Ireland und die Emancipation der Katholiken

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Titel: Ireland und die Emancipation der Katholiken
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aus: Das Ausland, Nr.  161; 163–167; 174; 177–179 S. 641–642; 651–654; 657–658; 661–663; 666–667; 693–696; 707–710; 715–716
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum: 1828
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Die rechtliche Gleichstellung der katholischen Iren mit den Protestanten Großbritanniens
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[641]

Ireland und die Emancipation der Katholiken.[1]


Erster Artikel.
Die dießjährigen Parlaments-Verhandlungen.

Seit im März 1801, unmittelbar nach der Union von Ireland mit Großbritannien, zuerst im brittischen Parlamente der Vorschlag, den Katholiken in den vereinigten Königreichen gleiche bürgerliche Rechte mit den Protestanten einzuräumen, in Anregung gebracht wurde, hat die Frage der „Katholiken-Emancipation,“ die damals selbst in England nur durch zufällig mit derselben verbundene Umstände eine vorübergehende Theilnahme fand, allmälig in gleichem Maaße an allgemeinem Interesse wie an politischer Wichtigkeit gewonnen. Von Jahr zu Jahr werden in beiden Häusern des Parlaments die Debatten über die Emancipation erneut; die unermeßlichen Spalten der Times und des Morning-Herald, des Chronicle und des Courier u. s. f., so wie die mäßigeren Folio- und Quartcolumnen der französischen und deutschen Blätter füllen sich mit den Verhandlungen, die der Zeitungsleser begierig verschlingt und, je nachdem der Erfolg seinen vorgefaßten Meinungen, Erwartungen und Wünschen entspricht oder entgegen ist, mit glatter oder gerunzelter Stirn, mit freundlicher und selbstgefälliger, oder mit unwilliger und mißvergnügter Miene, wenn er sie durchlaufen hat, wieder bei Seite legt.

Nachdem früher schon bisher die größten Staatsmänner Englands, zuerst der berühmte Pitt, nach ihm sein Gegner Fox, und in neuerer Zeit sein Schüler Canning sich für diese Sache ausgesprochen hatten, war es in der dießjährigen Parlamentssitzung ein zwar ausgezeichnetes, doch mit jenen Männern weder an Talent, noch an Einfluß irgend zu vergleichendes Mitglied der Oppositionspartei, Sir Francis Burdett, der die so oft verworfene Bill zu Gunsten der Emancipation aufs neue dem Hause der Gemeinen vorlegte.[2] Alle Gründe der Politik und – so selten auch theoretische Sätze von dem derben Britten in practischen Fragen geltend gemacht werden – alle Gründe des natürlichen Rechts und der Moral waren durch seine Vorgänger erschöpft; Burdett suchte in den letzten Jahren den Streit in ein engeres Gebiet zu spielen, indem er das, was die meisten nur als freie Gabe, oder als unvermeidliches Zugeständniß des brittischen Volkes verlangt hatten, nun vorzugsweise als einen auf bestimmte Verträge gegründeten, ohne Verletzung von Treu und Glauben nicht abzuweisenden Rechtsanspruch der Katholiken nachzuweisen bemüht war. Der Staatssecretär Peel,das Haupt der Gegner der Katholiken im Unterhause, hatte in den Debatten vom 6 März 1827 die Versicherung ertheilt, daß seine Meinung sich wesentlich ändern würde, sobald er überzeugt werden könnte, daß man den Tractat von Limerick – den letzten mit den Katholiken in Ireland geschlossenen förmlichen Friedensvertrag (i. J. 1690) – verletze, indem man ihnen die jetzt für sie nachgesuchten Privilegien vorenthalte. Diese Aeußerung war der Text, den Sir Francis Burdett in der Rede, durch welche er seine Motion unterstützte, commentirte. Er führte die Artikel des Tractats an, von denen der erste folgendermaßen lautet:

     „1. Es ist die Uebereinkunft getroffen worden, daß die römisch-katholischen Einwohner dieses Königreiches aller Privilegien in der Ausübung ihrer Religion genießen sollen, die mit den Gesetzen von Ireland vereinbar sind, oder die sie unter der Regierung von König Karl dem Zweiten genossen; und Ihre Majestäten (König Wilhelm und seine Gemahlin) werden, sobald Ihre Angelegenheiten Ihnen gestatten, ein Parlament in diesem Königreiche zusammen berufen, bemüht seyn, den benannten römisch-katholischen Einwohnern jede weitere Sicherheit in dieser Beziehung auszumitteln, die sie gegen alle Störungen aus dem Grunde ihrer Religion schützen kann.“ [3] [642]
Er bemerkte hierauf, daß dieser Artikel aus zwei Theilen bestehe, von denen der erste sich allein auf die Religion der Iren bezöge, wogegen der zweite Sicherheit gegen jede Störung aus dem Grunde ihrer Religion verspreche. Nun fragte er, ob man wohl irgend jemand durch einen religiösen Prüfungseid seiner politischen Rechte berauben könne, ohne daß dieß eine Beschränkung in dem Genuß seiner Rechte auf freie Religionsübung wäre? – Ist dieß nicht, fragte er, die härteste Störung „aus dem Grunde der Religion?“ Ist es nicht eine traurige Lage, sich gezwungen zu sehen, entweder seine Religion zu verlassen und gegen sein Gewissen zu handeln, oder seine politischen Rechte und Freiheiten aufzugeben? – Ist es möglich, daß man behaupten kann, ein Mensch genieße vollkommener Religionsfreiheit, wenn man zu gleicher Zeit darauf besteht, daß der Genuß dieser Freiheit der Grund sey, ihn seiner politischen Rechte zu berauben?

Der zweite Artikel des Tractats, fuhr der Baronett fort, soll – wie man sagt – sich nur auf Privatrechte beziehen, indem er den Katholiken ihr Eigenthum und ihre Grundbesitzungen zusichere. Er bitte um die Erlaubniß, die Aufmerksamkeit des Hauses auf diesen Artikel zu ziehen:

„Alle Einwohner von Limerick, – bestimmte derselbe, – oder die sich gegenwärtig daselbst aufhalten, so wie an jedem anderen Ort, der noch in dem Besitze der Iren ist, [4] und alle Offiziere und Soldaten, die noch im Auftrag des Königs Jakob oder derer, denen er die Vollmacht dazu ertheilt hat, in Waffen sind, in den verschiedenen Grafschaften von Limerick, Clare, Kerry, Cork und Mayo oder in irgend einer derselben u. s. w., so wie die Ihrigen und alle ihre Erben, sollen behalten und zum freien Genuß inne haben alle und jede ihrer erb- und grundeigenthümlichen Güter (estates of freehold inheritance) und alle die Rechte, Ansprüche und Interessen, Privilegien und Immunitäten, welche sie und alle und jede von ihnen innen hatten, oder worauf sie rechtmäßige und gesetzliche Ansprüche besaßen unter der Regierung des Königs Karls des Zweiten oder nach dieser Zeit (or any time since) nach den Gesetzen und Statuten, die unter der besagten Regierung König Karl des Zweiten in Kraft waren, doch unter der Bedingung, daß Niemand der Vortheile dieses Artikels genießen soll, der es vernachläßigen oder verweigern wird, die durch eine Acte des Parlaments von England im ersten Jahr der Regierung Ihrer gegenwärtigen Majestäten vorgeschriebenen Eide der Treue (Oaths of Allegiance) zu leisten, sobald er dazu aufgefordert wird.“

Kann irgend Jemand behaupten, sagte Sir Francis, daß dieser Artikel sich blos auf Privatrechte beziehe? Verbürgt er nicht klar und bestimmt die Wiedereinsetzung der Katholiken in jene politischen und bürgerlichen Rechte, deren sie unter Karl dem Zweiten genoßen? Merkwürdig ist es, daß die Katholiken, als ob sie den grausamen Codex der Königin Anna vorausgesehen hätten, sich dieses Recht gegen die Ablegung eines einfachen Treueschwures versichern ließen. Niemand kann daher leugnen, daß jene harten und tyrannischen Verfügungen, welche auf die Forderung anderer Eide gegründet waren, als ein offenbarer Bruch des Vertrages von Limerick betrachtet werden müssen. Wenn die Katholiken nicht schon damals öffentlich mit dieser Klage auftraten, so ist dieß nur ein neuer Beweis von der Unterdrückung, in der sie gehalten wurden; und doch kann man ihnen keineswegs vorwerfen, daß sie stillschweigend auf ihre Rechte verzichtet hätten. Sir Toby Butler, der im Jahr 1703 die Vertheidigung der Katholiken vor dem irischen Hause der Gemeinen übernahm, drang nicht bloß – wie man vorgegeben hat – auf die Erhaltung der Eigenthumsrechte, welche der Tractat zugestanden hätte, sondern er ergriff auch mehr als einmal die Gelegenheit, sich über die Bedeutung des Tractats im Allgemeinen auszusprechen und erklärte ausdrücklich, daß die Artikel des Tractats dem irischen Volke alle seine Rechte, Privilegien, Immunitäten, Gesetze und Gebräuche wieder gegeben hätten und dasselbe zu gleichen Ansprüchen mit allen seinen Mitunterthanen berechtigten. – – Die Behandlung, welche Ireland seit der Annahme des Tractates erfuhr, beweist nur, daß Englands, durch einen feierlichen Vertrag auf Treu und Glauben verbürgte Versprechungen auf das schamloseste gebrochen wurden; und das fortschreitende System der Tyrannei und Unterdrückung, welches die Geschichte des irischen Volkes an den Tag legt, hat die Ehre Englands auf das schmachvollste befleckt. –

[651]
Die dießjährigen Parlaments-Verhandlungen.

Sir Francis Burdett fuhr fort:

Erst zu der Zeit des americanischen Krieges, als die brittischen Truppen aus Ireland gezogen wurden und die [652] irischen Freiwilligen sich zur Vertheidigung des Landes bewaffneten, erwachten in England ehrenhaftere und großmüthigere Gefühle zu Gunsten der so ungerecht Unterdrückten. Die irischen Freiwilligen verlangten eine Constitution; und bald darauf wurden die Gesetze, welche damals gegen die Katholiken in Kraft waren, in ihrer Strenge etwas gemildert und ein weniger tyrannisches System eingeführt. Die Iren waren zu Männern gereift und hatten sich als solche bewährt; aber dann folgte jene Periode (der Aufstand von 1798), wo ihr Vaterland der Schauplatz von Scenen des Schreckens, der Verzweiflung und des Blutvergießens wurde, welche Alles übertreffen, was die Geschichte von Beispielen des Elends und des Jammers anführt. Neue Ansprüche auf ihre völlige Emancipation, und zwar eben so starke, als durch den Tractat von Limerick, erhielten die Katholiken erst durch die Union von Ireland und die Verpflichtungen, die damals im Namen Englands von dem Manne eingegangen wurden, welcher diese Maßregel vorschlug und bewirkte – Mr. Pitt. Pitt faßte den Zustand von Ireland mit dem tiefen Blick des Staatsmannes auf; er sah die Noth und das Elend, von denen dieses Land bedrängt war, er sah die Möglichkeit einer Wiederkehr der traurigen Scenen, welche dasselbe verwüstet hatten und er sah ein, daß die Zeit gekommen sey, wo Ireland zu einem gemeinschaftlichen Interesse mit England vereinigt werden müsse. Die Emancipation wurde damals als die Maßregel angesehen, welche Pitt’s Verdiensten die Krone aufsetzen würde, als die wahre Seele der Union; und allerdings, wenn die Versprechungen, die damals dem Volke von Ireland ertheilt wurden, nicht gelöst werden, so ist es, als ob der Union das Herz ausgerissen würde. – Die Katholiken fordern, wie aus allem bisher Gesagten hervorgeht, nichts als was sie nach Recht und Billigkeit vollkommen befugt sind zu fordern; aber selbst angenommen, daß sie keine Ansprüche dieser Art hätten, müßte man fragen, ob sich wohl ein Beispiel in der Geschichte finde, wo ein eroberndes Volk nicht stets versucht hätte, die Interessen des eroberten Landes mit dem seinigen zu verschmelzen und beiden Völkern gleiche Rechte zu geben? Als der sehr ehrenwerthe Herr gegenüber (Peel) von Mr. Canning gefragt wurde, ob er vor dem Papst oder dem Prätendenten Furcht habe, antwortete er, er fürchte sich von keinem von beiden. Dieses Geständniß war von der äußersten Wichtigkeit; durch dasselbe hört jeder Vorwand für die Ausschließung der Katholiken von bürgerlichen Rechten auf; denn als jene Maßregeln der Ausschließung getroffen wurden, geschah dieß nur in der Furcht vor dem Papst und dem Prätendenten, und in der Absicht, sich gegen diese zu sichern. Wenn also der sehr ehrenwerthe Herr seine Furcht in dieser Beziehung aufgegeben hat, dagegen noch andere Besorgnisse hegt, so mag er auftreten und Bürgschaften der Sicherheit verlangen, wie er sie für zweckmäßig hält. Die Frage von der getheilten Unterthanenpflicht gegen den Staat und gegen den Papst aufzuwerfen, ist in jeder Beziehung lächerlich, da die Katholiken keine Unterthanenpflicht gegen den Papst haben. Als diese Frage vor einigen Jahren einer katholischen Universität vorgelegt wurde, war die Antwort: daß man sehr erstaunt darüber sey, wie eine Frage dieser Art in unserem Zeitalter der Beurtheilung einer gelehrten Gesellschaft vorgelegt werden könne; der Papst habe, außer in geistlichen Dingen, weder Gewalt noch Einfluß. Die katholischen Bischöfe von Ireland haben hierüber die feierlichste Erklärung abgelegt, und hat der Papst nicht selbst in seinem Schreiben an die Staaten von Mexico jede Dazwischenkunft in ihre weltlichen und bürgerlichen Angelegenheiten auf das Entschiedenste abgelehnt?

