Kurze Anleitung zu einer richtigen Kenntniß und Behandlung der Forte-Pianos/4
So wichtig es für den Clavierspieler ist, ein Instrument zu haben, auf welchem er ohne Anstrengung leicht, singend, fertig, mit Ausdruck spielen und bei Darstellung der Leidenschaften immer zweckmäßige Töne hören lassen kann; so wichtig ist es auch für ihn, daß er die mechanischen Kräfte desselben genau kenne, damit er keine Forderung daran mache, welche es nicht leisten, oder Wirkungen hervorzubringen suche, welche es nicht erfüllen kann.
Alle Tonwerkzeuge, selbst die Menschenstimme, haben ihren bestimmten Wirkungskreis, den man nicht überschreiten kann, ohne durch übeln Eindruck auf den [28] Zuhörer, oder durch den Tadel des Kenners bestraft zu werden.
Es ist zu bedauern, daß so wenige Clavierspieler darnach trachten, ihr Instrument seiner Natur gemäß zu behandeln. Wie oft muß man das Forte-Piano, dieses reichhaltige Instrument, so mißhandeln hören, daß es oft keinen bessern Effect, als eine schlechte Harfe, oder ein armseliges Hakbrett machen kann!
Die Beschuldigung, daß das Forte-Piano im ausdrucksvollen Spiele andern Instrumenten weit nachstehen müsse, kann nur solche Claviere treffen, deren Ton wenig Biegsamkeit hat, deren Tastatur-Tractament hart ist, und bei denen die Mechanik die Bewegung der Finger nicht unterstützt. Man höre aber einen richtig fühlenden Spieler auf einem guten Instrumente, das alle Grade der Stärke und Schwäche des Tons, auch in den feinsten Abstufungen, angiebt, dessen Tastatur so beschaffen ist, daß der Spieler an keine Mechanik erinnert wird, auf welchem man mit Leichtigkeit alles herausbringen, schnell abstoßen, singen, den Ton verhauchen lassen kann, – und man wird bald ein anderes Urtheil vom Claviere fällen.
Die oben gegebene Beschreibung der einzelnen Hauptbestandteile des Claviers wird hinreichen, um sich einen richtigen Begriff von der Hervorbringung des Tones und von dem, was von einer guten Mechanik erwartet werden darf, zu verschaffen. Es dürften auch hiernach die Regeln [29] für die Behandlung des Claviers beim Spielen sehr leicht in abstrahiren seyn.
Die beste Mechanik kann nichts weiter thun, als den guten und richtigen Anschlag vorbereiten. Sie kann es dem Spieler möglich und leicht machen, so anzuschlagen, damit genau die Art des Tons erfolge, welche die Musik oder sein eigenes Gefühl verlangt. An ihm also liegt es jetzt, diese Mechanik zu beleben; an ihm allein liegt die Ursache der bessern oder schlechtern Wirkung seines Instruments. Nachfolgende Regeln sind daher noch insbesondere jedem Clavierspieler zu empfehlen.
Der Sitz des Spielers muß so eingerichtet seyn, daß sein Ellenbogen, bei natürlich am Leibe herabhängendem Arme, etwas höher sey, als die Claviatur. Ein Sitz, der niederer ist, verhindert den richtigen Anschlag, und macht das leichte und schnelle Spielen in die Länge mühsam.
Der Arm liege gegen den Leib, ohne an ihn angeschlossen zu seyn, dann bekommt die Hand von sich selbst schon die richtige Lage. Während des Spiels muß der Arm ruhig bleiben, und sich nur nach Erforderniß des Auf- und Abgehens der Hand, so viel als nöthig ist, mitbewegen.
Die Hand liege natürlich, so wie sie an den Arm gewachsen ist. Man biege ihr Gelenk weder in die Höhe noch in die Tiefe. Bei der Bewegung der Finger muß sie in der ruhigsten Lage bleiben, aber ohne steif zu seyn, oder es auch nur zu scheinen. Der Arm muß die Hand tragen, die Hand die Finger; je ruhiger Hand und Arm sind, je gewisser [30] ist der Gang der Finger, die Fertigkeit größer und der Ton schöner.
