Kaiser Friedrich II. Der Wegbereiter der Renaissance/V. Der „Cäsar Augustus“
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V. Der „Cäsar Augustus“
„Wohlweislich und mit reiflicher Überlegung ihres gesetzgeberischen Aktes übertrugen die Quiriten durch die lex regia Zivilgewalt und Imperium auf den römischen Princeps, damit von demselben Manne, der von der Höhe der ihm anvertrauten caesarischen Fortuna durch seine Macht über die Völker herrscht, auch die Gerechtigkeit ihren Ausgang nehme, wie sie von ihm auch [42] geschützt wird.“ In majestätisch klingendem Latein finden wir diesen Satz in Friedrichs II. Gesetzessammlung von Melfi.
Fortuna war aus der „zwar wankelmütigen, aber doch im Ganzen menschenfreundlichen Wunschgöttin“ der antiken Welt im Mittelalter als „Dienerin und Schaffnerin des göttlichen Willens, als Werkzeug der göttlichen Vorsehung,“ zu einem Dämon der Lebensverneinung geworden. Als dann das Mittelalter von der Epoche der Wiedergeburt der Antike abgelöst wurde, begann Fortuna sich wiederum – aber nur ganz allmählich – in ein glückverheißendes Symbol zu verwandeln. Völlig im Sinne des modernen Lebensgefühles aufgefaßt erscheint dieser Begriff aber erst in einer Schrift des Giovanni Pontano. Um so bemerkenswerter ist es, daß schon zwei Jahrhunderte vor diesem Humanisten Kaiser Friedrich II., der Gigant des Geistes, der Wegbereiter des Neuen Lebens, alles Überirdische von der Auffassung der Glücksgöttin ablöste und in seinem Begriff „Fortuna Caesarea“ leidenschaftlich diese irdische Welt bejahte, indem er die schreckhafte Dämonin des Mittelalters zur Spenderin des Weltfriedens in dem von dem einen Kaiser beherrschten Erdkreise machte. Friedrichs Begriff der Fortuna des Kaisers kennzeichnet die an die Antike angelehnte Seite seines Caesarentums.
Die wankelmütige Fortuna des Mittelalters ist unserem Staufer nicht ganz fremd; aber seiner kaiserlichen Fortuna haftet nichts mehr von dem müden, weltflüchtigen Vorsehungsglauben an. Diese leitet den Begnadeten, Starken, Weisen. Durch ihr Walten bejaht sie die bange Frage des dreizehnten Jahrhunderts nach der Möglichkeit eines irdischen Glücks. Indem die schon erwähnten Begriffe des Joachim von Fiore: Renaissance und Reformation – d. i. Zurückführung in einen früheren idealen Zustand – durch Friedrichs politische Tat in Beziehung gesetzt wurden zu der nationalen Vergangenheit Roms und Italiens, wurde jene Verbindung und Durchdringung sozial-religiöser und antik-nationaler weltlicher Gedanken vorbereitet, die erst nach Jahrzehnten in Dantes hohem Geiste zum weltgeschichtlichen Erleben werden sollte. Friedrichs Fortuna offenbart die Abkehr von der diesseitsflüchtigen geistigen Einstellung zum Glauben an ein Glück hier auf Erden, zum Ideale der nationalen Wiedergeburt der sittlichen und ästhetischen Größe Roms und Italiens. So oft Friedrich seine Fortuna erwähnt, immer verkörpert sie sein unbesiegbares Selbstvertrauen; sie ist allzeit nicht die launische Glücksgöttin, sondern das vom Kaiser gemeisterte Weltenschicksal.
Schon im späteren Hellas wandelte sich die Tyche, die Göttin des Zufalls, zur Ananke oder Heimarmene, zum „unveränderlich und unerbittlich von Ewigkeit her feststehenden Schicksal“, zum Weltgesetz, zur Weltnotwendigkeit. Diese Ananke, die Friedrichs Staatsauffassung und Politik bestimmte, steht im Mittelpunkte seines kosmischen Denkens. Seine Fortuna wird zur Weltordnung, die in ihm, der da die Einheit, das Glück und den Frieden der Welt darstellt, persönlich geworden ist. Heißt es doch in der Ladung zum Hoftage von Piacenza vom Jahre 1236 vom Kaisertum, daß das Heil der Welt von dessen Gedeihen abhänge. Da die Notwendigkeit, die in der Natur herrscht, da die Fortuna der Welt der Harmonie des ganzen Kosmos zustrebt, so kann die Fortuna Caesarea als Weltnotwendigkeit nur das schließlich trotz aller Gegenwirkung das irdische Glück heraufführende, schicksalsmäßige Walten des römischen Cäsar sein.
