MKL1888:Alkibiădes

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Alkibiădes“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Alkibiădes“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 1 (1885), Seite 367368
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Alkibiades
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Alkibiădes. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 367–368. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Alkibi%C4%83des (Version vom 03.05.2023)

[367] Alkibiădes, berühmter Athener, geboren um 450 v. Chr. zu Athen, Sohn des Kleinias, der sich in den Perserkriegen hervorgethan, und der Deinomache aus dem Geschlecht der Alkmäoniden und Neffe des Perikles, erhielt, nachdem er seinen Vater sehr früh in der Schlacht bei Koroneia (447) verloren, unter dem Einfluß seines Oheims eine vortreffliche Erziehung. Die Natur hatte ihn mit körperlichen wie geistigen Vorzügen fast verschwenderisch ausgestattet. Huldigungen aber, die schon früh seiner Schönheit, seinem Reichtum, seiner geistigen Überlegenheit dargebracht wurden, waren einer Charakterbildung nicht förderlich; A. war schon als Jüngling voll Anmaßung und ohne Selbstbeherrschung, und indem er sich in den Strudel des Vergnügens und der Ausschweifungen stürzte, mußte das Streben seines Lehrers Sokrates, ihn zu höherer Tugend und Sittlichkeit zu bilden, erfolglos bleiben. Es gelang dem weisesten aller Griechen wohl, des Jünglings Geist auszubilden; allein seine Leidenschaften konnte er nicht zügeln. Die erste Waffenprobe legte A. 432 in dem Kriege gegen Potidäa ab; Sokrates focht ihm hier zur Seite und rettete ihm das Leben, welchen Dienst ihm A. 424 bei Delion auf gleiche Weise vergalt. Als Preis seiner Tapferkeit gab ihm der reiche Hipponikos seine Tochter Hipparete zur Gemahlin, um welche A. früher vergeblich geworben. Nach Ruhm und Herrschaft durstig, war A. entschieden für energische Fortsetzung des Kriegs gegen Sparta, und als Nikias 421 einen Frieden mit Sparta durchsetzte, suchte er auf Umwegen seine Vaterstadt wieder in den Krieg zu verwickeln. Es gelang ihm 420, die Argeier, Mantineier und Eleier zu einem peloponnesischen Gegenbund zu vereinigen, der indes den Spartanern in der Schlacht bei Mantineia (418) unterlag. Als die Gesandtschaft der Egestäer nach Athen kam, um dessen Hilfe gegen Syrakus zu erbitten, war es A., der besonders die Ausrüstung einer großen Expedition nach Sizilien anriet und durch seine beredte Schilderung der glänzenden Aussichten, welche sich der Macht Athens eröffneten, das leicht entzündliche Volk zu dem verhängnisvollen Beschluß fortriß, die Expedition zu unternehmen. Freilich setzte er seine Ernennung zum alleinigen Oberbefehlshaber nicht durch, Nikias und Lamachos wurden ihm beigeordnet. Gleichwohl war er die Seele des Unternehmens und würde wohl die Leitung und den Ruhm desselben schließlich davongetragen haben. Um dies zu verhindern, traten seine Neider und Feinde, als schon die Flotte im Piräeus bereit lag, mit der Anschuldigung gegen ihn auf, er sei der Urheber des Hermenfrevels (10./11. Mai 415) und habe auch die eleusinischen Mysterien durch spöttische Nachahmung entweiht. Kühn und entschlossen forderte A. die strengste Untersuchung, aber das Volk beschloß Vertagung der Klage, und A. segelte mit der Flotte ab. Schon hatte er in Sizilien die Städte Naxos und Catana besetzt und hoffte die Sizilier ganz auf seine Seite zu bringen, als er durch die Salaminia abberufen und nach Athen vor Gericht geladen wurde, wo seine Feinde inzwischen die Anklage wegen Verhöhnung der Mysterien mit mehr Erfolg erneuert hatten. A. wagte nicht, in Athen zu erscheinen, er entfloh der Salaminia in Thurii und begab sich nach Argos, wo er erfuhr, daß die Athener ihn zum Tod verurteilt hätten, sein Vermögen eingezogen und der Fluch über ihn ausgesprochen sei. Er beschloß, sich an seinen Feinden und an dem wankelmütigen Volk furchtbar zu rächen; Athen sollte erfahren, wie verderblich er als Feind sei, um dann in höchster Not ihn als Retter und Herrn zurückzurufen. Unbekümmert darum, ob seine Vaterstadt darüber zu Grunde gehe, und ob die Wunden, die er ihr zufüge, heilbar seien oder nicht, begann er sein fürchterliches Rachewerk, indem er sich nach Sparta begab und hier es durchsetzte, daß die Unterstützung der Syrakusaner, welche den Untergang der athenischen Expedition zur Folge hatte, und die Besetzung von Dekeleia sowie der Beginn des Seekriegs gegen Athen mit persischer Hilfe beschlossen wurden. A. selbst ging 412 als spartanischer Befehlshaber nach Kleinasien, brachte die Bundesgenossen zum Abfall von Athen und