Die Finger müssen bei dem Spielen gebogen seyn, d h. man muß sie so weit zurückziehen, bis sie mit dem natürlich gerade gehaltenen Daumen eine Linie ausmachen. Der Finger darf die Taste nur mit seinem vordeen, fleischigten Theile, aber nie mit dem Nagel berühren. Wenn dagegen gefehlt wird, und die Nägel öfters auf die Tasten fallen, so macht es ein höchst widerwärtiges Geräusch, welches allen Ton verderbt. Eben so schlimm ist es, mit geradegestreckten Fingern zu spielen, wodurch der Anschlag alle Kraft verliert.
Man suche so viel als möglich die Tasten vorne bei ihrem Anfange anzuschlagen, weil dann die Wirkung des Hebels stärker ist, und nur wenige Kraft dazu gehört, um einen gesunden und kräftigen Ton hervorzubringen
Daß kein Anschlag erfolgen kann, wenn man nicht vorher die Taste wieder in ihre Ruhe hat zurückfallen lassen, ist schon oben bei der Beschreibung der Hammer-Mechanik umständlich erklärt worden.
Am wichtigsten sind die hier gegebenen Regeln, wenn piano oder pianissimo gespielt werden soll. Der sichere Anschlag, den man sich durch ihre Beobachtung erwerben kann, wird es möglich machen, auch die allerleisesten Töne deutlich hervorzubringen.
Man suche auch nie dadurch Kraft oder Fertigkeit zu erhalten, daß man die Hand oder ihr Gelenke steif macht; [31] denn dieß hindert jede zweckmäßige Bewegung der Finger. Einzelne Töne suche man eher durch ein elastisches Anschnellen, und ganze Accorde durch einen nervösen Stoß, als durch hartes Schlagen oder unnöthiges Hineindrücken in die Tastatur, hervorzubringen.
Das zu starke Schlagen, welches jedes Forte Piano verderben muß, giebt überhaupt weit weniger Ton, als man gewöhnlich glaubt; denn jede Saite hat nur ihren bestimmten Grad von Stärke, den sie gewähren kann. Will man durch einen heftigen Anschlag diese Stärke noch höher treiben, so wird die Saite dadurch in eine unnatürliche Schwingung versetzt. Ist das Metall der Saite weich, so dehnt sie sich aus und wird tiefer; ist es aber spröde, so kann die Saite der zu großen Gewalt nicht nachgeben und reißt ab.
Weit leichter und dabei schöner, als durch die Arbeit der Fäuste, erhält man die höchste Stärke durch das nahe Aneinanderlegen der Töne, bei welchen das Ohr keinen Zwischenraum wahrnehmen kann.
Man suche sich überhaupt einen Anschlag zu erwerben, bei dem die Saite, unbeschadet der Stärke des Anschlags, möglichst rein gestimmt bleibt; ein solcher Anschlag giebt auch den schönsten Ton, weil die Saite nicht über ihre Kräfte in Anspruch genommen wird. Ein Clavierspieler, unter dessen Händen ein sonst haltbares Clavier sogleich seine Stimmung, und wohl gar Saiten verliert, hat einen falschen Anschlag, er mißhandelt das Instrument, und ihm [32] fehlt gewiß die erste Bedingung eines guten Spielers, ein guter Ton.
Es ist daher für das Clavierspielen, so wie für das Clavier selbst, äußerst wichtig, sich einen guten Ton zu erwerben. Man nehme die Sänger, die Blas-Instrumentisten zum Muster. Wie viele Mühe geben sich diese, um ihren Ton schön zu bilden! wie unendlich viele Zeit wendet der Violinist darauf, um dem Vorwurf zu entgehen, er habe einen schlechten Ton. Sollte der Clavierspieler allein sich von diesem unentbehrlichen Studium ausschließen wollen? Sollte er so wenig Einsicht haben, zu glauben, daß auch die vollkommenste Mechanik ihm ein Instrument anschaffen könne, welches immer den richtigen Ton giebt, es möge gut oder falsch behandelt werden? Unmöglich kann man diese Meynung haben. Nur der Mangel des Unterrichts ist daran Schuld, wenn hie und da Clavierspieler ihre Instrumente so zweckwidrig behandeln. Man gebe sich nur die Mühe, man habe nur den Willen dazu, man mache sein Ohr aufmerksam darauf, so wird bald sehr viel gewonnen seyn.
Es ist Sache des Clavierunterrichts, die weitern Regeln für Hervorbringung eines guten, und Vermeidung eines schlechten Tones zu gehen; indessen mag es nicht ohne Nutzen seyn, hier noch zwei Gattungen des Clavierspielens nach der Natur darzustellen, und dadurch dem Musikliebhaber Stoff zu Vergleichungen zu geben.
