Zum Inhalt springen

Insectenfressende Pflanzen/Sechstes Capitel

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
<<< Sechstes Capitel >>>
{{{UNTERTITEL}}}
aus: Insectenfressende Pflanzen
Seite: {{{SEITE}}}
von: Charles Darwin
Zusammenfassung: {{{ZUSAMMENFASSUNG}}}
Anmerkung: {{{ANMERKUNG}}}
Bild
[[Bild:{{{BILD}}}|250px]]
[[w:{{{WIKIPEDIA}}}|Artikel in der Wikipedia]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wikisource-Indexseite
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[76]
Sechstes Capitel.

Die Verdauungskraft des Secrets der Drosera.

Die Absonderung wird durch directe oder indirecte Reizung der Drüsen sauer. — Natur der Säure. — Verdauliehe Substanzen. — Eiweisz, seine Verdauung durch Alkalien unterbrochen, durch Zusatz einer Säure wiederbegonnen. — Fleisch. - Fibrin. — Syntonin. — Zellgewebe. — Knorpel. — Faserknorpel. — Knochen. — Schmellz and Zahnbein. — Phosphorsaurer Kalk. — Fibröse Grundlage des Knochens. - Gallerte. — Chondrin. — Milch, Casein und Käse. — Leim.— Legumin. - Pollen. — Globulin. — Haematin. — Unverdauliche Substanzen. -Epidermoide Bildungen. — Fibroelastisches Gewebe. — Muein. — Pepsin. — Harnstoff. — Chitin. — Cellulose. — Schieszbaumwolle. — Chlorophyll. - Fett und Oel. — Stärke. — Wirkung des Secrets auf lebende Samen. — Zusammenfassung und Schluszbemerkungen.

Da wir gesehen haben, dasz stickstoffhaltige Flüssigkeiten sehr verschieden von nicht-stickstoffhaltigen auf die Blätter von Drosera wirken, und da die Blätter über verschiedenen organischen Körpern viel länger zusammengeschlagen bleiben als über unorganischen Körpern, wie z. B. Stückchen Glas, Kohle, Holz u. s. w., so wird die Untersuchung interessant, ob sie nur Substanz absorbiren können, welche schon aufgelöst ist, oder ob sie dieselbe auflöslich machen, — mit anderen Worten, ob sie das Vermögen zu verdauen besitzen. Wir werden sofort sehen, dasz sie ganz gewisz diese Kraft besitzen und dasz sie auf albuminöse Verbindungen in genau derselben Art und Weise einwirken, wie es der Magensaft der Säugethiere thut; die verdaute Substanz wird auch nachher absorbirt. Diese Thatsache, welche ganz klar bewiesen werden wird, ist eine ganz wunderbare in der Physiologie der Pflanzen. Ich musz hier anführen, dasz ich bei allen meinen späteren Experimenten durch viele und werthvolle Winke und Hülfe unterstützt worden bin, die mir Dr. Burdon Sanderson mit der gröszten Freundlichkeit gewährte. [77] Es wird ganz gut sein, wenn ich zu Gunsten irgend eines Lesers, welcher über die Verdauung zusammengesetzter eiweiszhaltiger Körper durch Thiere nichts weisz, noch vorausschicke, dasz dies mittelst eines Ferments, Pepsin, in Verbindung mit schwacher Salzsäure bewirkt wird, wenngleich beinahe jede andere Säure wirken wird. Doch hat weder das Pepsin noch eine Säure für sich allein irgend eine derartige Kraft[1]. Wir haben gesehen, dasz wenn die Drüsen der Blattscheibe durch die Berührung irgend eines Gegenstandes, besonders eines, welcher stickstoffhaltige Substanz enthält, gereizt werden, die äuszern Tentakeln und häufig auch die Blattscheibe eingebogen werden; das Blatt wird hierdurch zeitweise in eine Schale oder einen Magen verwandelt. In derselben Zeit sondern die Drüsen der Scheibe reichlicher ab und die Absonderung wird sauer. Ueberdies übersenden sie einen gewissen Einflusz den Drüsen der äuszern Tentakeln, wodurch sie dieselben veranlassen, eine reichlichere Absonderung zu ergieszen, welche auch sauer oder noch saurer wird, als sie vorher war.

Da dies Resultat ein bedeutungsvolles ist, so will ich das Beweismaterial geben. Das Secret vieler Drüsen auf dreiszig Blättern, welche in keiner Weise gereizt worden waren, wurde mit Lackmus-Papier geprüft; die Absonderung von zweiundzwanzig dieser Blätter afficirte nicht im geringsten die Farbe, während die von acht Blättern eine auszerordentlich schwache und zuweilen etwas zweifelhafte rothe Färbung verursachte. Indessen wirkten zwei andere alte Blätter, welche allem Anscheine nach mehrere Male eingebogen gewesen waren, viel entschiedener auf das Papier. Stückchen reinen Glases wurden dann auf fünf Blätter, Würfelchen von Eiweisz auf sechs, und Stückchen rohen Fleisches auf drei gelegt, bei deren keinem zu dieser Zeit die Absonderung sauer war. Nach einem Verlauf von 24 Stunden, wo beinahe alle die Tentakeln an diesen vierzehn Blättern mehr oder weniger eingebogen worden waren, prüfte ich nochmals das Secret, wobei ich Drüsen auswählte, welche noch nicht den Mittelpunkt erreicht oder irgend einen Gegenstand berührt hatten; und nun war es deutlich sauer. Der Grad der sauren Beschaffenheit des Secretes variirte in etwas bei den Drüsen eines und desselben Blattes. Bei einigen [78] Blättern wurden aus irgend welchen unbekannten Ursachen einige wenige Tentakeln nicht eingebogen, wie es häufig sich ereignet; und in fünf Fallen ergab es sich, dasz ihre Absonderung nicht im mindesten sauer war, während das Secret der daneben stehenden und eingebognen Tentakeln auf demselben Blatte entschieden sauer war. Bei Blättern, welche dadurch gereizt worden waren, dasz Stuckchen Glas auf die centralen Drüsen gelegt waren, war das Secret, welches sich unter diesen auf der Scheibe ansammelte, viel stärker sauer, als das von den äuszern Tentakeln ergoszne, welche bis dahin nur mäszig eingebogen waren. Wenn Stückchen Eiweisz (und dies ist natürlich alkalisch) oder Stückchen Fleisch auf die Scheibe gelegt wurden, so war die sich unter ihnen ansammelnde Absonderung gleichfalls stark sauer. Da rohes Fleisch, wenn es mit Wasser befeuchtet wird, leicht sauer ist, so verglich ich seine Wirkung auf Lackmus-Papier, ehe es auf die Blätter gelegt wurde, mit der späteren, wenn es von der Absonderung umspült war; es konnte dabei nicht der leiseste Zweifel sein, dasz die letztere sehr viel saurer war. Ich habe in der That hunderte von Malen den Zustand der Absonderung auf den Scheiben der Blätter, welche über verschiedene Gegenstande eingebogen waren, geprüft und habe sie niemals anders als sauer gefunden. Wir können daher schlieszen, dasz das Secret von nicht gereizten Blättern, obschon es in äuszerstem Grade klebrig ist, nicht sauer oder nur unbedeutend sauer ist, dasz es aber sauer wird oder viel stärker sauer, nachdem die Tentakeln begonnen haben, sich über irgend einen unorganischen oder organischen Körper zu biegen; es wird ferner noch stärker sauer, nachdem die Tentakeln einige Zeit lang über irgend einen Gegenstand dicht zusammengeschlagen geblieben sind.

Ich will hier den Leser daran erinnern, dasz die Absonderung bis zu einem gewissen Grade augenscheinlich antiseptisch ist, da sie das Auftreten von Moder und Infusorien aufhält und dadureh eine Zeit lang die Entfärbung und den Zerfall solcher Substanzen, wie das Weisze vom Ei, Käse u. s. w. verhindert. Sie wirkt daher wie der Magensaft der höheren Thiere, von welchem bekannt ist, dasz er die Fäulnis durch Zerstörung der Microzymen aufhält.

Da ich begierig war zu erfahren, was für eine Säure das Secret enthielt, so wurden 445 Blätter in destillirtem Wasser gewaschen welches mir Prof. Frankland gegeben hatte; die Absonderung ist aber so klebrig, dasz es kaum möglich ist, das Ganze abzukratzen oder abzuwaschen. [79] Auch die andern Bedingungen waren ungünstig, da es schon spät im Jahre war und die Blätter klein waren. Prof. Frankland übernahm es mit groszer Freundlichkeit, die in dieser Weise gesammelte Flüssigkeit zu prüfen. Die Blätter wurden durch reine Glasstückchen gereizt, welche 24 Stunden vorher auf sie gelegt wurden. Ohne Zweifel würde viel mehr Säure abgesondert worden sein, wenn die Blätter durch thierische Substanz gereizt worden wären; dies würde aber die Analyse schwieriger gemacht haben. Prof. Frankland theilt mir mit, dasz die Flüssigkeit keine Spur von Salzsäure, Schwefelsäure, Weinsteinsäure, Oxalsäure und Ameisensäure enthalte. Nachdem dies ermittelt worden war, wurde die übrige Flüssigkeit bis nahe zur Trockenheit abgedampft und mit Schwefelsäure sauer gemacht; es entwickelte sich dabei ein flüchtiger saurer Dampf, welcher verdichtet und mit kohlensaurem Silber digerirt wurde. »Das Gewicht des dabei erzeugten Silbersalzes betrug nur 0,37 Gr., eine viel zu kleine Quantität, um das Atomgewicht der Säure genau bestimmen zu können. Die erhaltene Zahl entsprach indessen nahezu der der Propionsäure; und ich glaube, dasz diese oder eine Mischung von Essig- und Buttersäure in der Flüssigkeit vorhanden war. Die Säure gehört ohne Zweifel zur Reihe der Essig- oder Fettsäuren.«

Prof. Frankland sowohl, als auch sein Assistent, beobachteten (und dies ist eine wichtige Thatsache), dasz die Flüssigkeit, »wenn sie mit Schwefelsäure angesäuert wurde, einen starken Geruch, ähnlich dem von Pepsin, entwickelte.« Auch die Blätter, von welchen die Absonderung abgewaschen worden war, wurden Prof. Frankland geschickt; sie wurden einige Stunden lang macerirt, dann mit Schwefelsäure angesäuert und destillirt; es gieng aber keine Säure über. Es musz daher die Säure, welche frische Blätter enthalten, wie sich durch die Färbung des Lackmus-Papiers beim Zerquetschen derselben zeigt, von einer verschiedenen Beschaffenheit sein von der, welche in dem Secret vorhanden ist. Auch entwickelten die Blätter keinen Geruch von Pepsin.

Obgleich es seit langer Zeit bekannt ist, dasz Pepsin mit Essigsäure die Fähigkeit hat, eiweiszhaltige Zusammensetzungen zu verdauen, so erschien es doch rathsam, zu ermitteln, ob die Essigsäure ohne Verlust der verdauenden Kraft durch die verwandten Säuren ersetzt werden könne, von denen angenommen wurde, dasz sie in der Absonderung der Drosera vorkommen, nämlich Propionsäure, Buttersäure oder Valeriansäure. Dr. Burdon Sanderson war so freundlich, mir zu Gefallen die folgenden Versuche zu machen, deren Resultate ganz abgesehen von der vorliegenden Untersuchung werthvoll sind. Prof. Frankland verschaffte uns die Säure.

     »1. Der Zweck der folgenden Experimente war, die verdauende Thätigkeit von Pepsin enthaltenden Flüssigkeiten zu bestimmen, wenn sie mit gewissen flüchtigen, zu der Essig-Reihe gehörenden Sauren angesäuert wurden, im Vergleich mit Flüssigkeiten mit Salzsäure in einem Verhältnis angesäuert, welches dem im Magensafte vorhandenen ähnlich ist.«
     »2. Es ist empirisch festgestellt worden, dasz bei künstlicher Verdauung die besten Resultate erhalten werden, wenn eine Flüssigkeit angewendet wird, welche dem Gewichte nach zwei pro mille von salzsaurem Gas enthält. Dies entspricht ungefähr 6,25 Cubikcentimeter per Liter gewöhnlicher starker Salzsäure. Die Quantitäten von Propionsäure, [80] Butter- und Valeriansäure respective, welche erforderlich sind, um so viel Basis zu neutralisiren als 6,25 Cubikcentimeter HCl, sind, in Grammen ausgedrückt, 4,04 Propionsäure, 4,82 Buttersäure und 5,68 Valeriansäure. Es wurde daher für zweckmäszig gehalten, beim Vergleich der verdauenden Kraft dieser Säuren mit der der Salzsäure, dieselben in diesen Proportionen anzuwenden.«
     »3. Fünfhundert Cubikcentimeter einer Flüssigkeit, welche ungefähr 8 Cubikcentimeter eines Glycerinauszugs der Magenschleimhaut eines während der Verdauung getödteten Hundes enthielt, wurden hergestellt; davon wurden 10 Cubikcentimeter eingedampft und bei 110° getrocknet. Diese Quantität ergab 0,0031 Rückstand.«
     »4. Von dieser Flüssigkeit wurden vier Mengen genommen, welche einzeln in den oben angegebenen Proportionen mit Salzsäure, mit Propionsäure, mit Butter- und mit Valeriansäure angesäuert wurden. Jede Flüssigkeitsmenge wurde dann in eine Röhre gethan, welche man in einem Wasserbade schwimmen liesz, das ein, eine Temperatur von 38° bis 40°C, anzeigendes Thermometer enthielt. In eine jede wurde eine Quantität nicht gekochten Fibrins eingebracht und das Ganze 4 Stunden lang stehen gelassen, wobei die Temperatur während der ganzen Zeit innegehalten und Sorge dafür getragen wurde, dasz eine jede einen Überschusz von Fibrin enthielt. Nach Verlauf dieser Zeit wurde jede Flüssigkeit filtrirt. Von dem Filtrat, welches natürlich so viel Fibrin enthielt, als während der 4 Stunden verdaut worden war, wurden 10 Cubikcentimeter abgemessen, eingedampft und wie vorher bei einer Temperatur von 110° getrocknet. Die Rückstände betrugen beziehentlich:

      in der Salzsäure enthaltenden Flüssigkeit: 0,4079
      "   "  Propionsäure   "            "       0,0601
      "   "  Buttersäure    "            "       0,1468
      "   "  Valeriansäure  "            "       0,1254.

»Zieht man daher von jeder dieser Zahlen den oben erwähnten Rückstand ab, welcher zurückbleibt, wenn die verdauende Flüssigkeit selbst eingedampft wird, nämlich 0,0031, so erhalten wir

      für Propionsäure . . . . 0,0570
       "  Buttersäure  . . . . 0,1437
       " Valeriansäure . . . . 0,1223,

zu 0,4048 für Salzsäure; diese verschiedenen Zahlen drücken die Gewichtsmengen von Fibrin aus, welche in Gegenwart äquivalenter Menge der verschiedenen Säuren unter identischen Bedingungen verdaut worden sind.

Die Resultate des Versuchs können in folgender Weise angegeben werden: — Wenn 100 die verdauende Kraft einer Flüssigkeit bezeichnet, welche Pepsin mit der gewöhnlichen Proportion von Salzsäure enthält, so bezeichnen 14,0, 35,4 und 30,2 beziehentlich die verdauende Kraft der drei hier untersuchten Säuren.«
     »5. In einem zweiten Experiment, bei welchem der Procesz in jeder Beziehung derselbe war, ausgenommen dasz die sämmtlichen Röhren in ein und dasselbe Wasserbad getaucht und die Rückstände bei 115°C getrocknet wurden, waren die Resultate die folgenden: — [81] Fibrinmenge, in 4 Stunden von 10 Cubikcentimeter Flüssigkeit aufgelöst —

      »mit Propionsäure ..... 0,0563
      » "  Buttersäure  ..... 0,0835
      » "  Valeriansäure..... 0,0615.

»Die von einer ähnlichen Flüssigkeit, welche Salzsäure enthielt, verdaute Menge betrug 0,3376. Nimmt man daher dies als 100, so stellen die folgenden Zahlen die relativen von den anderen Säuren verdauten Mengen dar: —

      »Propionsäure .... 16,5
      »Buttersäure  .... 24,7
      »Valeriansäure ... 16,1

»6. Ein drittes Experiment derselben Art ergab:
Fibrinmenge, in 4 Stunden von 10 Cubikcentimeter Flüssigkeit verdaut:

      »mit Salzsäure ....... 0,2915
      » "  Propionsäure .... 0,1490
      » "  Buttersäure ..... 0,1044
      » "  Valerianäure .... 0,0520.

»Vergleicht man, wie vorhin, die drei letzten Zahlen mit der ersten »und setzt diese gleich 100, so wird die verdauende Kraft der Propionsäure durch 16,8, die der Buttersäure durch 35,8, und die der Valeriansäure durch 17,8 ausgedrückt.

