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Kleine Künstler

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Textdaten
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Autor: Professor Dr. Lampert
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Titel: Kleine Künstler
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aus: Die Gartenlaube, Heft 28, S. 476-479
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Kleine Künstler.

Von Professor Dr. Lampert.

Warm und kräftig scheint die Sonne in das Zimmer; ihre Strahlen, die wir während der langen Wintermonate so oft herbeigesehnt, fangen schon an, lästig zu werden, und wir schicken uns an, den Vorhang herabzulassen. Aber was ist das? Von den rechts und links an der Fensternische befindlichen Hülsen, in welche wir den Eisenstab des Vorhangs einschieben wollen, erscheint die eine mit Lehm verstopft und völlig verschlossen; wir bohren die Erde heraus und zu unserer Verwunderung sehen wir, daß es sich nicht um einfachen trockenen Lehm handelt, sondern wir finden eine braune schmierige, süßlich riechende, klebrige Masse. Während wir noch damit beschäftigt sind, die Hülse zu reinigen, fällt unser Blick auf eine Biene, die soeben abgeflogen und in die Hülse der anderen Seite hineinschlüpfte; bald kommt sie wieder heraus, schaut sich einen Augenblick um, aber ehe wir sie ergreifen können, hat sie sich schon wieder erhoben, um hinaus zu fliegen in den goldigen Sonnenschein und unseren Blicken zu entschwinden. Wir halten Umschau an den anderen Röhren, alle sind sie verstopft, ja erkundigen wir uns weiter, so erfahren wir, daß es keine Eigentümlichkeit unserer Wohnung ist, sondern daß fast in jedem Hause die Röhren der Fenstervorhänge in gleicher Weise zugebaut sind.

Der Verfertiger dieser geheimnisvollen Bauten hat sich bereits verraten; wir haben eine Biene als die Künstlerin kennengelernt. Unwillkürlich denken wir bei diesem Wort an unsere Honigbiene, die uns als die typische Vertreterin dieser Insektenordnung erscheint, und mit Erstaunen werden wir vielleicht von einem zoologisch weniger gebildeten Freunde gefragt, wie denn eine einzelne Biene dazu komme, in die Röhre eines Fenstervorhanges ihre Wabe zu bauen. Ist uns doch gerade die Biene das geläufigste Beispiel eines Staaten bildenden Insekts; von Jugend auf ist es uns ja bekannt, wie in einem Bienenstaat Tausende von Individuen in musterhafter Ordnung unter dem absoluten Regiment einer Königin dahinleben; wie in diesem großen Gemeinwesen jede Thätigkeit, Erwerb der Nahrung, Aufzucht der Nachkommenschaft, Instandhaltung der Wohnung genau geregelt ist und pünktlich ausgeführt wird; wie auch in diesem Tierstaat jedoch nicht eitel Friede und Freude herrscht; wie für die Arbeitsbienen die Köstlichkeit des Lebens Mühe und Arbeit heißt, während die Lebensaufgabe der Drohnen im Genuß der schönen Sommertage besteht, bis ihnen in der großen herbstlichen Drohnenschlacht der dies irae der Tag des Untergangs, anbricht.

