Kurze Anleitung zu einer richtigen Kenntniß und Behandlung der Forte-Pianos/6

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VI. Kapitel
Stimmung des Forte-Piano.
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VI.
Stimmung des Forte-Piano.

Die sorgfältige Behandlung des Forte-Pianos beim Stimmen ist eine für die Erhaltung desselben wichtige Sache. Es kommt hiebei nicht nur auf ein richtiges Ohr des Stimmers, und auf seinen guten Willen, rein und richtig zu stimmen, an, sondern auch darauf, daß derselbe eine vollkommene Kenntniß von dem Bau des Instruments und so viele mechanische Geschicklichkeit habe, um sein Geschäft ohne Nachtheil für das Clavier versehen, um kleinen Stockungen und Unregelmäßigkeiten in der Mechanik abhelfen, besonders aber auch, um neue Saiten reinlich und so aufziehen zu können, daß man gegen diejenigen, die der Instrumentenmacher aufgezogen, keinen Unterschied bemerken kann.

Ein ungeschickter oder nachläßiger Stimmer kann ausserdem, daß er schlecht stimmt, viel verderben. Er zieht z. B. zu dünne oder zu dicke Saiten auf; er dreht die Schlaufen, in welche die Saiten eingehängt werden, häßlich an, und läßt unten an der Schlaufe und oben am Stimmnagel Trümmer von der Saite herabhängen; es ist ihm gleichgültig, ob die Saite unten an der Schlaufe schon abgewürgt ist, so daß sie beim ersten Gebrauche des Instruments wieder bricht, – ob die Saite schön gerade und glatt ist, oder ob sie alle die Beulen und Krümmen, die sie beim Aufwickeln auf die Spule bekommen, behält; ob das Gewinde auf dem Stimmnagel [53] zu groß oder zu klein ist, ob dieses Gewinde zu hoch steht, so daß die Saite nicht einmal auf dem obern Steege aufliegt, oder ob er es zu tief windet, daß es auf dem Stimmstock aufsteht und die Saite sich vom Steege bis zum Stimmnagel unnatürlich senkt; es liegt ihm wenig daran, ob er die Saite schön oder bucklicht und krumm auf den Stimmnagel gewunden hat, ob die aufgezogene Saite rein oder falsch klingt, ob er, wenn er die Claviatur heraus nehmen muß, Hämmer zerbricht und sie auf eine erbärmliche Art wieder flickt; ob ein Hammer seine Saiten gehörig trifft oder nicht, ob der Hammer sich gehörig arretirt, ob die Saiten nicht hinter dem Steege zischen, ob die Auslösung der Hämmer richtig von Statten geht, ob er Dämpfer zerreißt, ob Gegenstände auf dem Resonanzboden oder sonstwo am Instrumente schnarren oder klappern, ob er Stimmnägel verderbt, die Löcher der Stimmnägel zu weit macht u. dgl. – Hat ein solcher Stimmer ein Forte-Piano einige Jahre in seiner Behandlung, so möchte man beinahe oft das Instrument nicht mehr erkennen, so sehr ist dasselbe herunter gekommen.

Alles dieses, und noch mehr, soll der Stimmer nicht thun; was er dagegen thun soll, möchte aus dem bisher Gesagten leicht zu entnehmen seyn. Folgendes mag hierüber noch bemerkt werden.

Das Forte-Piano soll immer nach der Orchesterstimmung, welche die Stimmgabel angeben muß, gestimmt seyn; nach dieser ist die Mensur desselben berechnet. Ist [54] die Stimmung tiefer, so verliert nicht nur der Ton an Kraft und Klang, sondern es kann auch nicht leicht mit Blas-Instrumenten dazu accompagnirt werden. Ist sie höher, so ist Letzteres noch mehr der Fall, und die Saiten werden noch überdies durch die unnatürliche Spannung zu sehr ausgedehnt und dadurch zu dünne, wenn sie auch die Spannung aushalten ohne zu brechen.

