucht, [380] welche sämmtlich sorgfältig untersucht wurden, ehe sie benutzt wurden. Der erste wurde nach 8 Stunden 30 Minuten untersucht: die Drüsen, mit Einschlusz der sphärischen, waren braun; bei vielen von den oblongen Drüsen war der Primordialschlauch der Zellen bedeutend geschrumpft und umschlosz Körnchen. Der zweite Scheitel war, ehe er mit der Lösung benetzt wurde, etwas von dem umgebenden Wasser afficirt worden, denn die sphärischen Drüsen waren in ihrer äuszeren Erscheinung nicht völlig gleichförmig; auch waren einige wenige der oblongen braun und ihr Primordialschlauch geschrumpft. Von den oblongen Drüsen waren diejenigen, welche vorher farblos gewesen waren, in 3 Stunden 12 Minuten nach der Benetzung braun, der Primordialschlauch schrumpfte zusammen. Die sphärischen Drüsen wurden nicht braun, aber ihr Zelleninhalt wurde dem Aussehn nach verändert und war nach 28 Stunden noch mehr verändert und granulirt. Die meisten der oblongen Drüsen waren jetzt dunkel braun, aber ihre Primordialschläuche waren nicht sehr eingeschrumpft. Die vier andern Präparate wurden nach 3 Stunden 20 Minuten, nach 4 Stunden und nach 9 Stunden untersucht; es wird genügen, kurz ihren Zustand zu schildern. Die sphärischen Drüsen waren nicht braun, einige von ihnen aber waren fein körnig. Viele von den andern Drüsen waren braun; und bei diesen, ebenso wie bei andern, welche noch immer farblos blieben, war der Primordialschlauch in den Zellen mehr oder weniger geschrumpft, bei einigen unter ihnen enthielt er kleine zusammengeballte Massen von Substanz.

Zusammenfassung der Beobachtungen über Absorption. – Nach den jetzt mitgetheilten Thatsachen kann darüber kein Zweifel sein, dasz die verschiedenartig geformten Drüsen auf der Klappe und rings um den Kragen die Fähigkeit haben, Stoffe aus schwachen Auflösungen von gewissen Ammoniaksalzen und von Harnstoff und aus einem fauligen Aufgusse von rohem Fleisch zu absorbiren. Professor Cohn glaubt, dasz sie eine schleimige Substanz absondern; ich war aber nicht im Stande, irgend eine Spur einer solchen Thätigkeit wahrzunehmen, ausgenommen, dasz nach Eintauchen in Alkohol zuweilen äuszerst feine Linien sich strahlenförmig auf ihren Oberflächen verbreitend gesehen werden konnten. Die Drüsen werden durch die Aufsaugung verschiedenartig afficirt; sie werden oft braun, zuweilen enthalten sie sehr feine Körnchen oder mäszig grosze Körner, oder unregelmäszig zusammengeballte kleine Massen; zuweilen scheinen die Kerne an Grösze zugenommen zu haben; der Primordialschlauch ihrer Zellen ist meistens mehr oder weniger geschrumpft und zuweilen durchbrochen. Genau die nämlichen Veränderungen sind an den Drüsen von Pflanzen zu beobachten, welche in faulem Wasser wachsen und gedeihn. Die sphärischen Drüsen werden meistens etwas [381] verschieden afficirt von den oblongen und zweiarmigen. Die erstern werden nicht so gewöhnlich braun und die Einwirkung auf dieselben ist langsamer. Wir können daher schlieszen, dasz sie in ihren natürlichen Functionen etwas von einander abweichen.

Es ist merkwürdig, wie ungleichmäszig die Drüsen an den Blasen an einem und demselben Zweige und selbst die Drüsen der nämlichen Art an einer und derselben Blase durch das faulende Wasser, in welchem die Pflanzen gewachsen sind, ebenso wie durch die Lösungen, welche zur Anwendung kommen, afficirt werden. Im erstgenannten Falle vermuthe ich, dasz dies Folge ist entweder von kleinen, Stoffe zu einigen Drüsen aber nicht zu andern hinzuführenden Strömungen, oder von unbekannten Verschiedenheiten in ihrer Constitution. Wenn die Drüsen an der nämlichen Blase verschiedentlich von einer Lösung afficirt werden, so können wir vermuthen, dasz einige von ihnen vorher schon eine geringe Menge von Substanz aus dem Wasser absorbirt hatten. Wie sich dies aber auch verhalten mag, wir haben auch gesehn, dasz die Drüsen an einem und demselben Blatte der Drosera sehr ungleich afficirt wurden, ganz besonders, wenn sie der Einwirkung gewisser Dämpfe ausgesetzt wurden.

