Kraft und List
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Kraft und List.
Ein zeitgemäßes Gleichniß von Rudolf Lavant.
So war es recht, mein edler, stolzer Leu,
Denn furchtlos war und trotzig deine Haltung
Im ersten Akt des Kampfes mit der Schlange! ―
Als sie weit auf den gift’gen Rachen riß
Voll wilder Tücke das erkorne Opfer
Anfunkelte, da bannte sie dich nicht,
Denn nur dem Namen nach kennst du die Furcht.
Wohl zucktest du im ersten Augenblick
Denn Trotz und Kampflust war die zweite Regung
Und jeden Muskel, jede Sehne spanntest
Du unwillkürlich für den Riesenkampf
Auf Tod und Leben. Der Verhaßten Blick
Wie am Gemäuer ein verirrter Pfeil.
Du maßest sie mit einem finstern Blick
Voll Ekel, Haß und gründlicher Verachtung,
Und regungslos, als ob ein Erzgebild
Sahst ihrem Angriff ruhig du entgegen.
Sie kannte dich; sie hatte oft versucht,
In ihre mächt‘gen Ringe zu verstricken
Den edlen Gegner und ihn todt zu drücken
Und die Erinn‘rung an die alten Kämpfe
Schien schwankend sie zu machen und verzagt.
Sie zauderte, dann aber schoß sie zu,
Als müsse dies Mal ihren gift'gen Zahn
Urplötzlich lähmend seine Lebenskraft,
Um dann allmälig in des Leibes Ringen
Die Knochen zu zerbrechen. Eitler Wahn!
Ein Hieb der Pranke traf des Scheusals Haupt
In wildem Schmerz in ihr Versteck zurück.
Du hast sie hübsch zerfetzt, sie wird gedenken
An diesen Tag - doch sei auf deiner Hut!
Sie ist nicht todt, ob noch so gut getroffen,
So läufst du nach dem Kampfe noch Gefahr,
Daß sie urplötzlich auf dich niederschießt.
Zu ihrem alten Hasse kommt die Wuth,
Der bitt‘re Schmerz ob ihrer Niederlage;
Und unversöhnlich. Löwe, hüte dich!