Des römischen Kaisers! Friedrich bringt des Begriff der Fortuna Caesarea ja in eine enge Beziehung zu Rom und zum römischen Imperium. „In Roms Nähe“, ruft er einmal aus, „jauchzt mir die Caesarea-Fortuna glückbringender zu als anderswo!“ Der neue Caesar will die alte Königin am Tiber „im Stand des alten Adels“ erneuern. Er will sein, was Augustus den römischen Sängern war: der Soter, der Kaiser-Heiland, der Bringer der Gerechtigkeit und des Friedens des apollinischen Zeitalters. [43]
Mit dieser Auffassung der Fortuna Caesarea knüpft der Kaiser nach vielen dazwischenliegenden Jahrhunderten durch byzantinische Vermittlung an die Fortuna des altrömischen Imperators an. Ja, er stellt, so sonderbar das scheinen mag, durch die Übernahme dieser für den römischen Imperator so bedeutsamen Umschreibung der übermenschlichen Majestät einen Zusammenhang mit der Gedankenwelt jener Völker des Ostens her, die auch den Weltherrschaftsgedanken prägten und diesem allgemein-menschlichen Inhalt gaben.
Friedrichs Fortuna ist „das beseelte Gesetz auf Erden“, ebenso wie die Tyche Justinians in den Novellen „die beseelte Weltordnung“ ist. Fortuna und Tyche sind in beiden Fällen die gleiche Hypostase, die in engster Beziehung zum Herrscher steht. Dass es sich wirklich um eine Hypostase handelt, tut die ganze Entwicklungsgeschichte des Begriffes Tyche dar. Dieser kennzeichnet schon den hellenistischen Herrscherkult. Er ist aber kein hellenistisches Eigengut, sondern ein durch den hellenistischen Geist hindurchgegangenes orientalisches Erbe. Vom Hvarenô, dem leuchtenden Nimbus der göttlichen Majestät in der Lehre der Perser, führt die Entwicklungsgeschichte dieses Begriffes zu dem kaiserlichen Genius Roms. Wie die Fravashi des Königs – der von der Körperwelt unabhängige, unvergängliche Teil der Seele – durch das Hvarenô, wie der Daimon durch die Tyche, so wird der Genius des Kaisers durch die Fortuna erhöht. Tyche-Fortuna bezeichnet demnach die antike und die friederizianische Form des Gottesgnadentums. Von hier aus wird das Wort des Staufers verständlich: „Seit der Caesaren erlauchte Natur mit glückhafter Kraft unsere königliche Veranlagung [44] überkam, ehe noch ein höheres Los uns beglückte …“ Von hier aus erkennen wir auch in der Kolossalfigur auf dem von Friedrich errichteten Triumphtor in Capua, auf dem die Statue des Kaisers in einer Nische thronte, seine Fortuna Caesarea. Als Weltnotwendigkeit, als die in der Tatsächlichkeit der Dinge ruhende Weltordnung ist Friedrichs Fortuna in seinen Staatsschriften die Majestät des allgebietenden römischen Kaisers. Wie sich dessen übermenschliche Erhabenheit offenbart, wie dieser Staufer als Imperator gewertet werden wollte, das lassen die aus seiner Kanzlei hervorgegangenen Dokumente deutlich erkennen. Schon die Schriftsätze der ersten Hälfte seiner Regierung bieten die Hauptzüge dieses Selbstporträts des Augustus; in der späteren Zeit des Todesringens sind sie nur noch etwas schärfer herausgearbeitet.