Man denke sich einen wahren Tonkünstler, der gerade [33] jetzt im Begriff ist, öffentlich oder auch in einer Privatgesellschaft, Forte-Piano zu spielen. Mit einer Miene, welche zeigt, daß ihm selbst die Musik Vergnügen mache, setzt er sich zu seinem Instrumente, und giebt sogleich durch die Haltung seines Körpers zu erkennen, daß er weiß, was zum guten Spiele gehört.
Er übergeht das Clavier, und schon die ersten Töne entfließen seinen Fingern so leicht, so kernhaft, so nett, und doch so natürlich schön, daß an die Kunst, sie so zu geben, gar niemand denkt.
Bei fortlaufendem Spiele ist die Haltung des Armes, der Hand, der Gang der Finger selbst, äußerst ruhig. Keine Bewegung verräth Mühe oder Anstrengung. Die Tastatur ist unter seinen Händen wie eine weiche, willige Masse, aus der er Töne bilden kann wie er will. Alle Schattirungen des wachsenden und abnehmenden Tones sind in einander geschmolzen.
Er spielt mit allem Feuer des männlichen Künstlers, und immer bleibt sein Ton noch schön, weil er das Forte und Fortissimo mehr durch vollständige Harmonie, als durch einzelne Töne zu geben sucht. Seine starken Accorde arten nie in das schneidende Geschrei aus, welches nur in Symphonien oder Theaterscenen an seinem Platz ist; eben so wenig sucht er sie durch Hauen oder Hacken auf die Tasten, als vielmehr durch ein nervöses Anschlagen zu erhalten. Muß aber dennoch die höchste Starke gegeben werden, so wird er sie lieber durch den Baß als Discant [34] bewirken, weil er dann dem Instrumente nicht so viel schadet, und dem Ohre der Zuhörer nicht beschwerlich fällt.
Sein Piano oder Pianissimo ist in den schnellen, so wie in den langsamen Noten immer deutlich. Er weiß, daß diese Modulation nur dann hohes Vergnügen gewährt, wenn die leisen Töne auf das genaueste und gewisseste gegeben werden, und der Zuhörer nicht über das zweifelhaft ist, was er gehört hat.
Das Crescendo, so lang auch der Zeitraum sey, den es dauern soll, weiß er so zu geben, daß man nie bemerkt, ob der jetzige Ton stärker ist, als der vorige war. Und dennoch führt er unvermerkt auf die höchste Stufe des Fortissimo, so wie er auch durch das Decrescendo das gespannte Gefühl wieder zur Ruhe bringt.
Bei dem Fortissimo täuschte er uns durch das Aufheben der Dämpfung, daß wir glaubten, die Fülle eines ganzen Orchesters zu hören. Jezt, im Pianissimo, giebt er uns durch eben dieses Mittel die sanften Töne der Harmonica.
Wie rein, wie flötenartig klingen die Discant-Töne, während die linke Hand ihnen consonirende Accorde entgegensetzt! Wie voll lautet der Ton des Basses, welcher elastisch leicht angeschnellt wird. Sparsam bringt er diese Schönheit an, damit der öftere Gebrauch nicht seine Wirkung verfehle.
Es weiß jeden Ton singen zu lassen, ohne sein Instrument anzustrengen, weil er jeder Taste den gehörigen Anschlag giebt.
[35] Die Hauptstimme dringt immer hervor, denn die sie begleitenden Noten werden mit Vorsicht etwas schwächer angegeben. Sollten auch Melodie und Begleitung in der nämlichen Hand liegen, so weiß er dennoch den Hauptton kräftiger als den begleitenden anzuschlagen, und macht uns dadurch den Gesang mehrerer zugleich gehender Stimmen auf das deutlichste vernehmbar.
Sein schnelles Staccato, wie leicht ist dies! wie ruhig ist die Hand, und wie rund lautet dennoch der Ton, so kurz er auch dauert!
Man höre seine gezogenen (geschleiften) Noten; wie schön hängen sie zusammen, und wie richtig sondern sie sich doch alle ab. Kein Finger hebt sich früher auf, als bis die folgende ihren Anfang nimmt; keiner bleibt länger liegen, wenn die folgende Note schon den Anfang genommen hat. Dies ist die Ursache, warum wir alles so klar hören, warum die Töne so fließend daher rollen.