»Das Mittel aus diesen drei Beobachtungsreihen (Salzsäure als 100 genommen) ergibt für

      »Propionsäure .... 15,8
      »Buttersäure  .... 32,0
      »Valeriansäure ... 21,4

»7. Ein weiteres Experiment wurde noch angestellt, um zu ermitteln, ob die verdauende Wirksamkeit der Buttersäure (welche gewählt wurde, weil sie augenscheinlich die wirksamste war) bei gewöhnlicher Temperatur relativ bedeutender sei, als bei der Temperatur des Körpers. Es stellte sich heraus, dasz während 10 Cubikcentimeter einer Salzsäure in der gewöhnlichen Proportion enthaltenden Flüssigkeit 0,1311 Gramm verdaute, eine ähnliche mit Buttersäure hergestellte Flüssigkeit 0,0455 Gramm Fibrin verdaute.

»Nimmt man daher die mit Salzsäure bei der Temperatur des Körpers verdauten Menge zu 100 an, so erhalten wir für die verdauende Kraft der Salzsäure bei einer Temperatur von 16° bis 18° die Zahl 44,9, während die Zahl für die Buttersäure bei derselben Temperatur 15,6 ist.«

Wir sehen hier, dasz bei der niedrigeren von diesen beiden Temperaturen Salzsäure mit Pepsin innerhalb der nämlichen Zeit etwas weniger als die Hälfte der Fibrinmenge verdaut im Vergleich zu der, welche sie bei der höheren Temperatur verdaut; und die verdauende Kraft der Buttersäure wird unter ähnlichen Bedingungen und Temperaturen in demselben Verhältnis reducirt. Wir haben auch gesehen, dasz Buttersäure, welche viel wirksamer ist als Propion- oder Valeriansäure, mit Pepsin bei der höheren Temperatur weniger als ein Drittel der Fibrinmenge verdaut, welche bei derselben Temperatur von Salzsäure verdaut wird. [82] Ich will nun im Detail meine Experimente über die verdauende Kraft des Secrets der Drosera mittheilen und da die bei den Versuchen verwendeten Substanzen in zwei Reihen theilen, nämlich in diejenigen, welche mehr oder weniger vollständig verdaut werden, und solche, welche nicht verdaut werden. Wir werden sofort sehen, dasz der Magensaft der höheren Thiere auf diese sämmtlichen Substanzen in derselben Weise einwirkt. Ich erlaube mir noch, die Aufmerksamkeit auf die Versuche unter der Rubrik Eiweisz zu lenken, welche zeigen, dasz das Secret seine Kraft verliert, wenn es durch Zusatz eines Alkali neutralisirt wird, und dieselbe wieder erlangt, wenn eine Säure zugesetzt wird.

Substanzen, welche van dem Secret der Drosera vollständig oder teilweise verdaut werden.

Eiweisz. — Nachdem ich verschiedene Substanzen probiert hatte, schlug mir Dr. Burdon Sanderson vor, Würfelchen von geronnenem Eiweisz oder hart gekochtem Ei zu benutzen. Ich will vorausschicken, dasz des Vergleichs wegen fünf Würfel von derselben Grösze wie die in den folgenden Experimenten angewendeten zu der nämlichen Zeit auf feuchtes Moos dicht bei den Drosera-Pflanzen gelegt wurden. Das Wetter war warm und nach vier Tagen waren einige von den Würfeln misfarbig und moderig, ihre Kanten auch etwas abgerundet; sie waren aber nicht von einer Zone durchsichtiger Flüssigkeit umgeben wie diejenigen, welche der Verdauung unterlagen. Andere Würfel behielten ihre scharfen Kanten und ihre weisze Farbe. Nach acht Tagen waren sie sämmtlich an Grösze etwas reduciert, entfärbt und ihre Kanten waren bedeutend abgerundet. Nichtsdestoweniger war an vier unter den fünf Exemplaren der centrale Theil noch immer weisz und undurchsichtig. Der Zustand, in dem sie sich befanden, war daher, wie wir sehen werden, weit von dem der Würfel verschieden, weiche der Einwirkung des Secrets der Blätter ausgesetzt worden waren.

1. Versuch. — Zuerst wurden ziemlich grosze Würfel von Eiweisz versucht; die Tentakeln waren in 24 Stunden ordentlich eingebogen; nach weiterem Verlauf eines Tages waren die Kanten der Würfel aufgelöst und abrundet[2]; die Würfel waren aber zu grosz, so dasz die [83] Blätter verletzt waren; nach sieben Tages starb eines ab, und die andern waren im Absterben. Eiweisz, welches vier oder fünf Tage lang aufbewahrt wurde und welches, wie wohl angenommen werden konnte, angefangen hatte, sich in geringeren Grade zu zersetzen, schien schneller zu wirken als frisch gekochte Eier. Da meistentheils die letztern gebraucht wurden, so feuchtete ich sie mit etwas Speichel an, um die Tentakeln schneller zum Einbiegen zu veranlassen.

2. Versuch. — Ein Würfel von 1/10 Zoll (d.h. bei welchem jede Seite 1/10 Zoll oder 2,54 Mm. lang war) wurde auf ein Blatt gelegt, und nach 50 Stunden war er in eine Kugel von ungefähr 3/40 Zoll Durchmesser verwandelt (1,905 Mm) und von vollständig durchsichtiger Flüssigkeit umgeben. Nach zehn Tagen war das Blatt wieder ausgebreitet; es blieb aber ein äuszerst kleines Stückchen, nun vollkommen durchscheinend gewordenen Eiweiszes auf der Scheibe. Es hatte dies Blatt mehr Eiweisz erhalten, als aufgelöst oder verdaut werden konnte.

3. Versuch. — Zwei Eiweiszwürfel von 1/20 Zoll (1,27 Mm.) wurden auf zwei Blätter gelegt. Nach 46 Stunden war jedes Atom derselben aufgelöst und das Meiste der verflüssigten Masse war absorbirt; die zurückbleibende Flüssigkeit war in diesem wie in allen übrigen Fällen sehr sauer und klebrig. Die Wirkung auf die andern Würfel war etwas langsamer.

4. Versuch. — Zwei Eiweiszwürfel von derselben Grösze wie die letzten wurden auf zwei Blätter gelegt und waren in 50 Stunden in zwei grosze Tropfen durchscheinender Flüssigkeit verwandelt; als sie aber unter den eingebognen Tentakeln hervorgenommen und bei reflectirtem Lichte unter dem Mikroskop betrachtet wurden, konnten in dem einen feine Streifen undurchsichtiger Substanz, in dem andern Spuren ähnlicher Streifen beobachtet werden. Die Tropfen wurden auf die Blätter zurückgebracht, welche sich nach 10 Tagen wieder ausbreiteten, und nun war nichts übrig als sehr wenig durchsichtiger saurer Flüssigkeit.

5. Versuch. — Dieser Versuch wurde unbedeutend abgeändert, so dass das Eiweisz der Einwirkung des Secrets schneller ausgesetzt wurde. Zwei Würfel, jeder von ungefähr 1/40 Zoll (0,635 Mm.), wurden auf dasselbe Blatt gelegt, und zwei ähnliche Würfel auf ein anderes. Diese wurden nach 21 Stunden 30 Minuten untersucht und alle waren, wie sich ergab, abgerundet. Nach 46 Stunden waren die zwei Würfel auf dem einen Blatte vollständig verflüssigt, die gebildete Flüssigkeit war vollkommen durchsichtig; auf dem andern Blatte waren in der Mitte der Flüssigkeit noch einige undurchsichtige weisze Streifen zu sehen. Nach 72 Stunden verschwanden diese Streifen; es war aber noch ein wenig klebrige Flüssigkeit auf der Scheibe zurückgeblieben, während dieselbe auf dem ersten Blatte beinahe gänzlich absorbirt war. Beide Blätter fingen nun an, sich wieder auszubreiten.

Der beste und beinahe einzige Beweis für die Gegenwart irgend eines dem Pepsin analogen Fermentes in der Absonderung schien der [84] zu sein, dasz man die Säure des Secrets mit einem Alkali neutralisirte und beobachtete, ob der Procesz der Verdauung aufhörte, und dasz man dann ein wenig Säure zusetzte und beobachtete, ob der Procesz wieder begönne. Dies wurde, und zwar, wie wir sehen werden, mit Erfolg, gethan; es war aber nothwendig, zuerst zwei Controlversuche anzustellen: nämlich, ob der Zusatz äuszerst kleiner Tropfen Wasser von derselben Grösze wie der der Alkalilösungen den Procesz der Verdauung aufhalten würden, und zweitens, ob äuszerst kleine Tropfen schwacher Salzsäure, von derselben Stärke und Grösze wie die benutzten, die Blätter verletzen würden. Es wurden demzufolge die beiden folgenden Versuche angestellt:

6. Versuch. — Kleine Eiweiszwürfel wurden auf drei Blätter gelegt und äuszerst kleine Tropfen destillirten Wassers auf einem Stecknadelknopf zwei- oder dreimal täglich hinzugefügt. Diese hielten nicht im mindesten den Procesz auf; denn nach 48 Stunden waren die Würfel auf allen drei Blättern vollständig aufgelöst. Am dritten Tage fiengen die Blätter an, sich wieder auszubreiten, und am vierten Tage war die ganze Flüssigkeit absorbirt.

7. Versuch. — Kleine Eiweiszwürfel wurden auf zwei Blätter gelegt und äuszerst kleine Tropfen von Salzsäure, von der Stärke eines Theiles auf 437 Theile Wasser, wurden zwei- oder dreimal hinzugefügt. Dies hielt den Procesz der Verdauung nicht im mindesten auf, schien ihn im Gegentheil eher zu beschleunigen; denn in 24 Stunden 30 Minuten verschwand jede Spur von Eiweisz. Nach drei Tagen breiteten sich die Blätter theilweise wieder aus, und in dieser Zeit war die ganze klebrige Flüssigkeit auf ihren Scheiben beinahe völlig absorbirt. Es ist fast überflüssig, noch anzugeben, dass Eiweiszwürfel von derselben Grösze wie die hierbei benutzten, welche sieben Tage lang in etwas Salzsäure von der oben angegebenen Stärke gelegt wurden, ihre sämmtlichen Winkel und Kanten so vollkommen wie je behielten.

8. Versuch. — Würfel von Eiweisz (von 1/10 Zoll oder 2,54 Mm.) wurden auf fünf Blätter gelegt und sehr kleine Tropfen einer Auflösimg von einem Theil kohlensauren Natrons in 437 Theilen Wasser dreien derselben in Zwischenräumen zugefügt, während die beiden andern Tropfen einer Auflösung kohlensauren Kalis von derselben Stärke erhielten. Die Tropfen wurden mit dem Kopfe einer ziemlich grossen Stecknadel übertragen, und ich ermittelte, dasz jeder ungefähr gleich 1/10 Minim, (0,0059 Cub. Cent.) war, so dasz ein jeder nur ein 1/4800 Gran (0,0135 Milligr.) des Alkali enthielt. Dies war nicht genügend, denn nach 46 Stunden waren alle fünf Würfel aufgelöst.

9. Versuch. — Der letzterwähnte Versuch wurde im vier Blättern wiederholt, doch mit dem Unterschiede, dasz Tropfen derselben Auflösung von kohlensaurem Natron im Ganzen häufiger zugefügt wurden, und zwar so oft als das Secret sauer wurde, so dasz es viel wirksamer neutralisirt wurde. Jetzt nun waren nach 24 Stunden die Kanten von dreien der [85] Würfel nicht im mindesten abgerundet, die des vierten waren es nur in einem sehr unbedeutendem Grade. Tropfen äuszerst schwacher Salzsäure (nämlich ein Theil auf 827 Theile Wasser) wurden nun zugesetzt, gerade hinreichend, um das noch immer vorhandene Alkali zu neutralisiren; sofort begann der Verdauungsprocesz wieder, so dasz nach 23 Stunden 30 Minuten drei der Würfel vollständig aufgelöst waren, während der vierte in eine äuszerst kleine, von durchscheinender Flüssigkeit umgebene Kugel verwandelt war; und diese Kugel verschwand am folgenden Tage.

10. Versuch. — Zunächst wurden nun stärkere Lösungen von kohlensaurem Natron und Kali angewandt, nämlich ein Theil auf 109 Theile Wasser; da Tropfen von derselben Grösze gegeben wurden, enthielt ein jeder 1/1200 Gran (0,0539 Milligr.) des betreffenden Salzes. Zwei Eiweiszwürfel (jeder ungefähr 1/40 Zoll oder 0,635 Mm.) wurden auf ein und dasselbe Blatt gethan und zwei auf ein anderes. Jedes Blatt erhielt, so bald die Absonderung unbedeutend sauer wurde (und dies trat viermal schon innerhalb 24 Stunden ein), Tropfen entweder von der Natron- oder Kali-Lösung, wodurch die Säure wirksam neutralisirt wurde. Der Versuch gelang nun vollkommen; denn nach 22 Stunden waren die Kanten der Würfel so scharf, wie sie zuerst waren; und aus dem 5. Versuch haben wir gesehen, dasz so kleine Würfel in dieser Zeit von dem Secret in seiner natürlichen Beschaffenheit vollständig abgerundet worden sein würden. Nun wurde etwas von der Flüssigkeit mittelst Löschpapier von der Blattscheibe entfernt und minutiöse Tropfen von Salzsäure in der Stärke von einem Theile auf 200 Theile Wasser zugefügt. Es wurde Säure von dieser beträchtlicheren Stärke angewandt, da auch die alkalischen Lösungen stärker waren. Der Procesz der Verdauung begann nun auf's Neue, so dasz innerhalb 48 Stunden von der Zeit, wo die Säure zugefügt wurde, die vier Würfel nicht nur vollständig aufgelöst, sondern auch ein grosser Theil des flüssig gewordenen Eiweiszes aufgesaugt war.

11. Versuch. — Zwei Eiweiszwürfel (jeder 1/40 Zoll oder 0,635 Mm. Seitenlänge) wurden auf zwei Blätter gebracht und wie im vorhergehenden Versuche mit Alkalien behandelt und auch mit demselben Resultat; denn nach 22 Stunden waren die Kanten derselben noch vollkommen scharf, was bewies, dasz der Verdauungsprocesz vollständig aufgehalten worden war. Ich wünschte nun zu ermitteln, was wohl die Wirkung einer Anwendung stärkerer Salzsäure sein würde; ich fügte demgemäsz minutiöse Tropfen von einer einprocentigen Verdünnung hinzu. Dies erwies sich als etwas zu stark; denn 48 Stunden nach der Zeit, wo die Säure zugefügt wurde, war der eine Würfel noch immer beinahe vollkommen, und der andere nur sehr unbedeutend abgerundet; und beide waren leicht rosa gefärbt. Diese letztere Thatsache zeigt, dasz die Blätter verletzt waren[3], denn während des normalen Verlaufes des Verdauungsprocesses wird das Eiweisz nicht in dieser Weise gefärbt, und wir können hieraus verstehen, warum die Würfel nicht aufgelöst wurden. [86] Aus diesen Versuchen geht deutlich hervor, dasz die abgesonderte Flüssigkeit das Vermögen hat, Eiweisz aufzulösen, und wir sehen ferner, dasz, wenn ein Alkali zugesetzt wird, der Verdauungsprocesz zum Stillstand gebracht wird, dasz er aber sofort wieder beginnt, sobald das Alkali durch schwache Salzsäure neutralisirt wird. Selbst wenn ich keine anderen Versuche als diese angestellt hätte, würden sie beinahe schon hingereicht haben, nachzuweisen, dasz die Drüsen der Drosera irgend ein dem Pepsin analoges Ferment absondern, welches bei Anwesenheit einer Säure dem Secrete sein Vermögen, eiweiszartige Verbindungen aufzulösen, verleiht.

Splitter von reinem Glase wurden auf eine grosze Zahl von Blättern ausgestreut, und diese wurden mäszig eingebogen. Sie wurden dann abgeschnitten und in drei Gruppen getheilt; davon wurden zwei eine Zeit lang in ein wenig destillirtem Wasser gelegt und dies dann durchgeseiht, wobei etwas misfarbige, klebrige, unbedeutend saure Flüssigkeit erhalten wurde. Das dritte Häufchen wurde ordentlich in wenig Tropfen von Glycerin eingeweicht, welches bekanntlich Pepsin auflöst. Eiweiszwürfel (von 1/20 Zoll) wurden nun auf Uhrgläsern in diese drei Flüssigkeiten gethan, von denen einige mehrere Tage lang auf einer Temperatur von ungefähr 32,2° C. (900 F.), andere in der Temperatur meines Zimmers gelassen wurden; keiner der Würfel wurde indesz aufgelöst, es blieben die Kanten so scharf wie je. Diese Thatsache weist wahrscheinlich darauf hin, dasz das Ferment nicht eher abgesondert wird, als bis die Drüsen durch die Absorption einer äuszerst geringen Quantität bereits auflöslicher thierischer Substanz gereizt werden, - eine Folgerung, welche durch das, was wir später in Bezug auf Dionaea sehen werden, unterstützt wird. Dr. Hooker fand gleichfalls, dasz die Flüssigkeit in den Schläuchen der Nepenthes, obschon sie das Vermögen der Verdauung in auszerordentlichem Grade besitzt, dennoch, wenn sie aus den Schläuchen entfernt, ehe dieselben gereizt wurden, und in ein Gefäsz gethan wird, kein derartiges Vermögen hat, trotzdem sie bereits sauer ist. Wir können diese Thatsache nur durch die Annahme erklären, dasz das eigentliche Ferment nicht eber abgesondert wird, als bis etwas reizende Substanz aufgesaugt ist.