In seinem Manifest gegen den Papst vom Jahre 1247 sagt Friedrich, daß Gregor IX. den Fürsten „leichtfertig“ das römische Kaisertum versprochen habe, „das von den Staufern sich abzuwenden in der Dauer urlanger Zeiten verlernt hat, und unsere Königreiche durch das Blut unserer Vorgänger erworben, geweiht durch ihre Grabmäler und durch ihre Bilder geziert.“ Das römische Imperium ist hier zu einem erblichen Besitz der Staufer geworden. Der alte germanische rechtliche Begriff der Königssippe hat sich von der engen Scholle losgelöst und ist dem Kaisertum in das weite Reich der über der Erde schwebenden Idee gefolgt; er ist dort zum „Reichsgeblüt“ geworden. Friedrichs Sohn Manfred, der dem Gedankenfluge des Vaters folgen konnte, rief nach dessen Tode auf die Frage, wer jetzt über Rom herrschen solle: „Es antwortet des Weltalls gebietende Notwendigkeit: ‚Niemand als des größten Cäsar Sohn, den jene Natur, die dem Reichsgeblüt überhaupt entkeimt ist, beisteht zu glückhafter Tat.‘“ Die Fortuna Caesarea als Weltnotwendigkeit ist dadurch dauernd auf das staufische Haus übergegangen. Sie hat dieses berufen; sie machte es, indem sie es mit ihrer Gnadengabe ausstattete, aus einer germanischen königlichen zur römischen cäsarischen Sippe. Die von der Fortuna der Welt ausgehende Berufung des staufischen Geschlechtes, die von der Fortuna Caesarea verliehene Fähigkeit, verbunden mit den Sternenmächten kundig und Herr zu werden der Notwendigkeiten des Lebens, machen den Träger der Kaiserkrone zum Weltenschicksal. Friedrich selbst nennt sich das „Leben aller Leben“ und in seiner Gesetzgebung heißt es – allerdings wieder in christlicher Verbrämung –, daß die Untertanen „nach Gott allein durch die Sanftmut der cäsarischen Erhabenheit atmeten.“ Göttlich war dereinst das Geschlecht des Divus Augustus. „Göttlich“ nennt Friedrich sich selbst und auch seine Mutter. Seinen Sohn Konrad bezeichnet er [45] als den „göttlichen Sproß cäsarischen Blutes.“ Eine solche Bezeichnung läßt schon erkennen, daß Friedrich des Glaubens war, der unmittelbare und darum vollberechtigte Nachfolger der Augusti Roms zu sein. Wie diese, so leitete auch er sein Herrscherrecht von römischen Volke her, das seine Souveränität dem Princeps, dem ersten Mann im Staate, freiwillig übertrug. Indem Friedrich sich auf die lex regia berief, indem er mit Vorliebe später daran erinnerte, daß die Römer selbst ihn zum Kaiser wählten, bricht er mit der alle solche römischen nicht mehr zeitgemäßen Ansprüche verneinenden Auffassung seiner Ahnherren Konrad und Barbarossa. Er erkennt das Souveränitätsrecht der Römer an. Damit erst hatte der alte Romgedanke über das deutsche Königtum vollends gesiegt. In dem mittelalterlichen Kaiserspruch: „Rom, das Haupt der Welt, lenkt des Erdballs Zügel“ war Roma nur ein altüberkommener Gedanke, der eine große Erinnerung verkörperte. Auf die noch gegenwärtige einstige Königin am Tiber, auf die sich ja nur zu oft die tragischen Schatten der Vergessenheit und der Verkommenheit senkten, nahm er nicht Bezug. Jetzt aber erkennt ein Kaiser an, daß mit den Mauern und dem Volke Romas auch deren Recht, die Macht in der Welt zu vergeben, fortbestehe.