Rein, wie Perlen, ist sein Triller; weil er keinen Finger höher als den andern hebt; dadurch kann er ihn langsamer, schneller machen, er kann ihn auf den höchsten Grad anschwellen und wieder auslöschen lassen.
Wie schön prallen seine Doppelschläge, Mordenten oder kurze Triller ab; weil er die Finger nahe zusammenhält und nicht durch das Herbeiziehen derselben auch nur den kleinsten Theil Zeit verliert.
Im geschwinden Tempo schlägt er den nämlichen Accord schnell und oft nach einander an. Nie versagt [36] ihm ein Ton. Man glaubt dieselben Töne ohne Unterbrechung gleich stark fortdauern zu hören. Für ihn ist dies leicht, weil seine Hand die ruhigste Lage hat. Seine Finger bleiben zwar immer auf den Tasten liegen; dennoch aber heben sie sich so hoch, daß die Tasten Platz gewinnen, wieder in ihre Ruhe zurückzugehen, damit die Hebung des Hammers bei dem neuen Anschlage nicht versage.
So wenig er sein Forte Piano tyrannisirt, so wenig ist er auch ein Sclave desselben. Er überläßt sich kühn dem ganzen Feuer der Begeisterung; allein der reine Geschmack hält die Zügel, und läßt ihn nie in häßliche Töne ausarten.
Im Adagio, bei dem Ausdrucke sanfter, trauriger Gefühle, weiß er so schön der herrschenden Empfindung gemäß sein Instrument sprechen zu lassen. Richtig fühlend, bekannt mit der Kunst, dieses Gefühl an den Tag zu geben, weiß er seine Töne fliessen zu machen, ohne daß sie schleichen; sein Piano so auszuführen, daß es unsere Aufmerksamkeit fesseln muß. Den Ausruf des Schmerzes wird er nie grell, oder durch knirschenden Ton, sondern lieber gemildert ausdrücken; denn der Schmerz erweckt bei dem Zuhörer wie bei dem Zuschauer nur alsdann Gegenempfindung, wenn er verschönert oder edel dargestellt wird. 'Vor dem rohen Ausdrucke flieht Jedermann.
Der Spieler hört endlich auf, und läßt die angenehmsten Eindrücke in den Zuhörern zurück, welche nie unempfindlich gegen wahre Schönheiten sind. Wodurch erregte er [37] unser Wohlgefallen? Nur dadurch, daß er die Beschaffenheit des Forte-Piano überhaupt genau studierte, daß er das ebensogut kennt, was in der Natur desselben liegt, als dasjenige, was ihr unmöglich oder fremd ist; daß er sein Gefühl den Grenzen des Instruments unterzuordnen gelernt hat, und durch die richtige Kenntniß der mechanischen Behandlung (welche bei jedem Instrumente, ohne Ausnahme der Menschenstimme, Statt findet) nun in den Stand gesetzt ist, uns alles des fühlen zu machen, was er selbst fühlt.
Diesem Bilde mag ein anderes gegenüber stehen, welches zwar nicht nachahmungswürdig ist, aber doch zur Vermeidung des Fehlerhaften dienen kann.
Ein Spieler mit dem Rufe: „er spiele ausserordentlich, so etwas habe man nie gehört," setzt sich (oder wirft sich) zum Forte-Piano. – Schon die ersten Accorde werden mit einer Stärke angegeben, daß man sich fragt, ob der Spieler taub sey, oder ob er seine Zuhörer dafür halte? Durch die Bewegung seines Leibes, seiner Arme und Hände, scheint er uns begreiflich machen zu wollen, wie schwer die Arbeit sey, welche er unternommen. Er geräth in Feuer, und behandelt sein Instrument gleich einem Rachsüchtigen, der seinen Erbfeind unter den Händen hat, und mit grausamer Lust ihn nun langsam zu Tode martern will. Er will Forte spielen, allein, da er schon im Anfange die Töne übertrieben, so kann er keinen höhern Grad von Stärke mehr herausbringen. Er haut also, und [38] und hier verstimmen sich plötzlich die mißhandelten Saiten, dort fliegen einige unter die Umstehenden, welche sich eilig zurückziehen, um ihre Augen in Sicherheit zu setzen. – Bei dieser einzelnen Note steht ein Sforzando! Glücklicher Weise hält der Hammer, hält die Saite noch aus. Aber hören Sie, wie der Ton knirrscht, wie schmerzlich er dem Ohre fällt! Leidenschaftliches Feuer verwandelt er zur Wuth, die sanften Empfindungen drückt er durch kaltes Spielen aus. – Da er alles auf einen höhern Grad spannt, so ist es natürlich, daß er das Forte-Piano bei dem Ausdrucke des Schmerzens schreien und heulen läßt, und beim raschen, freudigen Gang der Musik Tasten und Hämmer lahm schlägt.