Die gewöhnliche Methode der Gegner der Emancipation ist, jene Tage hervorzuziehen, die vergangen sind und nie wieder zurückkehren können, als Männer ohne sittliche Grundsätze im Besitz der Gewalt waren. Während dieser dunkeln Zeiten wurden allerdings Verbrechen begangen, vor denen die Menschheit schaudert; aber ist es nicht höchst ungerecht, die gegenwärtige Generation wegen der Vergehen der Menschen zu bestrafen, die damals die Gewalt hatten? So führt man die Annalen der blutigen Königin Maria und Philipps II an und die Gräuelthaten, die von diesen Tyrannen verübt wurden; mit demselben Rechte könnte man den heutigen Römern die Gräuel Nero’s zum Verbrechen machen. Es ist kindisch, von den Scheiterhaufen von Smithfield zu sprechen; ja es ist mehr als kindisch, denn indem man dieß thut, verräth man den Wunsch, sie auf’s Neue anzuzünden und gegen die Katholiken zu wenden. Namentlich in Bezug auf die Iren ist es merkwürdig, daß zu der Zeit, als diese Scheiterhaufen brannten, die Protestanten vor der Verfolgung, die sie in England traf, nach Ireland flohen und von dem katholischen Volke dieses Landes mit aller Gastfreiheit aufgenommen wurden, die dem Iren so eigenthümlich ist. Nicht allein beschützten die Iren diese unglücklichen Protestanten gegen die Gewalt, sondern sie erlaubten ihnen sogar, zu einer Zeit, wo der Katholicismus in England, wie in Ireland, die Oberhand hatte, die ungestörte Ausübung ihrer Religion. Ist es unter diesen Umständen gerecht, die Grausamkeiten des Jahres 1500 im Jahre 1828 wieder hervorzuheben und dem irischen Volke zur Last zu legen? Sollten nicht im Gegentheil die Aufrechthalter des Protestantismus Mitgefühl haben mit den Nachkommen der Beschützer ihrer damaligen Glaubensverwandten, – mit dem armen Volke von Ireland, welchem, statt dessen, täglich die ungerechtesten Vorwürfe gemacht werden?

Es gibt einige unter diesen Herren, welche sagen, daß das Volk von Ireland sich um die Emancipation nicht bekümmere. Aber das Gefühl der Opposition gegen die englische Unterdrückung läuft durch die ganze Bevölkerung des Landes; nicht einer ist darin, der nicht überzeugt wäre, daß diese Maßregel sie von der Schmach und Herabwürdigung befreien würde, unter der sie gegenwärtig leiden. Kein Volk ist empfindlicher, als das irische; sie sind dieß in höherem Grade, als irgend ein anderes Volk der Erde; und nicht der elendeste Bewohner einer Hütte unter ihnen ist so tief gesunken, daß er gegen diese moralische Entwürdigung gefühllos wäre. Nur durch Unkenntniß von [653] Ireland kann man verleitet werden, das Gegentheil zu glauben. Man hat gesagt, daß nur einige Advocaten und Edelleute für die Emancipation interessirt wären, indem sie die Aussicht hätten, durch dieselbe Zutritt in das Parlament zu erhalten; aber wie wollte man bei dieser Ansicht die katholische Rente[5] erklären? Für diese legt der arme Mann in Ireland seine kümmerliche Ersparniß bei Seite, um sich von dem Brandmal zu reinigen, das auf ihm haftet. Man hat endlich gesagt: die Emancipation würde die Armen nicht reich machen. Aber mögen die Herren, welche dieser Meinung sind, die Uebel betrachten, die Ireland seit der Union getroffen haben. Der Grund, weshalb nicht schon diese den Armen reich machte, war nur, daß sie das Land nicht bewohnbar machte für seine Eigenthümer und eben so wenig die geringste Anziehungskraft für die englische Speculation darbot. Denn so wie die Dinge standen, konnte man von Niemand erwarten, daß er freiwillig seine Wohnung in diesem unglücklichen Lande nehmen würde.“ –

Sir Francis schloß, indem er die Hoffnung ausdrückte, daß er keinen der Gründe übergangen habe, welche für die vorgeschlagene Maßregel anzuführen wären und daß er das Glück haben würde, dem Hause die Veranlassung zu geben, die Segnungen des Friedens über Ireland zu verbreiten. Ehe er sich indessen niederließe, wünschte er noch ein Wort über einen Gegenstand zu sagen, von welchem bei dieser Gelegenheit wahrscheinlich noch die Rede seyn werde; er meine die Sicherheiten, die man von den Katholiken fordere. Seine Meinung in dieser Beziehung sey, daß es keine Sicherheit gebe, die nur einen Augenblick Ueberlegung verdiene, wenn man sie mit der vergleiche, welche nothwendig aus dem Gefühl hervorgehen würde, das jeder Britte dann würde nähren dürfen, gleiche Rechte zu besitzen und sich des Schutzes gleicher Gesetze zu erfreuen. Keine Sicherheit sollte wünschenswerther seyn für den Staat, als die, welche aus der allgemeinen Zufriedenheit des Volkes hervorgeht.

Der General-Solicitor (Procurator) der Krone, der zuerst gegen die Emancipation das Wort nahm, bemerkte in Bezug auf die Folgerung, die Sir Burdett aus den Artikeln des Tractats von Limerick gezogen hatte, daß dieß ein Verfahren sey, wie es zwar bei Gerichtshöfen, aber nicht bei Streitfragen der Politik angewendet zu werden pflege. Mit demselben Rechte, sagte er, kann man bei einer andern Gelegenheit sich vielleicht auf einen Vertrag berufen, der zur Zeit der Kämpfe zwischen den Häusern von York und Lancaster oder in einer noch entfernteren Periode geschlossen wurde. – Nie hat es einen Staat gegeben, welcher nicht Personen, deren Gesinnungen mit seiner Sicherheit und der Wohlfahrt seiner Bürger im Allgemeinen unverträglich waren, von Stellungen des Vertrauens und der Macht, so wie von bürgerlichen Aemtern ausgeschlossen hätte. Wer würde daran denken, einen Quäker an die Spitze der Staatsgewalt zu stellen, der nach dem Buchstaben der Lehre, keinen Widerstand zu leisten, handelte, oder einen deutschen Wiedertäufer (German Anabaptist) zum Richter zu machen? – Ohne auf die Streitigkeiten, Anklagen und Vorwürfe der Vergangenheit zurückzugehen, kann man annehmen, daß auch die Gesetze gegen die Katholiken damals, als sie gegeben wurden, in der Nothwendigkeit begründet und durch die Weisheit unserer Vorfahren dictirt waren. Die Männer, welche in den Tagen der Revolution am stärksten auf diese Gesetze drangen, werden allgemein als die Trefflichsten und Weisesten ihrer Zeit betrachtet. Und von der Zeit der Reformation bis auf die Union zwischen England und Ireland ist kein wichtiger Staatsvertrag eingegangen worden, ohne daß die feierlichsten Verpflichtungen in Bezug auf die Sicherheit der herrschenden Kirche in denselben aufgenommen worden wären. Die ganze Frage beruht daher jetzt auf dem einzigen Puncte: ob eine solche Veränderung in den religiösen Gesinnungen und Meinungen der Katholiken eingetreten ist, daß die gesetzgebende Gewalt gerechtfertigt werden könnte, wenn sie ohne irgend eine weitere Vorsorge oder Sicherheit ihnen die Thür der Constitution öffnete. Leicht kann man zeigen, daß keine solche Veränderung statt gefunden hat. Die Katholiken behalten noch immer dieselben Meinungen, zu denen sie sich stets bekannt haben, und würden ohne Zweifel auch wieder nach denselben handeln, wenn sie zur Macht gelangten. Die Thatsachen, welche dieß beweisen, sind unbestreitbar. Nie hat es eine Periode in England gegeben, wo katholische Bischöfe in England ernannt worden wären, ohne Zustimmung der Krone, oder wo man Bullen oder Verordnungen des römischen Stuhles die Circulation gestattet hätte, ohne daß sie der Aufsicht des Souveräns unterworfen gewesen wären. Und dennoch haben die Katholiken von Ireland durch das Medium der Prälaten, die sie repräsentiren, sich geweigert, jenen alten anerkannten Grundsatz gelten zu lassen. Im Jahre 1813 erklärten die katholischen Bischöfe, daß sie durch das Zugeständniß eines Veto’s in ein Schisma fallen würden: und die gesammte katholische Geistlichkeit war das Echo dieser Lehre. Die Kirchspielpriester der Diöcese von Dublin erklärten, daß sie es zu allen Zeiten für unzweckmäßig hielten, einem antikatholischen Gouvernement ein Veto zuzugestehen: gegenwärtig aber nicht blos für unzweckmäßig, sondern für unheilschwanger für die katholische Kirche. Es gibt keinen Staat in Europa, in welchem die Katholiken so unvernünftige Forderungen machten, als in Großbritannien. In Oesterreich hat der Kaiser die Controlle über die Ernennung der Bischöfe; in Sicilien und Neapel darf keine Bulle des Papstes promulgirt werden, die nicht vorher das königliche exequatur erhalten hat; in Frankreich ist nach den Rechten der gallicanischen Kirche jede Bulle ohne dasselbe null und nichtig. In Spanien sogar, dem wahren Heerde des Katholicismus, herrscht derselbe Grundsatz. Und um nur zwei Staaten zu verwähnen, wo die Souveräne nicht katholischer Religion sind, [654] so wird in Rußland, seit der Errichtung des ersten katholischen Erzbisthums zu Mohilew im J. 1782, der Erzbischof vom Kaiser eingesetzt, und es darf keine Bulle vom Papste ohne Sanction der Krone angenommen werden; in Preußen bestätigt der Papst die Bischöfe nur der Form nach, indem der König zum Haupte der Kirche in seinen Staaten erklärt ist; es gibt eine Appellation an eine Synode, oder an den Souverän, aber keine an den Papst. Es ist kein Zweifel, daß auch Großbritannien, wenn es nur mit Festigkeit auf seinem System beharrt, die Anerkennung desselben von den Katholiken erhalten wird.“

Die Debatten wurden drei Tage lang mit Lebhaftigkeit bis tief in die Nacht fortgesetzt. Wer indessen den verschiedenen Rednern, welche nach einander für oder gegen die vorgeschlagene Maßregel auftraten, nicht mit sehr angestrengter Aufmerksamkeit gefolgt wäre, würde von allen den langen und kurzen Reden, die er gehört hätte, schwerlich mehr im Gedächtniß behalten haben, als die Phrasen: Staatsreligion und Gefahr für den Protestantismus; der Tractat von Limerick und Mr. Pitt; die Verwerflichkeit des Katholicismus und die Verbindlichkeit eingegangene Versprechungen zu halten. Merkwürdig war in Beziehung auf das Letzere eine Anekdote, die Sir J. Newport anführte. „In einer Debatte, welche in diesem Hause statt fand, erzählte er, machte ich dem edlen Lord, der in Ireland für die Union unterhandelte – (der verstorbene Lord Castlereagh) – den Vorwurf, gegen die große Masse des irischen Volkes einen Treubruch begangen zu haben, indem er die den Katholiken zur Zeit der Union gegebenen Versprechungen nicht hielt. Der edle Lord erhob sich mit dem Unwillen, welchen jeder Ehrenmann fühlen muß, wenn ihm eine Verletzung von Treu und Glauben Schuld gegeben wird, und erklärte, daß die Worte, deren man sich in Bezug auf einen ihm vorgeworfenen Treubruch bedient habe, unwahr gewesen wären; er wies jede solche Anschuldigung zurück und fügte hinzu: „Ich berufe mich auf meinen sehr ehrenwerthen Freund Mr. Elliot, zum Beweise, daß keine Versprechungen gegeben wurden. Der auf diese Weise aufgerufene Freund stand auf und sagte: „Mein alter Freund hat Recht, es wurden keine Versprechungen gegeben.“ – Lord Castlereagh rief sogleich aus: Hört! hört! Worauf Mr. Elliot entgegnete: „Der edle Lord wird mich aushören. Es wurden keine Versprechungen gegeben; aber wenn mein edler Freund damit sagen will, es wären keine Anerbietungen gemacht, keine Erwartungen erregt, keine Voraussetzungen veranlaßt worden, daß die unmittelbare Folge der legislativen Union die Emancipation der Katholiken seyn würde, und daß ohne diese Voraussetzungen und Andeutungen die Union dennoch bewerkstelligt worden wäre – mein edler Freund wird dieß nicht behaupten wollen, weil ich weiß, er ist ein Mann von Ehre.“ – Der edle Lord hat nie auch nur ein Sylbe zur Antwort gegeben.“

[657] Sir James Mackintosh faßte die Frage von einem würdigeren Gesichtspunct auf, als die meisten seiner Vorgänger. Es war bemerkt worden, daß man keinen Zusammenhang zwischen einem Sitz im Parlament und der Religionsfreiheit sehe, die für die Katholiken gefordert würde. „Religionsfreiheit,“ entgegnete Mackintosh, „ist jener Zustand der Gesellschaft, wo die Gesetze keine Rechtsunfähigkeit anerkennen, wo sie keine Ausschließung treffen und keine Strafen auferlegen wegen der Religion, der man angehört, – der Zustand, wo Niemand mißhandelt wird wegen der religiösen Meinungen, die er hegt, – wo Jedermann frei seine Ansichten aussprechen darf, ohne deshalb von den Gesetzen mit dem Bann der Ausschließung belegt zu werden. Die Ausschließung eines Menschen von seinen Rechten als Mitglied der Gesellschaft, wenn sie nicht unumgänglich nothwendig ist zu der Erhaltung des Ganzen, ist Verfolgung. Und dieß ist keine neue Lehre; es ist dieselbe, welche Lord Somers – eine Autorität, die kein englischer Rechtsgelehrter zurückweisen wird – auf die protestantischen Dissenters anwandte, die Strafe der Rechtsunfähigkeit im Staate, sagte Lord Somers, ist die nächste nach dem Verluste des Lebens. Ein Engländer kann auf keinen tieferen Grad der Erniedrigung und Entwürdigung herabgesetzt werden, als ihn gesetzlich der Fähigkeit zu berauben, seinem Vaterlande zu dienen; und nichts als der Stolz des Characters und selbstbewußter Unschuld kann einen so Entehrten aufrecht erhalten.“ Dieß waren Lord Somers Grundsätze, des Mannes, den man für den Verfasser der Protestation der Lords gegen die Acte wider die Dissenters hält, wie sie in dem Protokoll des Oberhauses aufgenommen wurde. Aber man will sich nicht auflehen gegen die Weisheit unserer Vorfahren, welche diese Rechtsunfähigkeit den Katholiken auferlegte. Die Weisheit unserer Vorfahren! Einer unglücklicheren Redensart hätte man sich schwerlich bedienen können, um die Ausschließung Andersgläubiger von bürgerlichen Rechten zu vertheidigen; diese Weisheit war nicht die des Dichters:

fuit haec sapientia quondam,
Publica privatis secernere, sacra profanis.