Bei drei andern Gelegenheiten wurden acht Blätter stark durch Eiweisz, was mit Speichel befeuchtet war, gereizt; sie wurden dann abgeschnitten und mehrere Stunden oder einen ganzen Tag lang [87] in einigen wenigen Tropfen Glycerin liegen gelassen. Etwas von diesem Auszug wurde dann einem kleinen Theil Salzsäure von verschiedenen Stärkegraden (meist ein Theil auf 400 Theile Wasser) zugesetzt; und in diese Mischung wurden sehr kleine Würfel von Eiweisz gelegt[4]. In zweien von diesen Versuchen trat nicht die geringste Wirkung auf das Eiweisz ein; im dritten aber war der Versuch erfolgreich. Denn in einem, zwei Würfel enthaltenden Gefäsz waren beide in 3 Stunden an Grösze reducirt; und nach 24 Stunden waren nur noch blosze Streifen ungelösten Eiweiszes übrig. In einem zweiten Gefäsz, welches zwei äuszerst kleine zerfetzte Stückchen Eiweisz enthielt, waren beide gleichfalls in 3 Stunden an ihrer Grösze reducirt und nach 24 Stunden vollständig verschwunden. Ich fügte dann ein wenig schwacher Salzsäure beiden Gefässen zu und legte frische Eiweiszwürfel in dieselben; die Flüssigkeit wirkte aber nicht auf diese. Diese letztere Thatsache wird nach der hohen Autorität von Schiff[5] insofern verständlich, als er, wie er meint, nachgewiesen hat, und zwar im Gegensatz zu der von einigen Physiologen vertretenen Ansicht, dasz eine bestimmte geringe Menge von Pepsin während des Actes der Verdauung zerstört wird. Enthielt daher, wie es doch wahrscheinlich ist, meine Lösung eine äuszerst kleine Menge dieses Ferments, so wird dies durch die Auflösung der zuerst in die Lösung gethanenen Eiweiszwürfel aufgebraucht worden und keines mehr übrig geblieben sein, als die Salzsäure zugesetzt wurde. Die Zerstörung des Ferments während des Processes der Verdauung oder seine Absorption nach der Verwandlung des Eiweiszes in Peptone dürfte es auch erklären, dasz unter den drei letzten Versuchsreihen nur die eine erfolgreich war.

Verdauung gerösteten Fleisches. - Würfel mässig gerösteten Fleisches von ungefähr 1/20 Zoll (1,27 Mm.) wurden auf fünf Blätter gelegt, welche in 12 Stunden dicht eingebogen waren. Nach 48 Stunden öffnete ich ein Blatt sanft; das Fleisch bestand jetzt nur noch aus einer äuszerst kleinen in der Mitte gelegenen Kugel, welche theilweise verdaut und von einer dicken Hülle durchscheinender klebriger Flüssigkeit umgeben war. Das Ganze wurde, ohne es sehr zu stören, entfernt und unter das Mikroskop gebracht. Im centralen [88] Theile waren die Querstreifen der Muskelfasern völlig deutlich, und es war interessant zu beobachten, wie allmählich sie verschwanden, wenn man eine und dieselbe Faser in die umgebende Flüssigkeit verfolgte. Sie verschwanden in der Weise, dasz die Streifen durch quere aus äuszerst minutiösen dunklen Punkten bestehende Linien ersetzt wurden, welche nach auszen hin nur bei einer sehr starken Vergrösserung gesehen werden konnten; endlich verloren sich diese Punkte. Als ich diese Beobachtungen machte, hatte ich Schiff's Schilderung[6] der Verdauung des Fleisches durch den Magensaft noch nicht gelesen und sah die Bedeutung der dunklen Punkte nicht ein. Dies wird aber in der folgenden Angabe erklärt; auch sehen wir ferner, wie auszerordentlich ähnlich der Procesz der Verdauung durch den Magensaft dem durch das Secret der Drosera ist.

»On a dit que le suc gastrique faisait perdre à la fibre musculaire ses stries transversales. Ainsi énoncée, cette proposition pourrait donner lieu à une équivoque, car se qui se perd, se n'est que l'aspect exterieur de la striature et non les éléments anatomiques qui la composent. On sait que les stries qui donnent un aspect si caractéristique à la fibre musculaire, sont le résultat de la juxtaposition et du parallélisme des corpuscules élémentaires, placés, à distances egales, dans l'interieur des fibrilles contigues. Or, dès que le tissu connectif qui relie entre elles les fibrilles élémentaires vient à se gonfler et à se dissoudre, et que les fibrilles elles-memes so dissocient, ce parallelisme est détruit et avec lui l'aspect, le phénomène optique des stries. Si, après la desagrégation des fibres, on examine au microscope les fibrilles elementaires, on distingue encore très-nettement à leur interieur les corpuscules, et on continue a. les voir, de plus en plus pales, jusqu'au moment où les fibrilles elles memes se liquéfient et disparaissent dans le suc gastrique. Ce qui constitue la striature, à proprement parler, n'est donc pas détruit, avant la liquéfaction de la fibre charnue elle-meme.«

In der die centrale Kugel unverdauten Fleisches umgebenden klebrigen Flüssigkeit fanden sich Fettkügelchen und kleine Stückchen elastischen Fasergewebes; keines von beiden war im geringsten verdaut. Auch waren wenige freie Parallelogramme einer gelblichen, in hohem Grade durchscheinenden Substanz vorhanden. Schiff erwähnt, wo er von der Verdauung des Fleisches durch den Magensaft spricht, derartige Parallelogramme und sagt: —

»Le gonflement par lequel commence la digestion de la viande, résulte de l'action du suc gastrique acide sur le tissu connectif qui se [89] dissout d'abord, et qui, par sa liquéfaction, désagrége les fibrilles. Celles-ci se dissolvent ensuite on grande partie, mais, avant de passer à l'état liquide, elles tendent à se briser en petits fragments transversaux. Les "sarcous elements" da Bowman, qui ne sont autre chose que les produits de cette division transversale des fibrilles élémentaires, peuvent etre prépares et isolés à l'aide du suc gastrique, pourvu qu'on n'attend pas jusqu'à la liquéfaction complète du muscle.»

Nach Verlauf von 72 Stunden von der Zeit an, wo die fünf Würfel auf die Blätter gelegt worden waren, öffnete ich die übrigen vier. Auf zweien war Nichts weiter zu sehen, als geringe Mengen durchsichtiger klebriger Flüssigkeit; als diese aber unter starker Vergrösserung untersucht wurde, lieszen sich darin Fettkügelchen, Stückchen elastischen Fasergewebes und einige wenige Parallelogramme von Fleischsubstanz unterscheiden, aber nicht eine Spur von Querstreifen. Auf den andern beiden Blättern waren nur äuszerst kleine Kügelchen theilweise verdauten Fleisches mitten in reichlicher durchsichtiger Flüssigkeit vorhanden.

Fibrin. — Stückchen Fibrin wurden vier Tage lang in Wasser gelassen, während die folgenden Experimente angestellt wurden; es fand aber nicht im Mindesten eine Einwirkung auf sie statt. Das Fibrin, welches ich zuerst anwandte, war nicht rein, sondern schlosz dunkle Theilchen ein; es war entweder nicht gut dargestellt worden, oder hatte später eine Umwandlung erlitten. Dünne, ungefähr 1/10 Quadratzoll grosse Stückchen wurden auf mehrere Blätter gelegt, und obgleich das Fibrin bald verflüssigt wurde, wurde doch niemals das Ganze aufgelöst. Es wurden dann kleinere Theilchen auf vier Blätter gebracht und Tropfen von Salzsäure (ein Theil auf 437 Theile Wasser) hinzugefügt; dies schien den Procesz der Verdauung zu beschleunigen, denn auf einem Blatte war nach 20 Stunden Alles verflüssigt und aufgesogen; aber auf den drei andern Blättern blieb nach 48 Stunden noch etwas unaufgelöster Rückstand. Es ist merkwürdig, dasz in allen den obigen sowie in den folgenden Experimenten, ebenso auch wenn gröszere Stückchen Fibrin angewandt wurden, die Blätter sehr wenig gereizt wurden; zuweilen war es nothwendig, ein wenig Speichel hinzuzufügen, um vollständige Einbiegung zu veranlassen. Überdies begannen die Blätter sich nach nur 48 Stunden wieder auszubreiten, während sie eine viel längere Zeit eingebogen geblieben wären, wenn Insecten, Fleisch, Knorpel, Eiweisz u. s. w. auf sie gelegt worden wären. [90] Ich machte dann Versuche mit etwas reinem weiszen Fibrin, welches mir Dr. Burdon Sanderson geschickt hatte.

1. Versuch. – Zwei Stückchen, kaum 1/20 Zoll (1,27 Mm.) im Geviert, wurden auf die entgegengesetzten Seiten eines und desselben Blattes gelegt. Eines derselben reizte die umgebenden Tentakeln gar nicht, und die Drüse, auf welcher es lag, vertrocknete bald. Das andere Stückchen bewirkte, dasz sich einige wenige der kurzen in der Nähe befindlichen Tentakeln einbogen, während die entfernteren nicht afficirt wurden. Nach 24 Stunden waren beide beinahe, und nach 72 Stunden beide vollständig aufgelöst.

2. Versuch. – Derselbe Versuch wurde mit demselben Resultate angestellt, indem auch hier nur eines der heiden Fibrinstückchen die kurzen umgebenden Tentakeln reizte. Die Einwirkung auf dieses Stückchen erfolgte so langsam, dasz ich es nach Verlauf eines Tages auf ein paar frische Drüsen schob. Innerhalb dreier Tage von der Zeit an, wo es zuerst auf das Blatt gelegt worden war, war es vollständig aufgelöst.

3. Versuch. – Stückchen Fibrin von ungefähr derselben Grösze wie vorher wurden auf die Scheiben zweier Blätter gelegt; dieselben bewirkten in 23 Stunden sehr geringe Einbiegung, aber nach 48 Stunden waren beide von den umgebenden kurzen Tentakeln wohl umfaszt und nach Verlauf weiterer 24 Stunden vollständig aufgelöst. Auf der Scheibe eines dieser Blätter blieb viel klare Flüssigkeit zurück.

4. Versuch. – Ähnliche Stückchen Fibrin wurden auf die Scheiben zweier Blätter gethan; da die Drüsen nach 2 Stunden ziemlich trocken zu sein schienen, wurden sie reichlich mit Speichel befeuchtet; dies bewirkte bald eine starke Einbiegung sowohl der Tentakeln als auch der Blattscheiben mit reichlicher Absonderung der Drüsen. In 18 Stunden war das Fibrin vollständig verflüssigt, aber unverdaute Atome schwammen noch in der Flüssigkeit; diese verschwanden indessen in weniger als zwei weiteren Tagen.

Nach diesen Experimenten ist es klar, dasz die Absonderung reines Fibrin vollständig auflöst. Die Schnelligkeit der Auflösung ist im Ganzen gering; dies hängt aber nur davon ab, dasz diese Substanz die Blätter nicht genügend erregt, so dasz nur die unmittelbar benachbarten Tentakeln eingebogen werden und die Menge des Secrets eine geringe bleibt.

Syntonin. – Diese aus Muskeln ausgezogene Substanz hatte mir Dr. Moore freundlichst präparirt. Sehr verschieden vom Fibrin wirkt sie schnell und energisch ein. Kleine, auf die Scheiben von drei Blättern gebrachte Portionen bewirkten innerhalb 8 Stunden eine starke Einbiegung ihrer Tentakeln und Scheiben; es wurden aber keine weiteren Beobachtungen angestellt. Es ist wahrscheinlich eine Folge der [91] Anwesenheit dieser Substanz, dasz rohes Fleisch ein zu mächtiger Reiz ist, welcher die Blätter häufig beschädigt oder selbst tödtet.

Zellgewebe. – Kleine Portionen dieses Gewebes von einem Schafe wurden auf die Scheiben dreier Blätter gelegt; diese wurden in 24 Stunden mäszig eingebogen, fiengen aber nach 48 Stunden an, sich wieder auszubreiten und waren in 72 Stunden vollständig ausgebreitet, immer von der Zeit an gerechnet, wo die Stückchen zuerst aufgelegt worden waren. Diese Substanz reizt daher, wie das Fibrin, die Blätter nur für kurze Zeit. Der auf den Blättern nach deren völliger Wiederausbreitung zurückgelassene Rückstand wurde unter starker Vergröszerung untersucht und stellte sich als bedeutend verändert heraus; aber in Folge der Anwesenheit einer Menge von elastischem Gewebe, welches niemals der Einwirkung unterliegt, konnte man kaum sagen, dasz er sich in einem verflüssigten Zustande befunden habe.

Etwas von elastischem Gewebe freies Zellgewebe verschaffte ich mir nun aus der Eingeweidehöhle einer Kröte und brachte Stücke von mäsziger Grösze, ebenso wie sehr kleine Stückchen auf fünf Blätter. Nach 24 Stunden waren zwei dieser Stückchen vollständig verflüssigt; zwei andere waren durchscheinend geworden, aber nicht ganz verflüssigt, während das fünfte nur wenig afficirt war. Mehrere Drüsen auf den drei letzten Blättern wurden nun mit etwas Speichel angefeuchtet, was bald eine bedeutende Einbiegung und Absonderung bewirkte, mit dem Resultate, dasz im Verlaufe von weiteren 12 Stunden nur ein Blatt ein Überbleibsel von unverdautem Gewebe noch darbot. Auf den Scheiben der vier andern Blätter (deren einem ein ziemlich groszes Stück gegeben worden war) war nichts zurückgelassen, ausgenommen etwas durchscheinende klebrige Flüssigkeit. Ich will noch hinzufügen, dasz etwas von diesem Gewebe Punkte von schwarzem Pigment enthielt, und diese waren durchaus gar nicht afficirt. Zur Controle wurden in einem andern Versuche kleine Partien dieses Gewebes in Wasser und auf feuchtem Moose eine gleich lange Zeit hindurch gelassen; sie blieben aber weisz und undurchsichtig. Aus diesen Thatsachen geht deutlich hervor, dasz Zellgewebe von dem Secrete leicht und schnell verdaut wird, dasz es aber die Blätter nur unbedeutend reizt.

Knorpel. – Drei Würfel (von 1/20 Zoll oder 1,27 Mm. Seitenlänge) weiszen, durchscheinenden, äuszerst zähen Knorpels wurden vom [92] Ende eines leicht gerösteten Schenkelbeins eines Schafes abgeschnitten. Dieselben wurden auf drei Blätter gelegt, welche ärmliche kleine Pflanzen in meinem Gewächshause im Laufe des November trugen; es schien mir im höchsten Grade unwahrscheinlich, dasz eine so harte Substanz unter so ungünstigen Umständen verdaut werden würde. Nichtsdestoweniger waren nach 48 Stunden die Würfel bedeutend gelöst und in äuszerst kleine Kugeln verwandelt, die von durchsichtiger, sehr saurer Flüssigkeit umgeben waren. Zwei dieser Kugeln waren bis zu ihrem Mittelpunkte vollständig aufgeweicht, während die dritte noch einen sehr kleinen, unregelmäszig geformten Kern von solidem Knorpel enthielt. Ihre Oberfläche erschien unter dem Mikroskope merkwürdig von vorspringenden Leisten gezeichnet, was dafür sprach, dasz der Knorpel von dem Secrete ungleichmäszig corrodirt war. Ich brauche kaum zu sagen, dasz Würfel desselben Knorpels, eine gleich lange Zeit in Wasser gelassen, nicht im Geringsten afficirt wurden.

Während einer günstigeren Jahreszeit wurden mäszig grosze Stückchen des abgehäuteten Ohres einer Katze, welches Knorpel, Bindegewebe und elastisches Gewebe enthält, auf drei Blätter gelegt. Einige der Drüsen wurden mit Speichel berührt, was eine sofortige Einbiegung veranlaszt. Zwei von den Blättern fiengen sich nach drei Tagen wieder auszubreiten an und das dritte am fünften Tage. Es wurde nun der flüssige Rückstand, der auf den Blattscheiben übrig gelassen war, untersucht; in einem Falle bestand derselbe aus vollkommen durchsichtiger klebriger Substanz; in den andern zwei Fällen enthielt er etwas elastisches Gewebe und allem Anscheine nach Überreste halbverdauten Zellgewebes.

