Klassische Baukunst

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Autor: unbekannt
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Titel: Klassische Baukunst
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13; 1857/7–8, S. 172–174; 99–100, 110–12
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Hauptmomente aus der Geschichte der Architektur.
II. Klassische Baukunst
(griechische, etruskische und römische).

Die Völker, welche vor den Griechen auf die Entwicklung der Architektur Einfluß ausübten, wie die Inder, Babylonier, Perser und Aegypter (s. Gartenlaube 1855. Nr. 45), konnten dies – vermöge ihres Kulturgrades, ihrer Verstandes und Gemüthsausbildung, die hauptsächlich von den eigenthümlichen Verhältnissen der sie umgebenden Natur abhängig war, – nur in so beschränkter und einseitiger Weise, daß ihre Baukunst voll öder Monotonie eine entscheidende Einwirkung auf andere Nationen äußern und sich zu einer weltumfassenden Bedeutung zu erheben durchaus nicht vermochte. Erst bei den Griechen, welche vorzugsweise in Folge der Eigenthümlichkeiten ihres Vaterlandes eine vielseitigere Verstandes- und Gefühlsbildung erlangten, gewann die Baukunst eine naturgemäße, wahre und schöne Einfachheit neben Harmonie und dadurch, trotz ihrer ausgeprägten nationalen Form, einen Allgemeinwerth, der sie, wie es scheint, zum unerreichbaren Vorbilde für alle Zeiten und Völker gemacht und ihr vorzugsweise den Ehrennamen der klassischen Architektur verschafft hat. An sie schließt sich dann die etruskische und römische Baukunst an.

Parthenon.

A. griechische Architektur.

Die ersten Anfänge der griechischen Baukunst sind für uns in tiefes Dunkel gehüllt, denn zu der Zeit, wo die Griechen aus der Dämmerung der mythischen Vorzeit in das Licht geschichtlichen Daseins hervortraten, tritt uns auch schon das System ihrer Architektur als ein bereits fest geordnetes entgegen. Als Vorläufer dieser Architektur könnten höchstens die sogen. cyklopischen Werke (Mauern, Thore, Grabhügel, Schatzhäuser u. s. f., die als Charakteristisches anstatt eines Quaderbaues eine scharfe Zusammenfügung großer unregelmäßig gestalteter Blöcke zeigen) angesehen werden; sie stammen aus der Zeit vor dem Eindringen der Dorer (1104 vor Chr.) aus dem Norden Griechenlands nach dem Peloponnes. Eigentlich läßt sich die griechische Baukunst erst von Solon’s Zeit an als klassische bezeichnen und in drei Epochen vertheilen, von denen die 1ste von Solon bis auf Perikles (590–450 vor Chr.), die 2te von Perikles bis zur macedonischen Oberherrschaft (450–350 vor Chr.), die 3te von dieser Oberherrschaft bis zum Untergange Griechenlands reicht.

Es zeichnet sich die griechische Architektur zuvörderst durch den Steinbau (vorzüglich in Marmor) und den Tempelbau aus, da es bei der republikanischen Einfachheit der Griechen keine Paläste gab und alle übrigen öffentlichen Gebäude von künstlerischer Bedeutung ihre Formen denen des Tempelbaues entlehnten. – Das Wesen des griechischen Tempels läßt sich aber am besten durch den Begriff des Säulenhauses, an dem nur das Aeußere von Wichtigkeit war, ausdrücken. Auf einem mächtigen, aus großen Steinblöcken fest und sorgfältig gefugten Unterbaue (Krepidoma) von drei oder mehreren Stufen (zu welcher Plattform an der vordern und hintern Schmalseite in der Mitte kleinere Treppenstufen führen), thront der Tempel als Rechteck, dessen längere Seiten etwa das Doppelte der schmäleren messen. Ringsum oder blos von oder an beiden Schmalseiten bezeichnet die (dem Privathause untersagte) Säulenreihe die Bedeutung des Tempels. Sie stützt das aus mächtigen Steinblöcken zusammengesetzte Gebälk und durch dieses das steinerne Giebeldach mit seinen Bildwerken. Die Decke der Säulenhalle wird aus Steinbalken gebildet, welche einerseits auf dem Gebälk der Säulen, andererseits auf der Mauer des Tempelhauses (Cella) aufliegen. Die Zwischenfelder (Kalymmatien) wurden mit dünnen steinernen Platten ausgefüllt, die man durch viereckige Aushöhlungen (Kassetten) noch mehr erleichterte. Fenster finden sich im griechischen Tempel nicht; dagegen ist in der Mitte der vordern Giebelseite eine mächtige von Säulen nicht verdeckte Flügelthür. –- Die Säulen bestehen aus Basis (Fuß), Schaft (Stamm) und Kapitäl. Durch die Basis sind sie mit dem Fußboden verbunden, der Schaft bildet den mittlern größten Theil, das Kapitäl bildet das Auflager für das Gebälke. – Das Gebälke besteht zunächst aus dem Architrav (Epistylion), mächtigen Steinbalken, die von einer Kapitälmitte zur andern reichen und die Säulenreihe zu einem Ganzen verbinden. [173] Auf dem Architrav ruht der Fries, dessen Vorderfläche mit Bildwerken in Relief geschmückt wurde. Dieser trägt nach außen die weit vortretende Platte des Hauptgesimses, nach innen die Steinbalken der Hallendecke. Das Gesims, welches auf den Langseiten die horizontale Dachtraufe bildet, steigt an den Schmalseiten giebelartig auf und schließt ein dreieckiges Feld (Tympanon) ein, in welches Bildsäulen gestellt wurden. Das Gesims wird durch einen ausgehöhlten Rinnleisten bekrönt, der, über die Dachfläche hervorragend, das Regenwasser sammelt und durch die auf Ecken und an den Langseiten in gewissen Abständen angebrachten hohlen Thierköpfe hinabschickt. Das Dach mit sanfter Steigung ist mit Ziegeln gedeckt und durch palmettenartig verzierte, in gewissen Abständen stehende Stirnziegel (Akroterien) decorirt. – Die Wände der Cella werden aus horizontal gelegten, ohne Mörtel, nur durch sorgfältigste Fügung verbundenen Steinblöcken gebildet. – Das Innere des Tempels ist von nur untergeordneter Bedeutung. Es diente nur dem Bilde des Gottes als Behältniß und verlangte daher als Haupterforderniß eine Cella, welcher die Vorhalle (Pronaos) nur als Zugang diente, während an der Rückseite die entsprechende Säulenstellung das Posticum bildete. Manchmal wurde von der Cella noch ein besonderer Hinterraum (Opisthodomos) geschieden. Bei größern Tempeln wurde, um dem Innern mehr Licht zu geben, der mittlere Theil des Daches mit einer Oeffnung (Opaion) versehen und solche Tempel, wo also die Cella unter freiem Himmel lag, hießen Hypäthraltempel. Der mittlere Theil des Daches ruhte dann auf zwei Säulenstellungen und diese wieder auf dem Gebälke zweier unterer Säulenreihen.