Schatten und Licht – in einander verschlungenes Wachsen und Abnehmen der Töne, ist für ihn zu kleinlich; dies gehört nur für Weiber.
Jetzt kommt ein Crescendo: Schade, daß man nichts davon gewahr wird, weil nur die erste Note schwach, die zweite aber schon wieder zu stark war.
Doch nun kommt das Adagio! – Nähern Sie Sich, schöne Zuhörerinnen, er will mit dem Ellenbogen zu Ihnen sprechen! Sehen Sie nicht, wie schmachtend er diese gegen Sie ausstreckt, wie das übermächtige Gefühl sich des Leibes und der Arme bemeistert hat? Leider hören die rückwärts Sitzenden nichts von diesem sichtbaren Ausdruck, auch können sie sich die undeutlichen stammelnden Töne gar nicht erklären. Aber warum hat auch der [39] Spieler ein so eigensinniges Instrument, das nur seinen Fingern, nicht aber seinen Gesticalationen gehorchen will? Warum sind die Kräfte der Natur und Kunst zu klein, um ein so mächtiges Gefühl überall hinströmen lassen zu können?
Jetzt spielt er mit der Begleitung des Orchesters, und giebt sich alle Mühe, mit seinem einzelnen Forte-Piano alle übrigen Instrumente auch im stärksten Tutti zu überschreien.
Nun accompagnirt er den Sänger! Wehe diesem! Kein Ton wird aus seiner Kehle kommen, dem nicht einige gehackte Noten in den Weg geworfen werden.
Puff! was war das? Er hat die Dämpfung in die Höhe gehoben; da ihm aber nichts so geläufig ist, als Gewalt, so hat er sie an das Clavier gestoßen. Jetzt will er die Harmonica nachahmen; aber er bringt nur herbe Töne heraus, consonirende und dissonirende Accorde fließen untereinander und wir bekommen nur ein widerliches Gemengsel zu hören.
Kurze Noten stößt er mit Arm und Hand zugleich polternd ab. Soll er Töne zusammen ziehen (schleifen), so vermischen sie sich unterander, weil er nie einen Finger zu rechter Zeit aufhebt. – Sein Spiel gleicht einer Schrift, welche man bei noch nicht trockener Tinte auswischt.
Man erwarte kein wohlthuendes Piano! Muß er es auch einige Tacte lang spielen, so wird er den angenehmen Eindruck [40] mit seinen grellen, spitzigen Tönen schon wieder zu tödten wissen.
Matt, erschöpft, wie wenn er Eichbäume hätte ausreissen wollen, steht er endlich auf, und hinterläßt das arme Forte-Piano, für welches sein Besitzer bei jedem Anschlage gezittert, in einem Zustande, welchen die Wuth eines Barbaren nicht hätte schlimmer machen können. Man hat von Glück zu sagen, wenn mit einem halben Dutzend Saiten dem Schaden noch abzuhelfen ist, und nicht abgeschlagene Haken und Hammer zerstreut umher liegen.
Bemerkt er die üble Wirkung auf die Zuhörer (wer sollte ihn auch bewundern können!) so ist er artig genug, die Schuld dem schlechten Instrumente, auf welchem sich nicht mit Feuer und Ausdruck spielen lasse, beizumessen. –
Ist diese Schilderung übertrieben? Gewiß nicht! Es ließen sich Beispiele zu Hunderten anführen, wie solche Clavierwürger im schönsten, sanftesten Adagio Saiten zerschlagen, eine ungeheure Stärke aus einem einzigen Discant-Tone heraus bringen wollen; wie durch sie in wenigen Stunden das beste Forte-Piano zu Schanden gehauen werden kann, und sogar (dies ist keine Fabel) Pedal-Tasten auf der Orgel zertreten werden.
Die Ursache, warum übrigens die Clavierspieler mehr als die übrigen Instrumentisten den Ton übertreiben, ist natürlich. Alle Saiten- und Blasinstrumente liegen während der Berührung des Spielers dem Ohre näher als das Clavier. Bei diesem ist der Spieler in keiner so nahen Verbindung [41] mit dem Tone, als die übrigen Instrumentisten, sondern er hat nur die Tastatur, die den Ton hervorbringt, ihn selbst aber nicht giebt, nahe bei sich, aber gerade das, was den Ton eigentlich schafft, Saiten und Resonanzboden, entfernt von sich.