Faserknorpel (aus den Zwischenwirbelbändern vom Schwanze eines Schafes). – Mäszig grosze und kleine Stückchen (die letzteren ungefähr 1/20 Zoll grosz) wurden auf neun Blätter gebracht. Einige derselben wurden ordentlich, manche wiederum sehr wenig eingebogen. Im letztern Falle wurden darin die Stückchen über die Scheiben hin gezogen, so dasz sie gehörig mit dem Secrete bestrichen und dabei auch viele Drüsen gereizt wurden. Alle diese Blätter breiteten sich nach nur zwei Tagen wieder aus, so dasz sie von dieser Substanz nur unbedeutend gereizt worden waren. Die Stückchen waren nicht verflüssigt, waren aber sicher in einem veränderten Zustande, waren geschwollen, viel durchscheinender, und so zart, dasz sie sich leicht zersetzten. Mein Sohn Francis stellte etwas künstlichen Magensaft dar, [93] welcher sich dadurch als wirksam erwies, dasz er Fibrin schnell auflöste, und suspendirte Portionen von Faserknorpel darin. Diese schwollen an und wurden hyalin, genau so wie die, welche der Einwirkung des Secrets der Drosera ausgesetzt waren, sie wurden aber nicht aufgelöst. Dieses Resultat überraschte mich sehr, da zwei Physiologen der Meinung waren, dasz Faserknorpel leicht vom Magensaft verdaut werden würde. Ich bat daher Dr. Klein, die Stückchen zu untersuchen; er theilt mir mit, dasz die beiden, welche der Einwirkung des künstlichen Magensaftes ausgesetzt gewesen wären, "sich in dem Zustande der Verdauung befanden, auf welchem wir Bindegewebe finden, wenn es mit einer Säure behandelt wird, d. h. geschwollen, mehr oder weniger hyalin, wobei die Fibrillenbündel homogen geworden sind und ihren fibrillären Bau verloren haben." In den Stückchen, welche auf den Blättern der Drosera gelassen worden waren, bis sich diese wieder ausgebreitet hatten, "waren einzelne Stellen, wenn auch nur unbedeutend, in derselben Art und Weise umgewandelt, wie die dem Magensafte ausgesetzten, da auch sie durchscheinender, beinahe hyalin und die Fibrillation der Bündel undeutlich geworden war." Auf den Faserknorpel wirkt daher der Magensaft in nahezu derselben Art und Weise ein wie das Secret der Drosera.

Knochen. – Kleine, glatte Stückchen des getrockneten Zungenbeins eines Huhns wurden mit Speichel befeuchtet auf zwei Blätter gebracht und ein ähnlich befeuchteter Splitter eines auszerordentlich harten, angerösteten Knochens aus einem Hammelcotelette auf ein drittes Blatt. Diese Blätter wurden bald stark eingebogen und blieben eine ungewöhnlich lange Zeit hindurch so: nämlich, das eine Blatt zehn und die andern beiden neun Tage lang. Die Knochenstückchen waren während dieser ganzen Zeit von saurem Secrete umgeben. Als sie unter schwacher Vergrösserung untersucht wurden, zeigten sie sich völlig erweicht, so dasz sie leicht mit einer stumpfen Nadel durchstochen, in Fasern zerrissen, oder zusammengedrückt werden konnten. Dr. Klein war so gut, von beiden Knochen Durchschnitte zu machen und dieselben zu untersuchen. Er theilt mir mit, dasz beide die normale Erscheinung von entkalktem Knochen darboten, gelegentlich hier und da noch mit Überresten der erdigen Salze. Die Knochenkörperchen mit ihren Fortsätzen waren an den meisten Stellen sehr deutlich; aber an einigen Stellen, besonders in der Nähe der Peripherie des Zungenbeins, waren keine zu sehen. Andere Partien erschienen [94] ferner ganz amorph; es war nicht einmal die Längsstreifung des Knochens mehr zu erkennen. Diese amorphe Structur kann, wie Dr. Klein meint, entweder das Resultat der beginnenden Verdauung der fasrigen Grundlage oder der Entfernung sämmtlicher erdiger Substanz sein, wodurch die Knochenkörperchen unsichtbar geworden waren. Eine harte, brüchige gelbliche Substanz nahm die Stelle des Knochenmarks in den Bruchstücken des Zungenbeins ein.

Da die Kanten und kleinen Vorsprüge der fasrigen Grundsubstanz nicht im mindestens abgerundet oder corrodirt waren, so wurden zwei dieser Stückchen auf frische Blätter gelegt. Dieselben waren am nächsten Morgen dicht eingebogen und blieben es, das eine sechs, das andere sieben Tage lang, daher keine so lange Zeit hindurch als bei der ersten Gelegenheit, aber doch viel länger, als jemals bei Blättern vorkommt, welche über unorganische oder selbst viele organische Körper eingebogen wurden. Das Secret färbte die ganze Zeit hindurch Lackmus-Papier hellroth; dies kann aber[WS 1] eine Folge der Anwesenheit von saurem Kalksuperphosphat gewesen sein. Als sich die Blätter wieder ausbreiteten, waren die Kanten und Vorsprünge der faserigen Grundlage so scharf wie je. Ich folgerte daher hieraus (wie wir gleich sehen werden irrthümlicherweise), dasz das Secret die faserige Grundsubstanz des Knochens nicht angreifen könne. Die wahrscheinlichere Erklärung ist die, dasz die ganze Säure bei der Zersetzung des noch übrig gelassenen phosphorsauren Kalkes aufgebraucht worden war, so dasz keine mehr im freien Zustande übrig war, um in Verbindung mit dem Ferment auf die faserige Grundsubstanz einzuwirken.

Schmelz und Zahnbein. – Da das Secret gewöhnlichen Knochen seines Kalkes beraubte, entschlosz ich mich zu versuchen, ob sie auch auf Schmelz und Zahnbein einwirken würde, erwartete aber nicht, dasz es bei einer so harten Substanz wie dem Zahnschmelz Erfolg haben würde. Dr. Klein gab mir einige dünne Querschnitte des Eckzahns eines Hundes; hiervon wurden kleine eckige Bruchstücke auf vier Blätter gebracht; und diese wurden an jedem folgenden Tage um dieselbe Stunde untersucht. Ich glaube, die Resultate verdienen im Detail mitgetheilt zu werden.

1. Versuch. – 1. Mai; ein Bruchstück auf ein Blatt gebracht; am 3. waren die Tentakeln nur wenig eingebogen, es wurde daher etwas Speichel zugesetzt; am 6.: da die Tentakeln nicht stark eingebogen waren, wurde das Fragment auf ein anderes Blatt gebracht, welches zuerst nur [95] langsam reagierte, aber am 9. das Bruchstück dicht umschlosz. Am 11. fieng dies zweite Blatt an, sich wieder auszubreiten; das Bruchstück war offenbar erweicht, und Dr. Klein berichtet: »ein groszer Theil des Schmelzes und der gröszere Theil des Zahnbeins des Kalkes beraubt.«

2. Versuch. – 1. Mai; ein Bruchstück auf ein Blatt gelegt; am 2. waren die Tentakeln ziemlich ordentlich eingebogen, bei reichlicher Absonderung auf der Scheibe, und blieben bis zum 7. eingebogen, wo sich das Blatt wieder ausbreitete. Das Fragment wurde nun auf ein frisches Blatt gebracht, welches am nächsten Tage (am 8.) in der stärksten Weise eingebogen war und bis zum 11. so blieb, wo es sich wieder ausbreitete. Dr. Klein berichtet: »ein groszer Theil des Schmelzes und der gröszere Theil des Zahnbeins des Kalkes beraubt«

3. Versuch. – 1. Mai; ein Bruchstück mit Speichel befeuchtet und auf ein Blatt gebracht, welches bis zum 5. gut eingebogen blieb und sich dann wieder ausbreitete. Der Schmelz war durchaus nicht und das Zahnbein nur unbedeutend erweicht. Das Bruchstück wurde nun auf ein frisches Blatt gebracht, welches am nächsten Morgen (6.) stark eingebogen war und bis zum 11. so blieb. Der Schmelz und das Zahnbein waren jetzt beide etwas erweicht, und Dr. Klein berichtet: »weniger als die Hälfte des Schmelzes, aber der gröszere Theil des Zahnbeins des Kalkes beraubt«

4. Versuch. – 1. Mai; ein äuszerst kleines und dünnes Stückchen Zahnbein wurde, mit Speichel befeuchtet, auf ein Blatt gebracht, welches bald eingebogen wurde und sich am 5. wieder ausbreitete. Das Zahnbein war so biegsam geworden wie dünnes Papier. Es wurde dann auf ein frisches Blatt gebracht, welches am nächsten Morgen (am 6.) stark eingebogen war und sich am 10. wieder öffnete. Das seiner Kalksalze beraubte Zahnbein war nun so zart, dasz es durch die blosze Kraft der sich ausbreitenden Tentakeln in Stückchen zerrissen wurde.

Aus diesen Versuchen geht hervor, dasz die Schmelzsubstanz von dem Secrete mit mehr Schwierigkeit angegriffen wird, als das Zahnbein, wie sich nach ihrer auszerordentlichen Härte hätte erwarten lassen; beide werden ferner schwieriger angegriffen als Knochen. Nachdem der Procesz der Auflösung einmal begonnen hat, wird er mit gröszerer Leichtigkeit weiter geführt; dies kann man daraus schlieszen, dasz die Blätter, auf welche die Bruchstücke übertragen wurden, in allen vier Fällen im Laufe eines einzigen Tages stark eingebogen wurden, während die erste Reihe Blätter viel weniger schnell und energisch reagierten. Die Kanten und Vorsprünge der faserigen Gnundsubstanz des Schmelzes und Zahnbeins (vielleicht mit Ausnahme des 4. Falles, welcher nicht ordentlich beobachtet werden konnte) waren nicht im mindesten abgerundet; auch bemerkt Dr. Klein, dasz ihre mikroskopische Stnctur nicht verändert gewesen sei. Dies hätte man aber [96] auch nicht erwarten können, da die Entkalkung in den drei Exemplaren, welche sorgfältig untersucht wurden, nicht vollständig war.

Faserige Grundsubstanz des Knochens. – Ich war, wie ich bereits angeführt habe, zuerst zu dem Schlusse gelangt, dasz das Secret diese Substanz nicht verdauen könne. Ich bat daher Dr. Burdon Sanderson, die Verdauung von Knochen, Schmelz und Zahnbein in künstlichem Magensaft zu versuchen, und er fand, dasz sie nach einer beträchtlichen Zeit vollständig aufgelöst wurden. Dr. Klein untersuchte einige der kleinen Lamellen, in welche sich ein Stück eines Katzenschädels nach einem ungefähr einwöchentlichen Liegen in jener Flüssigkeit spaltete, und fand, dasz nach den Rändern zu "die Grundsubstanz rarificirt war, so dasz das Aussehen entstand, als wenn die Canälchen der Knochenkörperchen gröszer geworden wären. Übrigens waren die Körperchen und ihre Canälchen sehr deutlich." Es geht daher bei Knochen, welche der Einwirkung künstlichen Magensaftes ausgesetzt werden, die vollständige Entkalkung der Auflösung der faserigen Grundsubstanz voraus. Dr. Burdon Sanderson sprach die Vermuthung gegen mich aus, dasz das scheinbare Unvermögen der Drosera, die faserige Grundsubstanz des Knochens, Schmelzes und Zahnbeins zu verdauen, vielleicht eine Folge davon sei, dasz die Säure bei der Zersetzung der erdigen Salze aufgebraucht werde, so dasz keine übrig bleibe für die Arbeit der Verdauung. Dementsprechend entkalkte mein Sohn den Knochen eines Schafes gänzlich mitte1st schwacher Salzsäure; sieben äuszerst kleine Fragmente der faserigen Grundsubstanz wurden auf ebenso viele Blätter gebracht, wobei vier dieser Bruchstücke zuerst mit Speichel befeuchtet wurden, um die sofortige Einbiegung zu unterstützen. Sämmtliche sieben Blätter wurden eingebogen, aber nur sehr mäszig, und zwar im Verlaufe eines Tages. Sie fiengen schnell an, sich wieder auszubreiten, fünf von ihnen schon am zweiten und die andern beiden am dritten Tag. Auf allen sieben Blättern war das fasrige Gewebe in vollkommen durchscheinende, klebrige, mehr oder weniger verflüssigte kleine Massen verwandelt. In der Mitte einer derselben sah indessen mein Sohn bei starker Vergröszerung einige wenige Körperchen mit Spuren einer Faserung in der umgebenden durchscheinenden Substanz. Nach diesen Thatsachen ist es klar, dasz die Blätter von der fasrigen Grundsubstanz des Knochens sehr wenig gereizt werden, dasz aber das Secret dieselbe leicht und schnell verflüssigt, wenn sie vollständig entkalkt ist. Die Drüsen, [97] welche zwei oder drei Tage lang mit den klebrigen Massen in Berührung geblieben waren, waren nicht entfärbt und hatten dem Anscheine nach wenig von dem verflüssigten Gewebe absorbirt, oder waren nur wenig von ihm afficirt worden.

Phosphorsaurer Kalk. – Da, wie wir gesehen haben, die Tentakeln der ersten Reihe Blätter neun oder zehn Tage lang über minutiösen Knochenfragmenten eingeschlagen geblieben waren, die Tentakeln der Blätter der zweiten Reihe über denselben Fragmenten sechs oder sieben Tage lang, so wurde ich auf die Vermuthung geführt, dasz es der phosphorsaure Kalk und nicht irgend welche eingeschlossene thierische Substanz sei, welcher eine so lange andauernde Einbiegung bewirke. Nach dem, was soeben erst gezeigt worden ist, ist es wenigstens sicher, dasz letztere nicht in Folge der Anwesenheit der fasrigen Grundsubstanz eintrat. Bei Schmelz und Zahnbein (ersterer enthält nur 4 Procent organischer Substanz) blieben die Tentakeln zweier nach einander versuchter Reihen von Blättern im Ganzen elf Tage lang eingebogen. Um meine Meinung über die Wirksamkeit des phosphorsauren Kalks zu prüfen, verschaffte ich mir durch Professor Frankland etwas von thierischer Substanz und von irgend einer Säure absolut freies Phosphat. Eine kleine mit Wasser angefeuchtete Quantität wurde auf die Scheiben von zwei Blättern gebracht. Eines derselben wurde nur unbedeutend afficirt; das andere blieb zehn Tage lang dicht eingebogen, worauf dann einige wenige Tentakeln sich wieder auszustrecken begannen, während die übrigen bedeutend beschädigt oder getödtet waren. Ich wiederholte das Experiment, befeuchtete aber das Phosphat mit Speichel, um einer sofortigen Einbiegung mich zu versichern. Ein Blatt blieb sechs Tage lang eingebogen (die geringe Menge des angewandten Speichels würde auch nicht annähernd so lange gewirkt haben) und starb dann ab; das andere Blatt versuchte am sechsten Tage sich wieder auszubreiten, es gelang ihm aber nach neun Tagen nicht, dann starb es gleichfalls. Obgleich die diesen vier Blättern gegebene Quantität von Phosphat äuszerst klein war, blieb doch in allen Fällen viel ungelöst zurück. Eine gröszere mit Wasser befeuchtete Quantität wurde nun zunächst auf die Scheiben von drei Blättern gebracht; diese wurden im Laufe von 24 Stunden äuszerst stark eingebogen. Sie breiteten sich niemals wieder aus; am vierten Tage sahen sie kränklich aus und am sechsten waren sie beinahe todt. Grosze Tropfen nicht sehr [98] klebriger Flüssigkeit hiengen während der sechs Tage von ihren Rändern herab. Diese Flüssigkeit wurde jeden Tag mit LackmusPapier probirt, färbte es aber niemals; dies ist ein Umstand, den ich nicht verstehen kann, da das Kalksuperphosphat ja sauer ist. Ich vermuthe nämlich, dasz sich etwas Superphosphat durch Einwirkung der Säure des Secrets auf das Phosphat gebildet haben musz, dasz es aber gänzlich absorbirt worden ist und die Blätter verletzt hat; die groszen von den Blatträndern herabhängenden Tropfen wären dann eine abnorme und hydropische Absonderung. Unter allen Umständen ist offenbar der phosphorsaure Kalk ein äuszerst wirksames Reizmittel. Selbst kleine Dosen sind mehr oder weniger giftig, wahrscheinlich in Folge desselben Princips, wonach rohes Fleisch und andere im Überschusz gegebene nährbare Substanzen die Blätter tödten. Es ist daher die Schluszfolgerung ohne Zweifel correct, dasz die lange andauernde Einbiegung der Tentakeln über Bruchstücken von Knochen, Schmelz und Zahnbein durch die Gegenwart von phosphorsaurem Kalk, nicht durch die irgend welcher eingeschlossener thierischer Substanz bewirkt wird.

