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Kalewala, das National-Epos der Finnen/Dreiundzwanzigste Rune

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aus: Kalewala, das National-Epos der Finnen
Seite: 133–143
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[133]
Dreiundzwanzigste Rune.


     Jetzo wird belehrt die Jungfrau,
Wird das Bräutlein unterwiesen;
Wer belehret wohl die Jungfrau,
Unterweiset wohl das Mädchen?
     Osmotar, die schöne Jungfrau,
Diese schöne Kalewtochter,
Gab Belehrung nun dem Mädchen,
Unterweisung der Verwaisten,
Wie mit Freude sie wohl leben,

10
Wie mit Ruhm sie weilen könnte,

Freudvoll in dem Haus der Mannes,
Ruhmvoll bei der Schwiegermutter.
     Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
„Bräutlein, meine liebe Schwester,
Zartes Laub des jungen Schößlings,
Höre jetzo, was ich sprechen,
Was ich wiederholen werde!
Ziehst, o Blume, nun von hinnen,

20
Wanderst, Erdbeerlein, in’s Weite,

Reisest fort, o buntes Tüchlein,
Schreitest, zartes Sammetläppchen,
Aus dem ruhmerfüllten Hause,
Aus dem schönen Wohngebäude,
Kommest nun zu anderm Hause,
Ziehest ein in fremde Wirthschaft,
Anders ist’s in anderm Hause,
Und in fremder Wirthschaft anders,
Voll Gedanken dort das Gehen

30
Und die Arbeit voll Bedenken,

Nicht so wie auf Heimathfluren
Auf der eignen Mutter Feldern:
Singen war dort in den Thälern,
Lustig Krähen in den Gängen.“
     „Gehest du aus diesem Hause,
Kannst du alles andre nehmen:
Drei der Dinge laß im Hause:
Träume, die man hat am Tage,
Deiner Mutter liebe Worte

40
Und das Kosten frischer Butter!“

     „Alles andre nimm hinüber,
Nur den Traumsack hinterlasse
Du den Mädchen in dem Hause
An des Ofens breiter Kante;
Wirf den Sang zum End’ der Bänke,
Zu den Fenstern freud’ge Lieder,
Deine Mädchenschaft zum Besen,
An den Bettuchsaum das Toben,
An die Ofenbank die Streiche,

50
Auf den Boden deine Trägheit,

Oder gieb sie der Gespielin,
Füll’ den Schooß der Brautsgefährtin,
Daß sie in den Busch sie führe,
Auf das Heideland sie trage!“
     „Neue Sitte ist zu lernen
Und die frühre zu vergessen,
Vaterliebe zu verlassen,
Schwäherliebe zu erfassen,
Tiefer mußt du dich nun bücken,

60
Gute Worte mußt du spenden!“

     „Neue Sitte ist zu lernen
Und die frühre zu vergessen,
Mutterliebe zu verlassen
Gegen Schwiegermutterliebe,
Tiefer mußt du dich nun bücken,
Gute Worte mußt du spenden!“
     „Neue Sitte ist zu lernen
Und die frühre zu vergessen,
Bruderliebe zu verlassen,

70
Schwagerliebe zu erfassen,

Tiefer mußt du dich nun bücken,
Gute Worte mußt du spenden!“
     „Neu Sitte ist zu lernen
Und die frühre zu vergessen,
Schwesterliebe zu verlassen,
Mußt die Schwägerin nun lieben,
Tiefer mußt du dich nun bücken,
Gute Worte mußt du spenden!“
     „Mögst du nie in deinem Leben,

80
Nie, so lang’ der Mond noch glänzet,
[134]

Sittenlos dem Hause nahen,
Tugendlos der Männerwohnung!
Nach den Sitten frägt die Wohnung,
Nach den Sitten stets die gute,
Nach dem Sinne forschen Männer,
Nach dem Sinn der Männer bester;
Klugheit wird erst dann gefordert,
Wenn das Haus von schlechten Sitten,
Ehrlichkeit erst dann vermisset,

90
Wenn der Mann von schlechten Sitten.“

     „Ist der Greis ein Wolf im Winkel,
Im Verschlag die Alte Bärin,
Auf der Schwell’ die Schlang’ der Schwager,
Auf dem Hof ein Keil die Schwägrin,
Gleiche Ehre mußt du geben,
Tiefer mußt du dich dort bücken,
Als zur Seite deiner Mutter,
Als in deines Vaters Stube
Vor dem Vater du dich bücktest

100
Und die Mutter du verehrtest.“

     „Wirst nun immer haben müssen,
Klugen Sinn und rasche Fassung,
Stets Gedanken reich an Kräften,
Immer Einsicht ohne Wechsel,
An dem Abend scharfe Augen,
Um das Licht gut wahrzunehmen,
An dem Morgen scharfe Ohren,
Um des Hahnes Ruf zu hören!
Hat der Hahn ein Mal gekrähet,