All dies ist uns so geläufig, daß es der Laie als Norm, als Regel für die Hautflügler gelten zu lassen geneigt ist. Außer den Ameisen sind jedoch nur wenige Repräsentanten der reichen Insektenabteilung der Hautflügler zu einer so hohen sozialen Gesellschaftsordnung gelangt wie die Honigbiene. Denken wir der Hummeln, so sind zwar auch sie bis zur Staatengründung vorgedrungen, allein eine rauhe Herbstnacht macht allem ein Ende, und die stolzen Wespenbauten, die wir, ihre zum Teil ungewöhnliche Größe bewundernd, in unsern Sammlungen aufbewahren, sie sind das Werk eines Sommers. Nur wenige der vom Zoologen zu der Familie der Blumenwespen oder Bienen vereinten Hautflügler gründen Staatengebilde, die auch unserer winterlichen Witterung Ungunst überstehen, und viele gehen ganz einsam durchs Leben; kurz ist ihre Lebenszeit bemessen, gering sind ihre persönlichen Bedürfnisse, sie bauen keine großen Wohnungen, in denen sich Zelle an Zelle drängt, die Behausung vieler Hunderte und Tausende; sie sorgen nicht für Wintervorräte, die ihnen das Leben fristen, wenn Schnee und Eis die erstorbenen Fluren bedecken; ihr ganzes Leben hat nur einen Endzweck: die Erhaltung der Art. Eine passende Wohnung zu bauen, in welcher die dem Ei entschlüpfende winzige Larve Futter vorfindet zum weiteren Wachstum, in welcher sie, soweit es überhaupt möglich, geschützt ist vor äußeren Feinden, das ist der Lebenszweck einer solchen „Solitärbiene“, wie die Wissenschaft diese Gruppe bezeichnet; hat sie diese mütterlichen Pflichten erfüllt, so stirbt sie wie die ungeheure Mehrzahl ihrer Schicksalsschwestern im großen Reich der Insekten. Sie erlebt es nicht mehr, daß die dem Ei entschlüpfte Larve unbeachtet von der Außenwelt heranwächst, daß sie sich zur Puppe verwandelt und bald dann zum geflügelten Insekt; die jungen Larven der Einsambienen wachsen heran, ohne daß sie, wie bei der Honigbiene, ihre Nahrung sorgsam und durch die treue Aufopferung der erwachsenen Genossen zugeteilt erhalten.

Es lohnt sich, auch auf den Lebensgang dieser Solitärbienen einen Blick zu werfen!

Unser Spaziergang hat uns auf eine kleine Anhöhe geführt; zu unseren Füßen liegt der Spiegel des klaren Gebirgsees, und unfern erheben die Berge der bayerischen Alpen ihre Häupter in den Himmel; traumbefangen nehmen wir das stimmungsvolle Bild in uns auf und es dauert eine Weile, bis unser Blick, sonst wohl gewohnt, das kleinste Insekt am Boden zu entdecken, sich wieder der nächsten Umgebung zuwendet. Auf dem kiesbestreuten Fußpfad zu unseren Füßen treiben große, glänzend blauschwarze, bienenartige Tiere ihr Wesen; was haben sie hier zu suchen? Mit Erstaunen bemerken wir, wie sie kurze Zeit im Boden umherwühlen, um sodann mit einem kleinen Steinchen in den kräftigen Kinnladen wieder davon zu fliegen. Schon Plinius war dieses Gebahren bekannt; er hielt die Tiere für Honigbienen, die bei starkem Wind sich mit Steinchen beschweren, um erfolgreicher gegen die Kraft des Sturmes bei ihrem Flug ankämpfen zu können. Heute aber weht kein Lüftchen, heiß brennt die Sonne herab auf die zu unseren Füßen arbeitenden Bienen; sie geben uns leichte Gelegenheit, uns zu überzeugen, daß Plinius sich im Irrtum befindet. Unweit unseres Kiespfades findet sich eine Mauer, die einen geräumigen Garten umgiebt; an ihr sehen wir wiederum unsere Bienen in Thätigkeit. Ununterbrochen fliegen sie an, die eine faßt hier, die andere dort festen Fuß an der Mauer; schauen wir aufmerksamer zu, so sehen wir bald, daß alle in lebhafter Bauthätigkeit begriffen sind. Alle kommen mit Steinchen in den Kinnladen angeflogen; mit Speichel angefeuchtet, wird Steinchen auf Steinchen gefügt, bis eine inwendig geglättete, fingerhutartige Zelle fertiggestellt ist.