Gelatine. – Ich benutzte reine Gelatine in dünnen Blättern, welche mir Prof. Hoffmann gegeben hatte. Zur Vergleichung wurden Quadrate von derselben Grösze wie die auf die Blätter gelegten dicht daneben auf feuchtem Moose liegen gelassen. Diese schwollen bald an, behielten aber ihre Kanten drei Tage lang; nach fünf Tagen bildeten sie abgerundete, erweichte Massen; aber selbst am achten Tage noch konnte eine Spur von Gelatine nachgewiesen werden. Andere Quadrate wurden in Wasser eingetaucht, und obgleich diese bedeutend aufschwollen, behielten sie doch ihre Kanten sechs Tage lang. Quadrate von 1/10 Zoll (2,54 Mm.) Seitenlänge wurden, eben mit Wasser befeuchtet, auf zwei Blätter gelegt, und nach zwei oder drei Tagen war nichts mehr auf ihnen übrig als etwas saure klebrige Flüssigkeit, welche in diesem Falle eben so wenig wie in andern irgendwelche Neigung zeigte, sich wieder in Gallerte zu verwandeln; es musz daher das Secret auf die Gelatine anders einwirken als Wasser und allem Anscheine nach in derselben Art und Weise, wie es der Magensaft thut[7]. Vier Quadrate von derselben Grösze wie vorhin wurden dann drei Tage lang in Wasser eingeweicht und dann auf [99] grosze Blätter gebracht; die Gelatine war in zwei Tagen verflüssigt und sauer geworden, rief aber keine starke Einbiegung hervor. Die Blätter fiengen nach vier oder fünf Tagen an, sich wieder auszubreiten, wobei viel klebrige Flüssigkeit auf ihren Scheiben liegen blieb, als wenn nur wenig absorbirt worden wäre. Eines dieser Blätter fieng, sobald es sich wieder ausgebreitet hatte, eine kleine Fliege und war nach 24 Stunden dicht eingebogen; woraus hervorgeht, um wie viel wirksamer die von einem Insect aufgesaugte thierische Substanz ist als Gelatine. Einige gröszere, fünf Tage lang in Wasser eingeweichte Stücke Gelatine wurden dann auf drei Blätter gebracht, diese wurden aber nicht eher als am dritten Tage bedeutend eingebogen; auch war die Gelatine nicht vor dem vierten Tage vollständig verflüssigt. An diesem Tage fieng das eine Blatt an, sich wieder auszubreiten, das zweite am fünften, das dritte am sechsten Tage. Diese verschiedenen Thatsachen beweisen, dasz die Gelatine durchaus nicht energisch auf die Drosera einwirkt.

Im letzten Capitel wurde gezeigt, dasz eine Lösung von Hausenblase, wie sie im Handel vorkommt, so dick wie Milch oder Rahm eine starke Einbiegung veranlaszt. Ich wünschte daher ihre Einwirkung mit der der reinen Gelatine zu vergleichen. Lösungen von einem Theile beider Substanzen in 218 Theilen Wasser wurden gemacht, und halbe Minim-Tropfen (0,0296 Cub. Cent.) auf die Scheiben von acht Blättern gethan, so dasz ein jedes 1/480 Gran (0,135 Milligr.) erhielt. Die vier Blätter mit der Hausenblase wurden viel stärker eingebogen als die andern vier. Ich schliesze daher hieraus, dasz die Hausenblase etwas, wennschon vielleicht sehr wenig, lösliche albuminiöse Substanz enthält. Sobald diese acht Blätter sich wieder ausgebreitet hatten, wurden ihnen Stöckchen gerösteten Fleisches gegeben, und alle wurden in einigen Stunden bedeutend eingebogen; was wiederum zeigt, wie viel mehr Fleisch die Drosera reizt, als es Gelatine oder Hausenblase thut. Dies ist eine interessante Thatsache, da es wohl bekannt ist, dasz Gelatine für sich allein nur wenig im Stande ist, Thiere zu ernähren [8].

Chondrin. – Dies schickte mir Dr. Moore im gallertigen Zustande. Etwas davon wurde langsam getrocknet und ein kleines [100] Schnittchen davon auf ein Blatt, ein viel gröszeres Schnittchen auf ein zweites Blatt gelegt. Das erste war in einem Tage verflüssigt; das gröszere Stück war bedeutend geschwollen und erweicht, war aber nicht vor dem dritten Tage vollständig flüssig geworden. Es wurde nun die nicht getrocknete Gallerte versucht, und als Controleversuch wurden kleine Würfel vier Tage lang in Wasser liegen gelassen, wo sie ihre Kanten behielten. Würfel derselben Grösze wurden auf zwei Blätter, und gröszere Würfel auf zwei andere Blätter gelegt. Die Tentakeln und Blattscheiben der letzteren waren nach 22 Stunden dicht eingebogen, diejenigen der beiden Blätter mit den kleineren Würfelchen aber nur in einem mäszigen Grade. Die Gallerte war in dieser Zeit auf allen vier Blättern verflüssigt und sehr sauer geworden. Die Drüsen waren in Folge der Zusammenballung ihres protoplasmatischen Inhalts geschwärzt. In 46 Stunden von der Zeit an, wo die Gallerte aufgelegt worden war, hatten sich die Blätter beinahe wieder ausgebreitet, und waren vollständig ausgebreitet nach 70 Stunden, jetzt war nur ein wenig in geringem Grade klebrige Flüssigkeit nicht aufgesaugt auf den Blattscheiben übrig geblieben.

Ein Theil der Chondrin-Gallerte wurde in 218 Theilen kochenden Wassers aufgelöst und halbe Minim-Tropfen auf vier Blätter gebracht; ein jedes derselben erhielt also 1/480 Gran (0,135 Milligr.) von der Gallerte, und natürlich viel weniger trockenes Chondrin. Dies wirkte äuszerst kräftig, denn nach nur 3 Stunden 80 Minuten waren alle vier Blätter stark eingebogen. Drei derselben fiengen nach 24 Stunden an, sich wieder auszubreiten und waren in 48 Stunden vollständig geöffnet; das vierte aber hatte sich nur zum Theil wieder ausgebreitet. Alles flüssig gewordene Chondrin war in dieser Zeit absorbirt. Es scheint daher eine Lösung von Chondrin bei weitem schneller und energischer einzuwirken als reine Gelatine oder Hausenblase; gute Gewährsmänner haben mir aber versichert, dasz es äuszerst schwierig, wenn nicht unmöglich ist zu erkennen, ob Chondrin rein ist, und wenn dasselbe irgend welche albuminöse Verbindung enthielt, würde diese die oben geschilderten Wirkungen hervorgebracht haben. Nichtsdestoweniger habe ich diese Thatsachen der Mittheilung werth gehalten, da über den Ernährungswerth der Gelatine noch so viel Zweifel besteht; auch kennt Dr. Lauder Brunton keine Versuche an Thieren über den relativen Werth der Gelatine und des Chondrins.

Milch. – Wir haben im letzten Capitel gesehen, dasz Milch [101] äuszerst kräftig auf die Blätter wirkt; ob dies aber in Folge des in ihr enthaltenen Casëins oder Albumins geschieht, weisz ich nicht. Ziemlich grosze Tropfen Milch regen eine so starke Absonderung an (die sehr sauer ist), dasz sie zuweilen von den Blättern abtröpfelt; dies ist gleichfalls für chemisch präparirtes Casëin characteristisch. Sehr kleine Tropfen Milch auf Blätter gebracht, waren in ungefähr zehn Minuten geronnen. Schiff läugnet [9] dasz die Gerinnung der Milch durch den Magensaft ausschlieszlich Folge der vorhandenen Säure sei, sondern schreibt sie theilweise dem Pepsin zu; es scheint auch zweifelhaft zu sein, ob bei Drosera die Coagulation gänzlich eine Folge der Säure ist, da das Secret gewöhnlich Lackmus-Papier nicht eher färbt, als bis die Tentakeln ordentlich eingebogen worden sind, während doch, wie wir gesehen haben, die Coagulation in ungefähr zehn Minuten beginnt. Sehr kleine Tropfen abgerahmter Milch wurden auf die Scheiben von fünf Blättern gebracht; ein groszer Theil der geronnenen Substanz oder des Quarks war in 6 Stunden und noch vollständiger in 8 Stunden aufgelöst. Diese Blätter breiteten sich nach zwei Tagen wieder aus, und nun wurde die auf ihren Scheiben zurückgelassene klebrige Flüssigkeit sorgfältig abgekratzt und untersucht. Auf den ersten Blick schien es, als ob nicht alles Casëin aufgelöst worden sei, denn es blieb ein wenig Substanz zurück, welche bei auffallendem Lichte weisz erschien. Wenn aber diese Substanz unter starker Vergröszerung untersucht und mit einem minutiösen Tropfen abgerahmter, durch Essigsäure zur Gerinnung gebrachter Milch verglichen wurde, so sah man, dasz sie ausschlieszlich aus mehr oder weniger aggregirten Fettkügelchen ohne eine Spur von Casëin bestand. Da ich mit der mikroskopischen Erscheinung der Milch nicht vertraut war, bat ich Dr. Lauder Brunton die Präparate zu untersuchen; er prüfte die Kügelchen mit Äther und fand, dasz sie sich darin lösten. Wir dürfen daher schlieszen, dasz das Secret das Casëin in dem Zustande, in dem es in der Milch existirt, schnell auflöst.

Chemisch präparirtes Casëin. – Diese Substanz, welche in Wasser unlöslich ist, wird von vielen Chemikern für von dem Casëin der frischen Milch verschieden gehalten. Ich verschaffte etwas davon, aus harten Kügelchen bestehend, von den Herren Hopkins und Williams und stellte viele Versuche damit an. Kleine Stückchen und [102] das Pulver, beides sowohl im trockenen Zustande als mit Wasser angefeuchtet, veranlaszten die Blätter, auf welche sie gelegt wurden, sich sehr langsam einzubiegen, meist nicht vor Ablauf zweier Tage. Andre, mit schwacher Salzsäure (ein Theil auf 437 Theile Wasser) befeuchtet, wirkten in einem einzigen Tage, wie es auch etwas von Dr. Moore frisch für mich präparirtes Casëin that. Die Tentakeln blieben gewöhnlich sieben bis neun Tage lang eingebogen, und während dieser ganzen Zeit war das Secret stark sauer. Selbst am elften Tage war etwas auf der Scheibe eines vollständig wieder ausgebreiteten Blattes zurückgebliebenes Secret noch stark sauer. Die Säure scheint schnell abgesondert zu werden, denn in einem Falle färbte das Secret von den scheibenständigen Drüsen, auf welche ein wenig gepulvertes Casëin gestreut worden war, Lackmus-Papier, ehe noch einer der äuszeren Tentakeln eingebogen worden war.

Kleine Würfel mit Wasser angefeuchteten harten Casëins wurden auf zwei Blätter gebracht; nach drei Tagen waren die Kanten des einen Würfels ein wenig abgerundet, und nach sieben Tagen bestanden beide aus runden erweichten Massen, mitten in vieler klebriger und saurer Absonderungsflüssigkeit. Man darf aber aus dieser Thatsache nicht folgern, dasz die Kanten aufgelöst worden wären, denn Würfel, welche in Wasser gelegt waren, zeigten eine ähnliche Einwirkung. Nach neun Tagen begannen diese Blätter sich wieder auszubreiten; das Casëin schien aber in diesem Falle wie in anderen Fällen, so weit sich mit bloszem Auge beurtheilen liesz, an Umfang nicht bedeutend, wenn überhaupt nur, reducirt worden zu sein. Nach der Angabe Hoppe-Seyler's und Lubavin's[10] besteht das Casëin aus einer eiweiszartigen Substanz in Verbindung mit einer nicht eiweiszartigen: und die Absorption einer sehr geringen Quantität der ersteren wird die Blätter reizen und doch das Casëin in keinem bemerkbaren Grade vermindern. Schiff behauptet[11] – und dies ist eine bedeutungsvolle Thatsache für uns, – dasz "la casëine purifiée des chimistes est un corps presque complètement inattaquable par le suc gastrique." Wir haben daher hier einen andern Punkt der Übereinstimmung zwischen dem Secret der Drosera und dem Magensaft, da beide auf das frische Casëin der Milch und das von Chemikern präparirte Casëin so verschieden wirken. [103] Ein paar Versuche wurden mit Käse gemacht; Würfel von 1/20 Zoll (1,27 Mm.) wurden auf vier Blätter gelegt, worauf dieselben nach einem oder zwei Tagen ordentlich eingebogen wurden, während ihre Drüsen viel saures Secret ergoszen. Nach fünf Tagen fiengen sie an, sich wieder auszubreiten, aber das eine starb ab, und einige von den Drüsen auf den andern Blättern waren verletzt. Nach bloszem Augenscheine zu urtheilen waren die auf den Blattscheiben zurückgelassenen erweichten und niedergesunkenen Massen von Käse sehr wenig oder überhaupt gar nicht der Grösze nach reducirt. Wir dürfen indesz wohl nach der Zeit, während welcher die Tentakeln eingebogen blieben, nach der veränderten Farbe einiger Drüsen, ebenso wie nach der Schädigung andrer schlieszen, dasz Substanz aus dem Käse absorbirt worden war.

Legumin. – Ich erhielt diese Substanz nicht im getrennten Zustande; man kann aber kaum daran zweifeln, dasz sie leicht verdaut werden wird, wenn man nach der kräftigen Wirkung urtheilt, welche, wie im letzten Capitel beschrieben wurde, durch Tropfen einer Abkochung grüner Erbsen hervorgebracht wird. Dünne Schnittchen einer getrockneten Erbse wurden, nachdem sie in Wasser eingeweicht worden waren, auf zwei Blätter gethan; diese wurden im Laufe einer einzigen Stunde einigermaszen, und in 21 Stunden äuszerst stark eingebogen. Sie breiteten sich nach drei oder vier Tagen wieder aus. Die Schnittchen waren nicht verflüssigt, denn die aus Cellulose bestehenden Zellwände werden von dem Secrete nicht im geringsten angegriffen.

Pollen. – Ein wenig frischer Pollen von der gemeinen Erbse wurde auf die Scheiben von fünf Blättern gelegt, welche bald dicht eingebogen wurden und es für zwei oder drei Tage blieben.

Die Körner wurden dann entfernt und unter dem Mikroskope untersucht; es fand sich, dasz sie entfärbt und die Ölkügelchen merkwürdig zusammengeballt waren. Bei vielen war der Inhalt bedeutend zusammengeschrumpft und einige waren beinahe leer. Nur in einigen wenigen Fällen waren die Pollenschläuche vorgetreten. Es konnte daran kein Zweifel sein, dasz das Secret die äuszeren Hüllen der Körner durchdrungen und den Inhalt theilweise verdaut hatte. Dasselbe musz bei dem Magensaft der Insecten der Fall sein, welche von Pollen sich ernähren, ohne ihn zu zerkauen[12]. Drosera wird [104] natürlich im Naturzustande in einer gewissen Ausdehnung aus diesem Vermögen, Pollen zu verdauen, Nutzen ziehen, da zahllose Körner aus den Ried- und andern Gräsern, den Sauerampfern, Fichtenbäumen und andern vom Winde befruchteten Pflanzen, welche gewöhnlich in derselben Örtlichkeit wachsen, unvermeidlich von der die vielen Drüsen umgebenden klebrigen Absonderung werden gefangen werden.