110
Noch das zweite nicht gerufen,

Muß die Junge sich erheben,
Ruhig schlafen noch die Alten.“
     „Wenn der Hahn nicht krähen sollte,
Nicht des Wirthen Vogel rufen,
Mußt den Mond als Hahn du halten
Und als Mahner du den Bären,
Öfters mußt hinaus du gehen,
Gehen auf den Mond zu blicken,
Von dem Bären zu erfahren,

120
Von den Sternen Rath zu holen!“

     „Steht der große Bär gerade
Mit dem Kopf gewandt nach Süden,
Mit dem Schwanze hin nach Norden;
Dann ist’s Zeit dir aufzustehen
Von des jungen Mannes Seite,
Aus des lebensfrischen Armen,
Feuer aus der Asch’ zu suchen,
Einen Funken in der Schachtel,
Feuer auf das Holz zu blasen

130
Achtsam, ohn’es auszubreiten.“

     „Ist kein Feuer in der Asche,
Ist kein Funke in der Schachtel,
Rüttle dann den lieben Gatten,
Schüttle deinen Mann voll Schönheit.
Gieb mir Feuer, o Geliebter,
Einen Funken, liebes Beerlein!“
     „Hast den Feuerstein, den kleinen,
Etwas Zunder du erhalten,
Schlag dann eilends an das Feuer,

140
Steck’ den Kienspan in die Klammer,

Mach’ dich auf den Weg zum Viehstall,
Um die Heerde dort zu füttern,
Brüllt die Kuh der Schwiegermutter
Und das Roß des Schwähers wiehert,
Deiner harrt die Kuh des Schwagers
Und das Kalb der Schwägrin blöket,
Daß ihm Heu gereichet werde,
Klee ihm vorgeworfen werde.“
     „Geh gebücket durch die Hürde,

150
Mit gesenktem Kopf im Viehhof,

Füttre voller Lust die Kühe,
Mit Bedacht die Lämmerheerde,
Reiche gutes Stroh den Kühen,
Trank den Kälbern der Geplagten,
Zarte Halme gieb den Füllen,
Weiches Heu den jungen Lämmern,
Springe ja nicht auf die Schweine,
Stoß nicht mit dem Fuß die Ferkel,
Trag den Freßtrog zu den Schweinen,

160
Zu den Ferkeln hin die Mulde!“

     „Nimmer magst du ruhn im Viehhof,
Nimmer schlafen in der Hürde;
Hast den Viehhof du besuchet,

[135]

Du die Heerde überschauet,
Dann enteile rasch von dannen,
Stürme gleich dem Schnee zum Hause!
Drinnen weinet schon ein Kindlein,
Wimmert dorten in dem Bette,
Sprechen kann ja nicht das Arme,

170
Sagen nicht das Sprachberaubte,

Ob es frieret oder hungert,
Ob ihm etwas zugestoßen,
Ehe die Bekannte kommet,
Eh’ der Mutter Stimme hörbar.“
     „Kommst du darauf in die Stube,
Komm selbvierte du in’s Zimmer:
In der Hand ein Wasserfäßlein,
In dem Arm ein Blätterbesen,
In dem Mund ein Feuerhölzchen,

180
Selber bist du dann die vierte!“

     „Kehre dann des Bodens Bretter;
Kehre du der Tische Flächen,
Schütte Wasser auf die Bretter,
Schütt’ es nicht zum Kopf des Kindes;
Siehst ein Kind du auf dem Boden,
Wenn es auch ein Kind der Schwägrin,
Hebe du es auf ein Bänklein,
Wasch die Augen, glätt’ die Haare,
Gieb ein Brötlein in die Hände,

190
Streiche Butter auf das Brötlein,

Ist kein Brötlein in dem Hause,
Gieb ihm in die Hand ein Spänchen!“
     „Willst du dann die Tische waschen,
Spätestens am Schluß der Woche,
Wasch die Fläche, wasch die Seiten,
Darfst die Füße nicht vergessen,
Übergieß die Bänk’ mit Wasser,
Kehre ordentlich die Wände,
Nach der Reihe alle Bänke,

200
Nach der Länge alle Wände!“

     „Was an Staub sich auf den Tischen,
An den Fenstern angesetzet,
Kehre emsig mit dem Flügel,
Wisch ihn mit dem Wasserlappen,
Daß der Staub sich nicht verbreite,
Nicht zur Decke sich erhebe!“
     „Kehr’ den Ruß dann von der Decke,
Schabe fleißig ab die Schwärze,
Denke an die Schornsteinstützen,