Von der Weisheit unserer Vorfahren reden, wenn nicht mehr als 250 Jahre vergangen sind, seit jeder Staat in Europa die Abweichung von den herrschenden religiösen Meinungen mit keiner geringeren Strafe belegte, als dem Tode! Man gehe zurück auf die Zeiten von Elisabeth, von Maria und von Eduard VI! Man denke an jene Zeit, wo die beiden ersten Reformatoren den Scheiterhaufen bestiegen, weil sie sich zu denselben Meinungen bekannten, um derenwillen die Katholiken, weil sie sich nicht zu denselben bekennen, zu ewiger Ausschließung verurtheilt werden. Man denke an die Zeit unseres Eduards VI, wo das Blut der Arrianer, der Wiedertäufer und anderer Sectirer die Fortschritte der Weisheit unserer Vorfahren bezeichnete. Und jetzt sehe man rings um sich her; man blicke von den Alpen und den Pyrenäen bis nach Archangel und Kamschatka! Zuerst betrachte man das russische Kaiserreich, wo Religionsfreiheit der Grundsatz ist, den die Regierung sich zum Ruhme rechnet. Man betrachte wieder das Königreich Preußen, wo ein protestantischer Monarch mit unparteiischem Gesetz und mit völliger Rechtsgleichheit über eine Bevölkerung herrscht, die aus Katholiken und andere Secten gemischt ist. Man betrachte Sachsen, die wahre Wiege der Reform, und man wird einen katholischen König über ein protestantisches Volk regieren sehen. Dann blicken wir auf Holland und England, die beiden ersten Länder, welche Duldsamkeit und Religionsfreiheit verkündeten, welche Hand in Hand gingen, um Intoleranz und Rechtsausschließung für Zeichen von Rohheit und Barbarei zu erklären:

Hospitium antiquum Trojae sociique penates.

Es wäre eben so schmerzlich als erniedrigend, zu denken, daß England unter der Herrschaft eines Hauses, welches sich sonst beständig als freiheitliebend bewährt hat, zurücktreten sollte aus der Reihe der toleranten Staaten, unter denen es immer einen so ausgezeichneten Rang einnahm. Mit der einzigen Ausnahme von Schweden, welches, obwohl es einen zum Lutheranismus übergetreten katholischen König auf seinen Thron gesetzt hat, noch immer auf der Ausschließung aller Katholiken aus seinem Gebiete beharrt; mit dieser einzigen Ausnahme ist ganz Europa in den Grundsätzen der Liberalität übereinstimmend. Wo, außer in Schweden und in England, wäre wohl noch das System der Ausschließung vorherrschend? Doch ja, es herrscht in den beiden Halbinseln des südlichen Europas, wo wir zwar viele Ungläubige finden, aber keine Protestanten. Wir finden die Intoleranz in England und in Spanien, in dem Vaterlande Locke’s und in dem Vaterlande Loyala’s; sie blüht unter der Regierung des Hauses Braunschweig und – wenn man sich hier des Ausdruckes Regierung bedienen kann – unter der Regierung Ferdinands VII. – Es sind jetzt 750 Jahre seit [658] der Landung der Anglo-Normannen auf dem irischen Boden; 750 Jahre haben die Häuptlinge und das Volk von Ireland ihre Hände gegen England ausgestreckt und um die Gunst gefleht, an den Segnungen seiner Constitution Theil nehmen zu dürfen; 750 Jahre hat dieses Land, unbeugbar in seiner thörichten Politik, darauf bestanden, ein Recht zu verweigern, welches es Ireland hätte bitten sollen, von seiner Hand anzunehmen. Durch eine solche Politik haben wir Ireland, statt zu der Kraft und Stütze des Reiches – wie es seyn sollte – zu seiner Schwäche und zu dem Vorwurfe von Europa gemacht. Und durch keine ungerechte Schickung hat die Vorsehung an uns selbst die Uebel heimgesucht, die von uns oder im Namen unseres Vaterlandes dem Volke von Ireland auferlegt worden sind. Wir fühlen diese Heimsuchung in unseren getheilten Rathssitzungen, wir fühlen sie in dem schwankenden und unbeständigen Zustande unserer Staatsverwaltung und in dem Mißtrauen, welches sich gegen unsere Staatsmänner zeigt. Und allmälig werden wir Gelegenheit erhalten, sie auch in den wichtigeren Lebensprincipien der Gesellschaft zu fühlen; wir werden sie fühlen in der Verarmung und dem äußersten Ruin der englischen Handarbeiter, – in der anschwellenden Fluth elender Bettler, [6] welche, in Folge unserer Thorheit, auf unsere Ufer getrieben werden. Dieß ist der Zustand, in welchem die Dinge sich gegenwärtig befinden; und die Frage ist, ob wir auf unsere Gefahr diesen Zustand der Dinge länger aufrecht erhalten sollen oder nicht. – Wir haben mit den Katholiken von Ireland nicht zu tun als mit Mitgliedern einer Glaubensgemeinde, die über das Land zerstreut und unter die gesammte Bevölkerung desselben vertheilt ist; sondern wir haben mit ihnen zu thun, als mit einer ausgebreiteten Körperschaft, die alle charakteristischen Eigenschaften einer Nation besitzt. Wir schließen von den Vortheilen unserer Constitution und von dem Schutze unserer Gesetze ein braves, verständiges, uraltes Volk aus; ein Volk, das durch Stamm, Sprache und Religion, so wie durch alle anderen Merkmale, welche einen eigenthümlichen Ursprung und Bildungszustand bezeichnen, von allen anderen unterschieden ist, – unterschieden vor Allem durch jene Umgrenzung, die immer dem menschlichen Geiste den tiefsten Eindruck der Nationalität einprägt. Wir haben zu thun mit dem Volke, das durch die Erinnerung an lange Leiden und an alten Ruhm zusammengehalten wird. Warum sollte man darauf bestehen, ein Volk zu erbittern und durch den Haß gegen seine Bedrücker zu vereinigen, welches eben so dankbar seyn kann für Wohlthaten, die ihm erwiesen, als empfindlich gegen Beleidigungen, die ihm angethan werden? Man kann keinen einzigen Grund, weder der Gerechtigkeit, noch der Politik für ein solches Verfahren anführen; aber wohl viele Gründe dagegen. Einer dieser Gründe und ein sehr einfacher ist der, daß die irischen Katholiken, als ein Volk, zahlreicher und folglich auch mächtiger sind, als eine bloße Secte; und daß es daher weniger gefahrlos ist, sie zu beleidigen.

Ein zweiter Grund ist, daß sie mit einem Nationalstolz begabt sind, welcher das Gefühl der Unterdrückung bei ihnen erhöht. Ist es wohl möglich, daß man sich einbilden könnte, die Katholiken fühlten ihre gegenwärtige Lage nicht als eine Beleidigung und Ungerechtigkeit? Dieß ist der Standpunct, von welchem man die Frage, welche uns vorliegt, beurtheilen muß. Und ob dieselbe durch die Stimmen dieses Hauses in dieser oder in einer anderen Nacht entschieden werden mag; so ist kein Zweifel, daß die Zeit nicht mehr fern ist, wo diese Entscheidung endlich eintreten muß.

[661] Der Staatssekretär für das Innere, Mr. Peel suchte die Deutung, die Sir Francis Burdett den Artikeln des Tractates von Limerick und dem Benehmen Pitt’s und seiner Collegen, der Lords Cornwallis und Castlereagh gegeben hatte, zu widerlegen und erklärte darauf, daß er in Bezug auf die sogenannte Emancipation fest und unveränderlich auf der Meinung beharre, die er bereits mehr als einmal vor dem Hause ausgesprochen habe. Er sey überzeugt, daß der Grundsatz, die Katholiken wären auf gleiche Weise mit den Protestanten zu vollem Genuß aller Vortheile der brittischen Constitution berechtigt, eine wesentliche Veränderung in der Verfassung von Großbritannien hervorbringen müsse. Wenn dieser Grundsatz angenommen würde, sagte er, so würde die Krone des einzigen Bandes beraubt, welches zwischen der Regierung und der Kirche noch übrig ist, und die Constitution müßte den Character verlieren, den ihr die Revolution (1688) verliehen hat, den Character des Protestantismus. Man sagt, die Ansichten der Katholiken hätten sich verändert, sie verleugneten jetzt viele der Lehren, die ihnen früher zugeschrieben wurden; aber zugegeben, daß dieß in der That der Fall sey, woher weiß man, daß diese Veränderung nicht bloß der gegenwärtigen Ueberlegenheit des Protestantismus im Staate zu verdanken ist? Und woher weiß man, daß, wenn die Katholiken in den Genuß gleicher Rechte gesetzt würden, der verderbliche Geist ihrer Religion nicht wieder erwachen würde. Man sagt: England sey das einzige Land, in welchem diese Ungleichheit noch bestände; in allen andern Ländern, wo dieselbe statt gefunden hätte, seyen die Katholiken befreit und zu allen bürgerlichen Rechten erhoben worden. Aber England befindet sich in dieser Beziehung in einer wesentlich verschiedenen Lage von allen anderen Ländern; und die Frage ist, ob wir gegenwärtig vorbereitet sind, dem Beispiele der übrigen Staaten Europas zu folgen. Die Entfernung der Rechtsunfähigkeiten der Katholiken würde in diesem Lande eine Umwälzung zur Folge haben, die sich nur mit der vergleichen ließe, welche die protestantische Constitution des Landes bewirkte. In Preußen sind den Katholiken keine Rechtsunfähigkeiten auferlegt; aber in Preußen sind die Katholiken ein Theil des Staates (the Roman Catholics of that country were part of the state !). Die Katholiken stehen dort in demselben Verhältniß zum Staate, wie hier (neuerdings) die protestantischen Dissenters. Die katholischen Bischöfe sind vom Staate dotirt, völlig unabhängig, und ihre Ernennung ist gleichfalls Sache des Staates. Wenn dagegen die Katholiken in England auf gleichen Fuß mit den Protestanten gesetzt werden sollten, so würde die unmittelbare Folge davon ein unabläßiger Kampf um Macht und Herrschaft zwischen beiden Parteien seyn, und die Maßregel würde sich nicht als ein Segen, sondern als ein Fluch des Landes beweisen. Ob durch die Aufhebung der gegenwärtigen Rechtsungleichheit Harmonie und Zufriedenheit hergestellt werden würde, ist noch sehr zweifelhaft. Wenn ich den Zustand von Ireland betrachte, und wenn ich höre, daß man die Absicht habe, die protestantische Kirche unverletzt zu erhalten; so scheint es mir sehr gefährlich der Majorität des Volkes gleiche Ansprüche auf Macht zu geben, als der protestantischen Minorität. Wir sehen in Ireland 5 oder 6,000,000 Einwohner, wie die gewöhnliche Angabe ist, die sich zum Katholicismus bekennen; und dagegen soll sich die Zahl der Anhänger der protestantischen Kirche nur auf 5 oder 600,000 belaufen. Wenn auch diese Zahlen übertrieben wären, so ist es doch klar, daß die herrschende Religion in der Minorität ist; wie wäre es daher möglich, die Sicherheit und den Frieden derselben zu erhalten, sobald den Katholiken der Zugang zur Macht eröffnet wird? Die erste Folge dieses Schrittes wäre, daß die irischen Parlamentssitze insgesammt mit Katholiken besetzt würden; dieß wäre unmöglich zu verhindern, da die Wähler fast alle Katholiken sind. Sodann würden die Katholiken Ansprüche auf alle Corporationsämter [7] in Ireland erhalten. Es gibt in Ireland ungefähr 150 Corporationen, und der Beamtenstellen, die mit denselben in Verbindung stehen, sind an 3500, von denen sämmtlich die Katholiken ausgeschlossen sind, und die insgesammt durch die Annahme der vorgeschlagenen Maßregel den Katholiken eröffnet würden. Die Besetzung dieser Stellen hängt ausschließlich von den Wählern der Corporationsstädte ab, ohne daß die Regierung die geringste Controlle darüber zu führen hätte. Wenn man nun die Zahl der Katholiken bedenkt, die sich zu diesen Aemtern drängen würden; so kann man sich leicht vorstellen, wie gefährlich es wäre, denselben einen so großen Zuwachs an Macht zuzugestehen. Meine Ansicht in Bezug auf Ireland [662] ist immer die gewesen, wo möglich den von der Gerechtigkeit, so wie von einer gesunden Politik bezeichneten Mittelweg einzuschlagen. Und dieser ist, auf der einen Seite keine Erneuung der Strafgesetze gegen die Katholiken (the Penal-laws) zu gestatten, auf der anderen ihnen keine Zugeständnisse von politischen Rechten zu machen, die unvereinbar mit der Sicherheit der herrschenden Kirche sind. Es ist albern zu behaupten, daß es eine Beleidigung für die Katholiken sey, jene Aemter, die jetzt mit Protestanten besetzt sind, in den Händen derselben zu lassen. Die Katholiken haben den freien und ungehinderten Gebrauch aller ihrer Fähigkeiten; sie haben das Recht, jeden Beruf zu erwählen, zu welchem diese Fähigkeiten sie tauglich machen. Ich kann daher weder eine Ungerechtigkeit, noch eine Beleidigung darin sehen, wenn man den Protestanten die Aemter, welche sie gegenwärtig inne haben, nicht entreissen will.

Mr. Lamb, der Staatssekretär für Ireland, sprach sich für die Emancipation aus, indem er bemerkte, daß er keineswegs gemeint sey, die Gefahren abzuleugnen, die mit dieser Maaßregel verbunden wären; aber unmöglich könne er zugeben, daß man deshalb etwas, was doch unvermeidlich bliebe, nicht thun sollte. Er bediene sich keiner stärkeren Sprache zur Unterstützung des Vorschlages, der dem Hause zur Berathung vorliege, weil er nicht wünsche, die geringste Veranlassung zu geben, daß das Gefühl der Erbitterung in dem irischen Volke geweckt werde.