Hinsichtlich ihrer Bestimmung unterschied man Kult- und Agonal-Tempel. In den ersteren (von einem heiligen Tempelbezirk umgränzt, von welchem aus dem Volke durch die geöffnete Tempelpforte nur der Blick in’s Heiligthum gewährt wurde) befand sich das Bild des Gottes mit den kostbaren Weihgeschenken, der Brandopferaltar (dem Eingange gegenüber) und die Weihwasserschale, aus welcher sich Der als Zeichen innerer Reinigung mit geweihtem Wasser besprengen mußte, wer in’s Innere treten wollte, um dem Gotte ein Weihgeschenk oder ein Opfer darzubringen. Die Fest- oder Agonaltempel waren nur als Besitzthum der Gottheit heilig, und enthielten anstatt des Kultbildes Gottes gewöhnlich nur eine kostbare Statue der Gottheit ohne Altar. Außerdem bewahrten sie noch die Kostbarkeiten des öffentlichen Schatzes und die zu großen Festzügen erforderlichen Geräthe. –- Obschon die Grundform des Tempels unabänderlich feststehend war, so gestattete sie doch mancherlei Abänderungen im Einzelnen und diese beziehen sich hauptsächlich auf die Anordnung der Säulenhallen, sowie auf die Behandlung von Gebälk und Giebel. Man nimmt danach einen dorischen und jonischen Styl an, aus denen dann als eine Ableitung die korinthische Form hervorging.

Dorische Säule mit Gebälke.

a. Dorischer Styl.

Ernst, würdig und feierlich, wie der Charakter der Dorer, ist das Wesen des dorischen Styles. In dichtgedrängten Reihen steigen vom Unterbaue zum Architrav mächtige Säulen ohne Basis und mit rundem kanellirtem Schafte (von 20 flachen Vertiefungen, die in scharfer Kante aneinander stoßen) kühn in die Höhe. Der Schaft (c) schwillt bis auf etwa ein Drittel seiner Höhe um ein Geringes an und verjüngt sich dann wieder allmälig. Dicht unter dem obern Ende zieht sich ein feiner Einschnitt (e) ringsum und bezeichnet den Hals der Säule; darüber folgen drei schmale Riemchen (d) und über diesen ladet die Säule, um das Kapitäl zu bilden, weit über den Schaft aus (Echinus b) und trägt eine kräftige viereckige Platte. (Abakus a). Auf dieser Platte ruht, etwas zurücktretend, der Architrav (f); ein schmales vortretendes Plättchen gränzt ihn nach oben vom Friese (g h) ab, der durch viereckige kanellirte Steinplatten (Triglyphen h), welche als Träger des Giebels erscheinen, in einzelne Felder getheilt und abwechselnd mit Sculpturen geschmückt ist. Die Anordnung der Triglyphen, die sich schon am Architrav durch sechs Pflöckchen (Tropfen) andeuten, ist so, daß über jeder Säule und zwischen je 2 Säulen sich eine erhebt. Das fast quadratische Feld (Metopon g) zwischen den Triglyphen ist entweder offen, bisweilen mit hineingestellten Gefäßen oder durch eine Steinplatte, die bald nackt, bald mit Reliefs (Zophoros) versehen ist. Das Kranzgesims (Geison i), welches nach oben den Fries begrenzt, besteht aus einer weit ausladenden hohen Platte und enthält die schmalen viereckigen, und nach unten mit Tropfen versehenen Dielenköpfe (Mutuli), einen über jeder Triglyphe und über jeder Metope. Das Dachgesims des Giebels (l) besteht aus derselben Platte wie das Kranzgesims, nur ohne Dielenköpfe; über dem Gesimse lagert noch die Rinnleiste (Sima m), deren Ende mit einem Löwenkopfe (o) geziert zu sein pflegt und dem Wasser zum Abflusse dient. Stirnziegel erheben sich auf einer Platte (u) an den Seiten und in der Mitte des Giebels; der Giebel (k) selbst, mit erhabenem Bilderschmucke, ist sehr niedrig. Fries und Giebel trugen in der Regel noch verschieden und lebhaft-farbige (besonders blaue und rothe) Bemalung(Polichromie), während Säulen und Architrav aus blendend weißem Marmor bestand.

