Korrespongdanx

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Textdaten
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Autor: Kurt Tucholsky
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Titel: Korrespongdanx
Untertitel:
aus: Lerne lachen ohne zu weinen, S. 261-263
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1932 (EA 1931)
Verlag: Ernst Rowohlt
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Erscheinungsort: Berlin
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Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Scans auf commons
Kurzbeschreibung:
Erstdruck in: Weltbühne, 26. November 1929
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Bild
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[261]
Korrespongdanx

Jeden zweiten Sonntag im Monat wird der Schreibtisch schon frühmorgens aufgeräumt, alles liegt sauber da, die Bücher stehen angetreten, die Zettel sind eingesperrt, alles zu Haus? … das Zimmer wartet. Heute ist Posttag.

Na, was so ist … Vom Inhalt wollen wir hier nichts erzählen, der ist so wie bei jedem Menschen: ein Zehntel Freude, ein Zehntel Beschwerde und dreihundertundachtundsiebzig Zehntel Briefe, die man eben beantworten muß. Gut. Aber welchen merkwürdigen Gesetzen unterliegt das Briefeschreiben?

Es sind zwei Dinge, die mir immer wieder auffallen.

Das eine ist die Klasse der Schreiber, die eine solche Pfote schreiben, daß man ihrs nicht lesen kann. Kurt Hiller hat [262] einmal für sich dekretiert, er brauche keine Schreibmaschine. Aber er schreibt wenigstens so, daß seine Briefe auch bei Mondfinsternis zu lesen sind. Hingegen schicken einem da die Leute Krakeleien … es ist sehr merkwürdig. Ich sitze immer davor wie jene Redaktion, die einen handgeschriebenen Zettel des Chefs bekam, aus einem Restaurant. „Wichtige Information fürs Abendblatt! Sofort!“ stand drüber; das war aber auch alles, was man lesen konnte. Was nun –? Da hatte ein ganz Kluger einen ganz klugen Einfall. „Es gibt“, sagte er, „eine Gattung Menschen, die schreibt überhaupt nur unleserlich – das sind die Mediziner. Und es gibt eine Gattung Menschen, die kann brillant Unleserliches lesen – das sind die Apotheker. Fritz!“ Der Junge flitzte mit dem Zettel los, in die Apotheke. Und kam nach einer halben Stunde zurück. Und stellte stumm eine kleine Flasche mit einer rötlichen Tinktur auf den Tisch. Diese Geschichte stammt, wie alle schönen Geschichten, von Roda Roda. Ja, also die Briefe.

Wenn die Unleserlichen beiseite gelegt sind, dann ist da eine andre Plage. Ich habe lange nicht begriffen, warum sich Frauen immer ihre Briefe mit den Umschlägen aufbewahren – fast alle Frauen tun das. Sie tun es deshalb, weil sie ihre Adresse stets hinten auf den Briefumschlag schreiben. Und nie auf den Brief selbst. Und unsereiner wirft doch natürlich brav und bieder die Umschläge fort. Und so vergeht kein Posttag, wo man mich nicht, den Kopf tief in dem riesigen Papierkorb, furchtbar schimpfend vorfindet, was das wohl für eine Schweinerei sei und ob ich das vielleicht nötig hätte, hier zwischen Asche und Bindfaden herumzukramen, nur, weil diese verdammte Person ihre Adresse nicht … Und ob das nicht jedesmal geschieht, wenn es sich darum handelt, einem Paar sehr schöner Augen einen Gruß zu [263] schicken! Die Verluste, die auf Warentransporten dadurch entstehn, daß zum Beispiel Fässer leck werden, nennt man im Handelsrecht Leckage. In meinem Geschäft sind diese Verluste offenbar besonders groß.

Nun liegen alle die Briefe still, sie sind noch ganz außer Atem von der langen Reise und müssen sich erst an das Klima gewöhnen. Die Damen liegen, wie so häufig im menschlichen Leben, obenauf, danach kommen die Geschäften (man sollte dieses Wort hinten immer mit einem n schreiben, es sieht gleich viel eiliger aus), und der ganze Packen ist so hoch wie zwei Apfelkuchen. Sancte Epistola, steh mir bei! Auf daß ich bald den letzten hinter mir habe … und bin ich mit der Ihnen gebührenden Darnachachtung

Ihr sehr ergebener           
Peter Panter