210
Darfst die Sparren nicht vergessen,

Daß die Stube man erkenne,
Sie für einen Wohnort halte!“
     „Höre, Jungfrau, was ich spreche,
Was ich spreche, was ich sage,
Gehe nimmer ohne Kleidung,
Nie vom Tuche unbedecket,
Schreite niemals ohne Leintuch,
Niemals gehe ohne Schuhe,
Sehr verdrießen würd’s den Gatten,

220
Murren würde dein Geliebter!“

     „Hüte du mit großer Sorgfalt
Auf dem Hof die Ebereschen!
Schön sind diese Ebereschen,
Schön der Ebereschen Zweige,
Schönes Laub in diesen Zweigen,
Schöner noch darin die Beeren,
Mittelst welcher man die Jungfrau,
Man die Schutzberaubte anweist,
Daß sie nach dem Sinn des Mannes,

230
Nach des Gatten Herzen lebe.“

     „Habe Ohren wie die Mäuse,
Rasche Füße wie die Hasen,
Beuge deinen jungen Nacken,
Schwing dich mit dem schönen Halse,
Wie der wachsende Wachholder,
Wie des Elsbeerbaumes Wipfel!“
     „Mögest du stets fleißig wachen,
Fleißig wachen und dich hüten,
Daß du nimmer niederstürzest,

240
Nicht der Länge nach zum Ofen,

Nicht auf deine Kleider sinkest,
Nicht auf’s Bett dich niederstreckest!“
     „Von dem Pflügen kommt der Schwager,
Aus dem Vorrathshaus der Schwäher,
Von dem Arbeitsplatz dein Gatte,
Von dem Fällen dein Geliebter,
Bringe rasch das Wasserfäßlein,

[136]

Trage du herbei das Handtuch,
Bücke dich zur Erde tiefer,

250
Rede Worte, die recht freundlich!“

     „Mit dem Mehlmaaß in den Armen
Kommt herbei die Schwiegermutter,
Lauf ihr auf den Hof entgegen,
Bücke dich recht tief zur Erde,
Nimm das Mehlmaaß aus den Armen,
Trage es geschwind in’s Zimmer!“
     „Solltest du nicht selber wissen,
Nicht von selber es verstehen,
Welche Arbeit wohl zu machen,

260
Welche Sache anzufangen,

Frage du dann von der Alten:
„„O geliebte Schwiegermutter,
Welcher Weise wird die Arbeit
Hier verrichtet, hier gehalten?““
     „Antwort giebt dir dann die Alte,
Solches spricht die Schwiegermutter:
„„Also mußt du dieses machen,
Und die Arbeit so verrichten:
Stampfe fleißig, mahle kräftig,

270
Setz’ den Mühlstein in Bewegung,

Trage ferner frisches Wasser,
Knete dann mit Kraft den Brotteig,
Trage Scheite in die Stube,
Daß den Ofen man erwärme,
Backe dann die Bröte fertig,
Dörre du die dicken Kuchen,
Spüle rein das Eßgeschirre,
Wasche rein die Trinkgefäße.““
     „Hörst du von der Schwiegermutter,

280
Von der Alten, was zu schaffen,

Nimm das Korn dann von den Steinen,
Eile in die Mühlenkammer,
Bist du dorten hingekommen,
Bist du in der Mühlenkammer,
Sing’ dann nicht mit muntrer Kehle,
Lärme nicht aus vollem Halse,
Laß des Steines Kurbel singen,
Lärmen du die Seitenlöcher;
Stöhne du dabei nicht heftig,

290
Seufze nicht so lang’ du mahlest,

Damit nicht der Schwäher glaube,
Nicht die Schwiegermutter denke,
Daß du voller Unmuth stöhnest,
Du voll Ärger also seufzest!“
     „Siebe dann das Mehl geschwinde,
Bring’s im Deckel dann zur Stube,
Backe drauf das Brot mit Freude,
Knete du’s mit großer Sorgfalt,
Daß das Mehl nicht hier beisammen,

300
Dort das Teiggemisch verbleibe!“

     „Siehst den Eimer schräg du stehen,
Nimm den Eimer auf die Schulter,
Nimm das Schöpffaß in die Arme,
Mach’ dich auf zum Wasserholen,
Trag den Eimer voller Anmuth,
Bring’ ihn an des Tragholz Spitze,
Komme wie der Wind zurücke,
Schreite gleich den Frühlingslüften,
Weil’ nicht lange bei dem Wasser,