Nun ändert sich die Thätigkeit der Baumeisterin; der Kiesweg wird mit der blumigen Wiese vertauscht und statt der Steine als Baumaterial wird nun Stoff zum Futterpollen, der Nahrung der künftigen Larve, zugetragen. Ist hiermit die Zelle genügend gefüllt, so wird oben auf den Futterbrei ein Ei gelegt und möglichst rasch die Zelle geschlossen. Ohne sich Ruhe zu gönnen, beginnt das fleißige Tierchen sofort den Bau einer neuen, an die erste sich anschließenden Zelle. Zuletzt werden alle nebeneinander, teilweise auch übereinander liegende Zellen in der Weise verbunden, daß der ganze Komplex einem halbkugelförmigen, an die Mauer geworfenen und daselbst angetrockneten Erdballen gleicht, der nicht im geringsten ahnen läßt, daß er das mühsame Produkt der Thätigkeit eines Insekts ist. Es ist natürlich, daß derartige Bauten in ihrer wahren Natur leicht verkannt werden; nachdem wir sie einmal kennengelernt haben, sehen wir fast mit Erstaunen, daß die ganze Mauer voll derselben ist.

Unsere Maurerbiene, welche die Wissenschaft mit dem Namen Chalicidoma muraria belegt hat, gehört nicht gerade zu den häufigen Tieren, wo sie aber einmal sich findet, da begegnen wir ihr oder ihren Bauten auch in großer Zahl. Sie wählt für die Anlage ihrer Nester rauhe, nicht geglättete Steine; wir fanden sie somit hie und da an Wegsteinen, häufiger an Leichensteinen der Kirchhöfe, eine besonders reiche Fundquelle aber waren uns häufig Mauern oder Gebäude aus rauh behauenen Steinen ohne Bewurf derselben, eine Bauart, wie sie vielfach die Bahngebäude kleinerer Stationen zeigen. Als der Bahnhofsvorstand einer kleinen fränkischen Station in einer ästhetischen Anwandlung das Gebäude von den „häßlichen Anwürfen“ hatte reinigen lassen, traten sie sofort im nächsten Jahre in großer Zahl wieder auf.

Bald regt sich in der geschlossenen Zelle junges Leben; dem Ei entschlüpft eine winzige junge Larve, die sich mit Behagen über den ihr fürsorglich bereiteten Futtervorrat hermacht und bei dieser reichlichen, guten Nahrung bald zu einer feisten Made heranwächst; nach kaum 2 Monaten hat sie ihre normale Größe erreicht und spinnt sich in eine glasige Hülle ein, um sich dann in die Puppe zu verwandeln; erst im nächsten Frühjahr aber durchbricht die junge Biene mit kräftigem Gebiß und unterstützt von der das Gefüge der Steine lockernden Feuchtigkeit ihr steinernes Gefängnis, um [477] nun ihrerseits die von der Natur ihr auferlegten Pflichten der Erhaltung der Art zu übernehmen.

Freilich glückt es nicht jeder jungen Larve der Maurerbiene, ihre volle Entwicklung zum fertigen Insekt zu erleben; wer die Ausdehnung des Schmarotzerwesens im Tierreich kennt und z. B. weiß, daß selbst im Wasser lebende Insekten nicht verschont bleiben von den Angriffen des heimtückischen Parasitenvolkes, der wird sich nicht wundern, daß auch die Steinfestung, die unsere Maurerbiene sorglich schützend um ihre junge Brut baut, diese nicht vor Verderben zu wahren imstande ist. Schon während die Mutterbiene eifrig die fertiggestellte Zelle mit Futterbrei füllt, droht das Verderben, und so sehr sie sich sputet, die Zelle, in die sie am Schluß das Ei gelegt, zu schließen, so gelingt es doch dem einen oder anderen Feind, sein Kuckucksei hineinzupraktizieren. Ja, selbst wenn die Larve durch die manchmal mehrere Millimeter dicke Steinhülle nach außen hermetisch abgeschlossen erscheint, verstehen es andere Feinde, mit ihrem Stachel die schützende Wand zu durchbohren und ihr Schmarotzer-Ei anzubringen. Nicht weniger als 16 beträgt die Zahl der Parasiten, die wir aus den Nestern der Maurerbiene gezogen haben, zum Teil sind es Bienen selbst, dann Schlupfwespen und Käfer, und auch die Natur selbst trägt dazu bei, manchen Keim zu zerstören; in vielen Nestern finden mir vertrocknete Larven oder bereits entwickelte Insekten, die augenscheinlich infolge besonderer klimatischer Verhältnisse zu Grunde gegangen sind.

