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Koloniale Getränke

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Textdaten
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Autor: C. F. (= St. v. Jezewski)
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Titel: Koloniale Getränke.
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 218–219
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Herstellung und Konsum alkoholischer Getränke in Afrika
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Koloniale Getränke.

Wir preisen das Bier als ein echt deutsches Getränk. Wenn man dabei die neuere Zeit ins Auge faßt, so läßt sich nichts dagegen einwenden, anders aber, wenn man in die weite Vergangenheit zurückschaut und nach dem Ursprung des Bieres forscht. Dann erfahren wir, daß schon den Griechen ein Bier bekannt war und daß jener Gerstentrank nach alten ägyptischen Rezepten gebraut wurde. Die Phönizier und Karthager hatten das ägyptische Bier auf ihren Fahrten in allen Gegenden der Welt verbreitet. Wohl mag es ganz anders gemundet haben als das heutige, und es würde vielleicht vor unseren Nahrungsmittelgesetzen nicht bestehen können; immerhin verdankt Europa dem Kulturvolk am Nil die Anregung zur Schaffung eines Getränkes, das Millionen unseres Geschlechtes zum täglichen Bedürfniß geworden ist.

Heutzutage kennt man unter den Eingeborenen Afrikas das aus Malz und Hopfen bereitete Bier nicht, obwohl es deutschen Forschern auf ihren Zügen gefolgt ist und, auf Flaschen gezogen, z. B. Gerhard Rohlfs in der fernen Sahara-Oase Kufra erreicht hat. Aber an berauschenden Getränken fehlt es den Söhnen des Dunklen Welttheils darum nicht. Sie brauchen nicht zu warten, bis der Europäer mit seinem „Feuerwasser“ kommt; sie verstehen zu keltern und zu brauen – nach ihrer Art, und benebelt sind sie oft genug, viel zu oft, wie dies aus der Geschichte der Afrikareisen erhellt. Auch Afrika hat seine Falstaffgestalten; Wißmann hat uns eine solche in dem Dolmetscher Kaschawalla, einem westafrikanischen Neger, geschildert.

„Kaschawalla,“ erzählt der große Reisende, „war die genaue Uebersetzung eines Falstaff ins Schwarze, nur in jüngeren Jahren als unser alter Bekannter. Der erste Abgott dieses schwarzen Sybariten war sein Bauch, der zweite der Schlaf und der dritte die Bequemlichkeit; dabei trank er gern so viel, daß er sich in einem Stadium befand, das man bei uns in der Armee vom Feldwebel abwärts Trunkenheit nennt. In diesem Zustand schwang er sich manches Mal so hoch empor, daß er die ihm eigene, wahrhaft phänomenale Feigheit vergaß, ja sich zu kriegerischen Reden hinreißen ließ, die er in heroischen Stellungen mit Gesten so hübsch begleitete, daß er mit seiner hohen gewichtigen Figur, die leider etwas zu viel Fettbildung zeigte, einem schwarzen Ajax glich. Bei derartigen Vorgängen konnte er sich dann, wieder ernüchtert, gar nicht genug über sich selbst wundern.“

Worin besteht aber der Stoff, dem solche schwarzen Falstaffe im Dunklen Welttheil zusprechen? Importiertes ist für sie gewiß zu theuer, insofern es echt ist; das trinkt auch der Europäer dort lieber selber. Weit von den Küsten wird auch der in Europa eigens für Neger destillierte schwefelsaure Schnaps höchst selten verschleppt; der Neger trinkt also Einheimisches!

Afrika erzeugt Wein und Bier, nur daß Rebenblut und Malz zu keinem von beiden verwendet werden. Die verschiedenen Arten von Palmen und Bananen, Hirse u. dergl. bilden hier den Rohstoff.

Daß der Palmwein aus dem Safte bereitet wird, der aus den abgeschnittenen Blüthenstengeln der Oel- oder Kokospalme hervorquillt, ist bekannt; daß er wie das Lichtenhainer Bier schmeckt, ist gleichfalls schon oft berichtet worden; ist er alt, so soll er auch an den Champagner erinnern. Wir wollen aber hier vor allem eine andere Sorte von kolonialen Getränken ins Auge fassen, die man aus den Bananen gewinnt.

