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Jesuitenwechsel

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Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Jesuitenwechsel
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aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 240
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Wechselgeschäfte der Jesuiten
Blätter und Blüthen
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Bearbeitungsstand
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[240] Jesuitenwechsel. Als die Jesuiten, nachdem Maria Theresia in ihre Vertreibung gewilligt hatte, aus Wien eilig abgezogen waren und man ihre ehemalige Wohnung betrat, fand man bei zufälligem Umherstöbern in einem vergessenen Winkel eines vergessenen Kämmerchens eine Kiste, angefüllt bis obenhin mit lauter weißen Papierschnitzelchen, die in einzelnen Fächern sorgfältig vertheilt waren. Es konnten das unmöglich dorthin zusammengeworfene Abfälle sein, denn dem widersprach die Art der Aufbewahrung wie namentlich der Umstand, daß jedes Fach nur Schnitzel von ganz bestimmter Form enthielt; es konnten auch keine Schriftstücke sein, denn als man sie mit Chemikalien behandelte, um zu sehen, ob sie nicht etwa mit sogenannter unsichtbarer Schrift bedeckt seien, ergab sich, daß sie ganz rein und weiß waren – aber was war es denn? Es waren, wie man später erfuhr, Wechsel, vollständige Wechsel.

Hatte nämlich irgend ein Kaufmann, der auf eine entfernte Messe reisen wollte, dort größere Baarsummen auszuzahlen, deren Mitsichschleppen bei der großen Unsicherheit mancher Landstraßen, wenn nicht geradezu thöricht, doch immer gefährlich gewesen sein würde, so wandte er sich an den Rector der Jesuiten seines oder des nächsten Ortes, der ihm dann folgendermaßen – freilich nur in dem Fall, daß der Kaufmann gut empfohlen oder doch sonst Grund vorhanden war, ihn sich durch harmlose kleine Gefälligkeiten zu verpflichten – aus der Verlegenheit half. Er gab ihm, nachdem der Kaufmann ihm selbst die betreffende Summe ausgezahlt hatte, ein solches auf der Reise leicht zu transportierendes und leicht zu versteckendes Papierchen, das, je nach der Größe der Summe, die es bedeuten sollte, verschieden zugeschnitten war, und händigte dabei dem Wechselnden die genaue Adresse des Jesuiten jenes Ortes, den der Kaufmann besuchen wollte, ein. Kam dieser nun hier an, so ging er zu dem ihm Angewiesenen und präsentirte ihm sich und das Blättchen. Der Jesuit holte dann aus besonderen Fächern mehrere Häufchen auch von Schnitzeln und suchte so lange darin herum, bis er ein dem mitgebrachten Stückchen vollkommen ähnliches Duplicat fand, aus welches hin er nach sorgfältigster Vergleichung dem Kaufmann die ganze eingezahlte Summe ohne irgend einen Abzug von Discontokosten einhändigte. Es war dies die einfachste und auch häufigste, weil gesuchteste Art des Jesuitenwechsels, von welchem es außerdem aber noch eine Menge von Anwendungen gab.

Obwohl man gar nichts Näheres über die Vertheilungsart der Zettel und die Mittheilung ihres Werthes für die entferntesten Orte weiß, so ist doch das Verfahren insoweit von höchstem Interesse, als sich auch daraus der Schluß ziehen läßt, wie fest und ineinander greifend die Organisation der Jesuiten schon zu einer Zeit gewesen sein muß, zu der sie noch die Welt beherrschten und nicht, wie heute, wo der heilige Geist siegreich gegen alle Dunkelmänner stürmt, sich genöthigt sahen, Carré zu formiren.