Mr. C. Grant, der Präsident des Handelsbureaus (board of trade), unterstützte gleichfalls die Emancipation. Der gegenwärtige Zustand von Ireland, sagte er, giebt uns ein merkwürdiges Beispiel von den Wirkungen der Ungerechtigkeit, die diesem Volke in früherer Zeit widerfuhr. Die Geschichte jener Zeit, was man auch immer von der Weisheit unserer Voreltern in Bezug auf Ireland sagen mag, ist kein glänzendes Denkmal dieser Weisheit. Der ehrenwerthe Baronett, welcher die Abstellung, oder wenigstens eine Milderung dieser Mißbräuche in Vorschlag brachte, hat heftigen Widerstand gefunden. Aber die Einwendungen, die man erhoben hat, lassen sich insgesammt auf die einzige scharfsinnige Behauptung zurückführen, daß die Katholiken nicht zufrieden sind, weil – man ihre Forderungen nicht erfüllt. So werden die übeln Folgen eines Gesetzes zu dem Grunde der Fortdauer desselben gemacht: so lange sie unzufrieden sind, darf man die Ursachen ihrer Unzufriedenheit nicht entfernen. Aehnliche Gründe hat man gebraucht, als die Abschaffung des Negersclavenhandels vorgeschlagen wurde. – Wo wir immer das Buch der Geschichte aufschlagen oder die Erfahrung befragen, werden wir finden, daß jede Milderung des Systems der Gesetzgebung, wenn auch eine Zeitlang ein Stillstand eingetreten war, zu einem Kampfe der Parteien führte, bis man zu dem Puncte gelangte, wo die Gerechtigkeit und Billigkeit in der vollsten Ausdehnung ihrer Ansprüche befriedigt war. Dieß liegt in der Natur der Dinge. Möge das Haus sich, in der römischen Geschichte, der Kämpfe zwischen den Patriciern und den Plebejern erinnern. Vor dieser Periode waren die Plebejer in dem Zustande der tiefsten Erniedrigung. Nachdem ihnen einige Zugeständnisse gemacht worden waren, folgte eine Periode des Kampfes, bis sie ihre vollkommenen Rechte errungen hatten. So wird auch in unserem Vaterlande der Kampf der Parteien dauern, bis alle gerechten Ansprüche befriedigt sind; aber es ist eine Täuschung, wenn man glaubt, daß der Kampf auch, nachdem jener Punkt erreicht ist, fortdauern würde. Mit demselben Rechte könnte man sagen, weil die Fluth schwillt, bis sie den höchsten Wasserstand erreicht hat, müsse man sich derselben entgegensetzen, ehe sie zu diesem Stand gekommen ist. Unser ganzes Verfahren gegen die Katholiken hat in der That etwas Unerklärliches. Es giebt drei klar und deutlich bezeichnete Standpunkte, von denen wir hätten ausgehen können, wenn eine Vertheidigung unseres Verfahrens, abgesehen davon, ob gerecht, oder ungerecht, möglich seyn sollte. Einmal hätte man ihnen weder Duldung, noch freie Religionsübung, noch Zulassung zu staatsbürgerlichen Vorrechten gestatten können. Sodann hätte man ihnen Duldung ihrer Religion gewähren, aber alle staatsbürgerlichen Vorrechte verweigern können; und endlich könnte man mit vollkommener religiöser Duldung vollkommene Theilnahme an allen staatsbürgerlichen Vorrechten verbinden. Jede dieser drei Methoden wäre in sich fest und folgerecht. Die erste, die Aufhebung aller Religionsduldung und aller bürgerlichen Rechte, ließe die Katholiken in dem Zustande, in welchem sie nach Swifts Worten nichts anderes wären, als „Holzhauer und Wasserträger“ (hewers of wood and drewers of water). Wir gaben diese Verfahrensweise auf; aber wir wählten aus einer sonderbaren Caprice weder die eine noch die andere der beiden letzten Methoden, sondern schlugen eine Art Mittelstraße ein, die zwischen beiden hindurchgeht. Wenn wir jetzt auf einen der beiden ersten Standpuncte zurückkehren wollen, so machen wir uns, fürchte ich, etwas zu spät auf den Weg; und auf keinen Fall dürfen wir uns wundern, wenn unsere Feinde sich über Willkürlichkeit, Ungerechtigkeit und Bedrückung beklagen. Man hat den irischen Katholiken vorgeworfen, daß sie gegenwärtig größere Opfer verlangten, als vor zehn oder zwölf Jahren; und man behauptet, wenn man nur fest darauf bestehe, daß sie gewisse Bürgschaften und Sicherheiten leisteten, so würden sie sich denselben schon unterwerfen. Unsere Gegner haben damit gerade den Standpunct bezeichnet, von welchem ich die Frage beurtheilt wünschte. Es ist die Sache der gesetzgebenden Gewalt, jene Sicherheiten aufzuerlegen; es ist unsere Sache, den Katholiken zu sagen: dieß ist unser Gesetz. Man hat angegeben, daß Preußen solche Sicherheiten besitze, und daß dort ein protestantischer König vollkommene Gewalt über seine katholischen Bischöfe habe. Dieß setzt uns in den Stand, den Katholiken zu erklären: Wir wollen nicht fragen, ob es euch angenehm sey, Sicherheiten zu leisten; aber wir wissen, ihr habt dieselben in anderen Ländern geleistet, und daher legen wir sie euch auch hier auf. – Ich bedaure das Haus noch auf einen andern Gesichtspunkt aufmerksam machen zu müssen. Niemand wird in Abrede stellen, [663] daß dieses Land sich seit dem Schlusse des Krieges in einer wichtigen Krisis befindet; in der That, alle Staaten Europa’s waren gezwungen, große Anstrengungen zu machen. Das allgemeine Verfahren derselben war, ihre innere Lage zu untersuchen, alle ihre Hülfsquellen zu eröffnen und ihre Kräfte zusammenzuhalten, um dieselben für den Fall des Bedarfes im Frieden oder im Kriege zur Hand zu haben. Dieses Land hat dasselbe gethan; doch zeigt sich hier ein großer Unterschied; unter den Vorbereitungen, welche jene getroffen haben, finden wir auch die, alle Veranlassungen zu innerem Zwiespalt auszugleichen, und namentlich allen religiösen Theilungen ein Ende zu machen. Diesen wichtigen Theil unserer Pflicht haben wir versäumt; wir haben gespart und scheinen vergessen zu haben, daß wir alles Andere aufopfern könnten, sobald wir uns durch innere Einigkeit gestärkt hätten. Ich will mich nicht über die Wahrscheinlichkeit eines Krieges verbreiten; aber angenommen, ein solches Ereigniß trete ein. Ich frage, mit welchen Gefühlen könnten wir, bei dem gegenwärtigen Zustande von Ireland, dasselbe betrachten? Wir mögen Macht haben, Reichthum, Industrie und Unternehmungsgeist; so dürfen wir doch die Wirkungen der Zwietracht an unserem eigenen Heerde nicht übersehen. Diese verstopft unsere Hülfsquellen, lähmt unsere Produktionskraft, verdoppelt unsere Ausgaben, wirkt unseren Anstrengungen auf allen Seiten entgegen, setzt uns der Beobachtung der Fremden bloß und ladet sie ein zu Angriffen. Ganz Europa kennt diese Thatsachen; es ist nicht eine unter den Mächten, mit denen wir in einen Krieg verwickelt werden könnten, die nicht ihr Auge auf das gerichtet hätte, was sie für den verwundbaren Theil unseres Reiches hält. Dieß sind die Gründe, auf welche ich mich stütze, indem ich meinen Aufruf an das Haus der Gemeinen richte und durch dasselbe an das Volk von England; und ich weiß dieser Aufruf wird beantwortet werden; ich vertraue darauf, daß dieß an dem Schlusse dieser Debatte geschehen wird; aber, ob heut oder morgen, so weiß ich doch gewiß, daß es geschehen muß. Es giebt nicht wenige unter den Mitgliedern dieses Hauses, die überzeugt sind, daß die Frage zuletzt zu Gunsten der Katholiken entschieden werden muß; nur wünschen sie dieß noch auf eine spätere Periode zu verschieben: ich frage diese, wenn die Entscheidung zuletzt doch erfolgen muß, warum dieß nicht jetzt geschehen soll, wo es noch Zeit ist, einer Handlung der Gerechtigkeit das Ansehen einer That der Großmuth zu geben. Möge das Haus daher das Werk der Union endlich zu Stande bringen und vollenden, was es angefangen hat! Möge es in der Wirklichkeit ausführen, was dem Namen nach bereits vorhanden ist; möge es die großartigen Erwartungen der Männer erfüllen, welche zuerst jene Maßregeln vorschlugen, und möge es nach der Ansicht handeln, die Mr. Pitt aussprach, als er sagte:
 - paribus se legibus ambae
Invictae gentes aeterna in foedera mittant!

Mr. North begriff nicht, wie man eine Gefahr davon befürchten könne, zwanzig oder dreißig wohlerzogenen und achtungswerthen Katholiken einen Sitz im Parlamente einzuräumen; während man nicht im Stande sey, zu verhindern, daß die Katholiken in Ireland ihr eigenes Parlament haben – die katholische Gesellschaft (Catholic Association) – zu welchem der Zutritt allen offen stünde, und über welches weder die Regierung, noch die gesetzgebende Gewalt eine Controlle ausüben könne.

[666] Der Generalanwalt der Krone (Attorney General) erklärte sich in den stärksten Ausdrücken gegen die Emancipation. Den Tractat von Limerick, sagte er, und die Unionsacte, worauf der ehrenwerthe Baronett, von welchem der Antrag ausging, so großes Gewicht legte, scheinen seine Freunde über Bord geworfen zu haben; wenn dieß geschehen ist, so haben sie in der That wohlgethan, ihr Schiff zu erleichtern, um es flott zu machen. Was den Tractat betrifft, so ist es nicht wenig merkwürdig, daß man darin keine bestimmte Erwähnung von dem Rechte findet, im Parlament zu sitzen und Staatsämter zu bekleiden; während den Katholiken doch ausdrücklich die Erlaubniß ertheilt wird, zu Pferde zu sitzen und einen Degen an der Seite und ein Paar Pistolen an den Halftern zu führen. In Bezug auf die Union darf man sich nur erinnern, daß Fox selbst, der große Gegner Pitts, in einer Rede im Parlament zugegeben hat, daß keine bindende Verpflichtung gegen die irischen Katholiken eingegangen worden sey. Ein anderer Grund, bemerkte er, den man für die Emancipation angeführt hat, war: daß die Ausschließung der Katholiken kein wesentlicher Bestandtheil der brittischen Constitution, sondern nur eine temporäre Verfügung sey, welche von der Existenz des Prätendenten abhing. Aber die Bill of Rights [8] enthält nirgends eine Beziehung der Art, sondern sichert vielmehr dem Protestantismus auf ewige Zeiten erstens alle hohen Civilämter des Staats, zweitens die unmittelbaren Bedienungen der Krone, drittens beide Häuser des Parlaments und viertens eine protestantische herrschende Kirche. Die Kirche von Ireland ist durch den Act der Union ein wesentlicher Theil der Kirche von England geworden, und diese wichtige Stütze der Union wird durch den Vorschlag der Emancipation hinweggenommen. Haben die katholischen Prälaten, fragte er, nicht geradezu erklärt, daß die einzigen legitimen Bischöfe, welche von der römisch-katholischen Hierarchie in Ireland anerkannt würden, die von dem römischen Stuhle eingesetzten wären? Und geht nicht aus den Zeugenverhören vor dem Hause der Gemeinen hervor, daß sie die protestantische Kirche als eine bloß eingedrängte unrechtmäßige betrachten? Man hat sich auf das Beispiel von Preußen und den Niederlanden berufen, wo die Katholiken gleichfalls den Genuß aller bürgerlichen Vorrechte erhalten haben. Aber in Schlesien ernennt der König von Preußen die römisch-katholischen Bischöfe, nach demselben Grundsatz, nach welchem der König von Großbritannien das Recht dazu verlangt. Wenn die irischen Prälaten dieses Recht zugestehen, so möchte dieß ein Grund seyn, die englische Nation in Bezug auf die Sicherheit, die sie von den Katholiken verlangt, einigermaßen zufrieden zu stellen. Die gegenwärtig vorgeschlagene Maßregel verwirft dagegen alle Sicherheiten; wir werden nicht aufgefordert, mit unseres Gleichen zu unterhandeln, sondern uns unseren Oberen zu unterwerfen:

Oremus pacem et dextras tendamus inermes!

Wir müssen uns ihren Forderungen unterwerfen und ihnen zu Gefallen die brittische Constitution, die Bill of Rights [8] und den Krönungseid aufgeben.

Der Staatssecretär für die Colonien, Mr. Huskisson, gab zu, daß weder durch den Tractat von Limerick, noch durch die Union den Katholiken das geringste Recht [667] auf ihre gegenwärtigen Ansprüche verliehen worden sey; und er empfahl dem ehrenwerthen Baronett, der die Motion gemacht habe, was auch immer das Schicksal derselben seyn möge, sie nie wieder auf eine ähnliche Weise einzuführen. Darauf ging er auf die Gründe über, die ihn bestimmten, sich dennoch zu Gunsten der vorgeschlagenen Maßregel zu erklären. Was auch immer die Meinung des weniger gebildeten Theiles der Gesellschaft hierüber seyn mag, sagte er, so ist doch kein Zweifel, daß die Emancipation unter Männern von Erziehung nicht länger als eine Religionsfrage behandelt werden kann. Die Ansprüche der Katholiken hängen nicht von einer Vergleichung der Lehren der Kirche von England mit den Irrthümern der römischen Kirche ab; die einzige Rücksicht, nach welcher über dieselben entschieden werden kann, ist die der Sicherheit des Landes. Wenn wir nun fragen: welcher Art die Gefahren sind, welche diese bedrohen könnten; so werden wir zugeben, daß es keine Gefahren des Schwertes seyn können, weil die Katholiken bereits zu Befehlshaberstellen im Heere zugelassen werden. Eben so wenig dürfen wir fürchten, daß sie eine gefährliche Controlle über unsere Börse erhielten; denn man hat ihnen längst zugestanden, an der Einziehung der Staatseinkünfte Theil zu nehmen. Der nächste Einwand, der noch übrig ist, bezieht sich auf das Verhältniß zum römischen Stuhl und das Recht, welches der Pabst verlangt, die katholischen Bischöfe zu ernennen. Da aber der Pabst dieses Recht in Bezug auf Rußland, Preußen und die übrigen Staaten des Continents aufgegeben hat; so würde er schwerlich Anstand nehmen, dasselbe auch in England aufzugeben, sobald wir nur das Unsrige thun, die Wunden Irelands zu heilen. Es wäre in der That eine sonderbare Erscheinung, wenn das Haus der Gemeinen fürchten sollte, daß der Einfluß der Katholiken, gegenüber einer protestantischen Krone, gegenüber einer protestantischen Kirche, gegenüber einer protestantischen Aristokratie, je ein gefährliches Uebergewicht über die Interessen dieses Landes gewinnen könnte. Selbst daß die Katholiken, nachdem sie den Zutritt in das Parlament erhalten hätten, sich vereinigen würden, um die Dotirung ihrer Kirche vom Staate durchzusetzen, ist nicht vorauszusetzen. Warum fand nicht auch, nach der Union von Schottland, eine ähnliche Vereinigung unter den Schotten zu Gunsten ihrer Kirche statt? Es ist immer der Stolz von England gewesen und der Ruhm des Hauses der Gemeinen, daß alle Parteien in demselben repräsentirt wären. Das Interesse des Grundbesitzes, der gewerbtreibenden Klassen, kurz aller Stände soll darin repräsentirt seyn; nur die Katholiken will man daraus ausschließen. Man hat stets angenommen, daß in diesem Lande jedermann, von welchem Stande er auch seyn möge, sich zu den höchsten Stellen des Staates emporschwingen könne; nur dann ist dieß nicht der Fall, wenn das Individuum sich zu den Lehren der katholischen Kirche bekennt. Aus welchem Grunde wird der Katholik ausgeschlossen? Nicht, weil er nicht des Vertrauens würdig wäre; nicht weil man sich auf seinen Eid nicht verlassen könnte; Nichts der Art ist der Grund, weshalb man ihn ausschließt, – sondern seine religiöse Ueberzeugung. Zum Schlusse beschwor er das Haus, dem irischen Volke Etwas als eine Gunst nicht zu versagen, was vielleicht später mit Gewalt erzwungen werden könnte. Je länger der Verzug, desto größer die Gefahr.