Wenn Drüsen, welche bereits braun geworden waren und deren Primordialschlauch bereits eingeschrumpft war, mit einer der wirksamen Lösungen benetzt werden, so erfolgt gar keine oder nur eine unbedeutende und langsame Einwirkung. Ich habe niemals irgend eine Erscheinung gesehn, welche es wahrscheinlich machte, dasz Drüsen, welche durch die Absorption von Substanz irgend welcher Art stark afficirt waren, ihren ursprünglichen, farblosen und homogenen Zustand und das Absorptionsvermögen wieder zu erlangen im Stande wären.

Nach der Natur der zu den Versuchen dienenden Lösungen nehme ich an, dasz von den Drüsen Stickstoff absorbirt wird; aber weder ich selbst noch mein Sohn haben jemals gesehn, dasz der modificirte, bräunliche, mehr oder weniger eingeschrumpfte und zusammengeballte Inhalt der oblongen Drüsen jene spontanen Formveränderungen erlitten hätte, welche characteristisch für das Protoplasma sind. Andererseits trennte sich der Zelleninhalt der gröszeren sphärischen Drüsen häufig in kleine hyaline Kügelchen oder unregelmäszig geformte Massen, welche ihre Form sehr langsam veränderten und schlieszlich verschmolzen, um eine centrale zusammengeschrumpfte Masse zu bilden. Was auch immer die Natur des Zelleninhalts der verschiedenen Drüsenarten [382] sein mag, so ist es, nachdem faulendes Wasser oder eine der stickstoffhaltigen Lösungen eingewirkt haben, wahrscheinlich, dasz die in dieser Weise erzeugte Substanz für die Pflanze von Nutzen ist und schlieszlich nach andern Theilen weiter geschafft wird.

Die Drüsen absorbiren augenscheinlich schneller als die viertheiligen und zweigespaltenen Fortsätze: und nach der oben aufgestellten Ansicht, nämlich dasz sie Substanz aus dem gelegentlich aus den Blasen abflieszenden faulenden Wasser absorbiren, müssen sie auch schneller wirken als die Fortsätze; die letzteren bleiben ja in beständiger Berührung mit gefangenen und sich zersetzenden Thieren.

Die Schluszfolgerung endlich, zu welcher wir durch die vorstehend geschilderten Experimente und Beobachtungen geführt werden, ist die, dasz die Blasen nicht die Fähigkeit haben, animale Substanz zu verdauen, obschon augenscheinlich die viertheiligen Fortsätze von einem frischen Aufgusse von rohem Fleisch etwas afficirt werden. Es ist sicher, dasz die Fortsätze innerhalb der Blasen und die Drüsen auszerhalb derselben Substanz aus Ammoniaksalzen, aus einem faulenden Aufgusz von rohem Fleisch und aus Harnstoff absorbiren. Eine Auflösung von Harnstoff wirkt augenscheinlich stärker und ein Aufgusz von rohem Fleisch weniger stark auf die Drüsen ein als auf die Fortsätze. Die Thatsache mit dem Harnstoff ist besonders interessant, weil wir gesehen haben, dasz er auf Drosera keine Wirkung hervorbringt, deren Blätter dazu angepaszt sind, frische animale Substanz zu verdauen. Aber die bedeutungsvollste Thatsache von allen ist, dasz in der vorliegenden wie in den folgenden Arten die viertheiligen und zweigespaltenen Fortsätze von Blasen, welche zerfallene Thiere enthalten, kleine Massen von sich spontan bewegendem Protoplasma einschlieszen, während derartige Blasen in vollkommenen reinen Blasen niemals zu sehen sind.