310
Säume ja nicht bei dem Brunnen,

Daß der Schwäher nicht vermuthe,
Nicht die Schwiegermutter denke,
Daß dein Bild du angeschauet,
Daß dich selbst du angestaunet,
Deine Frische in dem Wasser,
Deine Schönheit in dem Brunnen!“
     „Gehest du zum Holzeshaufen,
Um dort Scheite auszuziehen,
Wirf dann nicht zurück die Scheite,

320
Nimm selbst Scheite von den Espen,

Greife ruhig nach den Scheiten,
Ohne viel damit zu lärmen,
Daß der Schwäher nicht vermuthe,
Nicht die Schwiegermutter denke,
Daß voll Ärger du sie werfest,
Du voll Hitze damit lärmest!“
     „Gehst du nach dem Vorrathshause,
Gehest du um Mehl zu holen,
Ruhe nicht im Vorrathshause,

330
Bleib’ nicht lange auf dem Wege,

Daß der Schwäher nicht vermuthe,

[137]

Nicht die Schwiegermutter denke,
Daß das Mehl du dort vertheilest,
Weibern in dem Dorf es schenkest.“
     „Gehst du die Geschirre waschen,
Die Gefäße auszuspülen,
Wasch die Kannen an den Henkeln,
An den Streifen du die Krüge,
Wasch die Schalen, wasch die Seiten,

340
Wasch die Löffel, wasch die Stiele!“

     „Gieb du Acht auf deine Löffel
Und behüte das Geschirre,
Daß nicht Hunde es verschleppen,
Katzen nicht von dannen führen,
Nicht die Vögel es zerstreuen,
Kinder es vom Orte tragen;
Kinder sind gar viel im Dorfe,
Viel der kleinen Köpfe dorten,
Die die Kannen fort dir tragen,

350
Fort die Löffel nehmen könnten!“

     „Ist die Badestund’ gekommen,
Führe Wasser, trage Besen,
Bähe Quasten in Bereitschaft
In der rauchberaubten Badstub’,
Ohne lange dort zu weilen,
Ohne in dem Bad zu säumen,
Daß der Schwäher nicht vermuthe,
Nicht die Schwiegermutter denke,
Daß du auf der Bank dich streckest,

360
Auf der Schwitzbank du dich wälzest!“

     „Kommst du darauf in die Stube,
Lad den Schwäher dann zum Bade:
„„O geliebter Schwiegervater,
Schon in Ordnung ist die Badstub’,
Wasser sammt den Besen fertig,
Alle Bretter gut gekehret,
Gehe, bad’ dich zur Genüge
Und begieße dich hinlänglich,
Werde selbst die Hitze mehren,

370
Selbst mich unter Bretter stellen.““

     „Kommet dann die Zeit zum Spinnen,
Kommt die Zeit, zu der man webet,
Gehe nicht in’s Dorf nach Fingern,
Über’s Bächlein nicht nach Kunde,
Nicht nach Rath nach andern Höfen,
Nach dem Weberkamm zu Fremden!“
     „Selber spinne du die Fäden,
Mit der eignen Hand den Einschlag,
Drehe du die Wolle schlaffer,

380
Doch die Leinenfäden fester;

Wickle du recht fest den Garnknaul,
Wirf ihn darauf auf die Haspel,
Wickle du ihn auf die Winde,
Schräge hin zum Weberbaume,
Schlage kräftig mit dem Kamme,
Heb’ den Weberschaft behende,
Webe gutes Tuch zu Röcken,
Fertige von Wolle Kleider,
Du von einer Flocke Wolle,

390
Von dem Haar des Winterlammes,

Von des Sommerschafes Wolle,
Von dem Flaum des Sommerbockes!“
     „Höre nun, was ich dir sage,
Was ich dir nun wiederhole!
Braue Bier du von der Gerste,
Von dem Malz ein süß Getränke,
Brau’s aus einem Gerstenkorne,
Mit dem Holz des halben Baumes!“
     „Malzest du die Gerste süßlich,

400
Schmeckest du dann von dem Malze,

Rühre du es nicht mit Haken,
Wend’ es nicht mit einem Stocke,
Rühr’ es emsig mit den Händen,
Wend’ es mit der Hände Höhlung,
Gehe öfters nach der Badstub’,
Laß die Keime nicht verderben,
Nicht die Katze dorten sitzen,
Auf dem Malz den Kater schlafen,
Fürchte dich nicht vor dem Wolfe,

410
Vor dem wilden Thier des Waldes,

Wenn du zu der Badstub’ schreitest,
Um die Mitternacht hingehest!“
     „Kommt ein Fremder nun zu Gaste,
Ärgre dich nicht ob des Gastes,
Immer muß ein guter Hausstand

[138]

Verrath für die Gäste haben,
Überflüss’ge Fleischesbissen,
Für sie manche schöne Kuchen!“
     „Lad den Fremden ein zu sitzen,