Mr. Brougham beendigte die Debatten, indem er in kurzen Worten die Gründe zusammenfaßte, die ihn bestimmten, die Motion zu unterstützen. Die Frage ist, sagte er, ob die Lage der Dinge so bleiben kann, wie sie gegenwärtig ist. Ich habe aufmerksam allen den Reden zugehört, die gehalten worden sind, aber in keiner, so wenig in der Rede des ehrenwerthen Secretärs für das Innere, als in der des ehrenwerthen Herrn, des Generalsolicitors, habe ich die Meinung aussprechen gehört, daß die Lage der Dinge so bleiben könne, wie sie ist. Jedermann weiß, daß die katholische Frage eine Frage über Leben, Freiheit und Eigenthum, und, was wir höher schätzen sollten, als Alles, über den Frieden und die Ruhe in Ireland ist. Jederman weiß, daß eine Veränderung früher oder später eintreten muß. Was für eine Veränderung soll dieß nun seyn? Es ist dreierlei, was wir thun können. Wir können zurückgehen. Dieß wäre consequent, begreiflich; es würde die Lücken unseres Strafsystemes ausfüllen. Nehmt die Parlamentsbeschlüsse von 1793 und 1778 zurück, hebt die Wahlfreiheit und das Eigenthumsrecht auf, setzt alle die alten Strafgesetze wieder in Kraft, um die Möglichkeit der Ausbreitung des Papismus zu verhindern! Aber ein solches Verfahren wäre zu schmählich, zu abscheulich, als daß man nur ein Wort darüber verlieren könnte. Das Nächste ist nun, vorwärts zu gehen, oder stehen zu bleiben. Hat aber irgend Jemand, in dem Verlauf dieser drei Nächte es gewagt, zu sagen, wir können in dem Zustande bleiben, in welchem wir uns gegenwärtig befinden? Man spricht von Gefahren und Sicherheiten. Meine erste Sicherheit gleicht alles Uebrige aus: ich sage, laßt die Bill durchgehen! Ich bin weit entfernt zu erklären, daß, wenn Andere noch andere Sicherheiten für nöthig halten sollten, ich nicht bereit sey, in jede Discussion über dieselben einzugehen; ich fühle das ganze unermeßliche Gewicht, welches auf der Entscheidung dieser Frage ruht. Es ist nicht bloß, daß die Grundsätze der Gerechtigkeit, daß die Grundsätze einer gesunden Politik nicht leicht ungestraft verachtet werden; sondern es ist der Friede der einen Hälfte des Reiches, um den es sich handelt, und die Sicherheit und vielleicht in einer nicht mehr weit entfernten Periode, die Erhaltung des Ganzen.

Das Haus entschied mit 272 Stimmen gegen 266, also durch eine Majorität von sechs Stimmen, „daß es zweckmäßig sey, eine solche Veränderung in den Gesetzen in Bezug auf die katholischen Unterthanen Sr. Majestät zu treffen, als mit dem Bestehen der herrschenden Kirche und der Ruhe und Eintracht des Reiches verträglich wäre.“

  1. Benutzt wurden bei diesem Aufsatz, außer den Parlaments-Verhandlungen d. J. in den englischen Blättern: The History of Ireland, by Th. Leland. London 1773. III vols. 8. J. O’Driscols History of Ireland. Lond. 1827. (Beide nur bis zu dem Tractat von Limerick). Hegewisch, Uebersicht der irländischen Geschichte, Altona, 1806. 8. (Bloße Compilation, aber von 1690 an, als Fortsetzung der obigen Werke brauchbar). Lettres sur les Elections Anglaises et sur la Situation de l’Irelande, Paris, 1827. 8. (Von dem bekannten Duvergier de Hauranne). Westminster Review, 1827. N. XIII und XV. Edinburgh Review, 1826. N. LXXX, Blackwood’s Edinburgh Magazine, Mai 1828, p. 621. ff. – Vergl. die gehaltvollen Aufsätze von A. H. (Huber) in den politischen Annalen. B. 20. (1826) S. 131 ff. 230 ff. B. 24 (1827) S. 149 ff. 249. ff.
  2. Am 9 Mai, s. Times und Morning-Herald vom 10.
  3. It is agreed, that the Roman Catholics of this kingdom shall enjoy such privileges in the exercise of their religion as are consistent with the laws of Ireland, or as they did enjoy in the reign of king Charles the Second; and their Majesties, as soon as their affairs will permit them to summon a Parliament in this kingdom, will endeavour to procure the said Roman Catholics such further security in that particular, as may preserve them from any disturbance upon account of their said religion.
  4. All the inhabitants or residents of Limerick or any other garrison now in possession of the Irish etc.
  5. Eine freiwillige Abgabe an die katholische Gesellschaft, um durch dieselbe die armen katholischen Pächter zu unterstützen, die von ihren protestantischen Herren verfolgt werden, weil sie bei der Parlamentswahl den Gegnern der Emancipation ihre Stimmen versagten.
  6. Paupers, Arme, die von den Kirchspielen durch die Poorrates (Armentaxe) ihren Unterhalt beziehen.
  7. Magistratsämter, die von den Corporationen, d. h. der zu jenen Aemtern berechtigten Bürgerschaft besetzt werden.
  8. a b Die Parlamentsacte, durch welche unmittelbar nach der Revolution, die Wilhelm III auf den Thron von England setzte, die Rechte des Volkes und der Krone festgesetzt wurden. S. Hallam, Constitutional History of England Vol. III. pag. 360 ff.
[693]
Zweiter Artikel.
Die Geschichte von Ireland.

Wenn man die dießjährigen Parlamentsverhandlungen über die katholische Frage durchgeht und mit den früheren Debatten vergleicht, von denen sie wenig mehr als eine Uebersicht oder Wiederholung sind; so kann man sich kaum des Gedankens erwehren, daß es von beiden Partien, sowohl den Freunden, als den Gegnern der Emancipation, nach einer stillschweigenden Uebereinkunft auf nichts Anderes, als eine Mystification des Publikums angelegt sey. Die Einen führen Verträge und Versprechungen an, deren Verbindlichkeit seit Menschengedenken verjährt ist, die Anderen berufen sich auf Gefahren, auf Verirrungen und Verbrechen, die einer längst vergangenen Zeit angehören; diese sprechen von der Vortrefflichkeit der brittischen Constitution und dem Glanze der anglicanischen Kirche, jene von dem Elende des irischen Volkes und der Nothwendigkeit der Toleranz; beide verlangen oder geben zu, daß die Frage nicht als eine religiöse, sondern als eine politische zu behandeln sey; und beide verlieren entweder völlig aus dem Auge oder spielen nur vorübergehend darauf an – was doch der einzige richtige Gesichtspunct ist – daß es sich nicht darum handelt, ob in einem protestantischen Staate Katholiken und Protestanten gleiche bürgerliche Rechte haben sollen; sondern ob man eine ganze mächtige Nation, die, zu der Zeit ihrer Schwäche, durch die Gewalt der Waffen bezwungen wurde, nachdem sie wieder erstarkt und zu dem Bewußtseyn ihrer Kräfte gekommen ist, noch länger unter dem Drucke halten könne; ob man es vorziehe, – im günstigsten Falle – mit blutiger Hand über ein ohnmächtiges Volk von Sclaven zu herrschen, dessen Tücke und Hinterlist, wenn auch besiegt, jeden Augenblick neue Gefahr drohen würden, oder einen tapfern und großmüthigen Bundesgenossen zur Seite zu haben, dessen Treue durch Dankbarkeit und noch sicherer durch Gleichheit der Interessen verbürgt wäre.

Wir lesen das Buch der Zukunft, wenn wir die Geschichte der Vergangenheit lesen. Die Frage, was geschehen wird; beantwortet sich durch die Frage, was geschehen ist. Um den gegenwärtigen Zustand von Ireland begreifen zu können, müssen wir vor Allem untersuchen, wie dieser Zustand geworden ist; um die Politik des englischen Gouvernements in Bezug auf Ireland beurtheilen zu können, müssen wir die ursprünglichen Verhältnisse kennen lernen, aus denen diese Politik sich entwickelt hat.

Die älteste Bevölkerung von Ireland gehörte einem jener celtischen Stämme an, die wir mehrere Hundert Jahre vor Chr. G. im Besitz von ganz Gallien und Großbritannien und einem großen Theile von Spanien finden. Die Iren waren, der Sage nach, in uralten Zeiten aus Spanien eingewandert; ein Zweig von ihnen ging in das benachbarte Schottland hinüber, wo noch jetzt die Bewohner der Hochlande in Sprache und Sitten die engste Verwandtschaft mit den Iren zeigen, während beide einen entschiedenen Gegensatz gegen die Nachkommen der alten Britten und Gallier in Wales und der Bretagne bilden. [1] [694] In den Kämpfen, in welchen die Britten erst den Römern, dann sächsischen Eroberern unterlagen, blieben die Iren, wie die Schotten theilnahmlose Zuschauer; aber von den scandinavischen Schwärmen, die sich gegen das Ende des achten Jahrhunderts in so unermeßlicher Menge über die Küsten von Frankreich und Britannien verbreiteten, wurde auch Ireland heimgesucht, wo sie unter dem Namen der Fingalls, d. i. der weissen Fremden, wie in England unter dem Namen der Ostmannen oder Männer aus dem Osten, in Frankreich, ihres nordischen Ursprunges wegen, unter dem Namen der Normannen bekannt waren. Einige von ihnen stifteten bleibende Niederlassungen und sie nahmen allmälig die ganze östliche Meeresküste ein, von Antrim bis nach Limerick; von ihnen wurden die vorzüglichsten Städte Irelands gebaut. Ihre Eroberungen tiefer in das Innere auszudehnen gelang ihnen indessen, ungeachtet ihrer Ueberlegenheit in der Kriegskunst und der Uneinigkeit der Iren unter einander, nicht; und da sie im 11ten und 12ten Jahrhundert nur noch selten durch frische Zuzüge aus Norwegen unterstützt wurden, so fielen sie zuletzt in einen Zustand der Abhängigkeit von den eingebornen Fürsten, welcher sie jedoch nicht

[695] hinderte, in den Kriegen derselben unter einander noch immer eine wichtige Rolle zu spielen. [2]

Damals war die ganze Insel in vier Königreiche getheilt: Leinster, Munster, Ulster und Connaught. Meath, ein kleiner District in der Mitte, war der Sitz des Oberkönigs, der von der ganzen Nation gewählt wurde, aber außer dem Ansehen, welches mit seiner Würde verknüpft war, und den Geschenken, die ihm von den untergeordneten Königen ausgesetzt wurden, weder größere Macht, noch ausgedehnteren Einfluß, als irgend einer von diesen genoß. Jeder dieser Fürsten war völlig unabhängig von dem anderen, sowohl in der inneren Verwaltung seines Reiches, als in dem Rechte mit seinen Nachbarn nach Willkür Kriege zu führen oder Frieden zu halten. Unter ihnen standen, mit beinahe gleicher Unabhängigkeit, die Häuptlinge der Stämme oder Clans, in welche das Volk zerfiel, und unter diesen die Häupter der Familien, die über die Ihrigen wieder eine eben so unumschränkte Gewalt behaupteten, als der Häuptling über den ganzen Clan.

Alle Glieder eines Clans führten denselben Namen, indem sie sich als Verwandte und Nachkommen eines gemeinschaftlichen Stammvaters ansahen und nach dem Namen desselben – mit Hinzufügung der Worte O oder Mac (Sohn oder Abkömmling) – nannten. Der Häuptling (Flath) wurde aus den ältesten und würdigsten desselben Blutes erwählt. Seine Einkünfte bestanden in Geschenken aus den Producten des Landes und in einem Antheil an den Strafgeldern, die für gewisse Verbrechen erlegt werden mußten; seine Gewalt war unumschränkt, beruhte aber mehr auf dem persönlichen Ansehen, welches ihm die Meinung beilegte, als auf wirklicher Macht. Das ganze Land war ein großer Weideplatz; Viehzucht und Jagd die einzige Beschäftigung. Unter einem milden Clima befriedigten die zahlreichen Heerden, die während des Sommers im Gebirg, während des Winters in der Ebene von Ort zu Ort zogen, alle Bedürfnisse. Aus der schwarzen Wolle des irischen Schafes bereiteten die Weiber Mäntel von grobem Tuch, die einzige Kleidung aller Stände. Der Grund und Boden war gemeinschaftliches Eigenthum, und bei dem Tode eines Familienvaters wurde daher nicht der Antheil, den er besessen hatte, an seine Kinder, sondern der ganze Rath – das Gebiet des ganzen Stammes – auf’s Neue unter alle Mitglieder desselben vertheilt. [3]

Wie die Mitglieder eines Clans im engeren Kreise, so betrachteten im weiteren die verschiedenen Clans eines jeden Reiches und im weitesten alle Iren sich als Nachkommen einer und derselben Familie. Daher bestand die ausgedehnteste Gastfreundschaft; jeder Ire hatte das Recht Aufnahme in jedem Hause zu fordern, dessen Schwelle er betrat: auch war es Gesetz, daß nie ein Rath ganz zerstört oder verlassen werde dürfe: „damit der Wanderer nicht des Nachts eines Lagers entbehre.“ Eine Sitte, die mehr als alle andern beitrug, die Bande der Verwandtschaft bis auf die entferntesten Grade hinab unauflöslich zu erhalten, war der Gebrauch, die Söhne nicht im elterlichen Hause aufwachsen zu lassen, sondern – sobald sie ein gewisses Alter erreicht hatten – einem Freunde zur Erziehung zu übergeben. [4]


[696] Jeder Clan hatte außer dem Häuptling seine Richter, die Brehon hießen und aus gewissen Familien gewählt wurden. Sie saßen unter freiem Himmel auf einfachen Rasenbänken zu Recht und entschieden die Streitigkeiten, die vor sie gebracht wurden, nach den alten Gewohnheiten des Landes. Alle Verbrechen und Rechtsverletzungen wurden durch Geldstrafen gebüßt, die mit großer Genauigkeit für alle möglichen verschiedenen Abstufungen derselben festgesetzt waren. Die Buße oder das Eric für einen Mord war sieben Cumhals oder ein und zwanzig Kühe. Aber nicht bloße schwere Verbrechen wurden auf diese Weise bestraft, sondern auch leichtere Vergehen, Beleidigungen aller Art, Verläumdung, Verbreitung falscher Gerüchte, Mangel an Ehrerbietung gegen die Oberen und ähnliche. Eine Menge von Anordnungen sicherten das Eigenthum, sowohl des Bodens und der Gewässer, als der Heerden und besonders auch der Bienen, von denen der Honig zu der Bereitung eines berauschenden Getränkes gebraucht wurde.