Räumlich umfaßte das Imperium Romanum nach dem römischen Recht den ganzen Erdkreis. Indem Friedrich sich auf dieses Kaiserrecht stützt, schreibt er 1242 den Römern: „Unsere Zügel schwingen bis an die fernen Grenzmarken der Erde … Uns dient die Erde, Uns huldigt das Meer, und auf einen Wunsch geschieht alles Begehrte.“ Peter von Vinea ruft in ähnlichen Wendungen in seiner Lobrede auf den Kaiser aus: „Wahrlich! Es verehrten ihn Erde und Meer, und es bejubeln ihn geziemend die Lüfte, ihn, der der Welt als wahrer Kaiser von der göttlichen Hoheit verliehen, als des Friedens Freund, der Liebe Schutzherr, des Rechtes Begründer, der Gerechtigkeit Bewahrer, der Macht Sohn, die Welt in beständiger Einwirkung verwaltet!“ Als Urform [46] des Guten „bindet er die Zonen und verknüpft er die Elemente.“ Ein Chronist ruft aus: „Dieser Kaiser, der Welt wahrer Herrscher, dessen Ruhm sich über den ganzen Erdrund ausdehnt, war des Glaubens, er könne seine Natur der der Himmlischen angleichen.“ Anziehend ist die Beobachtung, daß in dieser Verherrlichung des „Imperium ohne Ende“ sich einmal auch der Gedanke der europäischen Kulturwelt, der griechischen Ökumene, vernehmen läßt, die der Barbarei des Ostens gegenübergestellt wird. Matthäus Paris schreibt nämlich: „Die Tataren sollen sich nicht länger rühmen, da vor den siegreichen Adlern des übermächtigen Europa Satan selbst sie in den Tod stürzen wird!“
Zu diesem ins Übermenschliche gesteigerten Bilde von der Größe des kaiserlichen Dominium mundi wollen nun die tatsächlichen Verhältnisse im Abendlande gar nicht stimmen. Das Selbstbewußtsein der Könige Europas war mächtig erstarkt. Bereits war auch das einigende geistige Band des kirchlichen Gedankens durch sie gelockert. Schon stellten sie sich abseits des gottesstaatlichen Ideals der allgemeinen christlichen Republik. Die ehemalige Führerstellung des Kaisers wurde durch das unaufhaltsame Fortschreiten der inneren Zersetzung Deutschlands – hier in fürstliche, dort in kommunale Sonderbildungen – unaufhaltsam von Tag zu Tag mehr ein eitel Trugbild. Friedrich hat trotzdem diese Führerstellung nach wie vor behauptet. Manchmal wird er in seinen Schreiben an die Fürsten hochfahrend und sarkastisch. Als der französische König Ludwig IX. sich bei dem Kaiser beschwert hatte wegen der Gefangennahme einiger französischer Prälaten, antwortete ihm dieser, „dass die dem Imperium innewohnende Kraft über den einzelnen Menschen dahingehe und daß vor eines Löwen Spuren jegliches Getier sich fürchte.“ Kein Zweifel: solch große Töne standen in einem kläglichen Gegensatz zu den wirklichen Machtverhältnissen des Kaisers. Und dennoch! Die Kaiseridee, welche den deutschen König mit Allgewalt über die Alpen zog, welche das deutsche Volk immer wieder begeisterte und diesem zeitweilig das Hochgefühl eines gemeinsamen, mächtigen Volkstums gab, machte, gedrängt von ihrem weltenweiten, allgemeinmenschlichen Gehalt, unter Friedrich den Versuch, in der Flucht der staatlichen Erscheinungen der ruhende Pol nicht nur zu heißen, sondern auch zu sein. Dereinst hatte der König der vier Weltgegenden, der Herrscher in Babel, den dem Gotte entliehenen Mantel getragen, der das unendliche Gewölbe des Himmels versinnbildete. Später borgte sich das gleiche kosmische Gewand der römische Imperator vom kapitolinischen Juppiter. Bis über die staufischen Zeiten hinaus hat diesen Weltenmantel dann auch dieser und jener deutsch-römische Kaiser getragen. Aber auch der geistliche Cäsar in Rom verschmähte zeitweilig nicht das Kleid der heidnischen Götter. Sonne, Mond und Sterne oder andere weltbedeutende Zeichen waren darein gewoben zum Gleichnis dafür, daß die Idee der Weltherrschaft aus kosmischen Vorstellungen geboren und von allgemein menschlichen und daher allen gemeinsamen Ideen genährt wurde. Von seinem Patrimonium aus herrschte der Papst in seinem Seelenstaate, dem aus dem Reiche des Religiösen immer wieder neue Lebenskräfte zuströmten. Von seinem sizilischen Königreich aus nahm nunmehr auch Friedrich seinen Bezug auf die Welt, der ebenso im Geistigen wurzelte. Er versuchte, die Einheit der abendländischen Kultur zu erhalten und mit Hilfe der Fürsten sein Ziel, durch Frieden und Gerechtigkeit die Harmonie des Kosmos herzustellen, zu erreichen. Die Kaiseridee beginnt damit sich in eine weltbürgerliche geistige Größe zu wandeln.