420
Rede freundlich mit dem Gaste,

Sättige den Gast mit Worten,
Bis das Essen endlich fertig!“
     „Zieht er wieder aus dem Hause,
Hat er Lebewohl gesaget,
Dann geleite nicht den Fremden
Weiter als bis zu der Thüre,
Daß dein Gatte sich nicht ärgre,
Dein Geliebter böse werde!“
     „Hast du einmal Lust bekommen,

430
Selber in das Dorf zu gehen,

Gehe fragend in dem Dorfe,
Sprechend weile bei den Fremden;
Während du dich dort befindest,
Führe Reden voller Klugheit,
Darfst das eigne Haus nicht tadeln,
Nicht die Schwiegermutter schmähen!“
     „Fragen in dem Dorf die Schnure
Oder andre Fraun des Dorfes:
„„Gabt die Schwiegermutter Butter,

440
Wie zuvor zu Haus die Muttee?““

Darfst du nicht gerade sagen:
„„Nein, sie giebt mir keine Butter!““
Sage, daß sie stets gegeben,
Mit dem Löffel dir gereichet,
Wenn auch einmal nur im Sommer,
Seit dem Winter du bekommen!“
     „Höre ferner, was ich sage,
Was ich dir nun wiederhole!
Gehest du aus diesem Hause,

450
Kommst du zu dem andern Hause,

Darfst die Mutter nicht vergessen,
Du die Theure nicht verschmerzen!
Leben gab dir ja die Mutter,
Säugte dir die schönen Brüste
Aus den eignen, schönen Brüsten
Mit dem Leibe voller Schönheit,
Manche Nacht verbracht sie schlaflos,
Manches Mahl hat sie vergessen,
Als sie dich, ihr Kind, gewieget,

460
Dich, die Kleine, treu gewartet.“

     „Wer der Mutter könnt’ vergessen,
Wer die Theure je verschmerzte,
Gehe nimmer nach Manala,
Guten Muths in’s Reich Tuoni’s,
In Manala wird bezahlet,
Wird gar fürchterlich vergolten,
Wenn der Mutter man vergessen,
Man die Theure bald verschmerzet,
Tuoni’s Töchter kommen drohend,

470
Mana’s Jungfraun schelten also:

„„Konntst die Mutter du vergessen,
Sie, die Theure, du verschmerzen,
Große Mühe hatt’ die Mutter
Und Beschwerde da getragen,
Als sie in der Badstub’ liegend
Auf dem Strohbund ausgestrecket
Dich hervor zum Dasein brachte,
Dich, die Elende, gebährend.““
     Eine Alte saß am Boden,

480
Auf der Decke eine Greisin,

Die des Dorfes Schwellen alle,
Die der Leute Wege kannte,
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
„Sang der Hahn bei seiner Gattin,
Rief der Henne Sohn zur Schönen,
Sang die Kräh’ im Ostermonat,
Schaukelt’ sich im Frühlingsmonat;
Singen sollte ich wohl lieber,

490
Jene ohne Sang verbleiben,

Jene sind im Haus des Goldes,
Stets im Schooße der Geliebten,
Ich bin ohne Gold und Stätte,
Alle Zeit auch ohne Lieben.“
     „Höre, Schwester, was ich spreche,
Gehest du in’s Haus des Mannes,
Folge nicht dem Sinn des Mannes,
Wie ich Ärmste bin gefolget
Seinem Sinn, der Lerche Zunge,

[139]
500
Meines stolzen Gatten Herzen.“

     „War ein Blümlein, das da sproßte,
Voll Gedeihn ein Heideröschen,
Stieg als junges Reis nach oben,
Schoß empor als schlanke Jungfrau,
Wie ein Honigblümlein ruhmvoll,
Wie beim Kosen die Geliebte,
Wie die Ent’ im Hof des Vaters,
Wie die Ente bei der Mutter,
Wie des Bruders Wasservogel,

510
Wie das Finklein bei der Schwester;

Ging der Blume gleich des Weges,
Wie die Himbeer’ auf dem Acker,
Lärmte auf dem Sand des Ufers,
Wiegte mich auf Blumenhügeln,
Sang beständig in den Thälern,
Trällerte auf jedem Hügel,
Spielte froh in jedem Wäldchen,
Freute mich in allen Hainen.“
     „Trieb das Maul den Fuchs zur Falle

520
Und die Zung’ das Hermelinchen,

Trieb der Sinn zur Manneswohnung,
Hin zu anderm Haus das Mädchen;
So geschaffen ist die Jungfrau,
So gewieget ist die Tochter
Zu dem Mann als junges Weibchen,
Unterthan der Schwiegermutter.“
     „Eilt’ als Beer’ in andern Boden,
Eilt’ als Kirsch’ zu anderm Wasser,
Eine Preiselbeer’ zum Leiden,

