Kurze Anleitung zu einer richtigen Kenntniß und Behandlung der Forte-Pianos/1
Das Forte-Piano ist ein Tonwerkzeug, das vermittelst der über einen Resonanzboden gespannten Saiten, welche durch einen mit einer Taste in Bewegung gesetzten Hammer angeschlagen und in Schwingung gebracht werden, somit erklingen, seinen Ton von sich giebt. Davon, daß die vibrirende Saite von dem mit-vibrirenden Resonanzboden und dem zweckmäßigen Bau des Kastens in ihren Schwingungen gehörig unterstützt werde, hängt der gute Ton der Saite ab.
Zum guten Tone gehört also zunächst ein zweckmäßig gebauter, gehörig großer und tiefer Kasten, der eine Saiten-Mensur möglich macht, die sich, so viel als möglich, der von mathematischen Regeln geforderten Länge der Saiten annähert. Dies ist jedoch nur vom Basse verstanden, da es in den mittlern und höhern Octaven nicht an Raum fehlt, um den Saiten die gehörige Länge zu geben. Aber für den Baß ist die Länge des Kastens um so wichtiger, als selbst bei den größten Flügel-Forte-Pianos die regelmäßige Länge [9] der Saiten in der untersten Octave nicht erreicht werden kann, indem man sonst das Instrument gar zu sehr vergrößern müßte.
Daß der Kasten gesund, stark und fest gebaut seyn müsse, wenn er den ausserordentlichen Zug so vieler, zumal sehr starker Saiten aushalten soll, ohne sich zusammen zu biegen, leuchtet wohl von selbst ein; im entgegengesetzten Falle wird, wenn auch die Gewalt der Saiten das Instrument nicht ganz krumm zieht, oder einzelne Theile, z. B. die Anhänge-Leisten, losbrechen, doch die Haltbarkeit der Stimmung fehlen, für welche ein fester Kasten die erste Bedingung ist. Und nicht nur dies ist Folge eines schwachen Kastens; auch der Resonanzboden wird von einem krumm gebogenen Kasten so zusammengeschoben, daß er sich in die Höhe bäumt, oder reißt, und in diesem gespannten Zustande keiner natürlichen und guten Schwingungen mehr fähig ist, also auch keinen guten Ton mehr geben kann.
Der Resonanzboden, dessen guter, kunstgerechter Bau sich übrigens nicht ganz nach äussern Kennzeichen beurtheilen läßt, muß ein feines, gesundes, nicht speckigtes Holz haben. Doch läßt sich auch darüber wenig mit Zuverlässigkeit sagen, denn es ist oft der Fall, daß ein Resonanzboden von scheinbar geringem Holz einen schönen Ton giebt, während ein anderer von besserem Ansehen jenem in seiner Wirkung nachsteht. Eben so wenig schaden feine Aeste, Holzlebern u. dgl. Der beste Resonanzboden ist der, welcher den besten Ton giebt, [10] und thut er dies, so thut man wohl, über alles andere hinwegzusehen.
Ein weiterer wichtiger Gegenstand ist die Besaitung. Wenn Kasten und Resonanzboden noch so richtig gebaut und klangreich sind, und das Material der Saiten ist schlecht, unrein, ungleich, und besonders zu weich, so wird der Ton doch schlecht oder wenigstens mittelmäßig seyn. Saiten von unreinem Metall oder schlechtem Zuge klingen trübe, zitternd oder murmelnd; und wenn z. B. auf einem dreifach besaiteten Forte-Piano zwei Saiten eines Tons vollkommen rein klingen, die dritte ist aber unrein, so ist der Ton schon schlechterdings verdorben; er ist und bleibt so lange unrein, bis die schlechte Saite durch eine bessere ersetzt wird. Die falschen Saiten sind ein wahres Uebel; sie äußern sich vorzüglich im Discant, und die höhern Octaven sind in so vielen sonst guten Clavieren durch schlechte Saiten verdorben, trübe, matt und stumpf gemacht. Seitdem man angefangen, die Claviere so sehr stark zu beziehen, ist dieses Uebel sehr vergrößert worden. Es kann jedoch nicht geläugnet werden, daß selbst die theuersten englischen Claviere an diesem Uebel leiden. Die starke Besaitung verstärkt freilich den Ton und sichert bei sehr starkem Spiele gegen das Brechen der Saiten; aber unstreitig immer auf Kosten der Anmuth und des Gesanges des Tons, welche darunter sehr leiden.