Wir haben lange bei dem Lebensgang der Maurerbiene geweilt; er mag als Prototyp gelten für diese einzelstehenden Hautflügler und ihre Art und Weise, für ihre Nachkommen zu sorgen. Zahlreich sind die Vertreter dieser Sippe, aber jede Art besitzt ihre eigene Ueberlieferung, nach welcher sie der jungen Nachkommenschaft ihr wohnliches Haus bereitet. Die Wahl des Ortes, der der jungen Larve zur Geburtsstätte dienen soll, das beim Bau zur Verwendung kommende Material, die ausführende Technik sind fast stets mehr oder weniger verschieden; immer nur ist das Prinzip gewahrt, die Zelle, die das heranwachsende junge Leben und die Nahrung der Larve enthält, möglichst vor äußeren Gefahren zu sichern.

Unsere Maurer- oder Mörtelbiene unterscheidet sich von ihren in der Lebensweise ihr nahe stehenden Verwandten wesentlich dadurch, daß sie ihr Nest, wenn dieser Ausdruck für den von ihr angefertigten Zellenbau erlaubt ist, stolz ganz frei an eine Wand befestigt, allen sichtbar, die zu sehen verstehen und doch sind die Inwohner der Zellen geschützt durch die Festigkeit und Härte des zum Bau verwendeten Materials, welches Hammer und Meißel zum Loslösen des Nestes erfordert. Wohl bauen auch andere Bienen, z. B. Vertreter der Gattung Osmia, freie Zellen, allein mit Vorliebe wählen sie Winkel und Klüfte des Gesteins, die durch die Zellen ausgefüllt werden, ohne daß diese selbst zu sehr der Entdeckung und dem Einfluß äußerer Witterung ausgesetzt sind.

Die Mehrzahl dieser Einzelbienen aber sucht sich ein stilles verborgenes Plätzchen zum Bau der Zelle, welcher sie ihr Ei anvertraut. Wenig wählerisch sind in der Wahl dieses Ortes wiederum Vertreter der artenreichen Gattung Osmia; das Material, welches diese Bienen zur Herstellung ihrer Zellen verwenden, ist Lehm, und so [478] ist ihnen der deutsche Name Mauerbiene zugekommen, eine Quelle häufiger Verwechslungen mit der Maurer- oder Mörtelbiene. Ihre Tendenz ist, ihre Zelle in einem Hohlraum von dem ungefähren Durchmesser der Zelle unterzubringen, doch ist sie wenig geneigt, sich selbst solche Lokalitäten zu schaffen. So dienen ihr alte Bohrlöcher von Insekten, Löcher in Wänden, vor allem auch hohle Pflanzenstengel als eine willkommene Nistgelegenheit. In hohlen Stengeln wird Zelle auf Zelle gesetzt, die Zwischenwände derselben sind aus Lehm hergestellte; daß unsere Osmia-Arten in ihrem Suchen nach passender Wohnung für Anlage ihrer Brutzelle oft eine merkwürdige Wahl treffen, haben wir schon eingangs erwähnt, denn die Künstlerin, welche die Fensterröhren zubaute, erwies sich ebenfalls als eine Mauerbiene, und vor uns liegt eine Fadenrolle, deren mittlerer Gang an beiden Enden verschlossen ist und welche, wie sich beim Durchsägen ergab, drei Osmia-Zellen enthält. Friese, der treffliche Kenner der Lebensweise unserer Solitärbienen, führt noch eine weitere Reihe ergötzlicher Beispiele dafür an, welche merkwürdige und oft recht ungeschickte Wahl die Osmia-Arten in ihrer Bauthätigkeit hier und da treffen. Einmal war es eine in einem Gartenhaus liegen gebliebene Flöte, die sich vortrefflich zur Anbringung von 14 Brutzellen eignete, ein anderes Mal diente ein Taschenuhrgehäuse zur Aufnahme von etwa 12 Zellen, die in zwei Kreisen angeordnet waren; eine gewisse Anziehungskraft scheinen auch Schlüssellöcher auf die baulustige Biene auszuüben, und der Gast eines Wirtshauses im Schwarzathal, der sich beschwerte, daß während seiner Abwesenheit das Schlüsselloch seines Schreibtisches „mit Lehm verklebt“ worden sei, war im Unrecht, den Wirt für die Thätigkeit einer Mauerbiene verantwortlich machen zu wollen.

