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Litauischer Bauer im Triebsand

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Textdaten
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Titel: Litauischer Bauer im Triebsand
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 241, 260
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[241]

Litauischer Bauer im Triebsand.
Nach einer Originalzeichnung von E. Thiel.

[260] Litauischer Bauer im Triebsand. (Zu dem Bilde S. 241.) Kennst Du, lieber Leser, jene weitgedehnte schmale Landzunge, welche im äußersten Norden des Deutschen Reiches die Scheide bildet zwischen dem Kurischen Haff und der benachbarten Ostsee? Abseits von der großen Verkehrsstraße gelegen, ist es der „Kurischen Nehrung“ noch nicht gelungen, die Beachtung weiterer Kreise zu gewinnen, und selbst in ihrer näheren Nachbarschaft giebt es nicht gar zu viele, welche dieses seltsame Gebilde der Natur aus eigener Anschauung kennen. In die Sahara versetzt könnte sich derjenige glauben, der diese etwa 100 Kilometer lange und bis 3 Kilometer breite Halbinsel zu durchwandern hat, denn Sand, nichts als lockerer Sand ist es, worauf sein Fuß tritt, Sand, der sich in der Mitte zu einem Bergzuge aufgetürmt hat, dessen wellenförmiger Rücken sich bis zu einer Höhe von etwa 60 bis 70 Meter emporhebt. Auf dieser Halbinsel nun, welche durch den Unverstand unserer Altvorderen aus einem Waldlande in eine Wüstenei verwandelt worden ist, giebt es gleich Oasen einige wenige Ortschaften, deren Bewohner sich meist vom Fischfange nähren und nebenher dem sandigen Boden mühsam einige Früchte abringen. Zwischen ihnen wird der Verkehr, der übrigens sehr geringfügig ist, vorzugsweise auf dem Wasserwege unterhalten, weil der Landweg beschwerlich und nicht ohne Gefahren ist. Wie schon erwähnt, tritt der Fuß hier überall auf Sand, welchen das Meer unausgesetzt ans Land spült und der, von der Sonne und der Luft schnell getrocknet, eine lockere Decke bildet, in welche der Wanderer bei jedem Schritte tief einsinkt. Wohl ihm, wenn er dabei immer festen Grund findet, denn gar zu leicht kann es geschehen, daß er eine jener Stellen betritt, wo der Sand einen tiefen Abgrund verhüllt und wo der Schreitende rettungslos versinkt, wenn ihm nicht schnelle Hilfe wird. Der lose Sand ist nämlich leicht genug, um von einem kräftigen Winde fortbewegt zu werden, ein Umstand, welcher ihn zu einer schweren Gefahr werden läßt; von diesem Triebsande, zu dem sich dann noch der leichtere, höher steigende Flugsand gesellt, sind auf der Nehrung schon mehrfach ganze Ansiedlungen vollständig begraben worden. Wenn nun gar ein Wirbelsturm über das Sandgefilde dahinbraust, dann geschieht es oft, daß er mit Riesenkraft einen tiefen Kessel in den Sandboden hineinbohrt, der jedem Verderben bringt, der in seinen Bannkreis tritt. Der wie ein Kreisel sich bewegende Triebsand umschlingt sein Opfer und zieht es immer tiefer hinab, um es schließlich ganz zu begraben, ohne daß eine Spur die Stätte anzeigt, wo das Unheil geschehen ist. Solch einem Triebsandkessel scheint der Litauer mit seinem Weibe auf unserem Bilde entgegenzufahren. Wohl hat er selbst die drohende Gefahr nicht zu erkennen vermocht, allein die Pferde haben das Unheimliche gewittert und durch ihr ängstliches Schnauben dem Wagenlenker zu erkennen gegeben, daß da vorn etwas nicht in Ordnung sei. Rasch reißt der vorsichtige, von einer bösen Ahnung ergriffene Nehrungsbewohner die stutzigen Tiere zurück. Ein Glück für ihn, wenn es noch rechtzeitig geschehen ist! Andernfalls würde er rettungslos mit seinem ganzen Gefährt versinken und sein Hilferuf müßte in der öden Einsamkeit ungehört verhallen.