Ein wirkliches europäisches Großreich – noch dazu mit ausgedehnteren universalen Strebungen – war seit den Tagen Ottos I. eine Unmöglichkeit geworden. Damals begannen die Nationen, sich als selbständige Staatspersönlichkeiten zu fühlen. Diese nicht mehr rückgängig zu machende Gliederung des Abendlandes verkannten noch Friedrichs nächste Vorfahren. Er selbst aber, der allzeit mit der Wirklichkeit Rechnende, sieht ein, daß er die europäische Vielheit [47] anerkennen muß; zugleich aber will er in dieser Vielheit eine neue Einheit organisieren, die wiederum im Kaisertum gipfelt. Ein Chronist legt im die Worte in den Mund, die er sicherlich nicht öffentlich gesprochen hat, die aber wohl seine Beurteilung der auswärtigen Verhältnisse und seine Stellung zu diesen wiedergeben: „Der Papst ist mein unersättlicher Feind und offener Gegner und überdies in der Lage, jeden, der seinem Willen entgegen ist, der Würde zu entsetzen, ja sogar den Abgesetzten mit den Fesseln des Bannes zu binden und ihn in den Abgrund noch schlimmerer Strafen zu stürzen. Ganz anders ist unsere Sache gefährdet und die Lage des Reiches, wie die aller Fürsten, die ich allein zu schützen mich unterfange. Die Könige des Erdkreises und die Fürsten, deren Sache ich, zu ihrem Sachwalter gemacht, auch führe, würden auf meinen Ruf nicht kommen, noch mir gehorchen. Auch sind sie mir nicht unterworfen, dass ich sie zwingen oder die Ungehorsamen strafen könnte.“ Er nennt sich nur „Sachwalter“ der Fürsten. Das lautet anders als Barbarossas Wort von den „kleinen Königen“. Friedrich, „der von höchster Seligkeit erfüllte und mit dem eigenen Los Zufriedene, neidet fremdes Leben nicht.“ Er erkennt die Fürsten und deren Rechte an; er will sogar, daß sie stark sind. Sein großer Plan geht dahin, daß sie sich zu einer großen Genossenschaft zusammenschließen gegen die Widersacher der Hoheit des Staates und damit der Weltordnung: als da sind die Rebellen und der Papst. In einem übernationalen Römerimperium sollen die Fürsten die „Standeseinheit“ aller Monarchen darstellen. Alle Glieder dieser Genossenschaft sollen einmütig eine Schädigung ihres Sachwalters, des Kaisers, oder die Schädigung eines Fürsten, auch als eine Schädigung ihrer gemeinsamen weltlich-staatlichen Interessen auffassen. „Eilt mit Wasser,“ ruft er, „zu Eueren Häusern, wenn bei dem Nachbar das Feuer aufflammt … Fürchtet für Euch in Eueren Dingen die gleichen Gefahren. Denn für leicht mag aller anderen Könige und Fürsten Demütigung gelten, wenn die Macht des römischen Cäsar, dessen Schild die ersten Geschosse aufhält, im steten Anlauf der Gegner zerbröckelte … Euch Edle und Fürsten des Erdrunds beschwören wir und schrecken wir auf, nicht weil zur Abwehr solcher Schmach unsere Waffen nicht reichten, sondern daß da erkenne die ganze Welt, wie aller Ehre berührt wird, wer immer [48] auch Kränkung erfährt aus der Gilde der Fürsten!“ Wiederholt predigt er den Fürsten, wonach diese ohnehin strebten: „Die Dinge der weltlichen Gewalt dürfen nicht der Kirche unterstellt werden.“ Eindringlich klingt seine Warnung: „Mit uns wird begonnen, aber, seid dessen gewiß, geendet wird mit den anderen Königen und Fürsten, deren Macht die Priester, wie sie sich rühmen, gar nicht mehr fürchten, sind wir erst bezwungen. Darum verteidigt mit unserer Sache Euer Recht!“Die Bildung dieses weltbürgerlichen Bundes der Fürsten hat Friedrich bis zuletzt angestrebt. So sehr war er erfüllt von der Erkenntnis, daß ohne diese Verwirklichung des Gemeinsamkeitsgedankens die Idee des Imperium blutleer werden würde. Da aber Friedrichs unbedingtes Cäsarentum jegliches Bündnis und jegliches Mitbestimmungsrecht ablehnte, so mußte dieser Fürstenbund eine schöne Idee bleiben. Immerhin! Zwangsläufig führt von dieser durch den Kaiser grundsätzlich gewandelten Auffassung des Zusammenhanges der abendländischen Völker der Weg hinüber zu dem kommenden großen Weltreich des Geistes. Wurde auch in den Staatsschriften das Imperium theoretisch durch die Bezugnahme auf die Souveränität des römischen Volkes und auf das Naturrecht von Friedrich noch immer als eine weltliche Größe gefaßt, so offenbart seine auswärtige Politik doch deutlich, daß er durch den Zwang der Notwendigkeit damit begonnen hatte, vom Tatsächlichen abzusehen und sich in das Geistige der Idee zu versenken. Schon aus diesem Grunde tritt in den Staatsschriften stärker als je zuvor die von Friedrich nicht ungern gesehene antiquarisch-rhetorische Idealisierung vornehmlich durch die Vertreter des römischen Kaiserrechtes am Hofe auf. Der Genius der Antike soll aus der zerfallenden christlichen Republik des Abendlandes die Ökumene, die Kulturwelt der Alten, gestalten!