Entwickelung der Blasen. – Mein Sohn und ich verwandten viel Zeit auf diesen Gegenstand, aber mit geringem Erfolge. Unsere Beobachtungen beziehen sich auf die vorliegende Art und auf Utricularia vulgaris, wurden aber hauptsächlich an der letzteren angestellt, da dort die Blasen zweimal so grosz sind wie an der Utricularia neglecta. In der ersten Zeit des Herbstes endigen die Stengel in groszen Knospen, welche abfallen und während des Winters ruhend auf dem Boden liegen. Die jungen, diese Knospen bildenden Blätter tragen Blasen auf verschiedenen Stufen früher Entwickelung. Wenn [383] die Blasen der Utricularia vulgaris ungefähr 1/100 Zoll (0,254 Mm.) im Durchmesser haben (oder 1/200 Zoll bei Utricularia neglecta), so haben sie einen kreisförmigen Umrisz, eine schmale, beinahe geschlossene, quere Mündung, welche in eine mit Wasser gefüllte Höhle führt; die Blasen sind aber schon hohl, wenn sie noch viel unter 1/100 Zoll Durchmesser haben. Die Mündungen sehen nach innen oder nach der Axe der Pflanze hin. Auf diesem früheren Stadium sind die Blasen in der Ebene, in welcher die Mündung liegt, und daher rechtwinklig auf die Stellung der reifen Blasen abgeplattet. Sie sind äuszerlich mit Papillen verschiedener Grösze bedeckt, von denen viele einen elliptischen Umrisz haben. Ein aus einfachen verlängerten Zellen gebildetes Gefäszbündel läuft den kurzen Stiel hinauf und theilt sich an der Basis der Blase. Ein Zweig desselben erstreckt sich die Mitte der dorsalen Fläche, das andere die Mitte der ventralen Fläche hinauf. Bei völlig ausgewachsenen Blasen theilt sich das ventrale Bündel dicht unterhalb des Kragens und die beiden Zweige laufen an jeder Seite bis nahe zu der Stelle, wo sich der Kragen mit den Winkeln der Klappen vereinigt; diese Zweige konnten aber an jungen Blasen nicht erkannt werden.

Die beistehende Figur (Fig. 23) stellt einen Durchschnitt dar, welcher zufällig genau durch die Mitte gieng, den Stiel hinauf und zwischen den sich entwickelnden Antennen einer Blase von Utricularia vulgaris von 1/100 Zoll im Durchmesser. Das Exemplar war weich
Fig. 23. (Utricularia vulgaris.)
Längsdurchschnitt durch eine junge Blase, 1/100 Zoll lang, mit weit offener Mündung.
und die junge Klappe löste sich vom Kragen in einem bedeutenderen Grade ab, als es natürlich ist, und wurde so dargestellt. Wir sehn hier deutlich, dasz die Klappe und der Kragen faltenartige Verlängerungen der Wandungen der Blase nach innen sind. Selbst in diesem frühen Alter konnten Drüsen an der Klappe entdeckt werden. Der Zustand der viertheiligen Fortsätze wird sofort beschrieben werden. Die Antennen bestehen auf dieser Entwickelungsperiode aus sehr kleinen zelligen Vorsprüngen (in der obigen Figur nicht mit gezeichnet, da sie nicht in der mittleren Ebene liegen), welche bald Ansätze von Borsten tragen.

In fünf Fällen waren die jungen Antennen nicht von vollständig gleicher Länge; und diese Thatsache ist verständlich, wenn ich in der Annahme [384] Recht habe, dasz sie zwei Abtheilungen des Blattes entsprechen, welche vom Ende der Blase ausgehn; denn bei echten Blättern sind, so lange sie sehr jung sind, nach dem, was ich gesehen habe, die Fiedertheile niemals genau einander gegenüber gestellt. Sie müssen sich daher eine nach der andern entwickeln, und das wird auch mit den bei den Antennen der Fall sein.

Auf einem viel früheren Stadium, wenn die halb entwickelten Blasen nur 1/300 Zoll (0,0846 Mm.) Durchmesser haben oder wenig mehr, bieten sie ein gänzlich verschiedenes Ansehn dar. Eine solche ist auf der linken Seite der beistehenden Figur dargestellt (Fig. 24).