530
Eilt’ als Erdbeer’ voller Hitze,

Jeder Baum schien mich zu beißen,
Jede Erle mich zu schneiden,
Jede Birke mich zu greifen,
Jede Eiche mich zu packen.“
     „Kam als Frau zur Männerwohnung,
Ward geführt zur Schwiegermutter,
Dorten wären, wie man sagte,
Als ich hingeleitet wurde,
Sechs der Stuben, die von Fichten,

540
Doppelt wär’ die Zahl der Kammern,

Speicherreich die Hainesränder,
Blumenland der Gasse Ränder,
Gerstenland des Baches Ränder,
Haferland der Heide Ränder,
Vorrath, der bereits gedroschen
Andrer, den man dreschen sollte,
Hundert Summen, die erhalten,
Hundert andre zu erhalten.“
     „War gar dumm dahingekommen,

550
Hatte dumm die Hand gegeben,

Sechs der Stützen hatt’ die Stube,
Hatte sieben Zaunstaketen,
Voller Härte waren Haine,
Voller Ungunst alle Büsche,
Alle Gänge voller Sorgen,
Böser Stimmung alle Wälder,
Schlechter Vorrath in den Kasten,
Andre Kasten ohne Vorrath,
Hundert Worte, die erhalten,

560
Hundert andre zu erhalten.“

     „Kümmerte mich auch nicht darum,
Suchte dort mit Ruhm zu leben,
Hoffte mir auch dadurch Ehre,
Strebte dadurch auch nach Güte:
Brachte man mich nach der Stube,
Sucht’ ich Späne aufzusammeln,
Stoß’ die Stirn da an die Thüre,
Meinen Kopf an ihren Pfosten,
An der Thür sind fremde Augen,

570
Finstre Augen am Verschlage,

Scheele auf des Bodens Mitte,
In dem Hintergrund gar böse;
Feuer sprühte aus dem Munde,
Brände schossen von der Zunge,
Aus dem Mund des qarst’gen Schwähers,
Von der Zung’ des Liebelosen.“
     „Kümmerte mich auch nicht darum,
Irgendwie im Haus zu leben,
Stets in Gnade dort zu weilen,

580
Voll von Demuth mir zu rathen;

Hüpfte mit des Hasen Beinen,
Ging mit Hermelinchens Tritten,
Legte mich gar spät zur Ruhe,

[140]

Bettlergleich erhob ich früh mich,
Hatte, Ärmste, keine Ehre,
Keine Milde dort gefunden,
Hätt’ ich Berge auch gerollet,
Felsen ich zur Hälft’ gespalten.“
     „Stampfte grobes Mehl gar mühsam,

590
Voll Geduld die großen Körner,

Daß die Schwiegermutter äße,
Mit der Feuerkehle schluckte
An der Tischesfläche Ecke
Aus der goldgeschmückten Schale;
Selbst aß ich, die Schwiegertochter,
Mehl vom Steine zur Genüge,
An dem Tisch beim Ofenherde
Mit der Kelle es genießend.“
     „Oftmals brachte ich, die Zarte,

600
Ich, des Hauses Schwiegertochter,

Frisches Moos vom sumpf’gen Boden,
Backte es zu meinem Brote,
Brachte Wasser aus dem Brunnen,
Schlürft’ es aus dem Schöpfgefäße,
Aß die Fische, Unglücksvolle,
Und verzehrte so die Stinten,
Wie ich mich zum Netze beugte,
In des Bootes Mitte schwankte,
Konnte Fische nicht erhalten

610
Aus der Hand der Schwiegermutter,

Wär’s an einem Tag geschehen,
An dem andern vorgefallen.
     „Sommers sammelt’ ich die Halme,
Dreht’ im Winter Gerstenstiele,
So wie sonst ein Tagelöhner,
Wie ein Knecht, der sich verdungen,
Ward im Haus’ der Schwiegermutter
Immerfort daselbst gegeben
Mir der allerlängste Flegel,

620
Mir die allerschwerste Breche,

Mir am Strand das stärkste Klopfholz,
Mir die größte Düngergabel,
Niemals ward an mein Ermatten,
Nicht geglaubt an meine Schwäche,
Helden selber ja ermatten,
Kräft’ge Füllen sinken nieder.“
     „Also that ich, armes Mädchen,
Stets zu rechter Zeit die Arbeit,
Dreht’ mich in dem Schweiß der Glieder;

630
Wartete auf andre Zeiten,

Mußte wieder Feuer bringen,
Dahin meine Hände wenden.“
     „Ward nach Herzenslust getadelt,
Ward bewegt die Lästerzunge
Über meine guten Sitten,
Über meinen guten Namen,
Wörter regneten hernieder,
Stürzten über mich, die Arme,
Wie die wilden Feuerfunken,