Friedrichs Cäsarenideal, das er allen sichtbar verkörpern will, steht auch in schlimmen Zeiten auf der Höhe antiker Auffassung. Die Allgewalt seiner Hoheit ist unbeschränkt. Ein Höfling ruft ihm zu: „Deine Kraft, o Cäsar, hat keine Grenzen; sie übersteigt die des Menschen!“ Derartige Aussprüche begegnen in ähnlicher Form häufiger. Hier wirkt die antike Vorstellung vom Kaiser als dem irdischen Absenker des göttlichen Kaisers Juppiter nach. Diese antike Vorstellung wurde im Mittelalter verchristlicht zu dem Satze: „Was Gott im Himmel ist, ist der Kaiser auf Erden!“ Die Höflinge Friedrichs sollten über dieses mittelalterliche Wort hinaus wieder zur antiken Apotheose zurückgreifen.
Antik gefärbt ist auch der Zug vom Rachedurst des Kaisers, der an seinem Bilde ganz besonders kenntlich gemacht ist. Dieser paart sich mit ungezügeltem Hasse, „Löwenzorn“, hartnäckiger Kraft. In dem Manifest gegen den Papst heißt es, daß der Augustus „mit Eisen cäsarische Rache bringen wird.“ Gegen die Empörer wider das Imperium will Friedrich „um so grausamer der Rache Schwert gebrauchen, je mehr sie selbst vor anderen unser Herz scharf aufgestachelt haben … Und so werde der Haß gegen sie in unseren Eingeweiden einzig durch ihre Vertilgung ausgelöscht.“ Das Bild vom zürnenden, furchtgebietenden Tyrannen der Renaissance hatte begonnen, seine Formen anzunehmen. Auch das ist wieder echt antik, daß dieser Rachedurst gepaart ist mit cäsarischer Milde, die freilich bei Friedrich ebenso wie bei den meisten römischen Kaisern, eine schöne Geste blieb. Da lesen wir einmal: „Der Cäsaren Geschichte, geziert mit unvergleichlichen Großtaten und beschrieben in den Büchern alter Annalen und Chroniken, mag man aufschlagen und durchforschen, der einzelnen Kaiser Taten mag man durchsuchen: nichts derartiges einer von Gott eingehauchten Milde, das uns gleichkäme, wird selbst ein fleißiger Forscher aufspüren.“ In einem Briefe an die Römer spielt dann weiter die Selbstbeherrschung des Cäsar eine Rolle: „Obgleich unserer Erhabenheit, die die göttliche Macht zu erhalten nicht aufhört, alles zu Füßen liegt, was wir wünschen, so schöpfen wir doch unseres Willens Trank aus dem Quell der Vernunft und kühlen ihn aus der Tugenden Born.“
[Ξ][49] Das Bewußtsein der Herrscherpflichten wird nachdrücklich hervorgehoben. Von seinem hochgewählten Standpunkt aus wendet Friedrich sich an sein Volk und verspricht ihm Schutz gegen Bedrückungen.