b. Jonischer Styl.

Dieser Styl zeichnet sich vor dem ernsten und strengen dorischen durch heitre Anmuth und milde Weichheit aus; die Verhältnisse sind feiner, leichter, eleganter; die einzelnen Bauglieder sind weniger streng von einander getrennt, gehen im Gegentheil sanft in einander über. – Die Säulen (in weiterem Abstande von einander stehend) besitzen eine Basis, und diese besteht zu unterst aus einer viereckigen Platte (Plinthus), auf welcher Glieder von runder Grundfläche lagern, über denen sich dann zwei scharf eingezogene Hohlkehlen (Trochilus) und ein polsterartiger Wulst (Torus) befinden, auf welchem letzteren (der in der späteren Zeit mit plastischen Ornamenten in Gestalt von Ländern, Blättern und Knospen geschmückt wurde) sich der Schaft erhebt. Die sogen. attische Basis bestand nur aus runden Gliedern, mit einer Hohlkehle und zwei Wulsten. –- Der kanellirte Schaft ist bei der jonischen Säule von leichterer schlankerer Gestalt als bei der dorischem mit leiserer Anschwellung und mäßigerer Verjüngung Er besitzt 24 und tiefere, rund ausgehöhlte Kanäle, die aber einen breiteren Steg zwischen sich lassen. Auch enden diese Kanäle kurz oberhalb der Basis und kurz unterhalb des Kapitäls in einer runden Linie, an welcher Stelle sich die Säule plötzlich mit einer starken Ausbiegung (Ablauf) erweitert. – Im Kapitäl stellt sich der Echinus als Eierstab und der Säulenhals unter diesem als ein schmales, manchmal mit einem Perlenstabe geschmücktes Band dar. Auf den Echinus legt sich ein Polster, das, nach beiden Seiten weit ausladend, mit seinen vertieften Kanälen sich zu Schnecken (Voluten) erweitert, die dann spiralförmig sich zusammenziehen und zuletzt in einem Auge (bisweilen von einer Rosette ausgefüllt) enden. Auf der Seitenansicht [174] des Kapitäls zeigen sich die vordere und hintere Seite des Polsters durch ein Band in Gestalt einer Binde oder einer geflochtenen Schnur verbunden. – Der Architrav, minder hoch als der dorische, wird durch drei über einander etwas vortretende Theile gebildet, die manchmal durch feine Perlenschnüre mit einander verknüpft werden. Dem Friese fehlt die dorische Triglyphen- Eintheilung; er ist durchaus ungegliedert und deshalb für Skulpturschmuck geräumiger. Das Kranzgesims besteht hauptsächlich aus einer vortretenden Hängeplatte; das Giebeldreieck ist höher als beim dorischen Tempel. Mit dem Vorherrschen von Skulpturarbeiten tritt hier die malerische Ausstattung zurück.

Ionisches Kapitäl. Attische Basis. Ionische Basis.

c. Korinthischer Styl.