Neben den Richtern genossen die Sänger (Fileas) einer vorzüglichen Achtung; sie hatten ihren bestimmten Platz an den Höfen der Fürsten und Häuptlinge; sie begleiteten die Heere, und ihre Lieder, in denen sie die Thaten der Vorfahren priesen und zum Wetteifer mit denselben aufforderten, hatten oft eben so großen Einfluß auf den Ausgang der Schlachten, als die Tapferkeit der Streiter, und auf die Wendung von politischen Unterhandlungen, als die Staatsklugheit der Unterhändler.

Alle drei Jahre versammelten sich die Fürsten und Häuptlinge, unter dem Vorsitze des Oberkönigs, auf dem großen Fe oder der Nationalversammlung zu Teamor (Tarah) in Meath. Hier wurden Gesetze gegeben und Feste gefeiert und ein großer Markt gehalten, auf dem man die gegenseitigen Bedürfnisse eintauschte. Hohe Strafen verbürgten die Sicherheit derer, die zu dem Fe reisten; aber der Verfall des Ansehens der Oberkönige und die häufigen Fehden der verschiedenen Clans untereinander, die aus der Ehrsucht der Häuptlinge hervorgingen, brachten dasselbe allmälig in Vergessenheit; und mit diesen Nationalversammlungen hatte sich schon zu der Zeit der Einfälle und Verheerungen der Ostmannen zugleich das einzige Band aufgelöst, welches die Iren zu einem Volke vereinigte.

[707] Früh war in Ireland das Christenthum verbreitet worden; der heilige Patrick, ein geborner Ire, der in dem Kloster des heil. Martinus zu Tours nach den Begriffen der damaligen Zeit gebildet worden war, vollendete um die Mitte des fünften Jahrhunderts die Bekehrung der Insel. Die religiösen Gemeinschaften, zu denen sich die Schüler des frommen Mannes vereinigten, hatten das doppelte Verdienst, ihre Landsleute mit dem Ackerbau bekannt zu machen und zu einer Zeit, als beinahe in dem ganzen übrigen Europa wilde Barbarenhorden selbst die Keime der Civilisation ausrotteten, den Wissenschaften eine Freistätte zu eröffnen. Auf allen Puncten der Insel, mitten in den entlegensten Wildnißen, in den unwegsamsten Sümpfen und Wäldern, erhoben sich Klöster; um sie her wurde das Land urbar gemacht, Dörfer und Städte erbaut und Schulen gestiftet, in denen bald auswärtige wie einheimische, Schüler in großer Anzahl Aufnahme und Unterricht fanden. Auf die allgemeine Bildung und die Sitten des Volkes hatte diese Veränderung indessen nur geringen Einfluß, da die Wissenschaften, mit der lateinischen Sprache, in der sie gelehrt wurden, auf den Umfang der Klostermauern beschränkt blieben. Nirgends erhielt sich die Geistlichkeit so frei von aller Einwirkung in weltliche Dinge; und dieser Mangel politischer Macht mag mehr, als die Abgeschiedenheit der Insel, der Grund gewesen seyn, weshalb die irische Kirche, in ihrem dürftigen und unscheinbaren Kleide, von der römischen Hierarchie zu der Zeit, als dieselbe ihre stolzen Fittige über alle Länder des Abendlandes ausbreitete, übersehen und vergessen wurde.

Mehrmals hatten irische Häuptlinge in den Fehden von Wales und in den Kriegen von England gefochten; nach der Schlacht bei Hastings setzten die Söhne Eduards des Bekenners, den Kampf gegen die normännischen Eroberer mit Hülfe irischer Heere fort; auch nachdem die Eroberung vollendet war, suchten häufig unzufriedene englische Große eine Zuflucht auf der Nachbarinsel. Nothwendig war dadurch die Aufmerksamkeit der Könige von England auf Ireland gezogen worden; der staatskluge Heinrich II war kaum auf den Thron gelangt, als er den Plan zur Eroberung der Insel faßte, und in Ermanglung besserer Rechtsgründe mußte die Unabhängigkeit, in welcher sich die irische Kirche vom römischen Stuhle befand, zum Vorwand dienen. Bereits im Jahre 1152 hatte ein apostolischer Nuncius, der Cardinal Paparone, den Clerus von Ireland zu einer Versammlung berufen, um die Abstellung der Mißbräuche zu verlangen, welche sich in die geistliche Disciplin und das kirchliche Ceremonienwesen, oder, was damals eben so viel sagen wollte, in die Religion eingeschlichen hätten. Auf einer Synode zu Drogheda, die aus 3000 Geistlichen bestand, ertheilte er im Namen des heil. Petrus den Bischöfen von Armagh, von Dublin, von Cashel und von Tuam das erzbischöfliche Pallium, bestimmte die Zeit der Osterfeier nach dem Gebrauche der übrigen abendländischen Kirchen und führte das Cölibat ein. Aber ob die Unterwerfung des irischen Clerus nicht allgemein genug, oder nur unvollständig war: zwei Jahre darauf machte der Pabst Adrian III von seinem Rechte, als Oberhaupt der gesammten Christenheit das Wohl der ihm anvertrauten Heerde zu besorgen, Gebrauch, indem er die ganze Insel dem Könige von England schenkte, „um auf derselben die Pflanzungen des Lasters auszurotten und den Samen des christlichen Glaubens auszusäen.“ Dagegen versprach der König, sobald er Ireland unterworfen haben würde, von jedem Hause jährlich eine Steuer von einem Pfennig an den heil. Petrus zu bezahlen.[5]

Innere Unruhen verhinderten lange die Ausführung dieses Eroberungsplanes; bis im Jahre 1168 ein vertriebener irischer Fürst nach England floh und den Schutz Heinrichs II ansprach. Dermod, König von Leinster, hatte sich durch seine Grausamkeit und Strenge den Haß der ihm untergebenen, so wie durch seine Gewaltthätigkeiten die Feindschaft der benachbarten Häuptlinge zugezogen, als der Oberkönig O’Lochlan von Ulster, der ihn beschützte, in einem Treffen fiel und Roderic O’Connor von Connaught, das Haupt der Gegenpartei, auf den Thron erhoben wurde. Sogleich wandte dieser die Waffen gegen Dermod, der von den Seinigen verlassen und außer Stande, seinen Feinden Widerstand zu leisten, sich genöthigt sah, seinen Staaten den Rücken zu kehren.

Heinrich II befand sich, als Dermod an seinem Hofe erschien, in Guienne und war zu sehr mit den inneren Angelegenheiten seines Reiches beschäftigt, als daß er sich auf auswärtige Unternehmungen hätte einlassen können; um indessen eine so günstige Gelegenheit zu der Erreichung seiner Absichten nicht ganz von der Hand zu weisen, versicherte er den verbannten Fürsten in offenen Briefen seines Schutzes und ertheilte allen englischen Baronen die Erlaubniß, ihm zu der Wiedereroberung seiner Staaten hülfreiche Hand zu bieten.

Im Anfang des Mai 1170 landete ein normännischer Ritter aus dem Fürstenthum Wales, Robert Fitzstephen mit dreißig Rittern, sechzig schwer bewaffneten Reitern und hundert Bogenschützen – der erste Engländer – in der Einfahrt von Bann, in der Nähe der Stadt Wexford, an der irischen Küste; unmittelbar darauf Moritz von Pendergast, ein tapfrer Walliser, an der Spitze von zehen Rittern und zweihundert Bogenschützen. Mit ihnen war Hervey von Mountmorres, ein Neffe des mächtigen Grafen Richard von Chepstow, von seiner Stärke im Bogenschießen genannt Starkbogen (Strongbow), um im Auftrage seines Oheims, dem Dermod die Hand seiner einzigen Tochter und die Nachfolge auf dem Throne von Leinster zugesagt hatte, das Land auszukundschaften. Dermod, der, vor der Ankunft seiner Bundesgenossen zurückgekehrt, einen Aufstand durch seine Anhänger erregt und durch die unzeitige Milde des Königs Roderic O’Connor zur [708] Entschädigung für den Verlust seines Reiches einen kleinen District an der Küste zum unabhängigen Besitz erhalten hatte, vernahm nicht sobald die Nachricht von der Landung der Engländer, als er seinen natürlichen Sohn Donald mit fünfhundert Mann zu ihnen stoßen ließ und kurze Zeit darauf sich selbst mit ihnen vereinigte. –

Wexford, ein von den Ostmannen erbauter Ort, ergab sich nach kurzem Widerstande, Fitzstephen wurde zum Herrn desselben und des dazu gehörigen Gebietes erklärt; Hervey von Mountmorres erhielt die Herrschaft über einen ansehnlichen Landstrich zwischen Wexford und Waterford, einer anderen, gleich Wexford, von den Ostmannen gegründeten Stadt. Dieß war die erste brittische Niederlassung in Ireland; und die Einwohner derselben, die aus den Dienstleuten der beiden Ritter bestanden, jedoch bald durch Abentheurer aus allen Theilen von England verstärkt wurden, waren viele Jahre durch ihre Sprache und Sitten von den Eingebornen geschieden und haben sich auch jetzt nach allen den Umwälzungen, welche seitdem die Insel betroffen haben, noch nicht völlig mit denselben vermischt.

Ungeachtet des hartnäckigen Widerstandes, den einzelne irische Häuptlinge boten, und des Abfalles von Moritz von Pendergast, der – durch Dermod beleidigt – zu den Feinden überging, war, nach einer geringen Anzahl von meist unbedeutenden Gefechten, der größte Theil von Leinster unter die Botmäßigkeit seines alten Fürsten zurückgeführt. Moritz von Pendergast kehrte nach England zurück, und die Lücke, die sein Abfall verursacht hatte, wurde durch die Ankunft eines Halbbruders von Fitzstephen, Moritz Fitzgerald, der bald darauf mit einer Heerschaar von zehn Rittern, dreißig Reisigen und hundert Bogenschützen landete, mehr als ausgefüllt. Roderic O’Connor, der Oberkönig der Insel, statt sich den ersten Fortschritten der Fremden mit Kraft entgegenzusetzen und sie durch seine Uebermacht zu erdrücken, ließ ihnen Zeit, sich in ihren Eroberungen zu befestigen, und durch die Anhänger, die Dermod besonders unter dem niedern Volke und der Geistlichkeit seines Königreiches zählte, zu verstärken. Endlich war ein allgemeines Aufgebot erlassen worden; zu Tarah, dem alten irischen Königssitze, wurden die Schaaren, die von allen Seiten herbeiströmten, gemustert; ein zahlreiches Heer der tapfersten Krieger hatte sich gesammelt. Aber Roderic wagte nicht, den Häuptlingen des Nordens, durch frühereVerbindungen mit Dermod verdächtig, zu vertrauen; und da er durch die Entfernung geschwächt, sich dem Feinde nicht mehr gewachsen hielt, zog er vor – statt das Glück der Waffen zu versuchen – Dermod durch friedlichen Vertrag als König von Leinster anzuerkennen. Dieser gab ihm dagegen seinen Sohn zum Geisel für seine Treue und versprach, sobald er Leinster zum Gehorsam zurückgeführt haben würde, seine fremden Krieger in ihre Heimath zurückzuschicken. [6]

[709] Ganz Leinster war unterworfen und Dermod daher verpflichtet, die englischen Truppen, die er bisher unterhalten hatte, aus seinen Diensten zu entlassen; als statt dessen, durch seine Versprechungen eingeladen und an seine alte Zusage erinnert, im August d. J. 1171 Graf Richard Strongbow mit einem Heere von 200 Rittern und 1200 erlesenen Fußknechten – für jene Zeiten eine furchtbare Macht – bei Waterford landete. Die Stadt, deren Bürger sich der Landung widersetzten, wurde mit Sturm genommen, alle Einwohner erschlagen. Dublin, eine andere Niederlassung der Ostmannen, erfuhr das gleiche Schicksal. König Roderic, zu schwach, um entscheidende Maßregeln zu ergreifen, und überdieß durch innere Unruhen beschäftigt, suchte vergebens die Fortschritte des Feindes durch Unterhandlungen aufzuhalten; Dermod, der sich noch an dem Tage der Einnahme von Waterford mit dem Grafen vereinigt, und denselben bald darauf durch die Hand seiner einzigen Tochter noch fester mit sich verbunden hatte, sprach ohne Scheu die Absicht aus, seine Herrschaft über die ganze Insel auszudehnen. Die Hinrichtung seines Sohnes, den er Roderic als Geisel gegeben hatte, vermehrte nur seine Wuth; aber mitten in seinen Verheerungszügen überraschte ihn der Tod, der zugleich das Zeichen eines allgemeinen Abfalls aller irischen Clans von den Engländern war. In Wexford wurde nach tapferer Gegenwehr Fitzstephen durch die empörten Einwohner gefangen; nur Dublin und Waterford blieben von allen ihren Besitzungen in Leinster in den Händen der englischen Barone, deren Lage um so hoffnungsloser schien, als ihr Fürst, König Heinrich II – eifersüchtig über ihre Eroberungen und besorgt, daß sie sich seiner Souveränität entziehen und seine eigenen Absichten auf Ireland vereiteln könnten – ihnen, ungesäumt nach England zurück zu kehren, befahl und allen Unterthanen des Königreiches jede Verbindung mit ihnen untersagte. Richard Strongbow, durch ein zahlreiches irisches Heer in Dublin belagert, rettete indessen durch einen kühnen Ausfall die Stadt, und unterwarf, nachdem ein panischer Schrecken die Feinde zerstreut hatte, aufs Neue den größten Theil von Leinster seiner Herrschaft, auf welche er als Schwiegersohn des kinderlos verstorbenen Dermod die begründetsten Ansprüche zu haben glaubte.

König Heinrich schien diese Ansicht jedoch keinesweges zu theilen; vielmehr erneute er die Aufforderung an den Grafen, nach England zurück zu kehren und sich wegen seiner wiederholten Pflichtverletzungen vor seinem Lehnsherren zu verantworten. Richard, seiner Schwäche – in einem fremden Lande, ohne Aussicht auf Unterstützung von der Heimat, dem unversöhnlichen Hasse der Eingebornen preis gegeben – sich bewußt, wagte es dießmal nicht, dem Gebote seines Fürsten den Gehorsam zu verweigern. Er erschien, nachdem er zu Waterford und Dublin seine Statthalter zurück gelassen hatte, mit allen Zeichen der Reue wegen seiner früheren Pflichtvergessenheit vor dem König und erhielt, da er sich bereit erklärte, Dublin und alle Städte der Küste abzutreten und seine übrigen Besitzungen von der Krone zu Lehen zu nehmen, leicht seine Verzeihung.