Die Temperatur der Tonarten soll möglichst gleich seyn. Hat der Stimmer nicht so viel richtiges Gehör, daß er diese möglichste Gleichheit auch ohne alle künstliche Regeln herauszubringen weiß, so ist er zu bedauern und er wird zuverlässig auch nach den besten Anleitungen zum Stimmen doch keine richtige Stimmung zuwege bringen. Da es übrigens wegen der allzugroßen Vermehrung der Tasten und der unüberwindlichen Schwierigkeit, ein solches Instrument fertig zu spielen, nicht möglich ist, die enharmonische Tonleiter auf dem Claviere zu bilden, und dieses Instrument kein besonderes Ces, Cis, Des, Dis, Es, Eis, Fes, u. s. w. hat, so kann auf demselben, so wie auf der Orgel und allen andern Tonwerkzeugen, auf welchen die enharmonische Tonleiter nicht gebildet werden kann, die Stimmung überhaupt nie vollkommen seyn, und man muß entweder dem Stimmer zugestehen, in Einen Theil der Tonarten etwas mehr Reinheit und befriedigendere Intervalle zu legen, und es in dem andern um so vieles fehlen zu lassen, oder sich gefallen lassen, daß bei vollkommen gleicher Temperatur der Mangel, nur in kleinerem Maaße, allen Tonarten [55] gleich anklebt, indem dann in jeder derselben ein Theil der Intervalle zu klein, der andere aber zu groß seyn wird. Dieser Mangel vollkommen reiner Intervalle ist jedoch so wenig fühlbar, daß nur ein sehr richtiges, geübtes musikalisches Ohr ihn bemerkt, und sich vielleicht dadurch gestört finden kann. Bei den Blas-Instrumenten, deren Tonleiter durch Finger-Applicatur sich bildet, ist die Stimmung noch weit unter der Richtigkeit, die der Stimmung des Forte-Piano gegeben werden kann, weswegen man sich durch besondere Klappen für einzelne Töne zu helfen gesucht hat, wodurch das Uebel theilweise gehoben wird; am allermeisten leiden aber an diesem Gebrechen die Harfen, Guittarren u. dgl. —

Durch die Anspannung einer Anzahl von Saiten wird, auch bei dem stärksten Bau eines Claviers, der Kasten, und somit die Saitenmensur, etwas weniges zusammengezogen. Dies hat die Folge, daß die schon aufgezogenen Saiten bei dem Nachziehen anderer schlaffer und also tiefer werden. Wollte man z. B. ein Clavier höher, und sogleich die Temperatur in den mittlern Octaven rein stimmen, ohne daß die übrigen Saiten, wenigstens eine in die andere genommen, ungefähr in die gehörige Höhe hinaufgezogen wären, so würden die rein gestimmten mittlern Octaven durch das erst nachher geschehene Hinaufziehen der übrigen Saiten nicht nur wieder ganz verstimmt werden, sondern auch wieder unter die rechte Höhe der Stimmung herunter sinken. Dies gilt besonders von dem [56] Discant, der hierinn so empfindlich ist, daß schon das Hinaufziehen von 2 – 3, einer gestimmten Saite zunächst gelegenen Töne ein Sinken derselben verursacht. Diese Einwirkung der vermehrten Spannung wird natürlich in dem Grade stärker empfunden, als die Länge der Saiten abnimmt, also im hohen Discant um vieles mehr als im tiefen Basse, wo man hievon wenig bemerkt.

Die entgegengesetzte Wirkung, nur nicht in gleich starkem Grade, macht die Abspannung der Saiten. Der durch die Spannung etwas zusammen gezogene Kasten geht wieder, so weit er kann, in sein voriges Verhältniß zurück, und bewirkt dadurch eine vermehrte Spannung, somit eine höhere Stimmung, besonders derjenigen Saiten, welche den Tönen zunächst liegen, die man herunter stimmt. Alles vorhin von den Erscheinungen beim Hinaufstimmen der Saiten Gesagte gilt auch hier, nur, wie natürlich, im umgekehrten Sinne.