Dieser Styl ist eine Abart und Mischung des dorischen und jonischen. Die Gestalt des Schaftes und der Basis der höheren und schlankeren Säule ist im Wesentlichen der jonischen Säule entlehnt, nur ist die Basis mit Ornamenten versehen, und am Schafte ist der Abstand der 24 Kanäle größer. Vorzugsweise charakteristisch ist aber die Form des Kapitäls, an welchem sich eine weit freiere und reichere, pflanzenartige Gestaltung zeigt, und welches in der Folge die allgemeinste Verbreitung erfuhr. Ein Rundstab faßt oben die Kraft des Säulenschaftes zusammen und läßt das Kapitäl in der Gestalt eines geöffneten Blumenkelches emporsteigen; 8 Blätter des Akanthus (Bärenklau), die mit ihren Spitzen zierlich überschlagend sich nach außen biegen, bilden den untersten Kreis; aus den Zwischenräumen dieser Blätter erhebt sich eine 2te, ähnlich gestalten, oben höhere Blattreihe. Zwischen den obern Blättern steigt je ein Blumenstengel auf, welcher, von zarten Deckblättern eingefaßt, sich theilt, um mit dem einen schwächern Stengel (dem Schnörkel, Helix) sich nach der Mitte des Abakus emporzuwinden, während der andere zu einer kräftigen Volute anschwillt, die sich nach der Ecke des Abakus aufschwingt und dort schneckenartig umbiegt. So treffen auf den Ecken stets je zwei Voluten der benachbarten Kapitälseiten zusammen, wodurch der Uebergang aus dem Runden in’s Viereck vollkommen wird. Der oft reich ornamentirte Abakus ist an den Seiten nach seiner Mitte hin, wo eine Blume hervorknospt, eingezogen, während seine spitzwinklig zusammenstoßenden Ecken über dem Volutenpaar schräg abgeschnitten sind. – Das Gebälk des Architravs ist wie das des jonischen dreifach getheilt, nur reicher mit Perlen- und Eierstöcken geschmückt. Der Fries ist gleich dem jonischen eine nackte Fläche, zur Aufnahme von Bilderwerken bestimmt. Das Gesims wird noch durch Konsolen (Kragsteine) ausgezeichnet, vor deren zierlich geschwungene Unterseite ein Akanthusblatt sich legt. Die Bemalung der korinthischen Bauglieder scheint noch mäßiger als an den jonischen Formen gewesen zu sein.

Korinthisches Kapitäl.

Die ausgezeichnetsten Bauwerke aus den verschiedenen Epochen der griechischen Architektur, von denen einige noch auf unsere Zeit gekommen sind, zeugen, daß in der 1. und 2. Epoche der dorische Styl, in der 3. dagegen der jonische und später der korinthische vorherrschend waren. -– In der ersten Epoche waren berühmt : der um die Mitte des 6. Jahrhunderts aufgeführte große Tempel der Hera auf Samos, von welchem nur noch wenige Trümmer vorhanden sind; der Artemistempel zu Ephesus, der kolossalste aller griechischen Tempel und durch Herostratus vernichtet; der Apollotempel zu Delphi und der Zeustempel zu Athen. Die alterthümlichsten der erhaltenen Denkmäler gehören Sicilien und Unteritalien an; zu Selinus allein finden sich die Trümmer von 6 Tempeln; auch zu Agrigent liegen Ueberreste mehrerer bedeutender Tempel; in Unteritalien sind die Ruinen von Pästum (der Poseidontempel die bedeutendsten. Im eigentlichen Griechenland sind nur wenig Denkmäler erhalten; die bekanntesten sind: ein Tempel zu Korinth, wahrscheinlich der Pallas heilig; der Pallastempel zu Aegina und der Nemesistempel zu RhamnusAus der zweiten Epoche, in welcher der dorische in den jonischen Styl überzugehen anfing, besitzen wir ebenfalls großartige Monumente der Baukunst, wie: den Parthenon zu Athen, der Pallas Athene geweiht; der Theseustempel zu Athen; das Prachtthor der Propyläen; der kleine Tempel der Nike Apteros (der ungeflügelten Siegesgöttin); das Erechtheum (oder Pandroseion), ein Tempel der Pallas Polias; der Tempel zu Rhamnus (der Nemesis), zu Bassä (des Apollo Epikurios), zu Olympia (des Zeus). – Aus der dritten Epoche, in welcher der dorische Styl fast ganz in Vergessenheit kam, und der Tempelbau gegen die Prachtpaläste, Denkmäler und Privatgebäude bedeutend zurücktritt, stammen: der Tempel der Athena Alea zu Tegea, der Zeustempel zu Nemea, die äußeren Propyläen zu Eleusis, der Dianentempel zu Eleusis, der Cerestempel zu Pästum, der Athenetempel zu Priene, Apollotempel zu Milet, Zeustempel zu Athen, das Monument des Lysikrates und Thrasyllos, der Thurm der Winde (Horologium) zu Athen. (Ausführlicheres über die griechische Architektur, in angenehmer Kürze, findet man in „Lübke’s Geschichte der Architektur.“)

[99]
II. Klassische Baukunst (etruskische und römische).

Die Architektur, weil sie vorzugsweise allgemeinen Zwecken und Ideen dient, spiegelt ziemlich treu den Geist und das Wesen einer Zeit ab; sie gibt ein klares Gesammtbild der religiösen und staatlichen Einrichtungen, des gesellschaftlichen, privaten und öffentlichen Lebens, der Kulturstufe und Geschmacksbildung eines Volkes. Am deutlichsten ist dies in einer, jeden Gebildeten empfehlenswerthen populären Darstellung der Baukunst dargethan, die den Titel führt:

„Geschichte der Architektur von Wilhelm Lübke. (Mit 174 Holzschnitt-Illustrationen). Leipzig. Graul. 1855.“

Wir haben schon in zwei Aufsätzen (Gartenlaube 1855. Nr. 45. und 1856. Nr. 13.) diese Geschichte benutzt, um in unsern Lesern ein Interesse an der Architektur und an dem genannten Buche zu erwecken, und reihen jetzt nun an die griechische Baukunst (s. Gartenlaube 1856. Nr. 13.) die etruskische und römische, welche drei zusammen die sogenannte klassische Architektur ausmachen.