Heinrich II, dem auf diese Weise der Weg gebahnt war, beschloß jetzt, von dem Lande, das er längst als sein rechtmäßiges Eigenthum betrachtete, unverweilt Besitz zu nehmen; er rüstete, um dieß auf würdige Weise zu thun, eine Flotte von 240 Segeln aus, schiffte sich, von Richard Strongbow und vielen anderen seiner vornehmsten Barone begleitet, mit einem Heere von 400 Rittern und über 4000 Fußknechten zu Milford ein und lief am St. Lucien Tage, im Monat October 1172, in dem Hafen von Waterford ein. Des anderen Tages unterwarf sich Dermod Macarthy, Fürst von Desmond, dem König, übergab ihm seine Stadt Cork, versprach für seine übrigen Besitzungen, die er zu Lehen empfing, einen Tribut zu zahlen; viele andere irische Fürsten und Häuptlinge, geblendet durch den Glanz und erschreckt durch die Ueberlegenheit der englischen Kriegsmacht, folgten seinem Beispiel: O’Brien von Thomond, der seine Stadt Limerick dem König übergab, Douchad von Ossory, O’Faolan von Decies waren die Ersten, welche Heinrich II als ihren Souverän anerkannten. Selbst O’Ruarc von Breffney, bisher der thätigste Gegner der Britten, trat jetzt auf ihre Seite. Nur die Häuptlinge des Nordens unterwarfen sich nicht; und im Westen behauptete in Connaught König Roderic sein Ansehen und zog hinter den Ufern des Shannon ein Heer zusammen, um jedem feindlichen Angriff zu begegnen.

Inzwischen berief König Heinrich, um zu seiner weltlichen Eroberung von Ireland – seinem Versprechen gegen den römischen Stuhl gemäß – auch die geistliche hinzuzufügen, eine Synode zu Cashel, auf welcher die Bischöfe und Prälaten des unterworfenen Theiles der Insel, [710] zugleich aber auch, um die Verhandlungen derselben nicht ohne Aufsicht zu lassen, eine große Anzahl englischer Geistlichen erschien. Der Zweck dieser Versammlung war, nach dem Befehle des Oberhauptes der Kirche zu Rom, „der Unwissenheit und Verderbniß des Volkes abzuhelfen, den Unglauben und die Ungerechtigkeit in ihrer tiefsten Wurzel auszurotten und die geistliche Disciplin zu jener Reinheit zurück zu führen, deren sie durch zahlreiche Mißbräuche verlustig geworden sey.“ Vor Allem wurde nun die Bestimmung getroffen, daß der Gottesdienst in allen irischen Kirchen künftig in vollkommener Uebereinstimmung mit der Liturgie der englischen Kirche gehalten werden solle; „weil es gerecht ist,“ sagten die versammelten Prälaten, „daß, nachdem die Vorsehung dieser Insel einen englischen Souverän gegeben hat, wir von ihm eine bessere Lebensweise empfangen.“ Sodann untersagte man die Heirathen in verbotenen Graden, befahl, die öffentliche Ertheilung der Taufe und den Unterricht der Jugend im Christenthum nicht zu vernachläßigen, und die Todten auf anständige Art zu begraben; auch sollte es allen wahren Söhnen der Kirche verstattet seyn, ihr Eigenthum, statt daß dieses bisher immer an den Clan zurückfiel, auf ihre Weiber und Kinder zu vererben. Von größerer Wichtigkeit aber, als alle anderen Verfügungen der Synode, war in politischer Hinsicht ein Schritt, der die Interessen des Clerus unauflöslich mit den Interessen der Krone verbinden mußte. Es wurde verordnet, daß von allem Landeigenthum in Ireland künftig, wie in der übrigen katholischen Christenheit, regelmäßig der Zehnte des Ertrages an die Kirche zu liefern sey; daß von den Gütern der Geistlichkeit keine Steuern irgend einer Art erhoben und namentlich auch nicht die bisher üblichen Bewirthungen der Fürsten und Häuptlinge und ihres Gefolges gefordert werden dürften; und endlich, daß diejenigen Mitglieder einer Familie, die dem geistlichen Stande angehörten, von jedem Beitrag zu dem Eric oder Sühngelde befreit seyn sollten, welches im Fall eines Todschlages, nach irischem Gebrauch, von den Verwandten des Mörders an die des Ermordeten gezahlt wurde.

Um die Einführung einer geordneten Gesetzgebung zu erleichtern, theilte Heinrich alle Landschaften in Ireland, die sich ihm unterworfen hatten, in Grafschaften (shires), in denen er Sherifs oder Statthalter, Criminal- und Friedensrichter einsetzte. Die Statthalterschaft über die ganze Insel übertrug er, während seiner Abwesenheit einem Vicekönig: Hughes von Lacy, dem er zugleich das ganze Königreich Meath, das durch Roderic O’Connor’s Verdrängung erledigt war, zu Lehen ertheilte. Auch den übrigen Rittern, die ihn nach Ireland begleitet hatten, verlieh er ausgebreitete Ländereien, besonders in jenen Districten, welche am meisten den Einfällen der unabhängigen Iren bloßgestellt waren. Zu der Residenz des Vice-Königs wurde Dublin bestimmt und dort ihm als Räthe Robert Fitzstephen und Moritz Fitzgerald zugeordnet.

Kaum hatte jedoch Heinrich der Insel den Rücken gewandt, so zeigte es sich, wie trügerisch der Schein der Bereitwilligkeit gewesen war, womit die Iren sich seiner Herrschaft unterwarfen. Die Empörung seines ältesten Sohnes und die innern und äußern Unruhen und Kriege, welche diese begleiteten, nöthigten ihn, einen großen Theil seiner Kriegsmacht aus Ireland zurück zu ziehen. Aber nicht sobald sahen die Iren sich von ihrer Furcht vor der Ueberlegenheit der englischen Waffen befreit, als ein allgemeiner Aufstand ihre wahren Gesinnungen gegen die Fremden verrieth. Die Städte Limerick und Cork öffneten ihren alten Fürsten die Thore, selbst Waterford machte einen Versuch, sich seiner Besatzung zu entledigen; die irischen Stämme in Leinster ergriffen die Waffen, und Roderic O’Connor, der mit einem beträchtlichen Heere über den Shannon gegangen war, vertrieb die englischen Eigenthümer, die Hughes von Lacy in Meath angesiedelt hatte. Aber auch jetzt vermochte die gemeinschaftliche Gefahr die Iren nicht zu vereinigen; es bedurfte daher nur einer verhältnißmäßig unbedeutenden Verstärkung, die Raymond le Gros seinen Landsleuten aus Wales zuführte, um den Iren das Joch, dem sie sich entzogen hatten, mit verdoppelter Schwere aufzulegen. König Roderic selbst sah ein, daß es vergebens sey, zugleich gegen das Schwert eines übermächtigen Feindes und gegen die Zwietracht im eigenen Lager zu kämpfen; und erkannte daher durch einen zu Windsor geschlossenen feierlichen Vertrag die Oberhoheit König Heinrichs II an, versprach zum Zeichen seiner Unterwürfigkeit einen jährlichen Tribut, der in dem Zehnten aller in Connaught und den übrigen ihm untergebenen Provinzen gewonnenen Viehhäute bestand, zu entrichten und erhielt dagegen die Bestätigung seiner Herrschaft in Ireland als Vasall der Krone, mit Ausnahme der von dem König von England und seinen Baronen unmittelbar abhängigen Landestheile, der Städte Dublin, Wexford und Waterford mit ihren Gebieten, und der Provinzen Meath und Leinster.

[715] Die Unterwerfung von Ireland war jetzt scheinbar vollendet; aber auf der einen Seite war das Ansehen und die Gewalt Roderic’s zu gering, als daß die irischen Häuptlinge sich verpflichtet gehalten hätten, einen von ihm geschlossenen Vertrag zu vollziehen, so weit derselbe nicht ihrem eigenen Vortheile entsprach; auf der anderen besaß auch die englische Regierung nicht die Macht, ihre übermüthigen Barone von Erpressungen und Handlungen der Gewalt gegen die irischen Nachbarn derselben abzuhalten. Der Krieg hatte daher durch Roderics Unterwerfung nicht aufgehört, sondern nur einen anderen Charakter angenommen; er hatte aufgehört, Nationalkrieg der Iren gegen die Engländer zu seyn und wurde in eine ununterbrochene Folge vereinzelter Fehden, Empörungen, Raubzüge und Unterdrückungen verwandelt. So unternahm Johann von Courcey mitten im Frieden, mit einer Schaar verwegener Abentheurer, einen Einfall in Ulster; er bemächtigte sich der Stadt Down und vertrieb daraus den irischen Fürsten, dem sie gehörte. Vergebens berief sich dieser auf den von König Roderic eingegangenen Vertrag; Courcey blieb im Besitze seiner Eroberung und behauptete sich darin, den Vorstellungen, welche der päbstliche Legat, der sich zu Down befand, ihm über die Ungerechtigkeit seines Verfahrens machte, so wie den Anstrengungen der Iren, ihm seine Beute zu entreissen, zum Trotz. Ein anderer englischer Ritter nahm die Unruhen, die Murrough, ein Sohn König Roderic’s in Connaught erregte, zum Vorwand, um diese Provinz mit Heeresmacht zu überziehen und mit Feuer und Schwert zu verwüsten. Dagegen erhoben die Iren in Meath, durch die Gewaltthaten der Engländer zur Verzweiflung gebracht, sich gegen ihre Unterdrücker und ermordeten oder vertrieben sie. Aehnliche Scenen kehrten in allen Provinzen wieder. Aber König Heinrich hatte, wie es scheint, vor seinen Verträgen selbst nicht größere Achtung als seine Barone. Er übertrug seinem Sohne Johann die Herrschaft der Insel, und zu gleicher Zeit ertheilte er Milo von Cogan und Robert Fitzstephen die Lehen über den Theil von Munster, den man das Königreich Cork nannte, Herbert Fitz-Herbert über das Königreich Limerick und William Fitz-Adelm über den größten Theil von Connaught. Die irischen Fürsten, die sich im friedlichen Besitz dieser Landschaften befanden, waren erstaunt, als sie eine Anzahl ihnen zum Theil nicht einmal dem Namen nach bekannter Fremdlinge ankommen sahen, welche die Abtretung ihrer Güter verlangten und zum Beweise ihres Rechtes auf dieselben die Schenkungsbriefe eines Königs aufwiesen, der kürzlich erst seinen Frieden mit ihnen, mehr wie mit unabhängigen Fürsten, als wie mit Vasallen geschlossen hatte. Das Besitzergreifen fand sich indessen schwieriger, als das Ausstellen der Schenkung; die Iren zogen es vor, ihr Land selbst zu verwüsten, als es den Engländern einzuräumen, und diese waren zuletzt zufrieden, wenn ihre Ansprüche auf das Ganze von den Besitzern durch einen Theil desselben abgekauft wurden.

Die Geschichte dieser Thaten der Willkür und Gewalt, bald in kleinerem, bald in größerem Maßstabe, ist ein treues Bild der Schicksale, welche Ireland von der ersten Landung der Engländer an seiner Küste bis auf die gegenwärtige Zeit erfahren hat: Fehden der irischen Häuptlinge und der englischen Barone untereinander, Unterdrückung des irischen Volkes durch heimatlose Abenteurer, Erpressungen der Beamten, theilweise Aufstände und allgemeine Empörungen, Zurückführung zum Gehorsam durch Blut, Brand und Hunger.

Die irischen Fürsten, die sich Heinrich II unterworfen hatten, trugen auf ihr Verhältniß zu den englischen Herrschern natürlich die Begriffe über, welche sie von der Gewalt ihrer einheimischen Oberkönige gehabt hatten. Als Prinz Johann im J. 1185 zu Waterford landete, um die Herrschaft auszuüben, die ihm sein Vater verliehen hatte, strömten die Häuptlinge und die Fürsten der Iren von allen Seiten herbei, ihm ihre Huldigungen darzubringen. In ihrer sonderbaren Tracht, die Haare in viele Zöpfe geflochten, den Bart lang und breit auf die Brust herabfallend, drangen sie, mit festem Schritt und ernstem Blick, durch den glänzenden Kreis, der den Prinzen umgab, um ihren Fürsten nach der Sitte ihres Landes zu umarmen. Der junge Prinz, ganz erschrocken über diese Verletzung des Anstandes, ließ sie durch seine Höflinge zurückstoßen, und ihre Ungeschliffenheit wurde zum allgemeinen Gelächter. Man zupfte sie bei den Bärten und beging tausend Unwürdigkeiten, um ihre Einfalt zu verhöhnen. Ergrimmt über diese Mißhandlungen verließen [716] sie den Hof; ihre Landsleute, die ihnen begegneten, kehrten, um sich nicht gleicher Schmach auszusetzen, mit ihnen um und alle zogen sich, entschlossen, die der ganzen Nation widerfahrene Beschimpfung blutig zu rächen, nach Connaught und in die westlichen Provinzen von Munster zurück. Durch die Erpressungen, welche die mit Johann gekommenen Höflinge sich erlaubten, wurde der allgemeine Unwille zur Wuth gesteigert; und während der leichtsinnige Fürst sich in Festen und Ausschweifungen berauschte, brach plötzlich in allen Provinzen die Flamme der Empörung aus. Die Engländer, die im Lande zerstreut waren, erlagen theils der Uebermacht, theils dem Meuchelmord und Verrath, ihre Burgen wurden gebrochen, selbst die Städte – wie Cork – verbrannt. Das Einzige, was König Heinrich übrig blieb, war seinen Sohn nach England zurück zu rufen, und dem tapfern Ritter de Courcey die Zügel der Regierung zu übergeben. Die innere Uneinigkeit, die – wie gewöhnlich – bald die Iren entzweite, machte es diesem leicht, den Aufstand zu dämpfen; nur in Connaught, wo König Roderic O’Connor von seinen Söhnen verdrängt worden war, gelang es ihm nicht, festen Fuß zu faßen. Durch höfische Intriguen aus seiner Staathalterwürde verdrängt, zog er sich auf seine Besitzungen in Ulster zurück; und sogleich entbrannte der Aufstand aufs Neue. Cathal, mit der blutigen Hand, der sich auf den Thron von Connaught geschwungen hatte, vereinigte sich mit O’Loughlan, dem Fürsten von Ulster und mit den Häuptlingen von Munster, um die Engländer aus dieser Provinz zu vertreiben; bald sahen diese, wie in den ersten Zeiten der Eroberung sich auf Leinster beschränkt und hatten Mühe, hier sich zu behaupten.