640
Wie ein wahrer Eisenhagel.“

     „Hab’ darum noch nicht verzweifelt,
Hätte ferner noch gelebet,
Um der alten Frau zu helfen,
Bei der Feuerkehl’ gelebet,
Aber das verdarb die Laune,
Das erweckte großen Kummer,
Als der Gatt’ zum Wolf verwandelt,
Er zum Bären umgestaltet
Liegend aß und rücklings ruhte,

650
Rücklings seine Arbeit machte.“

     „Dann erst habe ich geweinet,
In der Kammer überleget,
Dachte an die frühern Tage,
An des Lebens schönre Zeiten
Auf des Vaters großem Hofe,
In der Mutter schönem Hause.“
     „Fing dann also an zu reden,
Selber sprach ich solche Worte:
„„Wohl verstand die liebe Mutter

660
Mich, den Apfel, zu gebähren,

Wußt’ die Pflanze zu erziehen,
Nicht jedoch sie einzusetzen;
Setzte ja die zarte Pflanze
In gar unbeliebte Sitze,
In gar schlimmbestellten Boden,
An der Birke harte Wurzeln,
Daß sie stets im Leben weine,

[141]

Ihre Monde dort durchjammre.““
     „„Hätte doch gewiß getauget

670
Auch für Stellen, die da besser,

Auf den Höfen, die da weiter,
Auf den Böden, die da breiter,
An der Seite bessern Leibes,
Neben einem kräft’gern Manne;
Bin an einen Schuh von Rinde,
Einen Lappenschuh gerathen,
Hat den Körper einer Krähe,
Von dem Raben seine Nase,
Seinen Mund vom gier’gen Wolfe,

680
Und das Übrige vom Bären.““

     „„Hätt’ erhalten einen solchen,
Wär’ zum Hügel ich gegangen,
Eine harz’ge Tann’ vom Wege,
Einen Erlenstamm vom Walde,
Hätte ein Gesicht von Rasen,
Einen Bart von schlechten Flechten,
Hätt’ den Kopf gemacht vom Lehme,
Augen von den heißen Kohlen,
Birkenbeulen anstatt Ohren,

690
Weidenzweige statt der Beine.““

     „Sang ein Lied in dieser Weise,
Seufzete bei meinen Sorgen,
Mein Geliebter mußt’ es hören,
An der Wand sich grad befinden;
Als von dort er nun gekommen,
In die Thür der Kammer tretend,
Da erkannt’ ich’s schon am Gange,
Nahm ich’s ab aus seinen Schritten,
Ohne Wind und ohne Luftzug

700
Flatterten ihm seine Haare,

Seine Zähne aufgesperret,
Hin und her die Augen rollend,
In der Hand schwingt eine Esche,
Einen Stock er in den Armen,
Hauet mit dem Stock gerade,
Schlägt damit nach meinem Kopfe.“
     „Als gekommen drauf der Abend,
Als zum Schlaf er sich verfügte,
Nahm zur Hand er eine Ruthe,

710
Eine Lederpeitsch’ vom Nagel,

Nicht für irgend einen andern,
Nein, für mich, die Mühbeladne.“
     „Ging dann selber drauf zur Ruhe,
Ging am Abend endlich schlafen,
Legt’ mich an des Gatten Seite,
Dieser ließ mich an die Seite,
Stieß genug mit seinem Arme,
Reichlich mit den bösen Händen,
Viel mit jener dicken Gerte,

720
Mit dem Peitschenstiel von Fischbein.“

     „Sprang da von der kühlen Seite,
Aus dem Bette voller Kälte,
Hinter mir stürzt nun der Gatte,
Stürmt hinaus dann zu der Thüre,
Fährt in’s Haar mit wilden Händen,
Raufet mich an meiner Stirne,
Warf die Haare fort zum Winde,
Streute sie in alle Lüfte.“
     „Welcher Rath war nun zu finden,

730
Wer wohl hätte Rath gegeben?

Machte mir von Stahl die Schuhe,
Macht’ die Riemen mir aus Kupfer,
Wartete nun an der Hauswand,
Lauschte auf der Gasse Boden,
Bis der Böse ausgetobet,
Bis zur Ruhe er gekommen;
Nicht wollt’ er zur Ruhe kommen,
Nicht von seinem Toben lassen.“
     „Endlich überkommt mich Kälte,