Mit fast sicherer Aussicht auf Erfolg suchen wir nach den Nestern der Osmia-Arten an Lehmwänden; die Mauerbiene teilt diese Vorliebe mit vielen anderen Verwandten und wir wissen manchen Platz, der uns eine reiche Ausbeute an solitären Blumenwespen und ihren zahlreichen Schmarotzern bietet.

Kopfschüttelnd beobachten die Spaziergänger, die der prächtige Tag zahlreich ins Freie gelockt hat, die Männer, die die hohe, steil ansteigende Lehmwand erklettern und hier ein ihnen völlig unverständliches Treiben entfalten; der eine schlägt mit dem Netz nach Insekten, die in der Luft herumfliegen, der andere bohrt in der Lehmwand herum, um dann eine Flasche herauszuziehen und mit ängstlicher Sorgfalt die augenscheinlich glücklich gewonnene Beute darin verschwinden zu lassen; es muß etwas Besonderes sein, dessen Fang ihm geglückt ist, denn mit lautem Zuruf macht er den Genossen darauf aufmerksam und bemüht sich, auf seinem steilen Standpunkt so weit sicheren Fuß zu fassen, daß er einige Bemerkungen in ein Notizbuch eintragen kann.

Dicht zu unseren Füßen, nur durch die Straße von dem Fuß der Wand getrennt, fließt munteren Laufes der Fluß dahin, über blühendes, grünendes Feld schweift der Blick zu den nahen rebentragenden, waldgekrönten Bergen, allein wir haben keine Zeit und jetzt auch fast kein Interesse, die im Glanz des Frühsommers vor uns liegende Landschaft zu bewundern, und wenden uns lieber der Beobachtung und Ausbeutung der zahlreichen Bienenbauten zu. Die Mauer scheint ein Lieblingsplatz der verschiedenartigsten Bienen zu sein; dicht drängen sich an vielen Stellen die Oeffnungen der Zellen, so daß es aussieht, als ob ein Kleingewehrfeuer auf die Lehmwand gerichtet worden wäre. Eines aber fällt uns vor allem auf; vor einer große Anzahl von Nistlöchern der Bienen sehen wir eine aus Lehm hergestellte Röhre bogenförmig nach unten gerichtet; ganz Aehnliches kennen wir von der Mauerlehmwespe, die den Eingang zu ihrem Nest ebenfalls mit einem solchen Rohr versorgt; in diesem Fall jedoch handelt es sich um die Mauer-Pelzbiene, Anthophora parietina. Die Röhre ist aus Lehmteilchen zusammengebaut, hauptsächlich gegen das Ende zu sehr locker, so daß häufig die Größe der Zwischenräume der Größe des verwendeten Materials gleichkommt. Ein unvorsichtiger Druck mit dem Finger und die Röhre ist zerbrochen, ein paar tüchtige Gewitterregen und von der überwiegenden Mehrzahl aller Nester ist die Schutzröhre hinweggewaschen. Was demnach der Zweck dieses gebrechlichen Objektes ist, ist schwer zu sagen. Die Mehrzahl der Biologen scheint sich zu der Ansicht zu neigen, daß die Biene die beim Ausgraben des Nistganges gewonnenen Erdteilchen nicht direkt wegwerfen mag, sondern als „schätzbares Material“ aufstapelt, denn sowie alle Zellen versorgt sind, wird der Eingang zugeschmiert und die ganze Brutanlage hierdurch unsichtbar gemacht. Allzuviel Wahrscheinlichkeit scheint uns diese Erklärung nicht für sich zu haben, denn der Vorteil, das Material, welches ja überall zu haben ist, durch diesen Bau in nächster Nähe bei der Hand zu halten, wird durch die Mühe des Baues kaum aufgewogen; doch wollen wir gleich gestehen, daß wir allerdings keine bessere Hypothese an die Stelle zu setzen wissen.