Leim. – Diese Substanz ist aus zwei eiweiszartigen Körpern, einem in Alkohol löslichen und einem darin unlöslichen, zusammengesetzt[13]. Es wurde etwas Leim einfach durch Auswaschen von Weizenmehl in Wasser dargestellt. Zunächst wurde ein provisorischer Versuch mit verhältnismäszig groszen Stücken, die auf zwei Blätter gelegt wurden, angestellt; die Blätter waren nach 21 Stunden dicht eingebogen und blieben es vier Tage lang, als eines abstarb, während die Drüsen des andern äuszerst intensiv geschwärzt waren; doch wurde es nicht weiter beobachtet. Es wurden nun kleinere Stückchen auf zwei Blätter gelegt; diese wurden in zwei Tagen nur unbedeutend eingebogen, wurden es aber später viel stärker. Ihre Absonderung war nicht so stark sauer wie die der durch Casëin gereizten Blätter. Nachdem die Stückchen Leim drei Tage auf den Blättern gelegen hatten, waren sie viel durchsichtiger als andere, ebenso lange Zeit in Wasser liegen gelassene Stückchen. Nach sieben Tagen breiteten sich beide Blätter wieder aus, der Leim schien aber kaum irgend wie an Grösze reducirt zu sein. Die Drüsen, welche mit ihm in Berührung gewesen waren, waren äuszerst schwarz. Es wurden nun noch kleinere Stückchen halb faulen Leims auf zwei Blättern versucht; diese waren in 24 Stunden ordentlich eingebogen, und gänzlich so in vier Tagen, die Drüsen in Berührung mit der Substanz stark geschwärzt. Nach fünf Tagen fieng ein Blatt an sich wieder auszubreiten und nach acht Tagen waren beide vollständig ausgebreitet, wobei noch etwas Leim auf ihren Scheiben zurückgeblieben war. Weiter wurden vier kleine Schnittchen getrockneten Leimes, die eben nur in Wasser getaucht waren, versucht, und diese wirkten etwas verschieden von frischem Leim. Das eine Blatt war in drei Tagen beinahe vollständig wieder ausgebreitet, und die andern drei Blätter in vier Tagen. Die Schnittchen waren bedeutend aufgeweicht, beinahe verflüssigt, [105] aber nicht nahezu gänzlich aufgelöst. Die Drüsen, welche mit ihnen in Berührung gewesen waren, waren, anstatt bedeutend geschwärzt zu sein, von einer sehr blassen Färbung und viele von ihnen waren offenbar getödtet.

In nicht einem einzigen unter diesen zehn Fällen war der ganze Leim aufgelöst, selbst wenn nur sehr kleine Stückchen gegeben worden waren. Ich bat in Folge dessen Dr. Burdon Sanderson, Leim in künstlicher Verdauungsflüssigkeit von Pepsin mit Salzsäure zu versuchen; dies löste das Ganze auf. Der Leim wurde indessen bedeutend langsamer angegriffen als Fibrin; das Verhältnis der in 4 Stunden aufgelösten Menge betrug 40,8 Leim auf 100 Fibrin. Auch in zwei andern verdauenden Flüssigkeiten, bei denen die Salzsäure durch Propionsäure und durch Buttersäure ersetzt war, wurde der Leim versucht und von dieser Flüssigkeit bei der gewöhnlichen Zimmertemperatur vollständig aufgelöst. Hier haben wir denn endlich einen Fall vor uns, in welchem allem Anscheine nach ein wesentlicher Unterschied in dem Verdauungsvermögen des Secrets der Drosera und des Magensaftes besteht; der Unterschied würde auf das Ferment beschränkt sein, denn, wie wir so eben gesehen haben, wirkt Pepsin in Verbindung mit Säuren der Essigreihe vollkommen auf den Leim ein. Ich glaube, die Erklärung liegt einfach in der Thatsache, dasz Leim ein zu kräftiges Reizmittel ist (wie rohes Fleisch, oder phosphorsaurer Kalk, oder selbst ein zu groszes Stück Eiweisz) und dasz er die Drüsen verletzt oder tödtet, ehe sie Zeit gehabt haben, eine genügende Menge der passenden Absonderung zu ergieszen. Dasz etwas Substanz aus dem Leim absorbirt wird, dafür gibt die Länge der Zeit einen deutlichen Beleg, während welcher die Tentakeln eingebogen bleiben, ebenso die bedeutend veränderte Färbung der Drüsen.

Auf den Rath des Dr. Sanderson wurde etwas Leim 15 Stunden lang in schwacher Salzsäure (0,02 Procent) gelassen, um die Stärke daraus zu entfernen. Er wurde farblos, durchsichtiger und aufgeschwollen. Kleine Partien wurden gewaschen und auf fünf Blätter gebracht, welche bald dicht eingebogen wurden, sich aber zu meiner Überraschung in 48 Stunden vollständig wieder ausbreiteten. Auf zweien der Blätter war nur eine Spur von Leim zurückgeblieben, und nicht eine Spur auf den andern dreien. Die klebrige und saure Absonderung, welche auf den Scheiben der letzten drei Blätter geblieben war, wurde abgeschabt und von meinem Sohne mit einer starken [106] Vergröszerung untersucht; es liesz sich indessen nichts erkennen als ein wenig Schmutz und eine ziemlich bedeutende Anzahl von Stärkmehlkörnern, welche von der Salzsäure nicht aufgelöst worden waren. Einige der Drüsen waren ziemlich blasz. Wir erkennen hieraus, dasz mit schwacher Salzsäure behandelter Leim kein so kräftiger und kein so anhaltender Reiz ist wie frischer Leim, auch die Drüsen nicht bedeutend verletzt; und wir erkennen ferner, dasz er von dem Secrete schnell und vollständig verdaut werden kann.

Globulin oder Crystallin. – Dr. Moore war so gut, mir diese Substanz aus der Linse des Auges darzustellen; sie bestand aus harten, farblosen, durchscheinenden Bruchstücken. Es wird angegeben [14], Globulin soll »in Wasser aufschwellen und sich lösen, für den gröszten Theil eine gummiartige Flüssigkeit bildend«; dies trat aber mit den erwähnten Bruchstücken nicht ein, trotzdem sie vier Tage lang in Wasser liegen gelassen wurden. Verschiedene Stückchen, einige mit Wasser, andere mit schwacher Salzsäure befeuchtet, noch andere einen oder zwei Tage lang in Wasser gelassen, wurden auf neunzehn Blätter gelegt. Die meisten dieser Blätter, besonders diejenigen mit den in Wasser gelegenen Stückchen wurden in wenig Stunden stark eingebogen. Die gröszere Zahl breitete sich nach drei oder vier Tagen wieder aus; aber drei B1ätter blieben noch einen, zwei oder drei weitere Tage lang eingebogen. Es musz demnach etwas reizende Substanz absorbirt worden sein; die Fragmente aber, obschon sie vielleicht in einem bedeutenderen Grade erweicht waren als die eine gleich lange Zeit in Wasser gelassenen, behielten alle ihre Winkel so scharf wie je. Da das Globulin eine albuminöse Substanz ist, so war ich über das Resultat erstaunt; da meine Absicht die war, die Wirkungsweise des Drosera-Secrets mit der des Magensaftes zu vergleichen, so bat ich Dr. Burdon Sanderson, mit dem von mir benutzten Globulin Versuche zu machen. Er theilt mir mit, dasz es »der Wirkung einer Flüssigkeit ausgesetzt wurde, welche 0,2 Procent Salzsäure und ungefähr 1 Procent G1ycerinextract eines Hundemagens enthielt. Es wurde dann ermittelt, dasz diese Flüssigkeit im Stande war, 1,31 ihres Gewichts ungekochten Fibrins in 1 Stunde zu verdauen, während im Verlauf dieser Stunde nur 0,141 des obigen Globulin gelöst wurde. In beiden Fällen wurde ein Überschusz der verdaut werden sollenden Substanz der Flüssigkeit zugesetzt [15].« Wir sehen hieraus, dasz innerhalb einer und derselben Zeit dem Gewicht nach weniger als ein Neuntel der aufgelösten Fibrinmenge vom Globulin aufgelöst wurde; [107] und erinnert man sich der Thatsache, dasz Pepsin mit Säuren der Essigreihe nur ungefähr ein Drittel von dem Verdauungsvermögen des Pepsins mit Salzsäure hat, so ist es nicht überraschend, dasz die Globulinbruchstücke ven dem Secrete der Drosera nicht corrodirt oder abgerundet wurden, obschon sicherlich etwas lösliche Substanz aus ihnen ausgezogen und von den Drüsen absorbirt war.

Haematin. – Es wurden mir einige dunkelrothe, aus Ochsenblute dargestellte Körnchen gegeben; Dr. Sanderson fand, dasz dieselben in Wasser, Säuren und Alcohol unlöslich waren, so dasz sie wahrscheinlich Haematin enthielten in Verbindung mit andern aus dem Blute stammenden Körpern. Stückchen mit kleinen Tropfen Wasser wurden auf vier Euter gebracht, von denen drei ziemlich dicht in zwei Tagen eingebogen waren; das dritte war es nur mäszig. Am dritten Tage waren die Drüsen in Berührung mit dem Haematin geschwärzt und einige Tentakeln schienen verletzt zu sein. Nach fünf Tagen starben zwei Blätter ab, und das dritte war am Sterben; das vierte fieng an, sich wieder auszubreiten, aber viele von seinen Drüsen waren geschwärzt und verletzt. Es ist daher klar, dasz Substanz absorbirt worden war, welche entweder factisch giftig oder von einer zu stark reizenden Beschaffenheit war. Die Stückchen waren viel mehr erweicht als die ebenso lange Zeit im Wasser gelassenen, waren aber, dem Augenscheine nach zu urtheilen, an Grösze sehr wenig reducirt. Dr. Sanderson prüfte diese Substanz mit künstlicher Verdauungsflüssigkeit, in der beim Globulin beschriebenen Art und Weise, und fand, dasz, während vom Fibrin in einer Stunde 1,31 gelöst wurden, vom Haematin sich nur 0,456 in einer Stunde lösten; aber die durch das Secret bewirkte Auflösung eines selbst noch kleineren Betrags würde seine Einwirkung auf Drosera erklären. Der von der künstlichen Verdauungsflüssigkeit zuerst übrig gelassene Rückstand gab während mehrerer folgender Tage nichts mehr an dieselbe ab.

Substanzen, welche von dem Secrete nicht verdaut werden.

Alle die bis jetzt erwähnten Substanzen bewirken lange anhaltende Einbiegung der Tentakeln und werden entweder vollständig oder mindestens theilweise von der Absonderung aufgelöst. Es gibt aber viele andere Substanzen, einige auch stickstoffhaltig, auf welche das Secret nicht im Mindesten einwirkt, und welche Einbiegung für keine längere Zeit herbeiführen als es unorganische und unlösliche Gegenstände thun. Solche nicht erregende und unverdauliche Substanzen sind, so weit ich es beobachtet habe, Epidermis-Bildungen (wie Stückehen menschlichen Nagels, Haarkügelchen, Federkiele), elastisches Fasergewebe, Mucin, Pepsin, Harnstoff, Chitin, Chlorophyll, Cellulose, Schieszbaumwolle, Fett, Öl und Stärke.

Diesen kann noch hinzugefügt werden: aufgelöster Zucker und Gummi, verdünnter Alcohol und vegetabilische, kein Eiweisz [108] enthaltende Aufgüsse, denn keiner dieser Körper erregt, wie im letzten Capitel gezeigt wurde, Einbiegung. Es ist nun eine merkwürdige Thatsache, welche noch weitere und wichtige Belege dafür abgibt, dasz das Ferment der Drosera dem Pepsin sehr ähnlich oder mit ihm identisch ist, dasz keine einzige dieser nämlichen Substanzen, so weit es bekannt ist, vom Magensaft der Thiere verdaut wird, obschon die andern Absonderungen des Darmcanals auf einige von ihnen einwirken. Über die oben aufgezählten Substanzen braucht nichts weiter gesagt zu werden, ausgenommen, dasz sie wiederholt auf den Blättern der Drosera versucht worden sind, aber nicht im geringsten von dem Secrete angegriffen wurden, über die andern wird es räthlich sein, meine Versuche anzuführen.

Elastisches Fasergewebe. – Wir baben bereits gesehen, dasz, wenn kleine Würfel von Fleisch u. s. w. auf Blätter gelegt wurden, die Muskeln, das Zellgewebe und der Knorpel vollständig aufgelöst wurden, dasz aber das elastische Fasergewebe, selbst die allerzartesten Fäserchen ohne die mindesten Zeichen einer Einwirkung auf dieselben zurückblieben. Es ist auch wohl bekannt, dasz dies Gewebe vom Magensaft der Thiere nicht verdaut werden kann[16].

Mucin. – Da diese Substanz ungefähr 7 Procent Stickstoff enthält, erwartete ich, dasz sie die Blätter bedeutend erregen und dasz sie vom Secret verdaut werden würde; darin irrte ich mich aber. Nach dem, was in chemischen Werken angegeben wird, scheint es äuszerst zweifelhaft zu sein, ob Mucin als reine Grundsubstanz dargestellt werden kann. Das, was ich anwandte (von Dr. Moore dargestellt) war trocken und hart. Mit Wasser angefeuchtete Stückchen wurden auf vier Blätter gebracht; nach zwei Tagen aber war nur eine Spur von Einbiegung an den unmittelbar benachbarten Tentakeln zu bemerken. Diese Blätter wurden dann mit Stückchen Fleisch probirt und alle vier wurden stark eingebogen. Etwas von dem trocknen Mucin wurde dann zwei Tage lang in Wasser eingeweicht, und kleine Würfel der gehörigen Grösze wurden auf drei Blätter gebracht. Nach vier Tagen waren die Tentakeln rund um die Scheibenränder ein wenig eingebogen; auch war die sich auf der Scheibe angesammelte Absonderung sauer, aber die äuszern Tentakeln waren nicht afficirt. Ein Blatt fieng am vierten Tage an, sich wieder auszubreiten, und alle waren am sechsten vollständig ausgebreitet. Die Drüsen, welche in Berührung mit dem Mucin gestanden hatten, waren ein wenig gedunkelt. Wir können daher schlieszen, dasz eine geringe Menge irgend einer Verunreinigung von mäszig reizender Beschaffenheit absorbirt worden war. Dasz das von mir angewandte Mucin etwas lösliche Substanz enthielt, wies Dr. Sanderson nach, welcher fand, dasz etwas davon aufgelöst worden war, nachdem er es eine Stunde lang der Einwirkung künstlichen Magensaftes ausgesetzt hatte, aber nur in dem Verhältnis von [109] 23 zu 100, letztere Zahl für die in gleicher Zeit aufgelöste Menge Fibrin genommen. Obgleich die Würfel im Ganzen vielleicht etwas weicher waren als die, eine gleich lange Zeit in Wasser liegen gelassenen, behielten sie doch alle Kanten so scharf wie jemals. Wir können daher schlieszen, dasz das Mucin selbst nicht aufgelöst oder verdaut wurde. Auch wird es vom Magensaft lebender Thiere nicht verdaut, und nach Schiff[17] ist es eine Schicht dieser Substanz, welche die Häute des Magens gegen Corrosion während der Verdauung schützt.

Pepsin. – Meine Experimente verdienen kaum mitgetheilt zu werden, da es kaum möglich ist, von Albuminoiden freies Pepsin darzustellen; ich war aber begierig zu ermitteln, so weit dies eben möglich war, ob das Ferment in dem Secret der Drosera auf das Ferment im Magensafte von Thieren wirken werde. Ich benutzte anfänglich das zu medicinischen Zwecken verkäufliche Pepsin, später andres, was viel reiner war, und was Dr. Moore mir dargestellt hatte. Fünf Blätter, denen eine beträchtliche Quantität von dem ersteren gegeben war, blieben fünf Tage lang eingebogen; vier von ihnen starben dann ab, allem Anscheine nach in Folge des zu starken Reizes. Ich versuchte dann Dr. Moore's Pepsin, machte mit Wasser einen Teig daraus und legte dann so kleine Stückchen davon auf die Scheibe von fünf Blättern, dasz alles sehr schnell aufgelöst worden sein würde, wenn es Fleisch oder Eiweisz gewesen wäre. Die Blätter wurden bald eingebogen; nach nur 20 Stunden fiengen zwei von ihnen an, sich wieder auszubreiten und die andern drei waren nach 44 Stunden vollständig wieder ausgebreitet. Einige von den Drüsen, welche mit den Pepsinstückchen oder mit dem sauren, dieselben umgebenden Secrete in Berührung gewesen waren, waren eigenthümlich blasz, während andere eigenthümlich dunkel gefärbt waren. Etwas von dem Secrete wurde abgekratzt und unter starker Vergröszerung untersucht; es fanden sich Massen von Körnchen darin, welche von denjenigen des, eine gleich lange Zeit in Wasser gelassenen Pepsin nicht zu unterscheiden waren. Wir dürfen daher (wenn wir uns erinnern, welche kleine Quantitäten gegeben worden waren) als in hohem Grade wahrscheinlich annehmen, dasz das Ferment der Drosera auf Pepsin nicht wirkt und dasselbe nicht verdaut, sondern daraus nur eine albuminöse Verunreinigung absorbirt, welche Einbiegung veranlaszt und in gröszeren Mengen in hohem Grade schädlich ist. Dr. Lauder Brunton gab sich auf meine Bitte Mühe, zu ermitteln, ob Pepsin mit Salzsäure Pepsin verdaut; so weit er es beurtheilen konnte, hat es diese Kraft nicht. Der Magensaft stimmt daher allem Anscheine nach in dieser Beziehung mit dem Secret der Drosera überein.