740
Als verstoßen ich dort weilte,

An der Wand dort bleiben mußte,
Draußen vor des Hauses Thüre;
Dachte nach und überlegte:
Werde doch nicht ewig dulden,
Diesen Zorn nicht lange tragen,
Die Verachtung lange dulden
In dem bösen Lempohaufen,
In dem Nest des schlechten Piru.“
     „Schied da von den schönen Stuben,

750
Vom geliebten Aufenthalte,

Machte mich nun auf zu wandern

[142]

Über Sümpfe, über Felder,
Wandert’ über weite Fluthen,
Zu des Bruders Ackergränze;
Trockne Fichten rauschten dorten,
Schönbekränzte Tannen lärmten,
Alle Krähen krächzten dorten,
Alle Elstern lärmten rufend:
„„Nicht ist hier jetzt deine Heimath,

760
Nicht der Platz, wo du geboren.““

     „Nicht beachtet’ ich die Worte,
Ging zum Hofe meines Bruders,
Schon die Pforte redet’ zu mir,
Alle Felder sprachen also:
„„Weshalb kommst du nach der Heimath,
Was, o Elende, zu hören?
Längst gestorben ist dein Vater,
Hingesunken deine Mutter,
Ganz entfremdet ist dein Bruder

770
Und sein Weib gleicht einer Russin.““

     „Habe das noch nicht beachtet,
Ging nun grade hin zur Stube,
Langte mit der Hand zum Handgriff,
Kalt war dieser in den Händen.“
     „Als ich in die Stub’ gekommen,
Bleib’ ich in der Thüre stehen;
Schön wohl war die Frau des Hauses,
Kam nicht um mich zu begrüßen,
Nicht um mir die Hand zu geben;

780
Stolz war ich auch leider selber,

Ging nicht um sie zu begrüßen,
Nicht um ihr die Hand zu geben,
Legte meine Hand zum Ofen,
Kalt erschienen seine Steine,
Kehrt’ die Hände zu den Kohlen,
Ohne Hitze war die Kohle.“
     „Auf der Bank da lag mein Bruder,
Streckte sich dort an dem Ofen,
Kohlen klafterhoch am Halse,

790
Spannenhoch an allen Gliedern,

Asche ellenhoch am Kopfe,
Eine Spanne harten Rußes.“
     „Fragt der Bruder von der Fremden,
Forschet also von dem Gaste
„„Woher kommst du über’s Wasser?““
Ich dagegen gab zur Antwort:
„„Kennest du nicht deine Schwester,
Nicht das ältre Kind der Mutter?
Kinder sind wir einer Mutter,

800
Eines Vogels liebe Jungen,

Von derselben Gans gebrütet,
Aus demselben Nest des Feldhuhns.““
Fing der Bruder an zu weinen,
Wasser ihm im Aug’ zu fließen.“
     „Sprach der Bruder zu dem Weibe,
Flüsterte zu seiner Lieben:
„„Bringe meiner Schwester Speise!““
Scheelen Blickes bracht’ die Schwägrin
Kohl mir aus dem Haus zu essen,

810
Wo das Fett der Welp gefressen,

Abgeleckt das Salz vom Hunde,
Wo der Schwarze schon gefrühstückt.“
     „Sprach der Bruder zu dem Weibe;
Flüsterte zu seiner Lieben:
„„Bringe Bier du unserm Gaste!““
Scheelen Blickes bracht’ die Schwägrin
Wasser drauf dem Gast zu trinken,
War nicht Wasser, das zu brauchen,
War der Schwester Augenwasser,

820
Händewasser meiner Schwägrin.“

     „Ging nun wieder fort vom Bruder,
Eilte aus dem Heimathsitze,
Ging behende fortzuwandern,
Fing ich, Ärmste, an zu schreiten,
An den Ufern hin zu gehen,
Mühevoll mich fortzuschleppen
Stets zu unbekannten Thüren,
Hin zu lauter fremden Pforten,
Zu dem Strand die armen Kinder,

830
Zu des Dorfes Sorg’ die Armen.“

     „Giebt der Leute jetzt gar manche,
Viele giebt es, die da sprechen,
Mit gar böser Stimme reden,
Mich mit scharfen Reden stechen,
Giebt der Leute jetzt gar wenig,

[143]

Welche Güte mir erweisen,
Die mit Milde zu mir sprechen,
Die mich an den Ofen führen,
Wenn ich aus dem Regen komme,

840
Ich vor Kälte Zuflucht suche,

Mit dem Rock von Reif bezogen,
Mit dem Pelz von Eis bedecket.“
     „Hätte nie in meiner Jugend,
Hätte niemals es geglaubet,
Wenn es hunderte gesprochen,
Tausend Zungen wiederholet,
Daß solch Unglück mich befallen,
Solches Elend kommen sollte,
Wie auf mich es losgestürzet,

850
Wie das Unglück mich befallen.“