Giebt uns diese Art der Pelzbiene durch den Röhrenbau die Lösung eines Problemes auf, so bewundern wir bei einer anderen Art der gleichen Gattung, Anthophora personata, die Anlage der Zellen. Während die überwiegende Mehrzahl der in Lehmwänden bauenden Blumenwespen einfach eine an ihrem Ende sich etwa noch gabelnde Röhre in der Wand aushöhlt und diese durch Querwände in mehrere Zellen teilt, treibt die letzterwähnte Art der Pelzbiene zunächst eine wagerechte Röhre in die Wand und die Zellen werden rechts und links von diesem Hauptgang angelegt; die ausschlüpfenden Bienen gelangen also von ihren Zellen in den Hauptgang und von diesem aus ins Freie, ohne daß, wie dies sonst fast stets bei den Bauten dieser Blumenwespen der Fall ist, die eine Biene beim Verlassen ihrer Zelle ihren Weg durch die Geburtszellen ihrer Schwestern nimmt und diese oft in ihrer Entwicklung hierdurch stört. Friese hebt richtig hervor, wie diese scheinbar so geringfügige Aenderung in der Bauart des Nestes bei der Anthophora personata thatsächlich einen ganz wesentlichen Fortschritt bedeutet.

Viel wäre noch zu sagen von der Kunst und den speziellen Liebhabereien dieser Architekten, die für die Wahl ihrer Wohnungen Erde, Lehm und Gestein bevorzugen; bauen die einen ihre Lehmzellen in hohle Pflanzenstengel u. dergl., bevorzugen die anderen künstliche und natürliche Lehmwände, um in ihnen ihre Gänge und Zellen anzulegen, so begegnen wir weiteren Arten auf unserem Spaziergang, der uns über harten, lehmigen, festgetretenen Boden führt. In großer Zahl oft umschwärmen uns Bienen, und ohne langes Suchen entdecken wir in dem harten Boden eine reiche Anzahl von Löchern; sie führen zu den Brutzellen all der Arten, die sich hier tummeln. Hier finden sich die Schmalbiene, die Hornbiene und die Sandbiene, und mit und neben ihnen fliegen Wespen, die in gleicher Weise ihre Zellen dem Boden anvertrauen.