B. Etruskische Architektur.

Als die Griechen vom Schauplatze geschichtlichen Lebens abgetreten und im römischen Weltreiche aufgegangen waren, blieb doch die Kultur derselben, zumal in der Baukunst, bestehen und trug sich auf die Römer über, die eine Menge architektonischer Kunstwerke als Kriegsbeute heimgeschleppt hatten, um ihre Tempel und Paläste damit zu schmücken. Unter den damaligen Völkern Italiens waren es vorzugsweise die Etrusker, welche die griechische Baukunst in die ihrige mit aufnahmen und so einen Uebergang zu der römischen bildeten. In ästhetischer Beziehung steht die etruskische Architektur aber jedenfalls der griechischen nach, denn es fehlt ihr der feurige, ideale Aufschwung, jedoch wurde sie durch Erfindung des Bogenbaues von großer praktischer Nützlichkeit, durch eine Erfindung, die eine scharfsinnige Kombination voraussetzt und nur aus einem praktischen, verständigen Volke hervorgehen konnte, die aber freilich erst vom christlichen Mittelalter in glanzvoller Weise ausgebeutet wurde.

Was den Charakter des etruskischen Volkes betrifft, der sich auch in ihrer Architektur wiedererkennen läßt, so fehlte ihm die ideale Begeisterung des griechischen und zeigte dagegen eine nüchtern verständige Richtung, die in deutlich vorgezeichneten Satzungen und scharf ausgeprägten Rechtsbegriffen die Richtschnur des Lebens erblickte. Macht und Herrschaft waren bei ihnen in den Händen einzelner bevorzugter Geschlechter, die auch die priesterliche Würde ausschließlich bekleideten. Die Religion der Etrusker, die übrigens die Familie und Frauen zuerst zur Würdigung brachten, war eine vorwiegend moralische, praktische und der poetisch-mythologischen der Griechen ganz entgegengesetzte. Sie nahm ein gutes und ein böses Princip, sowie Belohnung und Bestrafung in einem andern Leben an, und gab dadurch dem Wesen des Volkes etwas Gedrücktes und Aengstliches, Befangenes, Unfreies, Abergläubisches. Man sieht auf den bildlichen Darstellungen etruskischer Grabmäler stets einen weißen und einen schwarzen Genius, die sich um die Person des Gestorbenen zu streiten scheinen. Was die Etrusker von göttlichen Wesen verehrten, war nichts als eine dürftige Umhüllung natürlicher Zustände und Vorgänge oder eine umgestaltete Übertragung griechischer Sagen, sowie sich auch in ihrer Architektur eine gewisse, wenn gleich umgestaltete Aufnahme griechischer Elemente erkennen läßt.

Thor von Volterra.

Zu den alterthümlichsten Werken etruskischer Architektur gehören einige Städtemauern, welche in der frühesten Zeit (bei der Stadt Cossa) aus großen unregelmäßig bearbeiteten polygonen Steinblöcken ohne eine Verbindung von Mörtel errichtet sind, später dagegen (zu Volterra, Cortona, Papulonia) horizontale Lagerung der Steine, jedoch keinen regelmäßig wechselnden Fugenschnitt zeigen. Die wichtigsten architektonischen Leistungen der Etrusker sind die gewölbten Bauten und wegen dieser sind die Etrusker als Erfinder des eigentlichen Bogen- oder Gewölbebaues, des durch keilförmige Steine gebildeten Bogens, zu betrachten.

Mehrere gewölbte etruskische Bauten sind auf uns gekommen, wie: einige alte Stadtthore (zu Volterra, Perugia) und die großartigen unterirdischen Abzugskanäle zu Rom (unter der Herrschaft der Tarquinischen Könige gegen Anfang des 6. Jahrh. v. Chr. aufgeführt), die sich in einen Hauptkanal, die Cloaca maxima, vereinigen, welcher mit einer Breite von 20 Fuß in die Tiber einmündet. – Merkwürdig ist, daß die Etrusker beim Tempelbau die Wölbung noch unberücksichtigt ließen. Ihre Tempel haben Aehnlichkeit mit den griechischen, denn sie bestanden aus einer säulengetragenen Vorhalle, einer Cella für das Götterbild und einem giebelförmigen Dache.

Etruskische Säule.

Sie unterscheiden sich aber dadurch, daß sie mehr ein Quadrat bildeten, nur an der Vorderseite eine, aber eine sehr tiefe Säulenhalle (Anticum) hatten, daß ihnen die hypäthrale Anlage fehlte, und daß sie ein von Holzbalken gebildetes Vordach von beträchtlicher Tiefe besaßen. Uebrigens hatte das ganze Bauwerk einen nüchternen, unlebendigen Ausdruck, der durch das hohe weitvorspringende Dach noch verstärkt wurde. Die weit von einander abtretenden Säulen, welche entfernt an die dorischen erinnerten, hatten eine Basis von ungeschickter Gestalt, deren Hauptglied aus einem schwerfälligen Wulst bestand, auf welchem eine schmale Platte lag. Am Kapitäl finden sich alle Elemente des dorischen, die Platte war aber hoch, der schwächliche Echinus breit ausladend, die den Schaft der viel zu schlanken Säule umgebenden Ringe stumpf profilirt. Vitruv’s Ausspruch: „daß der etruskische Tempel niedrig, breit, gespreizt und schwerköpfig“, ist deshalb nicht unpassend. – Unter den erhaltenen etruskischen Denkmälern nehmen die Grabmäler einen vorzüglichen Platz ein, welche theils ausgedehnte unterirdische, in dem Gesteine des Gebirges ausgehöhlte Grabkammern darstellten, theils zu Tage tretend mit einer, dem schräg aufsteigenden Felsen aufgemeiselten Tempelfaçade geschmückt sind, theils ohne unterirdische Anlage thurmähnliche Werke waren (wie die Cucumella bei Volci, das sogen. Grab der Horatier und Kuriatier bei Albano).