Eine zu weiche Saite hat neben dem schwächern Tone auch noch das Uebel, daß sie keinen starken Anschlag [11] aushalten kann, ohne sich auszudehnen und sich somit zu verstimmen; wird sie auch wieder rein gestimmt, so dehnt sie sich nachher doch immer wieder, bis sie entweder endlich bricht oder zu dünne wird, so daß sie die nöthige Spannung nicht mehr hat, also schon um deswillen einen matten, schwachen Ton von sich geben muß. Diese Ausdehnung zu weicher Saiten findet übrigens auch ohne allen Gebrauch des Claviers Statt.
Es sollen aber die Saiten auch schön und gleich aufgezogen seyn. Es sieht übel aus und beweist wenig Fleiß, wenn das Gewinde an einem Stimmnagel höher steht und am andern niederer. Die Saiten sollen sich gegen den Stimmnagel zu vom Steege aus ein wenig senken, jedoch nicht zu viel, sonst ist die Reibung der Saite auf dem Steege zu stark; und steht vollends das Gewinde selbst auf dem Stimmstock auf, so kann noch überdieß der Stimmnagel sich nicht mehr tiefer in den Stimmstock eindrehen, oder er thut dies beim Anziehen der Saite doch, und diese muß brechen. Das Gewinde selbst soll reinlich und fest gewunden seyn, und es dürfen keine Trümmer weder oben am Stimmnagel, noch unten an den Schlaufen, wo die Saite angehängt ist, herabhängen. Auch sollen die Gewinde der Größe nach möglichst gleich und die Schlaufen sauber und gleich gedreht seyn.
Bei der Mechanik der Claviatur und des Hammerwerks unterscheidet sich die teutsche oder englische Art.
Bei der teutschen Mechanik gehen die Hämmer von [12] hinten nach vorn; die Axe des Hammers läuft in einer auf der Taste eingeschraubten Gabel oder Capsel, und der Hammer wird, indem ihn die vorne niedergedrückte und hinten steigende Taste in die Höhe hebt, von einem über den Schnabel des Hammers hereingehenden Haken an die Saite geschnellt. Der Hammer muß, wenn er durch die Taste gehoben wird, in einer gewissen Höhe, etwa 1, höchstens 1½ Linien Entfernung von der Saite, von selbst, auch ohne die Saite berührt zu haben, und ohne daß die Taste wieder zurückgegangen, wieder in seine Ruhe zurückfallen und sich bei seinem Rückfall an der sogenannten Fangleiste oder seinem einzelnen Fänger arretiren, damit jede weitere Bewegung desselben, welche die Saite in ihren Schwingungen stören und vom Spieler auch auf der Taste unangenehm empfunden werden würde, sogleich gehemmt werde.
Bei der englischen Mechanik geht der Hammer von vorne nach hinten, und statt daß die Capsel, in welcher seine Axe geht, auf der Taste befestigt ist und er mit derselben auf- und niedergetragen wird, ist die Capsel fest an eine Leiste angeschraubt, und das Centrum des Ganges, welchen der Hammer beschreibt, ist unveränderlich, wodurch der Anschlag an Sicherheit und Kraft sehr gewinnt. Auch die Ausholung, der Ansprung des Hammers ist größer. Diese Mechanik hat demnach überhaupt mehr Schnellkraft, als die teutsche. Deswegen sind auch die Hämmer leichter und dicker beledert, was einen weichern, aber doch vollern [13] und kräftigern Ton bewirkt: Wenn der teutsche Hammer durch einen Haken an seinem Schnabel in die Höhe gezogen wird, so wird dagegen der englische durch sogenannte Stoßzungen, die auf den Tasten befestigt sind, und mit denselben steigen, in die Höhe gestoßen. Auch hier muß der Abfall des Hammers auf einer gewissen Höhe, etwa 1½ Linien von der Saite entfernt, von selbst, und ohne daß es des Anschlags der Saite bedürfte, Statt finden. Die Auslösung beruht, wie bei der teutschen Mechanik, auf demselben Verhältnisse. In einer gewissen Höhe weicht die Stoßzunge aus dem Punkt ihres Anstoßes, der Hammer löst sich aus und fällt ab, wo er dann von dem Fänger, der auf der Taste steckt und von derselben in die Höhe getragen und dem Hammer genähert worden, aufgefangen und gehalten wird.