Fig. 24. (Utricularia vulgaris.) Junges Blatt aus einer Winterknospe, welches auf der linken Seite eine Blase in ihrem frühesten Entwicklungsstadium zeigt.

Die jungen Blätter haben in diesem Alter breite abgeplattete Segmente, an welchen die späteren Theilungen durch Vorragungen angedeutet sind, wie auf der rechten Seite der Figur eine solche gezeichnet ist. In einer groszen Anzahl von Präparaten, welche mein Sohn untersucht hat, erschienen die jungen Blasen so, als würden sie durch das schräge Überschlagen der Spitze und des mit einer Vorragung versehenen einen Randes gegen den gegenüberstehenden Rand gebildet. Die kreisförmige Höhlung zwischen der eingefalteten Spitze und der eingefalteten Vorragung zieht sich augenscheinlich zu der engen Mündung zusammen, worin die Klappe und der Kragen entwickelt wird, während die Blase selbst durch den Zusammenflusz der einander gegenüberliegenden Ränder des übrigen Blattes gebildet wird. Gegen diese Ansicht lassen sich aber schwere Einwendungen erheben; denn wir müssen in diesem Falle vermuthen, dasz die Klappe und der Kragen unsymmetrisch von den Seiten der Spitze und Vorragung aus entwickelt [385] werden. Überdies haben sich Bündel von Gefäszgewebe in Zügen zu bilden, welche zu der ursprünglichen Form des Blattes in gar keiner Beziehung stehn. So lange noch nicht die Existenz von Übergangsformen zwischen diesem frühesten Stadium und einer jungen, aber doch vollkommen entwickelten Blase nachgewiesen werden kann, musz die Sache zweifelhaft bleiben.

Da die viertheiligen und zweispaltigen Fortsätze eine der gröszten Eigenthümlichkeiten dieser Gattung darbieten, beobachtete ich deren Entwickelung bei Utricularia neglecta. Bei Blasen von ungefähr 1/100 Zoll Durchmesser ist die innere Oberfläche dicht mit Papillen bedeckt, welche sich von kleinen, an der Verbindungsstelle gröszerer stehenden Zellen aus erheben. Diese Papillen bestehn aus einem zarten conischen Vorsprung, welcher sich in einen sehr kurzen Stiel verschmälert und an seiner Spitze zwei äuszerst kleine Zellen trägt. Sie nehmen danach dieselbe relative Stellung ein, wie die Papillen an der Auszen­seite der Blasen und auf den Flächen der Blätter, sind diesen auch sehr ähnlich, ausgenommen dasz sie kleiner und eher etwas vorspringender sind. Die zwei endständigen Zellen der Papillen verlängern sich zuerst in einer der inneren Oberfläche der Blase parallelen Richtung. Dann wird eine jede durch eine Längsscheidewand getheilt. Bald trennen die sich hierdurch bildenden halben Zellen von einander; wir haben nun vier Zellen vor uns oder einen beginnenden viertheiligen Fortsatz. Da für die zwei neuen Zellen kein Platz vorhanden ist, in ihrer ursprünglichen Ebene an Breite zuzunehmen, gleitet die eine theilweise unter die andere. Ihre Art zu wachsen verändert sich nun, und anstatt ihrer Spitzen fahren nun ihre äuszeren Seiten zu wachsen fort. Die zwei untern Zellen, welche theilweise unter die beiden oberen geglitten sind, bilden das längere und aufrechter stehende Fortsatzpaar, während die beiden oberen Zellen das kürzere und horizontalere Paar bilden, so dasz nun alle vier zusammen einen vollkommenen viertheiligen Fortsatz bilden. Eine Spur der anfänglichen Theilung zwischen den beiden Zellen auf dem Scheitel der Papillen kann man noch zwischen den Basen der längeren Fortsätze sehn. Die Entwickelung der viertheiligen Fortsätze wird sehr leicht unterbrochen. Ich habe eine 1/50 Zoll lange Blase gesehn, welche nur ursprüngliche Papillen umschlosz, und eine andere Blase, ungefähr von der halben vollen Grösze, in welcher die viertheiligen Fortsätze sich noch auf einem frühen Entwickelungsstadium befanden. [386] Soweit ich es ermitteln konnte, entwickeln sich die zweispaltigen Fortsätze in der nämlichen Weise wie die viertheiligen, ausgenommen dasz die zwei endständigen Zellen sich niemals theilen und nur an Länge zunehmen. Die Drüsen auf der Klappe und dem Kragen erscheinen in einem so frühen Alter der Blase, dasz ich ihre Entwickelung nicht verfolgen konnte; wir können aber vernünftigerweise vermuthen, dasz sie sich aus Papillen entwickeln ähnlich denen auf der Auszenseite der Blase, aber ohne dasz sich ihre terminalen Zellen in zwei theilen. Die beiden, die Stiele der Drüsen bildenden Segmente entsprechen wahrscheinlich der conischen Protuberanz und dem kurzen Stiel der viertheiligen und zweitheiligen Fortsätze. Ich werde in dieser Annahme, dasz sich die Drüsen aus Papillen entwickeln, welche denen an der Auszenseite der Blase gleich sind, durch die Thatsache bestärkt, dasz sich bei Utricularia amethystina die Drüsen der ganzen ventralen Oberfläche der Blase entlang bis dicht an den Stiel hin erstrecken.