Die Banane, das Riesenkraut der Erde, das bis zu fünf Meter hoch wird und meterlange Blätter treibt, ist jedem wenigstens vom Hörensagen bekannt; einige ihrer Arten kann man ja auch als Ziergewächs auf unsern Rasenplätzen beobachten, Sie schießt hier hoch empor, trägt indessen keine Früchte, da hierzu unser Sommer viel zu gemäßigt ist; aber die gurkenähnlichen Früchte tauchen mitunter im Schaufenster feiner Delikatessenwaren-Handlungen auf – und wer etwas dran wenden mag, der kann sich an dem mehlreichen Geschmack derselben ergötzen, ohne durch die Wildnisse Afrikas wandern zu müssen.

Aus diesen Früchten wird der heutige Wein und das heutige Bier des inneren Afrika bereitet, welches als „Pombe“ in ganz Deutsch-Ostafrika bekannt ist.

Wie es bei uns viele Bierarten giebt, so kennt man auch in Afrika verschiedene Sorten des Generalgetränks. Alle aufzuzählen, das wäre eine mühselige und wenig dankbare Arbeit. Wir ziehen es vor, unsere Leser in ein schönes Reich zu führen, dessen Grenzländer sich in dem Viktoriasee spiegeln, nach Uganda, wo die Menschen unsern lustigen Musensöhnen gar nicht philisterhaft vorkommen würden, denn – die Waganda haben eine ausgesprochene Studenten-Ader. Sie haben eine alte tiefe Abneigung gegen das Wassertrinken, und viele von ihnen rühmen sich, daß seit ihrer frühesten Jugend nicht ein Tropfen Wasser über ihre Lippen gekommen sei. Da sind wir also im richtigen Land, um Bierstudien anzustellen. Wir übertreiben nicht. Als Emin Pascha nach Rubaga zu „Kaiser“ Mtesa zog, da schrieb er in sein Tagebuch: „’S ist die reine Bierfahrt, von Dorf zu Dorf oder vielmehr von Biertopf zu Biertopf geht der Marsch.“

In einem solchen Lande ist die Brauerei im größten Schwang. Alles braut hier: Mann, Weib und Kind. Der englische Arzt Felkin hat die verschiedenen Sorten beschrieben; und zwar unterscheidet er zwischen Bananenbier und Bananenwein. „Mubisi“, ein kühler Bananenwein, wird nach seinen Angaben folgendermaßen bereitet: ein großes Loch wird in den Boden gegraben, mit Bananenblättern ausgekleidet, mit unreifen Früchten gefüllt und mit Matten und Erde bedeckt gehalten, bis die Früchte ganz „reif“ geworden sind. Die Bananen werden dann gespalten und mit feinem Heu vermischt in einem großen bootähnlichen Holztrog, der an einem Ende eine Abflußröhre hat. Nach Beifügung von ein wenig Wasser wird das Ganze mit der Hand oder mit kurzen Holzstäben durcheinander gemengt, dann der Trog mit Bananenblättern bedeckt, worauf die Mischung eine bis zwei Stunden stehen bleibt. Nach Ablauf dieser Frist wird sie herausgenommen und durch Grassiebe in große Flaschenkürbisse gegossen; sie ist dann für den Gebrauch fertig und stellt ein süßes, nicht berauschendes, angenehmes Getränk dar.

Da gerade diese Sorte in Massen getrunken wird, so erklärt sich von selbst, warum Emin in Uganda und Unjoro nur wenig Betrunkene gesehen hat.

Läßt man aber diesen „Mubisi“ drei Tage stehen, so macht er eine Gährung durch und bildet dann ein leicht säuerliches, erfrischendes Getränk, das stark berauscht. Dieser Wein wird alsdann „Muënge“ genannt. Zieht man ihn auf Flaschen ab und läßt diese, gut verkorkt, an einem kühlen Orte mehrere Monate stehen, so erhält man einen Schaumwein, der stark an Champagner gemahnt.