Davon, ob das Verhältniß und die Form der Tasten, Hämmer, Haken, Stoßzungen etc. richtig getroffen, und ob der Eingriff des Hammers in den Haken oder der Eingriff der Stoßzunge in den Hammer, in der Ordnung ist, hängt die gute Spielart ab, die darin besteht, daß der Anschlag leicht geschieht, daß der Hammer bei der Berührung der Taste augenblicklich und kräftig anschlägt, und bei aller Kraft des Anschlages doch nichts Hartes, Stoßendes oder Steifes unter der Hand empfunden wird.
Eine Mechanik, bei welcher der Hammer, auch ohne an der Saite angeschlagen zu haben, wieder in seine Ruhe zurück fällt, nennt man eine auslösende Mechanik, weil [14] der Haken (oder bei der englischen Mechanik die Stoßzunge) wodurch der Hammer gehoben wird, zurückweicht, sobald dieser eine gewisse Höhe erreicht hat, wonach sodann, bei der teutschen Mechanik, der Hammer wieder fällt, der Schnabel desselben an dem Haken hinabgleitet, und dieser, der Haken, durch seine Feder wieder über den Schnabel hergedrückt wird; bei der englischen Mechanik aber die über ihren Anstoßpunkt hinausgewichene Stoßzunge, indem sie von der zurückfallenden Taste wieder hinunter gezogen wird, durch die an derselben gleichfalls angebrachte Feder wieder auf diesen Punkt gestellt wird. Es ist daher nothwendig, daß auch die Taste vor jedem neuen Anschlage, der bewirkt werden soll, auch wenn dieser Anschlag noch so schnell auf den vorhergehenden erfolgt, wieder vollkommen in ihre Ruhe zurück gehe, weil sonst das Einschlagen des Hakens über den Schnabel des Hammers unmöglich Statt finden, und der Hammer in die Höhe geschnellt werden kann. Geht die Taste nicht recht zurück, so schlägt sich der Haken nicht ein, er kann den Schnabel des Hammers nicht fassen, und der Anschlag muß somit nothwendig versagen. Bei der englischen Mechanik gilt dasselbe von der Stoßzunge, welche nicht minder vollständig auf ihren Anstoßpunkt zurückgegangen seyn muß, wenn ein neuer Anschlag Statt finden soll, wenn gleich die Einlösung der Stoßzunge leichter und schneller geschieht, als die des Hakens. Wer also einen präcisen Anschlag will und doch so spielt, daß die Wiedereinlösung [15] nicht gehörig Statt finden kann, der verlangt etwas, das im Reiche der Dinge nicht möglich ist. –
Ein gutes, fleißig und sorgfältig gearbeitetes Hammerwerk und die dazu gehörige Tastatur muß ganz stille gehen, und ohne irgend ein Geräusch hervorzubringen. Ist das Holz, womit die Löcher an den Tasten gefüttert sind, zu hart, so entsteht besonders dort gerne ein solches widerwärtiges Geräusch.
Was hier von der Hammermechanik gesagt ist, gilt keineswegs von den sogenannten steifen oder Prellhammerwerken, die an keinem auch nur erträglichen Claviere mehr gefunden werden sollten, wenn gleich eine Gattung dieser Mechanik noch an englischen Tafel-Forte-Pianos angetroffen wird. Jedes Hammerwerk, bei welchem dem Hammer mehr als Ein Schwung an die Saite möglich ist, und bei dem der Hammer nicht in dem Augenblicke des Anschlags an die Saite, ja noch vorher, sich auslöst und nach dem Rückfall in die Ruhe arretirt wird, ist verwerflich und durchaus nicht fähig, einen schönen und gesunden Ton hervorzubringen.