C. Römische Architektur.

Die Römer, ein Volk von vorwiegend praktischer, verständiger Richtung und herrschbegierigem Sinne, zeigten in ihrem Charakter, und ebenso in ihrer Architektur, das Wesen der Etrusker in konsequenterer, höherer Ausprägung. Hier wie dort ein Sinn, der sich vorzugsweise den äußern Zwecken des Lebens, der Herrschaft und des Besitzes hingibt, der aber in der Architektur der Römer noch weniger ein selbstständiges, originales künstlerisches Genie zeigt und diese deshalb anfangs zu Schülern der Etrusker, später zu Nachahmern der Griechen macht. Während aber die griechische Baukunst eine ideale Höhe einnahm und uns aus den Bedürfnissen und Schranken des alltäglichen Lebens hinausführt [100] in das freie, heitere Gebiet, wo die ewigen Götter thronten, verließ die römische Architektur jene ideale Stellung, um sich unter die Bedingungen und Anforderungen des praktischen Lebens zu begeben. Dies that sie aber, indem sie allen ihren Werken einen Abglanz griechischer Schönheit lieh, der veredelnd das Erzeugniß gemeiner Nützlichkeit in die Sphäre künstlerischen Daseins enthob. Ohne jene geniale Schöpferkraft, die allein das Höchste hervorzubringen fähig ist, wußten die Römer in ihrem vorwiegend verständigen Sinne zwar keine eigentlich neuen Formen zu schaffen, aber indem sie die alten Formen in neuer Weise verbanden, erzeugten sie ein neues System der Architektur, das, sich zur Wissenschaft emporschwingend, in großartigster Weise auf jede Gattung von Gebäuden anzuwenden ist; und in dieser Anwendung sind die Römer groß. Allerdings erzeugte die mehr dem praktischen Bedürfnisse als dem ästhetischen Sinne angepaßte und mehr kombinirende Art der römischen Architektur eine gewisse Zwiespältigkeit ihrer Schöpfungen, die, sich besonders in der Verbindung des Säulenbaues mit dem Gewölbebaue zeigend, eigentlich dem streng architektonischen Gesetze organischer Entfaltung widerstrebt und den römischen Gebäuden, wenn auch einen malerischen Charakter, doch eine gewisse nüchterne Kälte der Empfindung verleiht. Kurz es ist die römische Architektur ein Produkt des wählenden Geistes, aber nicht mehr des Bodens und ohne jene Wärme, welche durch das besondere nationale und religiöse Bewußtsein erzeugt wird. Dafür ist aber auch diese Architektur der engbegränzten Sphäre nationalen Daseins entrückt und auf der ganzen Erde zu Hause; sie ist die Vorläuferin der christlich-mittelalterlichen Architektur, der sie ebenso den Weg bahnen mußte, wie die Weltherrschaft der Römer dem Christenthume den Weg bahnte.

Römisches Kapitäl.

Der Grundzug der römischen Architektur besteht darin, daß der griechische Säulenbau mit dem etruskischen Gewölbebaue in großartiger Weise verbunden ist. Der Styl des Säulenbaues schließt sich dem spätgriechischen, besonders dem korinthischen an und ist nur noch gefüllter. Das Kapitäl ist entweder ein dorisch-toskanisches (mit einem Eierstabschmuck) oder ein korinthisch-jonisches (sogen. Composit- oder römisches Kapitäl). – Durch die umfassendere Handhabung des Gewölbebaues wurde zunächst die Entfaltung einer großartigen Massen-Architektur begünstigt, denn vermöge seiner bedeutenden Widerstandskraft gestattet der Bogen die Anordnung vieler Stockwerke selbst an den kolossalsten Gebäuden.

Tonnengewölbe.

Zugleich war dadurch aber auch die Innen-Architektur, welche bei den Griechen eine sehr untergeordnete Stufe einnahm, gestattet, denn mit Hülfe der Wölbung ließen sich die ausgedehntesten Räumlichkeiten überdecken. Die einfachere Wölbungsform ist das Tonnengewölbe, die vollkommenere und ästhetischere das Kreuzgewölbe und die Kuppel (eine halbirte hohle Kugel, welche einen kreisrunden Raum überdeckt). – Eine Rückwirkung des Gewölbebaues auf den Säulenbau war die, daß die Säule, nun nicht mehr ein so unentbehrliches architektonisches Glied wie bei den griechischen Gebäuden, manchfache Veränderungen und Einschränkungen erlitt.