Ein Cäsar muß das Glück seines Reiches durch ein Gesetzbuch begründen. In Sizilien, das Friedrich absolut beherrschte, konnte er allein, wie ein römischer Augustus, auch ein Gesetzgeber sein. Justinian ist sein Vorbild vornehmlich in der pomphaften Form. Sein Gesetzbuch, das mit dem römischen Imperium gar nichts zu tun hat – wenn er vielleicht auch mit Zeitgenossen gehofft hat, einmal „den Erdkreis mit den alten Gesetzen wiederherzustellen“ –, nannte er den Liber Augustalis. Wir sahen, wie Friedrich in diesem in einem bedeutsamen Punkte von dem Geist der alten römischen Gesetzgebung abwich. Justinian hatte mit aller Schärfe statuiert, daß er über dem Gesetz stehe. Friedrich dagegen meint: „Ob auch unsere Erhabenheit von jenen Gesetzen gelöst ist, so ist sie dennoch nicht erhaben über den Spruch der Vernunft, der Mutter des Rechts.“ Zwei Gedanken äußern sich hier, die fortzeugend nachfolgende Geschlechter beschäftigen sollten. Es ist anziehend, zu beobachten, wie sie bald, nachdem sie ausgesprochen waren, zur Kennzeichnung des Kaisertums in dieser Zeit verwertet wurden. Darüber unterrichtet vortrefflich ein Briefwechsel zwischen dem nichtkaiserlichen Florenz und dem kaiserlichen Siena. Florenz schreibt: „Zwar hat die kaiserliche Majestät, da sie an das Gesetz nicht gebunden ist, die Fülle der Macht inne; dennoch lebt sie nach dem Gesetze und darf nicht nach Fremdem greifen, auf daß sie nicht das Gesetz breche und selbst der Unbilligkeit geziehen werde, wenn sie andere zum Gehorsam treibt.“ Siena antwortet: „Wenn es auch die Eigenschaft des römischen Princeps ist, im Krieg und im Frieden als Sieger emporzuragen, so ist es dennoch nicht gestattet, daß nach den ihm Gleichen gleicherweise auch die Untertanen lechzen. Denn wenn aller Bindung die gleiche wäre, so wäre der Name „Princeps“ ein Hohles, da keine Höhe ist ohne Untergebene. Und nichts hätte das Völkerrecht gewirkt, welches Ungleichheiten festsetzte und Grade und Ränge bestimmte.“ Vielleicht ist der Briefwechsel erfunden. Dann würde er ein vorzügliches Zeugnis sein für den scharfen Blick des Beobachters, der in den Kämpfen der oberitalienischen Städte die Kämpfe zwischen Altem und Neuem erkennt.
Auch die für die Untertanen durchgeführte Neuordnung der Wirtschaft wird in einen Zusammenhang mit der Cäsarenwürde gebracht. Der Kaiser läßt nämlich Münzen schlagen, die er „Augustalen“ nennt. Diese zeigen sein Bild und seinen Namen. Auch das war nicht ohne tiefere Absicht. Früher hatte das Bild des Heilandes oder irgend ein christliches Symbol die Münze geschmückt. Wie Augustus als Gott-Kaiser, so hatte Christus als Gott der mittelalterlichen Republik den Münzwert mit seinem Bilde gesichert. Friedrich II. aber glaubte jetzt aller christlichen Zeichen entraten zu können. Der Divus, ausgezeichnet durch die Fortuna Caesarea, auf welche Christus selbst hindeutete, als ihm zur Erstattung des Zinses auf der Münze das Bild des Kaisers gezeigt wurde, „der vor den anderen Königen verwies auf den Gipfel der kaiserlichen Fortuna,“ ist jetzt als das allen sichtbar in die Erscheinung getretene Weltenschicksal ganz allein als Sicherung ausreichend.
Prunkvolle Titel kleiden die Hoheit des Imperators ein. Dem Beispiele Justinians folgend gibt Friedrich sich, dem Reiche und allem, was mit diesem zusammenhängt: Verordnungen, Briefe, Paläste und dergleichen, das Beiwort „heilig“. Seitdem ist dieses zu einem ständigen Beiwort des römisch-deutschen Reiches geworden. Auch andere stolze, dem antiken Cäsarenkulte entlehnte Beiworte werden dem Kaiser gegeben, unter denen das: „Unsere Fortuna“, was so viel heißen will wie: „Unsere Erhabenheit“ oder „Majestät“, nicht das geringste ist. Die Gleichstellung der Welt mit dem Kaisertum spricht sich aus in formelhaften Wendungen wie: „Wir und der ganze Erdkreis“. Friedrichs tönender [50] Kaisertitel lautet: „Imperator Fridericus Secundus Romanorum Caesar Semper Augustus Italicus Siculus Hierosolymitanus Arelatensis Felix Victor Ac Triumphator.“ Wenn Friedrich selbst sich „Caesar“ nennt, so meint ein Schmeichler, daß er größer sei als dieser. Wie „der herrliche Julius“, so ordnete auch Friedrich in Sizilien an, daß sein Geburtstag festlich begangen würde.