Harnstoff. – Es schien mir interessant zu sein, zu untersuchen, ob dieser Auswurfsstoff des lebenden Körpers, welcher viel Stickstoff enthält, von den Drüsen der Drosera, wie so viele andere Flüssigkeiten und Substanzen, absorbirt werden und Einbiegung bewirken würde. Halbe Minim-Tropfen einer Lösung von einem Theile auf 437 Theile Wasser wurden auf die Scheiben von vier Blättern gebracht, wobei jeder Tropfen die gewöhnlich von mir angewendete Menge enthielt, nämlich 1/960 Gran oder 0,0674 Milligr.; die Blätter wurden aber kaum irgendwie afficirt. [110] Sie wurden dann mit Stückchen Fleisch probirt und waren bald dicht eingebogen. Ich wiederholte denselben Versuch mit etwas, von Dr. Moore frisch präparirten Harnstoff an vier Blättern; nach zwei Tagen war keine Einbiegung vorhanden; ich gab ihnen dann eine andere Dose, aber noch immer erfolgte keine Einbiegung. Diese Blätter wurden später mit gleich groszen Tropfen eines Aufgusses von rohem Fleisch probirt, und in 6 Stunden war beträchtliche Einbiegung eingetreten, welche in 24 Stunden excessiv wurde. Der Harnstoff war aber dem Anscheine nach nicht völlig rein; denn als vier Blätter in 2 Drachmen (7,1 Cub. Cent.) der Lösung eingetaucht wurden, so dasz sämmtliche Drüsen, anstatt blosz die auf der Scheibe, in den Stand gesetzt wurden, irgendwelche kleine Menge eines verunreinigenden Zusatzes in der Lösung zu absorbiren, trat in 24 Stunden beträchtliche Einbiegung ein, sicherlich mehr, als einer ähnlichen Eintauchung in reines Wasser gefolgt wäre. Dasz der Harnstoff, welcher nicht vollkommen weisz war, eine Quantität von albuminoider Substanz oder von irgend einem Ammoniaksalz enthalten haben solle, hinreichend grosz, um die eben geschilderte Wirkung hervorzubringen, ist durchaus nicht überraschend; denn, wie wir im nächsten Capitel sehen werden, sind erstaunlich kleine Dosen von Ammoniak in hohem Grade wirksam. Wir können daher schlieszen, dasz der Harnstoff selbst für die Drosera nicht reizend oder nahrhaft sei; auch wird er vom Secrete nicht modificirt, so dasz er nahrhaft gemacht würde; denn, wäre dies der Fall gewesen, so würden zuverlässig sämmtliche Blätter, auf deren Scheiben Tropfen lagen, ordentlich eingebogen worden sein. Dr. Lauder Brunton theilt mir mit, dasz nach Versuchen, die er auf meine Bitte in St. Bartholomew's Hospital angestellt hat, allem Anscheine nach künstlicher Magensaft, d. h. Pepsin mit Salzsäure, auf den Harnstoff nicht wirkt.

Chitin. – Die Chitinhüllen der auf natürlichem Wege von den Blättern gefangenen Insecten scheinen nicht im mindesten corrodirt zu werden. Kleine viereckige Stückchen des zarten Flügels und der Flügeldecke eines Staphylinus wurden auf einige Blätter gelegt, und nachdem diese sich wieder ausgebreitet hatten, wurden die Stücke sorgfältig untersucht. Ihre Kanten waren so scharf wie je und sie waren auch im Ansehen von dem andern Flügel und der andern Flügeldecke desselben Insects, welches in Wasser liegen gelassen worden war, nicht verschieden. Die Flügeldecke hatte indesz offenbar etwas nährbare Substanz abgegeben, denn das Blatt blieb vier Tage lang über ihm geschlossen, während die Blätter mit Stückchen echten Flügels sich am zweiten Tage wieder ausbreiteten. Ein Jeder, der nur die Excremente insectenfressender Thiere untersuchen will, wird sehen, wie machtlos ihr Magensaft in Bezug auf das Chitin ist.

Cellulose. – Ich erhielt diese Substanz nicht in getrenntem Zustande, sondern machte die Versuche mit eckigen Stückchen trocknen Holzes, mit Kork, Sphagnum-Moos, leinenen und baumwollenen Fäden. Keiner dieser Körper wurde von dem Secrete im Mindesten angegriffen und sie bewirkten nur jenen mäszigen Grad der Einbiegung, welcher allen unorganischen Gegenständen eigen ist. Schieszbaumwolle, welche aus Cellulose besteht, bei welcher der Wasserstoff durch Stickstoff vertreten ist, wurde mit dem nämlichen Erfolge probirt. Wir haben [111] gesehen, dasz eine Abkochung von Kohlblättern eine äuszerst kräftige Einbiegung bewirkt. Ich brachte daher zwei kleine viereckige Stückchen der Scheibe eines Kohlblattes und vier kleine aus der mittleren Blattrippe ausgeschnittene Würfelchen auf sechs Blätter von Drosera. Dieselben wurden in 12 Stunden ordentlich eingebogen und blieben so zwischen zwei und vier Tage lang, wobei die Stückchen Kohl die ganze Zeit von dem sauren Secrete umspült wurden. Dies beweist, dasz etwas reizende Substanz, auf welche ich sofort zurückkommen werde, absorbirt worden ist; aber die Kanten der viereckigen Stückchen und Würfel blieben so scharf wie je, damit beweisend, dasz das Cellulosen-Gerüst nicht angegriffen worden war. Kleine viereckige Stückchen von Spinatblättern wurden mit demselben Resultate versucht; die Drüsen ergossen eine mäszige Quantität sauren Secrets und die Tentakeln blieben drei Tage lang eingebogen. Wir haben auch gesehen, dasz die zarten Hüllen der Pollenkörner von dem Secrete nicht aufgelöst werden. Es ist allgemein bekannt, dasz der Magensaft der Thiere Cellulose nicht angreift.

Chlorophyll. – Ich probirte diese Substanz, da sie Stickstoff enthält. Dr. Moore schickte mir etwas in Alcohol aufbewahrtes; es wurde getrocknet, zerflosz aber bald. Stückchen wurden auf vier Blätter gelegt; nach 3 Stunden war das Secret sauer; nach 8 Stunden war ein netter Ansatz zur Einbiegung da, welche in 24 Stunden ziemlich gut ausgesprochen war. Nach vier Tagen fiengen zwei Blätter sich wieder zu öffnen an und die andern beiden waren zu dieser Zeit beinahe vollständig wieder ausgebreitet. Es ist daher klar, dasz dieses Chlorophyll Substanz enthielt, welche die Blätter in einem mäszigen Grade reizte; aber nach dem Augenschein zu urtheilen, war nur wenig oder gar nichts aufgelöst; im reinen Zustande würde es daher wahrscheinlich vom Secrete nicht angegriffen worden sein. Dr. Sanderson stellte mit dem Chlorophyll, welches ich angewendet hatte, ebenso mit etwas frisch präparirtem Versuche in künstlicher Verdauungsflüssigkeit an und fand, dasz es nicht verdaut wurde. Dr. Lauder Brunton probirte gleichfalls etwas, was nach dem in der britischen Pharmacopöe angegebenen Processe dargestellt worden war, und setzte es fünf Tage lang bei einer Temperatur von 37° C. verdauender Flüssigkeit aus; es verminderte sich nicht an Umfang, obschon die Flüssigkeit eine bedeutend bräunliche Färbung annahm. Es wurde auch mit Glycerinextract des Pancreas probirt, aber gleichfalls mit negativem Erfolg. Chlorophyll scheint auch von den Darmabsonderungen verschiedener Thiere nicht angegriffen zu werden, wenn man nach der Farbe ihrer Excremente urtheilt.

Es darf nach diesen Thatsachen nicht etwa angenommen werden, dasz die Chlorophyll-Körner, wie sie in lebenden Pflanzen existiren, von dem Secrete gar nicht angegriffen werden können; denn diese Körner bestehen aus Protoplasma, welches nur mit Chlorophyll gefärbt ist. Mein Sohn Francis legte ein dünnes Schnittchen eines Spinatblattes, welches mit Speichel angefeuchtet war, auf ein Blatt der Drosera, andere Schnittchen auf feuchte Watte und setzte sie sämmtlich der nämlichen Temperatur aus. Nach 19 Stunden war das Schnittchen auf dem Drosera-Blatte in reichliches, von den einzelnen Tentakeln ausgehendes Secret eingetaucht; es wurde nun unter dem Mikroskope untersucht. Es waren keine vollkommenen [112] Chlorophyll-Körner zu unterscheiden; einige waren verschrumpft, von gelblich-grüner Färbung und hatten sich in der Mitte der Zellen angesammelt; andere waren zerfallen und bildeten eine gelbliche Masse gleichfalls in der Mitte der Zellen. Andererseits waren in den, von feuchter Baumwolle umgebenen Schnittchen die Chlorophyll-Körner grün und so vollkommen wie je. Mein Sohn legte auch einige Schnitte in künstlichen Magensaft; und dieser wirkte auf dieselben in nahezu derselben Art und Weise ein, wie das Secret. Wir haben gesehen, dasz Stückchen von frischen Kohl- und Spinat-Blättern es bewirken, dasz sich die Tentakeln einbiegen und dasz die Drüsen reichliches saures Secret ergieszen; es läszt sich nur wenig daran zweifeln, dasz es das die Chlorophyll-Körner bildende und die Zellwände auskleidende Protoplasma ist, welches die Blätter reizt.

Fett und Öl. – Würfel von beinahe reinem, nicht gekochtem Fett, auf verschiedene Blätter gelegt, erhielten nicht im geringsten abgerundete Kanten. Wir haben auch gesehen, dasz die Fettkügelchen in der Milch nicht verdaut werden. Ebensowenig bewirkt Olivenöl, auf die Scheiben von Blättern getropft, irgend welche Einbiegung; wenn aber die Blätter in Olivenöl eingetaucht werden, werden sie stark eingebogen; auf diesen Gegenstand habe ich aber noch zurückzukommen. Ölige Substanzen werden vom Magensaft der Thiere nicht verdaut.

Stärkmehl. – Im Ganzen ziemlich grosze Stückchen Stärkmehl bewirkten gut ausgesprochene Einbiegung; die Blätter breiteten sich nicht vor dem vierten Tage wieder aus. Ich habe aber keinen Zweifel, dasz dies eine Folge der fortdauernden Reizung der Drüsen war, da das Stärkemehl fortfuhr, das Secret aufzusaugen. Die Stückchen waren nicht im mindesten an Grösze reducirt; wir wissen auch, dasz in eine Stärke-Emulsion eingetauchte Blätter durchaus nicht afficirt werden. Ich brauche kaum zu sagen, dasz Stärkmehl vom Magensafte der Thiere nicht verdaut wird.

Wirkung des Secrets auf lebende Samen.

Es sollen hier die Resultate einiger Experimente an lebenden, durch Zufall ausgewählten Samen mitgetheilt werden, obschon sie sich nur indirect auf den uns hier vorliegenden Gegenstand der Verdauung beziehen.

Sieben Kohlsamen des vorhergehenden Jahres wurden auf eine gleiche Zahl von Blättern gelegt. Einige dieser Blätter wurden mäszig, die gröszere Zahl aber nur unbedeutend eingebogen, und die meisten breiteten sich am dritten Tage wieder aus. Eines blieb indessen bis zum vierten und ein andres bis zum fünften eingeschlagen. Es waren daher diese Blätter durch die Samen etwas mehr gereizt als durch unorganische Körper von derselben Grösze. Nachdem sie sich wieder ausgebreitet hatten, wurden die Samen in günstige Bedingungen auf feuchten Sand gebracht; andere Samen aus derselben Menge wurden zu derselben Zeit in derselben Weise probirt, und es stellte sich dabei heraus, dasz sie gut keimten. Von den sieben Samen, welche der Einwirkung des Secrets ausgesetzt gewesen waren, keimten nur drei; einer der drei Sämlinge starb bald ab, da die Spitze des Würzelchens vom Anfang an verwelkt und die Ränder [113] seiner Cotyledonen von dunkelbrauner Färbung waren; im Ganzen giengen daher schlieszlich fünf von den sieben Samen zu Grunde.

Rettichsamen (Raphanus sativa) des vorhergehenden Jahres wurde auf drei Blätter gebracht, welche mäszig eingebogen wurden und sich am dritten oder vierten Tage wieder ausbreiteten. Zwei dieser Samen wurden auf feuchten Sand gebracht; nur einer keimte und dieser zwar sehr langsam. Der Sämling hatte ein äuszerst kurzes, verkrümmtes, krankes Würzelchen ohne absorbirende Haare; die Cotyledonen waren merkwürdig mit Purpur gefleckt, an den Rändern geschwärzt und zum Theil verwelkt.

Kressensamen (Lepidium sativum) des vorhergehenden Jahres wurden auf vier Blätter gelegt; zwei derselben waren am nächsten Morgen mäszig und zwei stark eingebogen; sie blieben so vier, fünf und selbst sechs Tage lang. Bald nachdem diese Samen auf die Blätter gelegt worden und feucht geworden waren, sonderten sie in der gewöhnlichen Weise eine Schicht zähen Schleimes ab; und um zu ermitteln, ob es die Absorption dieser Substanz durch die Drüsen war, welche eine so starke Einbiegung verursachte, wurden zwei Samen in Wasser gelegt und so viel Schleim als möglich von ihnen abgekratzt. Sie wurden dann auf Blätter gelegt, welche im Verlaufe von drei Stunden sehr stark eingebogen wurden und noch am dritten Tage dicht eingebogen waren; es war daher offenbar nicht der Schleim, welcher eine so starke Einbiegung verursachte; im Gegensatz, derselbe diente in einem gewissen Grade den Samen als Schutz. Zwei von den sechs Samen keimten, während sie noch auf den Blättern lagen, als aber die Sämlinge auf feuchten Sand transportirt wurden, starben sie bald ab; von den vier andern Samen keimte nur einer.

Zwei Samen vom Senf (Sinapis nigra), zwei vom Sellerie (Apium graveolens), beide vom vorigen Jahre, zwei gut ausgewässerte Kümmelsamen (Carum carvi) und zwei Weizenkörner reizten die Blätter nicht mehr, als es häufig unorganische Körper thun. Fünf, kaum reife Samen eines Ranunculus und zwei frische Samen von Anemone nemorosa brachten ein wenig mehr Wirkung hervor. Andrerseits bewirkten vier, vielleicht nicht völlig reife, Samen von Carex sylvatica, dasz die Blätter, auf welche sie gelegt wurden, sich sehr stark einbogen; und diese fiengen erst am dritten Tage an, sich wieder auszubreiten, eines blieb sogar sieben Tage lang eingebogen.

Aus diesen wenigen Thatsachen geht hervor, dasz verschiedene Arten von Samen die Blätter in sehr verschiedenem Grade erregen; es ist nicht klar, ob dies allein eine Folge der Beschaffenheit ihrer Hüllen ist. Was den Fall mit den Kressensamen betrifft, so beschleunigte eine theilweise Entfernung der Schicht Schleim die Einbiegung der Tentakeln. Sobald nun immer Blätter mehrere Tage lang über Samen eingebogen bleiben, so ist klar, dasz sie irgend welche Substanz aus ihnen absorbiren. Dasz das Secret die Samenhüllen durchdringt, geht auch aus dem groszen Verhältnis hervor, in dem Kohl-, Rettig- und Kressen-Samen getödtet wurden, ebenso wie aus der Thatsache, dasz mehrere der Sämlinge bedeutend verletzt waren. Diese Verletzung der Samen und Sämlinge dürfte indessen allein Folge der Säure des Secrets sein und nicht Folge irgend eines Verdauungsprocesses; denn Mr. Traherne Moggridge hat gezeigt, dasz sehr schwache Säuren der Essigreihe für Samen in hohem Grade [114] schädlich sind. Es kam mir nie der Gedanke, zu beachten, ob Samen häufig auf die klebrigen Blätter von Pflanzen geweht werden, die im Naturzustande wachsen; dies wird aber kaum zuweilen ausbleiben können, wie wir hernach auch bei der Pinguicula sehen werden. Ist dies der Fall, so wird Drosera in einem unbedeutenden Grade dadurch Vortheil hieraus ziehen, dasz sie etwas Substanz aus solchen Samen absorbirt.

Zusammenfassung und Schluszbemerkungen über das Verdauungsvermögen der Drosera.