Utricularia vulgaris.

Ich erhielt durch Dr. Hooker lebende Pflanzen aus Yorkshire. Diese Art weicht von der vorhergehenden darin ab, dasz die Stengel und Blätter dicker und gröber sind; ihre Fiedertheilungen bilden einen spitzeren Winkel gegen einander; die Einschnitte an den Blättern tragen drei oder vier kurze Borsten anstatt einer, und die Blasen sind zweimal so grosz, oder ungefähr 1/5 Zoll (5,08 Mm.) im Durchmesser. In allen wesentlichen Beziehungen sind die Blasen denjenigen der Utricularia neglecta ähnlich, aber die Seiten des Peristoms sind vielleicht ein wenig mehr vorspringend und tragen immer, so weit ich es gesehen habe, sieben oder acht lange vielzellige Borsten. An jeder Antenne finden sich elf lange Borsten, mit Einschlusz des terminalen Paares. Fünf, Beute irgend welcher Art enthaltende Blasen wurden untersucht; die erste enthielt fünf Cypris, einen groszen Copepoden und einen Diaptomus, die zweite eine Cypris, die dritte ein einziges ziemlich groszes Krustenthier, die vierte sechs und die fünfte zehn Crustaceen. Mein Sohn untersuchte die viertheiligen Fortsätze in einer Blase, welche die Überreste von zwei Krustenthieren enthielt und fand einige derselben voll von sphärischen und unregelmäszig geformten Massen von Substanz, welche in Bewegung und Verschmelzung beobachtet wurden. Es bestanden daher diese Massen aus Protoplasma.

Utricularia minor.

Diese seltene Art wurde mir durch die Freundlichkeit des Mr. John Price im lebenden Zustande aus Cheshire geschickt. Die Blätter und Blasen sind viel kleiner als die der Utricularia neglecta. Die Blätter tragen weniger und kürzere Borsten und die Blasen sind kugliger. Die Antennen sind, anstatt vorn vor den Blasen vorzuspringen, unter die Klappe gebogen und mit zwölf oder vierzehn äuszerst langen vielzelligen, meistens paarweise angeordneten Borsten bewaffnet. Dieselben bilden mit

[387] sieben oder acht langen Borsten an beiden Seiten des Peristoms eine Art von Netz über der Klappe, welches allen Thieren, ausgenommen sehr kleinen, den Eintritt in die Blase verwehren dürfte. Die Klappe und der Kragen haben dieselbe wesentliche Structur wie in den beiden vorigen Species; aber die Drüsen sind nicht ganz so zahlreich: die oblongen sind eher etwas mehr verlängert, während die zweiarmigen eher etwas kürzer sind. Die vier Borsten, welche schräg vom untern Rande der Klappe vorspringen, sind kurz. Ihre Kürze, verglichen mit denen an den Klappen der vorausgehenden Species, ist verständlich, wenn meine Ansicht richtig ist, dasz sie dazu dienen, zu grosze Thiere daran zu hindern, sich einen Eingang durch die Klappe zu erzwingen und sie dabei zu verletzen; denn die Klappe wird bereits in einem gewissen Grade durch die eingebogenen Antennen,
Fig. 25. (Utrricularia minor). Viertheiliger Fortsatz, stark vergröszert.
in Verbindung mit den seitlichen Borsten beschützt. Die zweispaltigen Fortsätze sind denen in den vorausgehenden Species gleich; aber die viertheiligen sind dadurch von jenen verschieden, dasz die vier Arme (Fig.25) nach der nämlichen Seite hingerichtet sind; die zwei längeren stehn in der Mitte und die beiden kürzeren an der äuszeren Seite.