Dieser Kaiser, dessen sizilische Untertanen ihn als leibhaftigen unbedingten Herrn schalten sahen und ihn – nach der harten Schule der despotischen Herrschaft der Byzantiner und Araber – auch als einen solchen anerkannten, nahm gern von Byzanz die äußeren Zeichen der knechtischen Huldigung seiner hochthronenden Majestät. Auch dem Staufer nahte man sich in der in der Kaiserstadt am Bosporus üblichen Proskynese zum Fußkuß. Das Volk verharrte in Prosternation, wenn sich der Kaiser zeigte. Dieser blieb in erhabenem Schweigen im Hintergrund. Auf seinen Wink teilte der Logothet – der Setzer der Worte, der Mund des Kaisers – den kaiserlichen Willen als Orakel unter Glockengeläute mit.
Ein solcher römischer Kaiser mußte das, wozu auch die Politik des sechsten Heinrich schließlich geführt hätte, vollenden! Er mußte das Kaisertum wieder zu einer italienischen Angelegenheit machen und den Schwerpunkt des Reiches nach Rom verlegen. Italien ist für Friedrich der „Sitz des Imperium“. Stadtrömer aus dem Geblüte des Romulus, so will er, sollen Gesamtitalien wieder regieren. Sein Kaisertum verdichtet sich immer mehr auf das alte „Haupt der Welt“. Er betont, daß das Kaisertum von Rom den Namen habe. Roma, „das Haupt aller Städte, hat durch den Sitz des Kaisertums die Macht über alles staatliche Wesen erlangt.“ Den Römern, die ihn zum Kaiser wählten, fühlt er sich menschlich nahe. Er nennt sich „Mitrömer“. Roma ist ihm die geistige Mutter. Der nach dem Siege bei Cortenuova geborene Sohn, dem, „unter glücklichem Stern empfangen, solche Triumphe als Vorzeichen bei seiner Geburt vorangingen,“ soll nach des Vaters Wort „dem in den alten Rechtswahrzeichen, den Fasces (Romas) erneuerten Imperium die Kraft des ersehnten Friedens und der begehrten Gerechtigkeit verbürgen.“ Nach jenem Siege über das stolze Mailand sendet er, wie ein antiker Imperator, den Fahnenwagen der verhaßten Stadt nach Rom, damit er auf dem Kapitol Aufstellung finde. In einem Schreiben bemerkt er dazu: „Die übermächtige Vernunft, welche dem Könige gebietet“ – die Fortuna Caesarea – „macht es Uns zur Pflicht, den Glanz der Stadt zu erhöhen, den durch die Glorie von Triumphen die Ahnen zu steigern glaubten.“ Der Sieg bei Cortenuova wird hier ein „römischer Sieg“ genannt. „Eueren Titeln schreiben wir zu, was immer wir seither unter günstigen Auspizien vollführten, da wir uns mit dem Ruhme des glorreichen Ausgangs zurückwenden zu der Stadt, die wir (als Knabe) mit der Bängnis zweifelhaften Geschicks verließen.“ Rom sah wieder eine antike Siegesfeier. Es beginnt die später häufig lächerlich wirkende „Sucht nach Trionfi, nach Lorbeer, nach persönlichem Ruhm und nach Verewigung des Menschen.“ Doch nur ein Schaustück für die Eigenliebe und Neugier der Römer war Friedrichs Triumph. Seine ideale Hauptstadt konnte er sich nicht erkämpfen. Friedrichs Romkult hat ihm selbst nicht genützt. Große geistige Wirkungen aber strahlten von ihm aus: Wegen des literarischen Ruhmes der Manifeste der kaiserlichen Kanzlei, in denen sich dieser Romkult ausspricht, wird er das Erbe des Humanismus.