Kreuzgewölbe.

Es traten die Gesetze über die Abstände der Säulen außer Kraft, das strenge architektonische Gesetz der Reihe wird aufgelöst und das mehr malerische der Gruppe tritt an seine Stelle. Sodann erhält die Säule, da sie, vom gemeinsamen Unterbau der Tempelstufen losgerissen, einen Ersatz heischt, gewöhnlich einen viereckigen Würfel als Unterlage (Postament). Sie wird ferner sehr oft nur noch eine Dekoration der Wandfläche, als Halbsäule oder als Pilaster (rechtwinklig vortretender Mauerstreifen). Was den Schaft der Säule betrifft, so ist derselbe oft nur ein Cylinder ohne Kanellirungen, oder nur von oben zu zwei Dritteln seiner Länge kanellirt. – Am wenigstm gelang den Römern eine ästhetisch-schöne Verbindung der Säule mit dem Bogen. Gewöhnlich tritt das Gebälk über den Säulen vor und springt neben ihnen im rechten Winkel zurück, so daß dadurch würfelartige Mauerecken (Verkröpfungen) entstehen, welche, obschon sie streng architektonischen Gesetzen widerstreben, doch den malerischen Charakter dieser Bauwerke verstärken. Eine dem römischen Baue eigenthümliche Säulenordnung ist die Attika. Dies ist eine Ordnung kürzerer Säulen oder Pilaster, welche auf das Gebälk einer vollständigen Säulenreihe gestellt sind, um einen übrig bleibenden Wandtheil zu dekoriren, der für eine volle Säulenordnung zu niedrig ist.

[110]
II. klassische Baukunst (römische Architektur).

Die römische Architektur, welche recht eigentlich zur Dienerin des Lebens wurde, eröffnete sich ein unendlich weites Feld für ihre Thätigkeit. Nicht der Tempel allein ist es mehr, dem eine ideale Ausbildung gebührt; das ausgebildete Rechtssystem erforderte eine Menge von Basiliken, die zugleich dem geschäftlichen Verkehr des Tages eine schirmende Stätte boten. Den Angelegenheiten des Staates diente das Forum mit seiner complicirten, großartigen Gestaltung; die leidenschaftliche Lust der Römer an Schaudarstellungen aller Art rief die, meistens riesenhaften Anlagen der Theater, Circus, Amphitheater hervor; dem öffentlichen Vergnügen, überhaupt waren die kolossalen Gebäude der Thermen (ursprünglich warme Bäder) geweiht. Sodann brachte die Sitte, ausgezeichneten Personen Denkmäler zu errichten, die prächtig geschmückten Triumphthore, die Ehrensäulen und Grabmonumente hervor. Die Paläste, Villen und Wohnhäuser überboten sich einander an Glanz und Größe; unübertroffen sind aber die Nützlichkeitsbauten (Brücken, Wasserleitungen, Heerstraßen und Befestigungen) der Römer.

Pantheon.


Aus der früheren Epoche der römischen Architektur, welche die ersten Zeiten der Republik umfaßt, wissen wir nicht viel; nur daß die Anlegung der berühmten Heerstraße, der Via Appia, sowie der Bau großartiger Wasserleitungen schon in jene Periode fällt, ist bekannt. Auch das Forum der Stadt Rom erhielt damals bereits eine bedeutsame Anlage. Erst gegen 150 v. Chr., als Griechenland römische Provinz geworden war, begann eine höhere Entwickelung der Architektur. In jener Zeit wurden in Rom die ersten prachtvollen Tempel (des Jupiter Stator, der Juno) ausgeführt. Besonders aber gehört die erste großartige Ausbildung der Basiliken in ihrer römischen Eigenthümlichkeit jener Zeit an. – Den Höhepunkt ihrer edelsten Blüthe erlebte die römische Architektur unter Augustus. In der Augusteischen Periode entstanden prachtvolle Tempel (des Quirinus), das Pantheon, die großartigen Thermen des Agrippa, das Theater des Marcellus, das riesige Mausoleum (Grabdenkmal) des Augustus u. s. f. Was uns aus dieser Zeit (aus welcher auch Vitruv’s architekton. Lehrbuch stammt) enthalten ist, zeichnet sich durch eine gewisse Harmonie und einfachen Adel der Verhältnisse vortheilhaft aus. – Zur Zeit des Titus treten gewisse römische Eigenthümlichkeiten schärfer hervor, wie denn auch an seinem Triumphbogen [111] das römische Kapitäl zuerst vorkommt (70 nach Chr.). Charakteristisch für diese Epoche sind die Gebäude von Pompeji, an denen übrigens der dorische Styl vorwiegt. Auch das Kolosseum, jenes riesige Amphitheater verdankt dem Titus seine Vollendung. Nach ihm zeichneten sich Trajan und Hadrian durch ihre Bauthätigkeit aus. – Von Anfang des 3. Jahrh. nach Chr. bis zur Mitte des 4. bricht immer entschiedener der Verfall herein. Er machte sich durch ein unruhiges, unharmonisches Wesen in der Architektur, sowie durch phantastische und üppige, den asiatischen Völkern entlehnte Formen (der erste Rokoko) bemerkbar.