Ein großer Teil der Solitärbienen jedoch sucht sich das Material zu seinen Zellenbauten im Pflanzenreich. Wiederum giebt uns hier die Gattung Osmia die nächstliegenden Beispiele. Für diejenigen Arten, die ihre Zellen in Pflanzenstengeln anbringen, ist es natürlich das Einfachste, durch Abnagen und Verkauen der Pflanzenmasse selbst sich das Material zur Herstellung der Zellzwischenwände zu beschaffen, wie dies die stattliche Holzbiene thut. Durch ihre Größe, wie durch ihre dunkle Färbung fällt sie unter allen deutschen Bienen sofort auf; der Hinterleib ist schwarz, die Flügel sind dunkelblau schillernd und sie erinnert durch diese Färbung an die weiblichen Maurerbienen, die ebenfalls ein düsteres Gewand tragen, während die Männchen sich in lichteres Gelbrot kleiden. Zur Anlage ihrer Brutzellen, eine Thätigkeit, welche bereits Réaumurs Interesse erweckte, wählt die Holzbiene älteres Holz, morsche Bäume, altes Lattenwerk u. dergl.; sind etwa schon Löcher vorhanden, die dem prüfenden Blick der suchenden Biene verwendbar erscheinen — um so besser; wenn nicht, so macht sich das eifrige Tier ungesäumt an seine Zimmermannsarbeit; den kräftigen Kinnladen, die als Meißel und Zange wirken, vermag das morsche Holz nicht zu wiederstehen, und bald ist ein bis 30 cm langer Gang von 1½—2 cm Durchmesser gebohrt. Nun beginnt, wie bei allen in dieser Weise bauenden Bienen, die zweite Hälfte der Thätigkeit. Es wird die Nahrung der künftigen Larve, der Futterbrei, eingetragen und oben drauf ein Ei gelegt; in einiger Entfernung oberhalb der Futterballen wird aus Sägespänen eine Querwand hergestellt und die erste Zelle ist fertig; der Deckel der ersten dient der zweiten zugleich als Boden, und ist die Witterung günstig, so baut die fleißige Biene bis zu einem Dutzend solcher Zellen, in welchen in stiller Abgeschiedenheit ihre Nachkommenschaft heranwächst.

Wie erwähnt, hat schon Réaumur den Nestbau der Holzbiene beobachtet und dieselbe ist dadurch besonders bekannt geworden; eine Reihe ihrer Verwandten jedoch, die ebenfalls Pflanzenmaterial zum Bau der Brutzelle verwenden, sorgt in höherem Maße für wohnliche und bequeme Ausstattung der Zellen. Da ist z. B. die Wollbiene, mit der wissenschaftlichen Bezeichnung Anthidium geheißen; sie hat ihren deutschen Namen von der Gewohnheit, ihre Zellen aus abgeschabter Pflanzenwolle zu bauen; nach Frieses Untersuchungen sind es besonders Stachys- und Salviaarten, von deren Blättern das Tierchen die Wolle abschabt, um daraus in einer [479] passenden Röhre ihre Zellen zu verfertigen. Ganz eigenartig verfährt ferner die Blattschneiderbiene bei Verfertigung ihrer Zellen; auch sie sucht sich eine passende röhrenartige Höhlung in einem Baum oder sonst in Holzwerk, um ihr Nest unterzubringen; zur Herstellung der Zellen aber nimmt sie Blattstücke von bestimmter Größe und Form.

