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Lied der Freundschaft

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Textdaten
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Autor: Friedrich Hölderlin
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Titel: Lied der Freundschaft
Untertitel:
aus: Taschenbuch von der Donau. Auf das Jahr 1824, S. 193–196
Herausgeber: Ludwig Neuffer
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1823
Verlag: Stettinische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Ulm
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Quelle: Exemplar der HAAB Weimar auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[193]

Lied der Freundschaft.

(1790.)

Frei, wie Götter an dem Mahle,
Singen wir um die Pokale,
Wo der edle Trank erglüht,
In der Abenddämmrung Hülle,

5
Und im Herzen ernst und stille,

Singen wir der Freundschaft Lied.

Schwebt herab aus kühlen Lüften,
Schwebet aus den Schlummergrüften,
Helden der Vergangenheit!

10
Kommt in unsern Kreis hernieder,

Staunt und sprecht: Da ist sie wieder,
Unsre deutsche Herzlichkeit!

Ha, der hohen Götterstunden,
Wenn der Edle sich gefunden,

15
Der für unser Herz gehört!

Fest in Freud’ und Leid zu stehen,
Wie im Sturm die Felsenhöhen,
Ist des deutschen Jünglings werth.

[194]

Froher schlägt das Herz und freier,

20
Reichet zu des Bundes Feier

Uns der Freund den Becher dar;
Ohne Freuden, ohne Leben
Erndtet’ er Lyäus Reben,
Als er ohne Freunde war.

25
Männerstolz, wenn Lästrer schreien,

Wahrheit, wenn Despoten dräuen,
Seelenkraft im Mißgeschick,
Duldung, wenn die Schwachen sinken,
Liebe, Duldung, Wärme trinken

30
Freunde von des Freundes Blick.


Sanfter athmen Frühlingslüfte,
Süßer sind der Linde Düfte,
Freundlicher der Eichenhain,
Wenn mit offnem Sinn und Herzen,

35
Unter Ernst und muntern Scherzen

Freunde sich des Abends freu’n.

Brüder, laßt die Thoren sinnen,
Wie sie Gunst und Dunst gewinnen,
Wie sie sammeln Gut und Geld;

40
Lächelnd kann’s der Edle missen,

Sich geliebt, geliebt zu wissen,
Ist sein schönstes Glück der Welt.

[195]

Führt auch aus der trauten Halle
Einst die Auserwählten alle

45
In die Ferne das Geschick,

Wandelt er mit Gram beladen
Oft auf freudelosen Pfaden,
Missend das verlorne Glück;

Wankt er, wenn sich Wolken thürmen,

50
Einsam in Gewitterstürmen,

Ohne Leiter, ohne Stab;
Lauscht er schmerzerfüllt und düster
Bangem Mitternachtsgeflüster
Sehnsuchtsvoll am frischen Grab;

55
Dann erquicken ihn die Stunden,

In der Freundschaft Arm verschwunden,
Tröstend durch Erinnerung;
Das Gedächtniß vor’ger Freuden
Labt das Herz in bangen Leiden,

60
Gibt der Seele neuen Schwung.


Dann gedenkt er ruhig wieder
Mancher frohgesungnen Lieder,
Und der Schwüre, treu und warm;
Und geweckt von stillem Sehnen

65
Quellen schwerverhaltne Thränen,

Und beschwichtigt ist der Harm.

[196]

Rauscht ihm dann des Todes Flügel,
Schläft er ruhig unter’m Hügel,
Wo der Freund den Kranz ihm flicht.

70
In das Herz der Bundesbrüder

Säuselt noch sein Geist hernieder:
Lebet wohl! Vergeßt mein nicht!

 Hölderlin.