Jagdschloß Meyerling
Jagdschloß Meyerling. (Mit Illustration.) Meyerling! – Wie aus dem Nichts empor ist plötzlich dieser Name getaucht; ein schaudervolles Ereigniß hat gleich einem Blitzstrahl ihn mit seinem fahlen Scheine erleuchtet und Millionen unauslöschlich ins Gedächtniß geprägt. Das stille Waldschlößchen, so weltabgeschieden, so einladend zu Ruhe und Frieden, ihm haben die letzten Seelenkämpfe eines verzweifelnden Kaisersohnes eine traurige Berühmtheit verliehen. Hier auf diesem herrlichen Fleckchen Erde war es möglich? – so muß sich der Wanderer fragen, der, das Herz von schweren Gedanken an das Geschehene erfüllt, von Baden her durch das schöne Helenenthal die Straße des Schwechatthales hinansteigt. Jenseit des Dorfes Meyerling, da, wo das Thal sich etwas verbreitert, liegt, von tannen- und laubwaldbedeckten Höhen überragt, das Schloßgut. Es würde kaum des im Hintergrunde aufragenden Kirchleins bedürfen, um den Beschauer zu lehren, daß diese schlichten Gebäulichkeiten ursprünglich einem Kloster gedient haben. Vor etwa zwei Jahren erst hat der Kronprinz Rudolf das Anwesen erstanden und sich zum Jagdschloß eingerichtet. Durch ein niedriges ebenerdiges Gebäude, das früher als Wirthshaus diente, führt ein Thor mit schwerfälliger Ornamentik nach dem Hofe, und hier steht links das eigentliche Schlößchen, ein einstöckiges Gebäude, umgeben von einem kleinen, durch eine weißgetünchte Mauer eingeschlossenen Garten. Im Erdgeschosse des Schlosses hatte der fürstliche Besitzer sich seine Gemächer eingerichtet.
Die Ausstattung des Wartezimmers, dessen Fußboden ein bosnischer Teppich deckt, zeugt von großer Einfachheit; das Schlafzimmer ist mit Jagdtrophäen geschmückt, sonst jedoch ebenfalls einfach gehalten: ein schlichtes Nußholzbett, ein Stehspiegel und die nothwendigsten Geräthschaften bilden seine Ausrüstung, entsprechend seinem Zwecke, nach fröhlicher Jagd zu kurzer Rast zu dienen.
Nun wird es wohl wieder still und einsam werden in dem Waldthale. Schloß Meyerling soll nach dem Wunsche des Kaisers geräumt, die Einrichtung nach Wien geschafft werden. Das Stift Heiligenkreuz wird, wie verlautet, die zum Schlosse gehörigen Grundstücke wieder zurückkaufen, das Zimmer aber, in welchem Kronprinz Rudolf endete, soll zu einer Kapelle umgewandelt und daselbst alljährlich am 30. Januar, dem Sterbetage des Verblichenen, eine Seelenmesse gelesen werden. So hat eine wunderbare, verhängnißvolle Verkettung von Schicksalen Schloß Meyerling seiner ursprünglichen Bestimmung wieder zugeführt. – S.