Es folgt hieraus als unerläßliche Regel für den Stimmer, daß er, wenn er nicht doppelte und dreifache unnütze Mühe haben will, die Saiten, sie mögen nun ganz oder theilweise zu hoch oder zu tief seyn, vor der Stimmung in die ungefähr richtige Höhe setzen muß, so daß sich die etwaige zu starke Spannung der einen mit der vielleicht zu wenigen Spannung der andern ausgleicht (weil hiebei noch von keiner Stimmung die Rede seyn kann) – wodurch sich dann die Spannung des Kastens während der Stimmung gleich erhält, also auch die Saiten die ihnen [57] gegebene Stimmung behalten und weder sinken noch in die Höhe gehen. Es ist übrigens gut, wenn die Stimmung, im Falle man sie hinauf setzen müßte, immer etwas höher, und im Falle sie herunter gesetzt werden sollte, etwas tiefer annommen wird, weil sie sich während des Stimmens doch immer wieder ihrer vorigen Höhe um etwas nähert.

Daß bei der Stimmung auf die Temperatur des Zimmers oder Saales, in welchem das Clavier steht, so viel ankommt, ist oben hinlänglich gezeigt worden. Es folgt daraus, daß das Local zur Zeit der Stimmung schon diejenige Wärme haben, und daß diese Wärme auch schon in den Körper und die Saiten des Instruments eingedrungen seyn muß, die zur Zeit des Gebrauchs desselben Statt findet. Wollte man z. B. ein Forte Piano, das in einem kalten Saale steht, stimmen, und es dann in dem geheitzten Saale beim Conzerte gebrauchen, so würde man dasselbe unfehlbar wieder verstimmt finden. Eben so würde ein Clavier, das in einem warmen Zimmer gestanden und dort gestimmt worden, wenn es in einen etwas kälteren Saal gebracht würde um dort gebraucht zu werden, seine Stimmung verlieren. Man lasse daher ein Forte-Piano, auf welchem Concert gespielt werden soll, überhaupt, besonders aber des Winters, so kurz als möglich vor dem Gebrauche, und in demselben Local, in welchem es gebraucht werden soll, stimmen.

Die Saiten müssen bei der Stimmung stark angeschlagen werden, damit man sowohl von der Haltung der Stimmung, als der Saite überhaupt, bei starkem Anschlage des Spielers [58] überzeugt werde. Der Stimmer spiele überdies nach geschehener Stimmung auf dem Clavier und durchgehe es gehörig, um der Stimmung, wenn sie hierunter etwas verlieren sollte, noch gehörig nachzuhelfen.

Kein Conzertspieler erlaube, daß, ehe er noch gespielt hat, auf seinem Forte-Piano irgend jemand spiele, oder etwas accompagnirt werde. Gar oft vergißt sich der Spieler auf dem reingestimmten Instrumente, das ihm behagt, oder bei der Begleitung, wo er die Stärke des ganzen Orchesters ausdrücken, es antreiben, oder zurückhalten will, und verderbt auf diese Art, oft wider seinen Willen, die reine Stimmung gänzlich.

Es wäre für den Forte-Pianospieler sehr vortheilhaft, wenn er nur so viel lernen würde, daß er eine Saite der andern gleichlautend stimmen könnte. Bei mehrmaligem Spielen in öffentlichen Conzerten würde er sich manche Verlegenheit ersparen. Oft ist das ganze Clavier rein gestimmt, und nur eine einzige Saite ist falsch. Wie viele Unannehmlichkeiten erduldet nicht das Ohr des Spielers, der der Stimmung seines Claviers in gar nichts nachhelfen kann und sich wegen jeder Kleinigkeit an den Stimmer wenden muß! Würde mancher Spieler der Natur des Tons, seiner Entstehung u. dgl. mehr nachdenken, würde er beherzigen, was oben S. 16 u. 17 von der Zusammenwirkung der Saiten bei einem rein gestimmten Claviere und der dadurch vermehrten Harmonie und Stärke des Instruments gesagt worden ist, – gewiß, er würde den Werth und [59] die Bedeutung der Stimmung besser einsehen, und nicht so oft diese erste Bedingung alles Genusses, welchen ein Forte-Piano gewähren soll, entbehren. Denn was ist ein verstimmtes Clavier anders als ein Gemälde mit ruinirten und verwischten Farben? Wie kann es also Harmonien gewähren und einen wohlthuenden Eindruck auf die Seele machen!