Iskander Bei

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Titel: Iskander Bei
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aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 285,288
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Graf Jelinski, osmanischer Armeeführer im Krimkrieg
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Iskander Bei.

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Iskander Bei.
(mit Portrait.)

Unter den hervorragenden Führern der türkischen Armee wird neben Omer Pascha keiner mehr genannt und keiner von den Feinden mehr gefürchtet als Iskander Bei eigentlich Graf Jelinsky, der Obrist der Baschi Bozuks. Schon sein Name allein ist ein Beweis, daß er den Orientalen den Eindruck einer ungewöhnlichen Erscheinung macht. Denn Iskander ist im Morgenlande ein Heldenname, den seit den Tagen Alexander’s des Großen – Iskander heißt Alexander – ein Nimbus umgiebt. Der tapfere Georg Castriota, der in vielen Schlachten den Türken furchtbar wurde, erhielt von ihnen den Namen Iskander Bei (Skanderbeg), und der Erbe seines Namens, der Iskander Bei des jetzigen Türkenkriegs, ist auf dem besten Wege, es dem gefürchteten Albanesen an kriegerischem Ruhm gleich zu thun.

Graf Jelinski ist im Jahre 1812 in Bessarabien geboren und mithin ein geborener russischer Unterthan. Er ist von tartarischer Abstammung und soll den mohamedanischen Glauben bekennen. Die Bildung, welche er erhielt, war aber eine europäische. Die Verschwörung des russischen Adels, welche die letzten Lebensjahre Alexander’s vergiftete, hatte ihren Sitz im Süden und wurde nie ganz entdeckt. In eine der geheimen Gesellschaften, welche in Bessarabien sich erhalten hatten, trat Graf Jelinski. Die Verschworenen wurden verrathen und verhaftet, doch er hatte das Glück, den Nachstellungen der russischen Polizei zu entkommen. Von diesem Augenblicke führte er das Leben eines politischen Flüchtlings und eines Abenteurers. Sein umherschweifendes Leben führte ihn zu vielen Ländern, nur zu keinem, wo Waffenruhe herrschte. Als Dom Pedro für den Bürgerkrieg in Portugal warb, stellte sich Jelinski in Oporto ein und machte sich bald unter den wilden Gesellen des pedristischen Heeres bemerklich. Mit der Waffenstreckung der Miguelisten hatte Portugal seinen Reiz für ihn verloren, und er wandte sich nun nach Spanien, wo der Bürgerkrieg eine größere Ausdehnung zu erlangen anfing. Es war in der Zeit, da die Fremden in hohem Ansehen standen und in Truppenkörper vereinigt wurden. Graf Jelinski wählte sich seine Lieblingswaffe, die Reiterei, und gab solche Beweise von Todesverachtung und Entschlossenheit, daß man ihn wählte, eines der Freikorps, die man aus Fremden gebildet hatte, der Kriegszucht zu unterwerfen. Die Légion provisoire, an deren Spitze er trat, hatte den übelsten Ruf. Allerdings stürzte sie sich mit Wuth in den Kampf, machte sich aber durch ihre Zügellosigkeit zur Geisel des Landes und ermordete regelmäßig die Offiziere, welche sich anmaßten, Ordnung einzuführen. Man erwartete jeden Tag zu hören, daß Graf Jelinski das Schicksal aller seiner Vorgänger getheilt habe. Man hörte das Entgegengesetzte, daß er die wilde Legion gebändigt habe. In der That imponirte er seinen gesetzlosen Soldaten so gewaltig, daß sie ihm mit Begeisterung gehorchten.