Mit stillem Ingrimm steht im Frühsommer mancher Rosenfreund vor seinen hochstämmigen Lieblingen und sieht, wie aus der Mehrzahl der Blätter Stücke derselben fehlen. Daß es sich nicht um den Fraß von Insektenlarven handelt, beweist der erste Anblick, denn mit mathematischer Genauigkeit sind vom Rande des Blattes her Stücke bestimmter Größe herausgeschnitten und die Schnittlinie ist scharf und genau wie mit einer Schere geführt. Die fehlenden Blattstücke sind, wie die Blätter zeigen, von zweierlei Größe, entweder rund im Durchmesser von etlichen Millimetern oder oval und ziemlich doppelt so groß wie die runden Stücke. Wer mag der Uebelthäter sein? Mit Unrecht geraten die Kinder der Nachbarschaft in Verdacht, von deren unnützen Streichen unser Rosenfreund allerdings manches zu erzählen weiß; diesmal ist es ein anderer Uebelthäter. Lassen wir es uns nicht verdrießen, einige Zeit geduldig zu warten, so können wir ihn leicht auf frischer That ertappen; summend kommt eine stattliche Biene angeflogen und nimmt ohne langes Besinnen rittlings auf einem Rosenblatte Platz. Stehen wir nahe genug, so können wir leicht ihr Beginnen beobachten. Mit scharfen Kiefern schneidet sie aus dem Blatt ein Stück heraus, es hierbei zugleich zwischen den Beinen aufrollend; bald ist sie zu Ende, und das aufgerollte Blattstück zwischen den Beinen festhaltend, fliegt sie eiligst davon. Wir treten nun näher hinzu und finden ein genau kreisförmiges Stück herausgeschnitten. Kaum haben wir unsere Beobachtungen ausgetauscht über die Gewandtheit und Genauigkeit, mit welcher das Insekt es fertig bringt, scharf kreisförmig ihre Schnittlinie zu führen, so summt es schon wieder leise in unser Ohr; unsere kleine Künstlerin ist wieder erschienen. Der Rosenstrauch hat entschieden ihre Anerkennung gefunden; kaum sind wir zurückgetreten, so nimmt sie auf dem gleichen Blatt wie vorher Platz und mit gleicher Gewandtheit schneidet sie wieder ein Stück heraus, um, dasselbe zwischen den Beinen haltend, abermals eiligst zu verschwinden; dieses Mal ist es ein ovales Stück, welches sich die Biene geholt hat. In rascher Aufeinanderfolge wiederholt sich dasselbe Schauspiel mehrmals, und indem wir die Richtung verfolgen, welche die Biene bei ihrem Wegflug stets einhält, gelingt es uns am Ende auch, zu entdecken, wohin sie die abgeschnittenen Blattstückchen trägt und was sie mit denselben anfängt.

In einem alten Baumstamm, in einem wohl von einer Käferlarve ausgehöhlten Gang, hat sie für die junge Brut die Kinderstube eingerichtet; an die Wand der Röhre werden die ovalen Blattstückchen angelegt, durch ihre eigene Federkraft schmiegen sich die zusammengerollt gewesenen Stückchen eng an die Wand der Röhre an, drei bis vier Stück genügen, um die Wandung auszukleiden, auf die erste Lage wird eine zweite und dritte in der Weise gelegt, daß die Fugen der einen Lage immer durch die andere gedeckt werden, und endlich ist eine fingerhutartige Zelle fertig gestellt; in gewohnter Weise wird sie mit Futterbrei und Ei gefüllt, um sodann mit einem kreisrunden Blattstück als Deckel verschlossen zu werden, welches zugleich wieder als Boden für die folgende Zelle dient. 6–8 Zellen werden in dieser Weise aufeinander getürmt. Mit Vorliebe wählt diese gewandte Baumeisterin Rosenblätter als Baumaterial; Schenck giebt ferner Roßkastanien, Ulmen, Birn- und Apfelbäume als weitere Bezugsquellen an; auch andere Pflanzen können heimgesucht werden. In einem Garten beobachteten wir beispielsweise, wie fast sämtliche Fuchsien von der Blattschneiderin in dieser Weise verunstaltet waren. Stets aber bleibt die eine Biene bei dem gleichen einmal von ihr gewählten Material, so daß die ganze Zellenreihe aus den Blättern der gleichen Pflanze hergestellt ist.

Die Blattschneiderin erscheint neben der Maurer- oder Mörtelbiene, mit welcher wir unsere Skizze begonnen haben, als die kunstfertigste der Einzelbienen; bei allen aber finden wir die gleiche Tendenz: in bester Weise für die Erhaltung der Art, für ihre Nachkommenschaft zu sorgen. Alle diese Blumenwespen sind noch nicht zu der Höhe der Staatenbildung gelangt; nicht minder sorgsam und eifrig aber erfüllen auch sie ihre von der großen Mutter Natur ihnen auferlegten Pflichten, und die Kunstfertigkeit, die sie hierbei entwickeln, sichert ihnen nicht geringere aufmerksame Beobachtung des Naturfreundes, als wie ihren in der kulturellen Entwicklung höher stehenden Schwestern zu teil wird.