Ansicht des Kollosseums.

Von den römischen Gebäuden sind eine Menge auf unsere Zeit gekommen. Nur von den Tempeln, welche meistens der Anordnung des griechischen Tempels folgten, sind gewöhnlich nur geringe Reste der äußeren Säulenhallen stehen geblieben, wie vom Tempel des Capitolinischen Jupiter, des Mars Ultor, der Minerva oder des Jupiter Stator, des Antonius und der Faustina u. s. w. Besonders charakteristisch für die römische Architektur und ihr vorzugsweise eigenthümlich sind die runden Tempel und die gewölbten Tempel. – Einer der imposantesten Reste römischer Architektur und vollständiger als jeder andere erhalten ist das Pantheon, vom Baumeister Valerius unter Augustus erbaut. Es war ursprünglich ein zu den Thermen des Agrippa gehörender Nebenbau, zugleich als Tempel dem Jupiter Ultor geweiht. – Eine wichtige Gattung römischer Gebäude, die auch eine eigenthümliche Ausbildung erfuhr, waren die Basiliken, welche zum Sitze für Gerichtshof und Geschäftsverkehr dienten, und in mehrere Räume abgetheilt (drei- und fünfschiffig) waren. Berühmt sind die B. Julia, Aemilia und Fulvia. – Dem Forum (dem Mittelpunkte des staatlichen Lebens, wo sich das Volk zu Berathungen und Versammlungen einfand) gaben die Römer eine großartigere Durchführung als die Griechen; es war meist kostbar ausgestaltet, mit Marmorplatten gepflastert, mit Bilderwerken, Ehrensäulen, Triumphpforten geschmückt und rings von schattigen Säulen umzogen; in seiner Nähe standen in reicher Gruppirung die Tempel, Basiliken und andere Prachtgebäude. Das Forum Trajanum übertraf alle übrigen Fora (von Cäsar, Augustus, Domitian. Nerva). – Von den Nützlichkeitsbauten ist vorzüglich der Aquädukt des Claudius, die jetzige Porta Maggiore in Rom, und die berühmte Via Appia erwähnenswerth. – Das Theater wurde von den Römern mit verschwenderischem Luxus ausgestattet; doch sind nur wenig Reste davon zu uns gekommen. – Noch großartigere Bauten als die Theater waren die für blutige Kampfspiele bestimmten Amphitheater; unter ihnen ist das als Kolosseum bekannte Flavische Amphitheater zu Rom, von Vespasian begonnen und von Titus im Jahre 80 nach Chr. vollendet, das berühmteste. – Hierher gehört auch der Circus, ein Schauplatz für die Wettläufe der Wagen und Reiter. – Complicirte, fast labyrinthische Prachtbauten von kolossaler Anlage, die oft ein ganzes Stadtviertel einnahmen, waren die Thermen, in denen sich Schwimmbassins, offene Höfe mit Säulenhallen für die Ringer, Säle für das Ballspiel, für freie Unterhaltung, Bibliotheken, ja selbst Gemäldesammlungen befanden, und die mit kostbaren Kunstwerken, Bildsäulen, Skulpturgruppen u. s. w. ausgeschmückt waren.

Trajanbogen zu Benevent.

Die erheblichsten Ueberreste solcher Bauten sind die Thermen des Titus, des Caracalla, des Diokletian (in denen 3200 Personen zugleich baden konnten) und des Agrippa (mit dem Pantheon). – Die Ehrendenkmäler, welche durch Beschluß des Senats und der Volksversammlung den heimkehrenden Siegern oder in späterer Zeit den Cäsaren errichtet wurden, waren meistens prachtvolle Triumphthore (des Titus 70 nach Chr., des Trajan 103 nach Chr., des Severus und Konstantin); oder Ehrensäulen, kolossale einzeln stehende Säulen, welche das Standbild der Cäsaren (des Trajan, Marc Aurel) trugen. – Die Grabmonumente waren entweder unterirdische gewölbte Kammern (Columbarien) mit kleinen Nischen für die Aschenkrüge, oder freistehende Grabmäler von der Form des Tempels, des Altars, der Pyramide oder eines thurmartigen Rundbaues, welcher letztere durch Verschmelzung mit der Pyramidenform bei kolossaler Ausbildung die riesigen Mausoleen [112] (des Augustus, Hadrian) darstellte. – Auch die Privat-Architektur war bei den Römern glänzend und verschwenderisch entfaltet; dies zeigte sich ebenso an den Wohngebäuden, wie an den Palästen und Villen (Landhäusern) der Vornehmen. Die Ausschmückung der Wohnungen bestand hauptsächlich in Wandmalerei, wie sie zur Zeit noch in Pompeji und Herculanum sichtbar ist.

Nach dem Verfalle des Römerthums entfaltete sich die Architektur in Folge der Herrschaft des Christenthums und des Islams nach zwei verschiedenen Richtungen, deren Mittelpunkte Rom und die neugeschaffene Hauptstadt des oströmischen Reiches, Constantinopel, bilden. (Davon später.)