Die Abdämpfung des Tones, d. h. das Abschneiden desselben in dem Momente, wo die Taste in ihre Ruhe zurückfällt, ist hiernächst eine der wichtigsten Einrichtungen in einem Forte-Piano. Sie dient dazu, um das sonst unvermeidliche Vermischen der Töne zu beseitigen, und geschieht vermittelst der Dämpfung, einer Rahme, in welcher die einzelnen Dämpfer laufen. Diese ruhen mit [16] ihrem Futter von Leder oder Seide etc. auf der Saite, und lassen, so lange nicht die ganze Dämpfung oder die einzelnen Dämpfer aufgehoben werden, keine Schwingung der Saiten, also auch kein Ertönen derselben zu. Die einzelnen Dämpfer werden aber auch durch die Tasten in dem Momente unmittelbar vor dem Anschlag des Hammers aufgehoben, damit die Saite vibriren und also erklingen kann. Verläßt man die Taste und die Dauer der Note ist also vorüber, so sinkt auch der Dämpfer wieder auf die Saite herab, und endigt somit ihren Ton. Bei gewissen Stellen in der Musik wird nun auch durch die Pedale oder den Kniedrucker die ganze Dämpfung gehoben und die Function der Dämpfer für diese Zeit überhaupt eingestellt. Denn die einzelnen Töne sind, wenn man sie mit aufgehobener Dämpfung ansprechen läßt, stärker, als wenn die Dämpfung liegt, weil sie im erstern Falle, nach einem musicalischen Naturgesetze, vermöge der Uebereinstimmung oder Verwandtschaft der Saitenschwingungen, alle ihre Octaven, Quinten und Terzen, auch ohne daß diese besonder angeschlagen werden, mehr oder minder, je nachdem der verwandte Ton näher oder entfernter liegt, in Schwingung und also zum Ertönen bringen, wodurch der angeschlagene Ton natürlich sehr verstärkt und verschönert wird, weil ihm die mitklingenden Saiten ihre Harmonieen leihen, und denselben gleichsam coloriren. Um sich von dieser Sympathie der Töne recht zu überzeugen, darf man z. E. nur bei liegender Dämpfung eine Taste, [17] etwa ein c, in der Mitte oder im Baß, niederdrücken, so daß ihr Dämpfer gehoben, und die Saite frei ist, und dann die Quinte g oder die Octave der Quinte, ab- oder aufwärts, anschlagen, den angeschlagenen Ton aber sogleich wieder verlassen, so daß diese, die angeschlagene Quinte g, nicht forttönen kann, und man wird diese Quinte in der niedergedrückten Prime c forttönen hören, obgleich diese weder durch den Hammer noch durch sonst etwas berührt worden ist. Dasselbe ist der Fall, wenn der Versuch auf die umgekehrte Art gemacht wird. Macht man denselben mit ganzen Accorden, so ist die Wirkung nur um so stärker. Diese Erscheinung macht es auch klar, warum ein rein gestimmtes Ciavier gegen ein verstimmtes so viele Stärke hat. Es wird dabei aber eine reine Stimmung vorausgesetzt, weil natürlich ohne solche die Harmonie und mathematische Uebereinstimmung der Schwingungen fehlt, ohne welche keine Sympathie der Saiten möglich ist. So wird z. B. ein Fis oder ein anderer dissonirender Ton durchaus nie in der Saite c nachklingen.
Eine Dämpfung ist gut, wenn sie gut abdämpft, und die Saiten nicht nachklingen, was jedoch auch seine Grenzen hat; denn die Schwingungen einer dreifachen starken Baßsaite z. B. können nicht so augenblicklich von dem Dämpfer gehemmt und somit die Saite zum Schweigen gebracht werden. Ein erzwungenes, allzugrelles Abschneiden der Töne ist nicht angenehm, und hat nicht selten auch ein Nachzischen der Saite, im tiefen Bass aber ein Schnarren des Dämpfers in seinem Gefolge. Dies ist meistens bei Dämpfungen der Fall, [18] die mit Leder gefüttert sind, das anfangs vielleicht zwar dieses Uebel nicht hat, aber dasselbe doch bald bekommt, wenn sich einmal die Saiten in dem Leder eingedrückt und eine harte Lage bekommen haben. Das Nachzischen zeigt sich besonders bei feuchtem Wetter. Ein Dämpferfutter von Seiden- oder Kameelgarn Haaren ist daher dem Leder vorzuziehen, selbst wenn dieses weniger scharf abdämpfen sollte.
Die Dämpfung ist diejenige Veränderung, die sich an jedem Forte-Piano nothwendig finden muß; andere hingegen sind nicht allen Forte-Pianos gemein, und werden daher unten bei den einzelnen Gattungen derselben vorkommen.