Die Pflanzen wurden in der Mitte des Juli gesammelt; es wurde der Inhalt von Blasen untersucht, weiche wegen ihrer opaken Beschaffenheit voll von Beute zu sein schienen. Die erste enthielt nicht weniger als vierundzwanzig kleine Süszwasser-Crustaceen, von denen die meisten aus leeren Schaalen bestanden, oder nur einige wenige Tropfen rother öliger Substanz einschlossen; die zweite enthielt zwanzig, die dritte fünfzehn, die vierte zehn, unter denen einige gröszer als gewöhnlich waren; und die fünfte, welche ganz voll gestopft zu sein schien, enthielt nur sieben, aber von diesen waren fünf von ungewöhnlich bedeutender Grösze. Nach diesen fünf Blasen zu urtheilen besteht daher die Beute ausschlieszlich aus Süszwasser-Crustaceen, von denen die meisten von den in den Blasen der zwei früheren Arten gefundenen verschiedene Species zu sein scheinen. In einer Blasen enthielten die viertheiligen Fortsätze, welche mit einer zerfallenden Masse in Berührung standen, zahlreiche Kugeln granulirter Substanz, welche langsam ihre Form und Stellung änderten.

Utricularia clandestina.

Diese nordamericanische Species, welche gleich den drei vorhergehenden im Wasser lebt, ist von Mrs. Treat in New Jersey beschrieben worden, deren ausgezeichnete Beobachtungen bereits vielfach angeführt wurden. Ich habe bis jetzt noch keine ausführliche Beschreibung der Blase durch Mrs. Treat gesehen, es scheint aber, als sei sie mit viertheiligen Fortsätzen ausgekleidet. Eine ungeheure Anzahl gefangener Thiere wurde innerhalb der Blasen gefunden, einige davon waren Crustaceen, aber die grosze Mehrzahl waren zarte, gestreckte Larven, ich vermuthe von Culiciden. An einigen Stengeln »enthielten reichlich neun unter je zehn Blasen derartige Larven oder ihre Überreste.« Die Larven »boten noch Lebenszeichen dar in einer Zeit von vierundzwanzig bis sechsunddreiszig Stunden, nachdem sie gefangen worden waren,« und giengen dann schnell zu Grunde.


  1. Quart. Magaz. of the High Wycombe Nat. Hist. Soc., July, 1868, p. 5. Delpino (Ult. Osservaz. sulla Dicogamia etc.. 1868-1869, p. 16.) citirt auch Crouan als einen, der (1858) Kruster in den Blasen der Utricularia vulgaris gefunden habe.
  2. Ich bin Herrn H. M. Wilkinson in Bistern sehr dafür verbunden, dasz er mir mehrere schöne Gruppen dieser Species aus dem New Forest geschickt hat. Auch Mr. Ralfs war so freundlich, mir lebende Pflanzen der nämlichen Species aus der Nähe von Penzance in Cornwall zu schicken.
  3. Beiträge zur Biologie der Pflanzen, 3. Heft, 1875
  4. Dasz dies der Fall ist, schliesze ich aus der Zeichnung eines Sämlings, welche Dr. Warming in seinem Aufsatze, "Bidrag til Kundskaben om Lentibulariaceae", gegeben hat in den "Videnskabelige Meddelelser etc." Kopenhagen, 1874, No. 3-7, p.33-58.
  5. New York Tribune, wieder abgedruckt in The Gardener's Chronicle, 1875, p. 303.