Johanna Gray
Lady Gray fährt auf vom Schlummer (der Morgen dämmerte kaum)
„Gott woll’ uns nicht versuchen! Ich hatt’ einen bösen Traum:
Ich sah einen Purpurmantel treiben auf offner Flut, –
Ich bückte mich nach dem Mantel, da war es mein eigen Blut.“
Sieben Reiter steigen vom Rosse und schreiten in die Hall,
Sie harren entblößten Hauptes, Lady Gray tritt vor sie hin,
Sie sprechen aus einem Munde: wir grüßen Dich, Königin!
„Und starb mein Herr und König, was sucht Ihr die Erbin hie,
Da sprach der sieben einer, der stolze Northumberland:[4]
„„Wir wollen keine Papistin auf dem Throne von Engelland.““
„Und wollet Ihr nicht Maria, welch’ Recht auch immer sie hätt’,
So lebt Anna Bulens Tochter, Prinzessin Elisabeth!“ –[5]
„„Wir wollen keinen Bastard auf dem Throne von Engelland!““
So traget die Krone selber, ich aber trage sie nie;“
Da lachte der stolze Herzog: „„Täubchen, schlag ein, schlag ein,
Sie legten ihr um den Mantel, sie hoben sie leicht aufs Roß,
Ihrer Locken goldne Fülle über den Purpur floß,
Sie rief ihr Hausgesinde: „lebt wohl und gedenket mein!“
Sie sprengte weinenden Auges in den lachenden Morgen hinein.
Sie sprach: „wer ist gestorben? wer thut seinen letzten Gang?“
Northumberlands Stirn erblaßte, die eben so roth noch glomm;
„„Die Glocken gelten Dir selber und klingen willkomm, willkomm!““
Und als sie kamen zur City, bis nieder gen Tempel-Bar,
Ein Kranz von dunklen Eichen umfaßte des Goldes Glanz,
Sie rief: „mein ist der Schlüssel!“ sie dachte: „mein ist der Kranz!“
Und als sie kamen zum Tower und die Zugbrück’ niederschlug,
Da bäumte hochauf ihr Leibroß, das sonst so sicher sie trug,
Sie streichelte seinen Nacken: „ich weiß, warum du gebäumt.“
Zwei Lords mit Scepter und Krone standen an Thrones Seit’,
Sie nahm die Perlenkrone und fragte: „wer trug sie schon?“
Und nieder aus der Halle schritt sie zur Tower-Kapell’,
Inbrünstig warf sie sich nieder an Altars heiliger Schwell’,
Aufstand sie leichteren Herzens; noch einmal sah sie herab:
„Auf wessen Grabstein kniet’ ich?“ „„Es ist Anna Bulens Grab.““
Alle gefügt zum Kreise, drauf fiel der Sonnenschein,
Sie trat in die schimmernde Rundung: „„Gnädige Königin, um Gott,
Auf diesen weißen Steinen stand Anna Bulens Schaffot.““
Und als das Wort gesprochen, da horch Trompetenklang,
Maria’s Tudor’s Rappe – seht, wie sie im Sattel sitzt!
Eines Scheiterhaufens Flamme aus ihrem Auge blitzt.
Sie hebt sich rasch aus dem Sattel, nachwallt ihrer Schleppe Sammt,
(Lady Gray, wo sind deine Freunde? todt oder zum Tode verdammt!)
Ihre festen Schritte sprechen: diese Stufen sind mein.
Drei Tage kommen und gehen, die Steine sind nicht mehr weiß,
Die Steine sind schwarz verhangen, eine Leiter muß Treppe sein,
Sie neigt sich vor dem Volke: „Gott segne die Königin,“
Sie neigt sich zum Gebete: „Mein Heiland, nimm mich hin!“
Sie neiget sich zum Dritten – da war das Beil bereit – –
Lady Gray trägt ihren Purpur an Anna Bulens Seit’.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Grey
- ↑ Jane Grey
- ↑ Maria I. Tudor
- ↑ John Dudley
- ↑ Elisabeth I.