Jelinski hatte sich elf Orden erkämpft, als er Spanien vor der Beendigung des Bürgerkriegs verließ. Was ihn forttrieb, ehe der letzte Schuß gefallen war, kann nur die Zurücksetzung gewesen sein, die den Fremden von den nationalstolzen Spaniern zu Theil wurde. Die unangenehme Stille, die in Europa herrschte, bestimmte ihn, nach dem Orient zu gehen. Zwei oder drei Mal war er in Algier, natürlich immer in Zeiten, in die größere Unternehmungen der Franzosen fielen. Die Gerüchte, die sich über einen nahen Zusammenstoß der Engländer und Russen in Asien verbreiteten, lockten ihn nach Herat, wo er der Belagerung beiwohnte. Hier in seiner Erwartung getäuscht, wandte er sich nach China und machte die dortigen Feldzüge mit, ohne Befriedigung zu finden, da die Chinesen sich gar zu schlecht schlugen. Er kehrte nach Algier zurück und erfocht sich in den letzten Kämpfen mit Abd-el-Kader den Orden der Ehrenlegion. Die Revolutionsbewegungen von 1848 und 1849 stellten ihm die vollste Befriedigung seiner kriegerischen Leidenschaft in Aussicht. Es begegnete ihm, der bisher stets eine siegreiche Sache vertheidigt hatte, daß er sich einer zum Untergange bestimmten Partei anschloß. Die Magyaren, deren Kampf er zu dem seinigen gemacht hatte, unterlagen und Jelinski betrat mit den Trümmern ihres Heeres den türkischen Boden.

Männer wie er waren willkommen. Mit einem höhern Grade bekleidet, begleitete er Omer Pascha auf dessen Feldzügen in Bosnien und gegen Montenegro, und erwies sich zugleich als kühner Soldat und als guter Feldherr. Nach dem Ausbruche des türkisch-russischen Kriegs an die Donau versetzt, erhielt er den Befehl über die Reiter, welche die äußersten Vorposten zu besetzen hatten. Die Tollkühnheit, mit der er seinen Soldaten weit voran in den Feind sprengte, war selbst den Türken so räthselhaft, daß man einige Zeit glaubte, er suche auf diese Weise eine Gelegenheit, zu den Russen überzugehen. Seine Reiter hatten Anfangs Furcht vor den Lanzen der Kosaken, aber Iskander Bei kehrte das Verhältniß bald um: die Kosaken fürchteten sich vor seinen Reitern. Das Treffen von Csetate machte ihn auf längere Zeit kampfunfähig. Unter den ersten Angreifenden der vorderste, nahm er das Dorf Csetate im Fluge, hieb und ritt nieder, was ihm in den Gassen von Russen begegnete, brach aber bei einem Sturhz mit seinem erschossenen Perde mehrere Rippen und konnte wochenlang das Lager nicht verlassen. Seine Wiederherstellung markiren die Niederlagen, die er den Feinden in der kleinen Wallachei zugefügt hat. Die Baschi Bozuks, die man allgemein für untauglich hält, machen sich unter seiner Führung sogar der regelmäßigen russischen Reiterei furchtbar. Neuerer Zeit hat er sich durch seine Ausfälle von Eupatoria aus wieder vielfach hervorgethan, wurde aber bei einem der letzten schwer verwundet, so daß er lange Zeit für todt in den Zeitungen figurirte. Seine kräftige Gesundheit überwand auch diesen neuen Schlag. Als er nach langer Zeit mit Verlust zweier Finger zum ersten Male vor der Front seiner Reiter erschien, ernannte ihn der Obergeneral zum Pascha.

Sein Aueßeres schildert ein Berichterstatter der „Dailey News“ als ungewöhnlich. „Iskander Bei ist ungefähr von Mittelgröße, aber muskelstark und ebenmäßig gebaut; Haar und Bart sind kohlschwarz, doch wo möglich nicht ganz so schwarz wie seine Augen, die wie Feuer unter dunkeln buschigen Brauen hervorblitzen. Eine lange feingebogene Nase, ein kleiner Mund, dünne Lippen, eine hohe Stirn und eine von Sonne und Wind bronzirte Gesichtsfarbe bilden zusammen eine höchst markirte Physiognomie.“