Das Forte-Piano macht daher vorne nicht die Wirkung wie rückwärts, und der Spieler vernimmt den Ton um so weniger in seiner eigentlichen Stärke, als meistens auch der Ton noch durch das Notenpult und die darauf liegenden Noten auf die dem Spieler entgegengesetzte Seite geworfen wird.
Daher kommt es, daß diejenigen, welche dem Spieler gegenüber stehen, alles, auch in der Entfernung, auf das deutlichste vernehmen, während jener glauben kann, sein Instrument gebe wenig Ton. In einem großen Saale vollends, der ohnehin dem Tone des Forte-Pianos weniger günstig ist, als ein mässig großes Zimmer, verliert sich die Wirkung für den Spieler noch mehr. Hat übrigens dieser nur sich einen sichern, sprechenden Anschlag eigen gemacht, so wird ihm kein Ton ausbleiben, und den Zuhörern jeder, sey er auch noch so piano, hörbar werden.
Wenn der Ton eines Forte-Piano gesund und natürlich erscheinen soll, so darf auch das Local nicht mit weichen Gegenständen, als z. B. großen Fenstervorhängen, zu vielen gepolsterten Sesseln und Sophas, Kleidern u. s. w. überfüllt seyn; am allerwenigsten aber wird das Clavier oder irgend ein Instrument, oder die Menschenstimme, in [42] einem Zimmer klingen, in welchem Betten stehen. Auch Fußteppiche tödten und dämpfen den Ton. Wer in der Lage ist, es thun zu können, thut wohl daran, das Ameublement des Zimmers, in welchem das Clavier steht, auf das Unentbehrlichste zu beschränken, denn der Ton überhaupt, komme er von was er wolle, wird durch alle und jede weiche Gerätschaften kurz und dumpf. Selbst die Bedeckung des Claviers, sey sie von Leder oder Tuch, welchen Werth auch dieselbe für die äusserliche Erhaltung des Instruments haben mag, ist dem Tone nachtheilig und dämpft ihn; wie viel mehr leidet dieser unter einer Last von Noten, Büchern und andern Gegenständen, welche so manches Clavier zu tragen hat! Denn gar oft ist das Clavier das Repositorium von Allem, dem man sonst keinen Platz zu geben weiß.
Auch in zu hohen Zimmern verliert der Ton von seiner Klarheit und Stärke; die Höhe ist neben der Größe mitunter ein Grund, warum, wie oben bemerkt worden, in Conzertsälen das Clavier von seiner Wirkung gegen jene in einem mittelmäßigen Zimmer etwas verliert.
Wenn viele Personen um ein Clavier herumstehen, so stumpft dies den Ton gleichfalls etwas ab. Ein Conzertspieler namentlich thut daher wohl, dies nicht zu leiden. Die Umstehenden beängstigen überdies nur den Spieler.
Bei Conzerten ist es auch nöthig, das Forte-Piano den Zuhörern etwas näher zu rücken, als das Orchester. Zunächst hinter sich lasse man nur die Violinen. Bässe und [43] Blas-Instrumente müssen weiter rückwärts seyn, jedoch letztere mehr als die ersteren.
Wenn man ohne Begleitung spielt, so sollte nie angefangen werden, als bis alles ganz stille ist, damit gleich die ersten Töne, auf welche bei einem Solospieler so viel ankömmt, von den Zuhörern rein und ohne Zerstreuung aufgenommen werden.
Der Spieler mäßige Anfangs seinen Ausdruck und seine Lebhaftigkeit. Hat der Componist so schlecht für ihn gesorgt, daß er schon in das erste Stück die brillantesten Passagen oder die schönsten Stellen legte, so bleibt ihm doch noch das Mittel übrig, diese Sätze weniger herauszuheben, und das ganze Interesse des Vortrags auf das Ende zu sparen. Hier hört man rasches Spiel gerne, hier geräth man mit dem Künstler in Feuer. Wenn er hier seine Kunst entfaltet, und in einem fortlaufenden Strome alles das hören läßt, was man auf dem Forte-Piano schnell, glänzend und vollstimmig ausdrucken kann, so wird ihn der Beifall aller seiner Zuhörer lohnen.