Ein kräftiger Statthalter wandte jedoch bald das Glück; und im Jahr 1219 als William Earl von Pembroke starb, der während der Minderjährigkeit König Heinrichs III an der Spitze der Regierung stand, war Ireland tiefer unter das Joch gebeugt als je. Zwei Drittheile von Connaught hatte Cathal, einen großen Theil von Munster Murtagh O’Brien von Thomond abgetreten, um sich den ruhigen Besitz des Restes zu sichern; alle diese Gegenden waren, wie Leinster, in Grafschaften getheilt worden, die nach englischer Art verwaltet wurden. Nur der Norden und einige Districte in der Mitte der Insel behaupteten noch ihre Unabhängigkeit. Auf allen Puncten erhoben sich Burgen und Festen. Die irischen Stämme, um sich der Knechtschaft zu entziehen, wandten sich mit ihren Heerden in die Gebirge und Moore; viele blieben im offnen Lande auf den Besitzungen der englischen Barone zurück und wurden von diesen als Leibeigene behandelt. Alle Iren waren außer dem Gesetz; in den englischen Gerichtshöfen wurden sie als Fremde, oft als Feinde betrachtet, auf welche die englischen Gesetze nicht angewendet werden könnten, und ihre eigene Gesetzgebung, die sie, bei ihrer ersten Unterwerfung unter Heinrich II, behalten hatten, fand bei den Siegern keine Anerkennung. Selbst der Mord eines Iren wurde nur durch eine Geldsumme gebüßt, die an seinen Grundherrn gezahlt wurde, weil dieser durch seinen Tod einen Arbeiter verlor. [7] Ausgenommen waren nur die fünf Geschlechter der O’Neal’s, O’Brien’s, O’Connor’s, O’Malachlin’s und Mac Murrough’s, aus denen die alten irischen Königshäuser stammten, und die daher den englischen Baronen als ebenbürtig galten. Nächst diesen erhielten nur Einzelne, als besonderes Vorrecht, Gleichheit vor Gericht mit den eingewanderten Engländern, oder – wie man dieß zu bezeichnen pflegte – englisches Recht. Vergebens erbaten einige der irischen Stämme, die mitten unter den Besitzungen der englischen Barone lebten und daher am Meisten ihren Gewaltthaten und Bedrückungen ausgesetzt waren, im J. 1278 sich gegen König Eduard I, eine Summe von 8000 Mark an die Krone zu zahlen, wenn ihnen die Gunst ertheilt würde, nach englischem Gesetz leben zu dürfen. Der König wagte es nicht, einen so wichtigen Schritt, ohne Zustimmung der in Ireland angesiedelten englischen Großen, zu thun; und diese fanden denselben zu nachtheilig für ihre Interessen, als daß sie nicht allen ihren Einfluß aufgeboten hätten, die Iren in ihrem Zustande der Rechtlosigkeit zu erhalten. Mehr als einmal erneuten die Iren ihre Bitte immer mit demselben Erfolg: Bereitwilligkeit bei dem englischen Hofe, unbesiegbarer Widerstand bei dem Eigennutz der Großen.



  1. Merkwürdig und vielleicht eine Bestätigung jener alten Sage, wenn diese in der Gestalt, wie sie die Chroniken des Mittelalters uns überliefert haben, auch nur aus der zufälligen Aehnlichkeit der Namen Iberien und Hibernia entstanden seyn sollte, ist, daß die irische Sprache in viel näherer Verwandtschaft mit dem Griechischen und Lateinischen steht, als die celtischen Mundarten von Wales und der Bretagne, mit denen sie jedoch auf der anderen Seite wieder eine nähere Verwandtschaft zeigt, als mit jenen beiden Sprachen. – Wenn wir diese Sprachvergleichungen mit den frühesten Ueberlieferungen des westlichen Europas zusammenstellen, so ergeben sich die überraschendsten Resultate für die älteste Völkergeschichte. Es scheint aus Allem hervorzugehen, daß eben so, wie der Osten Europa’s von deutschen, dann von slavischen Stämmen aus dem östlichen Asien, so der Westen zuerst von iberischen Völkerschaften aus dem nördlichen Africa, darauf von celtischen aus Vorderasien bevölkert wurde. Die Iberier verbreiteten sich gleichzeitig über Spanien, Südfrankreich und Italien; die Celten gingen zuerst aus Kleinasien nach Griechenland hinüber, wo jene Stämme zurückblieben, die wir in der ältesten griechischen Geschichte unter dem Namen der Pelasger finden, die Vorfahren der Hellenen; während andere Schaaren über das adriatische Meer nach Italien zogen und dort die iberischen Ureinwohner vertrieben oder unterwarfen, mit denen verschmolzen sie das Volk der Römer bildeten. Eine dritte Abtheilung scheint ihren Weg im Norden des adriatischen Meeres nach Gallien genommen, und von dort aus sich über Spanien und Großbritannien verbreitet zu haben. Auch in Gallien und Spanien wurde die iberische Bevölkerung verdrängt; und der einzige Rest derselben, der sich unvermischt bis auf unsere Zeiten erhalten hat, sind die Basken in den französischen und spanischen Thälern der Pyrenäen: noch jetzt mehr als eine Million Seelen. Die celtischen Stämme in Gallien, Spanien und Britannien wurden, nachdem sie eine hohe eigenthümliche Bildung erreicht hatten, von den Römern unterjocht, deren Sprache und Sitten einen um so größeren Einfluß auf sie erhielten, je enger ihre ursprüngliche Stammverwandtschaft gewesen war. Nur in der Bretagne und in Wales finden wir noch unvermischte Nachkommen der alten Gallier und Britten und Spuren ihrer untergegangenen Cultur. – Die Iren und Schotten, die einen anderen Dialect der alten celtischen Sprache reden und zusammen noch eine reinceltische Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen bilden, scheinen früher, als die Britten eingewandert, und, während diese die Cultur der gallischen Druiden annahmen, ein rohes Jäger- und Hirtenvolk geblieben zu seyn. Die Verwandtschaft ihrer Mundart mit dem Griechischen und Lateinischen, die oben erwähnten, wird durch die oberflächlichste Vergleichung außer Zweifel gesetzt. Wir führen nur zur Probe folgende mit latein. oder griech. Wurzeln übereinstimmenden irischen Worte an:
    Irisch. Lateinisch. Griechisch.
    aer (Luft) aer ἀηρ
    agh (Kampf)      " ἀγ–ων
    ail-e (andrer) al-ius ἀλλ–ος
    ail-im (nähre) al-o      "
    ainn (Ring) ann-us      "
    aith-cim bitte()      " ἀιτ-εω
    aith-is (Schande)      " ἀιτ-ια
    am-an (Fluß) am-nis      "
    anam (Seele) anim-a ἀνεμ-ος
    ar-im (pflüge) aro ἀρ-αω
    ar-an (Brod)      " ἀρ-τος
    arg (weiß)      " ἀργ-ος
    arg-iod (Silber) arg-entum ἀργ-υρος
    art (Bär)      " ἀρκτ-ος
    athair (Vater) p-ater π-ατηρ
    bach-al (Stab) bac-ulus βακ-τρον
    balb (Stammler) balb-us      "
    bath-os (Spitze)      " βαθ-ος
    bem (Schritt)      " βημ-α
    bear-im (trage) fer-o φερ-ω
    bith (Leben) vit-a βιοτ-ος
    bo (Kuh) bo-s βου-ς
    brac (Arm) brach-ium βραχ-ιων
    bra-heer (Bruder) fra-ter      "
    cad-aim (falle) cad-o      "
    cuile (Kalkstein) calx χαλ-ιξ
    cain (rein) can-didus      "
    car-a (lieb) car-us      "
    ce (Erde)      " γη
    ceart (recht) cert-us      "
    ceir (Wachs) cer-a κηρ-ος
    ci (wer) qui      "
    ciod (was) quid, quod      "
    cior (Hand)      " χειρ
    clo (Nagel) cla-vus      "
    clu (Ruhm)      " κλεος
    clu-im (rühme)      " κλε-ω
    clu-teac (berühmt)      " κλυ-τος
    clum (Feder) plum-a      "
    coll (Hügel) coll-is      "
    com-ail (Hügel) cum-ulus      "
    cos (Fuß) pes πους
    creit-air (Becher) crat-er κρατ-ηρ
    croi-de (Herz) cor καρ-δια
    cuin (Hund) can-is κυων
    cuin-e (Winkel)      " γων-ια
    dreac-im (sehe)      " δερκ-ω
    deas (rechter) dex-ter δεξ-ιος
    dom (Haus) dom-us δομ-ος
    duor (Wasser)      " ὐ-δωρ
    eac (Pferd) eq-uus      "
    earg-air (Arbeiter)      " ἐργον
    eat-a (alt) vet-us      "
    ed-im (weiß)      " εἰδ-εω
    fear (Mann) vir      "
    fell-im (trüge) fall-o      "
    fuin (Ende) fin-is      "
    gab-aim (habe) hab-eo      "
    gein (Geschlecht) gen-us γεν-ος
    gein-im (zeuge) gign-o γειν-ω
    gneat (erzeugt) gnat-us      "
    gnae (Weib)      " γυν-η
    graf-aim (schreibe)      " γραφω
    gur (denn)      " γαρ
    ib (dort) ib-i      "
    im-im (gehe)      " εἰμ-ε
    in-is (Eiland) in-sula      "
    iong-a (Nagel) ung-uis      "
    ith-im (esse) ed-o ἐδ-ω
    o-lain (Wolle) lan-a      "
    lamh (linker) laev-us λαι-ος
    laom (Flamme) flamm-a      "
    leath-a (weit) lat-us      "
    leigh-im (lese) leg-o      "
    liath (Stein)      " λιθ-ος
    lin (Lein) lin-um λιν-ον
    loc (See) lac-us      "
    lus (Volk)      " λαος
    math-air (Mutter) mat-er μητ-ηρ
    measg-aim (mische) misc-eo μισγ-ω
    medh-a (mitten) med-ius      "
    mel (Honig) mel μελε
    mer (Theil)      " μερ-ος
    mian (Geist) men-s      "
    modh (Weise) modus      "
    mogh (Mensch) homo      "
    mos (Sitte) mos      "
    muil-en (Mühle) mol-a μυλ-η
    naoi (Schiff) na-vis ναυ-ς
    nas (Tod)      " θανατ–ος, θ–νησ–κω
    neadh (Nest) nid-us      "
    neamh (Nebel) neb-ula νεφ–ος
    ni (nicht) ne      "
    no (neu) no-vus νε–ος
    noc-t (Nacht) nox νυκ–τος
    o (Ohr) au-ris ου–ς
    oir (Gold) aur-um      "
    oir (Ost) or-iens      "
    radh-im (rede)      " ῤε–ω
    radh-tair (Redner)      " ῤηθ–ωρ
    red (Sache) res      "
    ruadh (roth)      " ἐ–ρυθ–ρος
    sail (Salz) sal      "
    saimh (süß) suav-is      "
    sam-al (ähnlich) sim-ilis      "
    sean (alt) sen-ex      "
    sic (trocken) sicc-us      "
    sioc-aim (trockne) sicc-o      "
    sith-im (setze) sed-o      "
    suith-im (sitze) sed-eo      "
    son (Schall) son-us      "
    sron (Nase)      " ῤιν
    staid-aim (stehe)      " ἰ-ση-μι
    stan (Zinn) stann-um      "
    sugh-aim (sauge) sug-o      "
    sul (Sonne) sol      "
    tar-b (Stier) taur-us ταυρ-ος
    teac (Hütte) tec-tum τεγ-ος
    toil (Wille)      " θελ-ω
    treab (Stamm) trib-us      "
    tur (Erde) terr-a      "
    uaghn (Lamm) agn-us      "
    uair (Stunde) hor-a ὠρ-α
    uimbh (um)      " ἀμφ-ι
    ur (Feuer) ur-o π-υρ

    Was die Uebereinstimmung in den grammatischen Formen betrifft, so fällt schon in dem eben gegebenen Verzeichnis die Analogie der 1 P. P. der Verba in im, aim mit der griechischen Conjugation von μι in die Augen. Eine ausführliche Vergleichung behalten wir einer anderen Gelegenheit vor.

  2. Leland, history of Ireland I. p. LVII und p. 29 ff. vergl. Snorri Sturluson, ed. Havn. T. III. pag. 226 ff.
  3. Hallam, in seiner Constitutional History of England (Par. 1827. 8.) T IV p. 189 bemerkt: it seems impossible to conceive, that these partitions were renewed on every death of one the sept; aber er scheint vergessen zu haben, daß die Iren Nomaden waren, und daher eine solche Vertheilung nur darin bestand, daß jedem selbstständigen Mitglied des Stammes ein Weideplatz für seine Heerden angewiesen wurde. Einen ähnlichen Gebrauch erwähnt Tacitus bei den Sueven. Vergl. Leges Walliae ed. Wotton p. 139.
  4. Ehen, in unserem Sinne, scheinen zur Zeit des Heidenthums unbekannt gewesen zu seyn; die nächsten Verwandten lebten miteinander in Gemeinschaft der Weiber. Cäsar, Bell. Gall. V c. sagt von den Britten: uxores habent deni duodenique inter se communes et maxime fratres cum fratribus, parentes cum liberis. Selbst die irischen Sagen des Mittelalters enthalten noch Erinnerungen an diesen Gebrauch. Als Calma auswanderte, heißt es: und er wählte neunmal neun Jünglinge, und jeder von diesen erwählte neun; und von neun nahm einer ein Mädchen zu sich offenbar, (and of every nine one took unto him a damsel openly). S. Chronicles of Eri, from the Original Mss. by O’Connor. V. 1 (Lond. 1822. 8.) p. 23 f. – Auch die scandinavische Sage kennt dieselbe Sitte: Als Odin auf seinen Heerzügen lange ausblieb, theilten seine Brüder Ve und Vilir sein Reich und nahmen beide seine Gemahlin Frigg zur Ehe (enn konno hans Frigg gengu their bádir at eiga) Snorri Sturluson, T. 1. p. 7. – Hiernach ist Lingard in seiner Geschichte von England zu berichtigen. Vergl. Britannia, Jahrg. 1826, Januarheft p. 25.
  5. De singulis domibus annuam unius denarii beato Petro velle solvere pensionem. Rymeri foedera, T. I p. 1 p 5.
  6. Wir sehen uns genöthigt, uns weitläufiger über diese Periode der irischen Geschichte zu verbreiten, als Anfangs in unserer Absicht lag. Aber Hegewisch, der Einzige, der bisher in deutscher Sprache eine Geschichte von Ireland zu schreiben versucht hat, macht in der Darstellung der Verhältnisse, welche zu der Eroberung der Insel führten, so unbegreifliche Mißgriffe, daß wir es für Pflicht halten, seinem eben so planlosen, als nachläßigen und oberflächlichen Werke eine gewissenhaftere Arbeit gegenüber zu stellen.
  7. Davis, in seiner Discovery of the true Causes why Ireland was never entirely subdued till his Majestys happy Reign, führt aus den Acten der Assisen von Waterford folgenden Fall an: Quod Robertus le Waleys rectatus de morte Johannis, filii Ivor Mac Gillemory, Felonice per ipsum interfecti – venit et bene cognovit, quod praedictum Johannem interfecit; dicit tamen, quod praedictus Johannes fuit purus Hibernicus et non de libero sanguine. – Et eum dominus dicti Johannis, cujus Hibernicus idem Johannes fuit, solutionem pro ipso Johanne Hibernico suo sic interfecto petere voluerit, ipse Robertus paratus erit ad respondendum de solutione praedicta, prout suadebit etc.