Aus dem „Mubisi“, der Hauptsorte, läßt sich aber noch mehr machen. Setzt man ihm eine größere oder kleinere Menge gekochter Hirse hinzu, läßt die Mischung in großen irdenen Töpfen zwei bis drei Tage stehen, wobei man sie von Zeit zu Zeit umrührt, so entwickelt sich ein Bier, welches, je nach dem Verhältniß des Hirsezusatzes, mehr oder weniger berauschend wirkt.

„Auf Lager“ werden diese Getränke nicht bereitet; sie werden gleich verbraucht, und wenn sie zum Verkauf kommen, sind sie überhaupt verhältnißmäßig theuer. Den Wein trinkt man entweder aus Bechern von Kürbisschalen oder saugt ihn aus Kürbisflaschen durch lange, sehr hübsch gearbeitete Röhrchen. Das untere Ende dieser Röhrchen bildet zugleich ein Filter für die trübe Flüssigkeit.

Für gewöhnlich werden weitere Stoffe, die etwa den Geschmack ändern sollen, zu keinem dieser Getränke hinzugefügt. Ausnahmen giebt es aber überall, und „Kaiser“ Mtesa hat sich eine solche seinem Leibarzt gegenüber erlaubt, welchen Posten eine Zeit lang der Missionsarzt Dr. Felkin, ein Freund Emins, bekleidete.

Dieser gab dem Mtesa eines Tages zwei Flaschen, deren eine ein Wasser zum Abwaschen enthielt, und sagte ihm ausdrücklich, daß es nur äußerlich, anzuwenden sei. Darauf ging der [219] Arzt nach Hause. Da kam ihm ein Page mit einem Kruge Bananenwein nachgelaufen. Der „Doktori“ solle den Wein versuchen, richtete er aus, und ihm mittheilen, ob der Kaiser den Wein trinken dürfe. Der „Doktori“ kostete, sein Begleiter, ein Missionär, trank den Rest aus und die Erlaubniß wurde dem Herrscher ertheilt, da es eine leichte Weinsorte war. Aber dem Missionär bekam der Trunk schlecht, er hatte einen Anfall von Seekrankheit zu überstehen, denn Mtesa hatte das Waschwasser in den Wein gethan, um zu erfahren, ob es auch innerlich wirke.

Europäischer Branntwein kam vor Jahren den Nil aufwärts tief in das Herz Afrikas hinein. Nach den Berichten Schweinfurths gab es in den Seriben (Niederlassungen) der Sklavenjäger am oberen Nile Festtage, wenn die Spiritusfässer aus – Breslau ankamen. Die Sendungen trafen jedoch nicht immer regelmäßig ein, und so dachten die Nubier auf eine Aushilfe. Ein alter ägyptischer Beamter richtete aus Töpfen, Thonröhren u. dgl. eine recht antik aussehende Destillation ein, in der er einen abscheulichen Fusel aus Hirsekorn bereitete. Mit der Zeit fand er viel Nachahmer, und die Branntweinbrennerei blühte in den Provinzen Emins, der bitter darüber klagte, daß die treulosen Beamten das Korn zum Branntweinbrennen verwandten, während im Lande Hungersnoth herrschte.

Die Bekenner des Propheten, der den Wein verbietet, die Araber, verstehen auch in Uganda aus Bananen eine Art Schnaps zu erzeugen, ohne daß sie damit einen besonderen Erfolg bei den Negern erreichen würden, welche ihr Nationalgetränk der mohammedanischen Erfindung vorziehen.

Afrika ist demnach, wie wir aus dieser kurzen Skizze ersehen können, mit „geistigen Getränken“ hinlänglich versorgt. Zur Ausfuhr eignen sie sich nicht, aber sie haben in den letzten Jahren viele unserer Landsleute im deutschen Schutzgebiet nach schwierigen Märschen erfrischt; denen, die im Augenblick auf sie angewiesen sind, wollen wir im Geiste zurufen: „Wohl bekomm’s!“ C. F.