Wenn die Drüsen auf der Scheibe entweder durch die Absorption stickstoffhaltiger Substanz oder durch mechanische Reizung erregt werden, so nimmt ihr Secret an Menge zu und wird sauer. Auch übermitteln sie einen Reiz an die Drüsen der äuszern Tentakeln, welcher dieselben reichlicher abzusondern veranlaszt. Bei Thieren regt, der Angabe Schiff’s[18]. zufolge, mechanische Reizung der Magendrüsen dieselben zur Absonderung einer Säure, aber nicht von Pepsin an. Ich habe nun allen Grund zu glauben (wenn schon die Thatsache nicht völlig sicher gestellt ist), dasz die Drüsen der Drosera, obschon sie beständig klebrige Flüssigkeit absondern, um das durch Verdunstung Verlorene wiederzuersetzen, doch nicht das zur Verdauung eigenthümlich gehörige Ferment bei mechanischer Reizung, sondern nur nach Absorption gewisser Substanzen, wahrscheinlich solcher von stickstoffhaltiger Beschaffenheit, absondern. Ich komme zu dem Schlusse, dasz dies der Fall ist, weil das Secret von einer groszen Zahl von Blättern, welche dadurch gereizt worden waren, dasz Glasstückchen auf ihre Scheiben gelegt wurden, Eiweisz nicht verdaute; besonders aber auch nach der Analogie von Dionaea und Nepenthes. In gleicher Weise sondern, wie Schiff behauptet, die Magendrüsen der Thiere Pepsin nur dann ab, wenn sie gewisse lösliche Pflanzen, welche er als Peptogene bezeichnet, aufgesaugt haben. Es besteht daher ein merkwürdiger Parallelismus zwischen den Drüsen der Drosera und denen des Magens in Bezug auf die Absonderung ihrer eigenthümlichen Säure und ihres Ferments.

Das Secret löst, wie wir gesehen haben, Eiweisz, Muskel, Fibrin, Zellgewebe, Knorpel, die fasrige Grundsubstanz des Knochens, Gelatine, Chondrin, Casëin in dem Zustande, in dem es in der Milch existirt, und Leim, welcher der Einwirkung schwacher Salzsäure [115] ausgesetzt worden war, vollständig auf. Syntonin und Legumin reizen die Blätter so mächtig, dasz darüber kaum ein Zweifel bestehen kann, dasz beide vom Secrete aufgelöst werden dürften. Das Secret war nicht im Stande, frischen Leim aufzulösen, allem Anscheine nach, weil er die Drüsen verletzte, obschon etwas absorbirt wurde. Rohes Fleisch, wenn es nicht in sehr kleinen Stückehen gegeben wurde, und grosze Stücke von Eiweisz u. s. w. verletzen die Blätter gleichfalls, welche, wie Thiere, an Überladung zu leiden scheinen. Ich weisz nicht, ob die Analogie eine wirkliche ist; es ist aber der Bemerkung werth, dasz eine Abkochung von Kohlblättern bei weitem erregender und wahrscheinlich nährender für die Drosera ist als ein mit lauem Wasser gemachter Aufgusz; ebenso sind gekochte Kohlarten, wenigstens für den Menschen, bei weitem nahrhafter als die ungekochten Blätter. Der auffallendste von allen Fällen, wenn schon in Wirklichkeit nicht merkwürdiger als viele andere, ist die Verdauung einer so harten und zähen Substanz wie Knorpel. Die Auflösung von reinem phosphorsaurem Kalk, von Knochen, Zahnbein und besonders von Schmelz scheint wunderbar zu sein; sie hängt aber lediglich von der lange anhaltenden Absonderung einer Säure ab; und dieselbe wird unter diesen Umständen eine längere Zeit hindurch abgesondert, als unter irgend welchen andern. Es war interessant zu beobachten, dasz, so lange die Säure zur Auflösung des phosphorsauren Kalkes verbraucht wurde, keine echte Verdauung eintrat; dasz aber, sobald der Knochen vollständig entkalkt war, die fasrige Grundsubstanz des Knochens angegriffen und mit der gröszten Leichtigkeit verflüssigt wurde. Die zwölf oben angeführten Substanzen, welche von dem Secrete vollständig aufgelöst werden, werden gleichfalls von dem Magensafte höherer Thiere aufgelöst, die Einwirkung auf dieselben geschieht in beiden Fällen auf dieselbe Weise, wie es sich in dem Abrunden der Kanten der Eisweiszstückchen und in einer noch besonderern Weise in der Art zeigt, wie die Querstreifen der Muskelfasern verschwinden.

Das Secret der Drosera und der Magensaft waren beide im Stande, irgend einen Stoff oder eine Verunreinigung aus dem von mir angewendeten Globulin und Haematin aufzulösen. Auch löste das Secret etwas aus chemisch präparirtem Casëin auf, was, wie angegeben wird, aus zwei Substanzen besteht; und obschon Schiff behauptet, dasz Casëin in diesem Zustande vom Magensaft nicht angegriffen wird, so kann er doch leicht eine minutiöse Menge irgend einer eiweiszartigen [116] Substanz übersehen haben, welche Drosera entdecken und absorbiren wird. Obschon ferner Faserknorpel nicht eigentlich aufgelöst wird, so wirken doch beide Flüssigkeiten, das Secret der Drosera und der Magensaft, in gleicher Weise auf ihn ein. Doch hätte diese Substanz ebenso wie das von mir benutzte sogenannte Haematin vielleicht unter die unverdaulichen Substanzen classificirt werden sollen.

Dasz der Magensaft mittelst seines Ferments, des Pepsins, nur in Gegenwart einer Säure wirkt, ist ganz sicher ermittelt; und wir haben ausgezeichnete Belege, dasz in dem Secrete der Drosera ein Ferment vorhanden ist, welches gleichfalls nur in Gegenwart einer Säure wirkt; denn wir haben gesehen, dasz, wenn das Secret durch äuszerst kleine Tropfen einer Alkalilösung neutralisirt wird, die Verdauung von Eiweisz vollständig zum Stillstand gebracht wird und dasz sie beim Zusatz einer äuszerst geringen Dose Salzsäure sofort wieder beginnt.

Auf die neun folgenden Substanzen, oder Classen von Substanzen wirkt das Secret der Drosera nicht ein, nämlich auf Epidermoidalgebilde, elastisches Fasergewebe, Mucin, Pepsin, Harnstoff, Chitin, Cellulose, Schieszbaumwolle, Chlorophyll, Stärkmehl, Fette und Öle; ebenso wirkt auch, so viel man weisz, der Magensaft von Thieren nicht auf sie ein. Aber sowohl durch das Drosera-Secret als durch künstlichen Magensaft wurde etwas lösliche Substanz aus dem von mir benutzten Mucin, Pepsin und Chlorophyll ausgezogen.

Die verschiedenen Substanzen, welche von dem Secrete vollständig aufgelöst und hernach von den Drüsen absorbirt werden, afficiren die Blätter ziemlich verschieden. Sie führen Einbiegung mit sehr verschiedener Geschwindigkeit und in sehr verschiedenen Graden herbei; auch bleiben die Tentakeln sehr verschieden lange Zeiträume hindurch eingebogen. Schnelle Einbiegung hängt zum Theil von der Menge der verabreichten Substanz ab, so dasz viele Drüsen gleichzeitig afficirt werden, zum Theil von der Leichtigkeit, mit welcher dieselbe vom Secrete durchdrungen und verflüssigt wird, zum Theil von ihrer Beschaffenheit, hauptsächlich aber von der Gegenwart einer bereits in Lösung befindlichen reizenden Substanz. So wirkt Speichel oder eine schwache Lösung rohen Fleisches viel schneller ein, als selbst eine starke Lösung von Gelatine. Ferner werden Blätter, welche sich nach vorgängiger Absorption von Tropfen einer Lösung von reiner Gelatine oder Hausenblase (die letztere ist die wirksamere von beiden) [117] wieder ausgebreitet haben, wenn ihnen Stückchen Fleisch gegeben werden, viel energischer und schneller sich einbiegen, als sie es vorher thaten, trotzdem dasz meistens etwas Ruhe zwischen zwei Einbiegungsacten nothwendig ist. Wir sehen wahrscheinlich den Einflusz einer Texturänderung, wenn wir beobachten, dasz Gelatin und Globulin, welche durch Liegenlassen im Wasser erweicht sind, schneller wirken, als wenn sie blosz angefeuchtet werden. Es dürfte zum Theil Folge veränderter Textur und zum Theil Folge einer Änderung der chemischen Beschaffenheit sein, dasz Eiweisz, welches eine Zeit lang aufgehoben worden ist, und Leim, welcher der Einwirkung schwacher Salzsäure ausgesetzt gewesen ist, schneller wirken als diese Substanzen im frischen Zustande.

Die Länge der Zeit, während welcher die Tentakeln eingebogen bleiben, hängt zum groszen Theile von der Quantität der den Blättern gegebenen Substanz ab, zum Theil von der Leichtigkeit, mit welcher sie von dem Secrete durchdrungen und angegriffen wird und zum Theil von ihrer eigenthümlichen Beschaffenheit. Die Tentakeln bleiben immer viel länger über groszen Stückchen oder groszen Tropfen als über kleinen Stückchen oder Tropfen eingebogen. Wahrscheinlich spielt die Textur ihre Rolle bei Bestimmung der auszerordentlichen Länge Zeit, während welcher die Tentakeln über den harten Körnern chemisch präparirten Casëins eingebogen bleiben. Die Tentakeln bleiben aber eine gleich lange Zeit über fein gepulvertem, präcipitirtem phosphorsauren Kalk eingebogen; in diesem letztern Falle bietet offenbar der Phosphor den Anziehungspunkt dar, und in dem Fall mit dem Casëin thierische Substanz. Die Blätter bleiben über Insecten lange eingebogen; es ist aber zweifelhaft, in wie weit dies eine Folge des den Insecten durch ihre chitinhaltigen Integumente gewährten Schutzes ist; denn thierische Substanz wird bald aus Insecten ausgezogen (wahrscheinlich durch Exosmose aus ihren Körpern in das dichte umgebende Secret), wie es sich in der sofortigen Einbiegung der Blätter zeigt. Wir sehen den Einflusz der Natur verschiedener Substanzen bei Stückehen Fleisch, Eiweisz und frischem Leim, deren Einwirkung sehr verschieden ist von der gleich groszer Stückchen Gelatine, Zellgewebe und fasriger Grundsubstanz des Knochens. Die ersteren verursachen nicht blosz eine bei weitem schnellere und energischere, sondern auch länger anhaltende Einbiegung als die letzteren. Wir sind daher, wie ich glaube, berechtigt anzunehmen, dasz Gelatine, [118] Zellgewebe, und die Fasersubstanz des Knochens für die Drosera viel weniger nahrhaft sein werden, als solche Substanzen wie Insecten, Fleisch, Eiweisz u. s. w. Dies ist eine interessante Schluszfolgerung, da es bekannt ist, dasz Gelatine den Thieren nur geringe Nahrung darbietet; dasselbe wird wahrscheinlich auch mit Zellgewebe und der Fasersubstanz des Knochens der Fall sein. Das Chondrin, welches ich benutzte, wirkte kräftiger ein als Gelatine; ich weisz aber nicht, ob es rein war. Es ist eine noch merkwürdigere Thatsache, dasz Fibrin, welches zu der groszen Classe der Protëin-Verbindungen[19] gehört, deren eine Untergruppe auch das Eiweisz enthält, die Tentakeln in keinem höheren Grade reizt oder dieselben für eine längere Zeit eingebogen hält, als es Gelatine oder Zellgewebe oder die fasrige Grundsubstanz des Knochens thun. Es ist nicht bekannt, wie lange ein Thier leben bleiben würde, wenn es allein mit Fibrin gefüttert würde; Dr. Sanderson zweifelt aber nicht daran, dasz es länger leben würde als wenn es mit Gelatine gefüttert würde; auch würde es kaum vorschnell sein, vorherzusagen, dasz, nach den Wirkungen auf Drosera zu urtheilen, Eiweisz sich als viel nahrhafter herausstellen wird, als Fibrin. Globulin gehört gleichfalls zu den Protëin- Verbindungen, es bildet darin eine andere Unter–Gruppe; und obschon diese Substanz irgend einen Körper enthält, welcher die Drosera ziemlich stark reizte, wurde sie doch kaum von dem Secrete und sehr wenig oder sehr langsam vom Magensafte angegriffen. In wie weit Globulin für Thiere nahrhaft sein dürfte, ist nicht bekannt. Wir sehen hiernach, wie verschieden die oben einzeln aufgeführten verschiedenen verdaulichen Substanzen auf Drosera einwirken; wir können als in hohem Grade wahrscheinlich folgern, dasz sie in gleicher Weise sowohl für Drosera als für Thiere in sehr verschiedenen Graden nahrhaft sein werden.

Die Drüsen der Drosera absorbiren Substanz aus lebenden Samen, welche von dem Secrete verletzt oder getödtet werden. Sie absorbiren gleichfalls Substanz aus Pollen und aus frischen Blättern; und dies ist mit dem Magen der pflanzenfressenden Thieren notorisch der Fall. Drosera ist eigentlich eine insectenfressende Pflanze; da es aber gar nicht anders sein kann, als dasz Pollen häufig auf die Drüsen geweht [119] wird, wie es auch gelegentlich mit Samen und Blättern benachbarter Pflanzen der Fall sein wird, so ist Drosera auch in gewissem Masze ein Pflanzenfresser.

Endlich zeigen uns die in diesem Capitel verzeichneten Experimente, dasz eine merkwürdige Übereinstimmung besteht zwischen dem Verdauungsvermögen des Magensaftes von Thieren mit seinem Pepsin und seiner Salzsäure und dem des Secrets der Drosera mit seinem Ferment und seiner zur Essigreihe gehörenden Säure. Wir können daher kaum daran zweifeln, dasz das Secret in beiden Fällen sehr ähnlich ist, wenn es nicht identisch dasselbe ist. Dasz eine Pflanze und ein Thier dasselbe oder nahezu dasselbe zusammengesetzte Secret ergieszen, welches einem und dem nämlichen Zwecke der Verdauung angepaszt ist, ist eine neue und wunderbare Thatsache in der Physiologie. Ich werde aber auf diesen Gegenstand im fünfzehnten Capitel, in meinen Schluszbemerkungen über die Droseraceae zurückzukommen haben.


  1. Der Angabe Schiff’s zufolge und im Gegensatz zur Meinung einiger Physiologen löst indessen augenscheinlich schwache Salzsäure, wenn schon langsam, eine sehr geringe Quantität geronnenen Eiweiszes auf. Schiff, Physiol. de la Wgwtion, Tom. II. 1867, p. 25.
  2. In allen meinen zahlreichen Versuchen über die Verdauung von Eiweiszwürfeln wurdn ausnahmslos zuerst die Winkel und Kanten abgerundet. Nun gibt Schiff an (Lecons phys. de la Digestion. Vol II, 1867, p. 149), dasz dies für die Verdauung des Eiweiszes durch den Magensaft von Thieren charakteristisch ist.
  3. Sachs bemerkt (Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl., 1874, p. 701), dasz Zellen, welche durch Erfrieren, durch zu grosze Hitze oder durch chemische Agentien getödtet worden sind, alle ihre gefärbten Inhaltstheile in das umgebende Wasser austreten lassen.
  4. Als Controlversuch wurden Stückehen Eiweisz in Glycerin mit Salzsäure von derselben Stärke gebracht; nach zwei Tagen war, wie sich hätte erwarten lassen, das Eiweisz nicht im Allermindesten afficirt.
  5. Lecons phys. de la Digestion, 1867. Tom. II. p. 114-126.
  6. Lecons phys. de la Digestion. Tom. 11, p. 145.
  7. Dr. Lauder Brunton, Handbook for the Physiol. Laboratory. 1873. p. 477, 487; Schiff, LecOns phys. de la Digestion, 1867. Tom. 11. p. 249.
  8. Dr. Lauder Brunton theilt in dem „Medical Record“, Januar 1873, p. 36 einen Bericht über Voit's Ansicht mit von der indirecten Rolle, welche die Gelatine bei der Ernährung spielt.
  9. Lecons etc. Tom. 11. p. 151
  10. Dr. Lauder Brunton, Handbook for Physiol. Labor. p. 529.
  11. Lecons etc. Tom. 11. p. 153.
  12. A. W. Bennett fand die unverdauten Hüllen der Körner im Darmeanal pollenfressender Diptern; s. Journal of Horticult. Soc. of London, Vol. IV. 1874, p. 158.
  13. Watt's Diction. of Chemistry, Vol. II. 1872, p. 873.
  14. Watts, Diction. of Chemistry. Vol. 11, p. 874.
  15. Ich will noch hinzufügen, dasz Dr. Sanderson noch etwas frisches Globulin nach der Schmidt'schen Methode darstellte; hiervon wurde in derselben Zeit, nämlich in einer Stunde, 0,865 aufgelöst; es war daher bei weitem löslicher als das, was ich gebraucht hatte, obschon weniger löslich als Fibrin, von dem, wie wir gesehen, 1,31 aufgelöst wurde. Ich wünschte, ich hätte auf diese Weise dargestelltes Globulin bei der Drosera versucht.
  16. s. z. B. Schiff, Lecons phys. de la Digestion, 1867, Tom. II, p. 38.
  17. Lecons lhys. de la Digestion, Tom. 11, 1867, p. 304.
  18. Physiol. de la Digestion, 1867, Tom. ll, p. 188, 245.
  19. s. die von Dr, Michael Foster angenommene Classification in Watt's Diction. of Chemistry, Supplement, 1872, p. 969.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: aher