schloß das Bündnis mit Persien ab. Bald aber machten die Eifersucht der spartanischen Heerführer und die gerechte Rache des Königs Agis, dessen Gemahlin Timäa A. verführt hatte, sowie der Verdacht, als treibe er zweideutiges Spiel, seine Stellung unhaltbar, und er floh zu dem persischen Statthalter Tissaphernes. An dem Hof desselben warf er die in Sparta angenommene Maske lakonischen Ernstes wieder ab und ward Asiat. Tissaphernes ward erst sein Freund, dann sein Werkzeug. Da die Athener jetzt durch furchtbare Schicksalsschläge seine Gefährlichkeit erkannt hatten und zu seiner Zurückberufung geneigt sein mußten, lockerte A. die Verbindung mit Sparta und machte ihm begreiflich, persisches Interesse erfordere es, beide, Athener wie Spartaner, zur gegenseitigen Aufreibung aneinander zu hetzen, um daraus Nutzen zu ziehen. Als persischer Bevollmächtigter knüpfte er mit der vor Samos liegenden athenischen Flotte Unterhandlungen an und betrieb den Umsturz der demokratischen Verfassung in Athen und die Einsetzung einer oligarchischen Regierung, die ihn wieder zurückberufen sollte. Wirklich gelang es der oligarchischen Partei in Athen, sich 411 durch einen Staatsstreich in den Besitz der Gewalt zu setzen und die bestehende demokratische Verfassung zu beseitigen. Da aber die neue [368] Regierung den verbannten A. nicht zurückrief, vielmehr Friedensunterhandlungen mit Sparta anknüpfte, so trat A. auf die Seite der Flotte in Samos, welche der demokratischen Partei treu blieb, und wurde auf Rat des Thrasybulos von dieser zurückgerufen und mit dem Oberbefehl betraut; dies bestätigte nach Sturz der Oligarchie das athenische Volk. Eine begeisternde Rede an die Athener erwarb ihm neues Vertrauen. Zunächst suchte er, wie er in Aussicht gestellt, das Bündnis mit Persien und dem zögernden Tissaphernes zu stande zu bringen. Als dies mißlang, eilte er ohne Aufenthalt, die spartanische Flotte aufzusuchen, schlug und vernichtete dieselbe in den Schlachten bei Abydos (411) und bei Kyzikos (410), eroberte dann die wichtigsten Plätze am Hellespont, Chalkedon, Selymbria und Byzanz, sicherte die athenischen Besitzungen am Schwarzen Meer und die daher fließenden Einkünfte, und nun erst, mit Ruhm und unermeßlicher Beute beladen, kehrte er in die lang entbehrte Heimat zurück. Anfang Juni 408 lief A. in den Piräeus ein und wurde vom Volk im Triumph nach Athen geführt. Vor der sogleich berufenen Volksversammlung sprach A. von seinen Leiden und dem ihm angethanen Unrecht, begeisterte aber zugleich das Volk in der Weise, daß es, unter feierlicher Zurücknahme des früher gegen ihn ausgesprochenen Fluchs und Urteils, ihn zum unbeschränkten Feldherrn zu Wasser und zu Lande ernannte. Auch sein Vermögen gab es ihm zurück. Nun führte A. eine Expedition gegen das abtrünnige Andros. Aber die Stadt verteidigte sich mit Erfolg, und Unterhandlungen endigten den Streit. Dann ging er nach Samos, um dem spartanischen Flottenführer Lysandros, welcher die Gunst und Unterstützung des neuen persischen Statthalters von Kleinasien, Kyros, des jüngern Sohns des Königs, erlangt hatte, entgegenzutreten. Lysandros vermied jedoch jede Schlacht; erst als A. nach Phokäa gegangen war, um dessen Belagerung zu beginnen, und auf die Zeit seiner Abwesenheit dem Unterfeldherrn Antiochos den Befehl über die Flotte mit dem ausdrücklichen Verbot, eine Schlacht zu wagen, übergeben hatte, verlockte er die Athener zu einer Schlacht (bei Notion 407), in welcher sie geschlagen wurden. Auf die Kunde hiervon eilte A. schleunigst herbei und führte die geschlagene Flotte von neuem dem Lysandros entgegen, welcher jedoch der angebotenen Schlacht auswich. Auf die Kunde hiervon erhoben sich in Athen alle Feinde des A., klagten ihn der Sorglosigkeit, Bedrückung der Bundesgenossen, des Mißbrauchs der Gewalt, des Einverständnisses mit den Feinden, des Strebens nach Alleinherrschaft an und erwirkten seine Absetzung. Tief gekränkt begab sich A. freiwillig in die Verbannung nach der Thrakischen Chersonesos. Von hier aus befehdete er mit Söldnern thrakische Völkerschaften und verschaffte den umwohnenden Griechen Ruhe. Vor der entscheidenden Schlacht bei Ägospotamoi machte er die athenischen Flottenführer auf ihre nachteilige Stellung aufmerksam. Sein Rat blieb aber unbefolgt. Nach dem Fall Athens flüchtete er vor dem Haß der Spartaner aus Thrakien nach Bithynien und von da zu Pharnabazos, um durch diesen zu König Artaxerxes zu gelangen und mit persischer Hilfe Athen von der spartanischen Herrschaft zu befreien. Die Bedrücker Athens suchten ihn deshalb aus dem Weg zu räumen. Auf Pharnabazos’ Aufforderung umstellten dessen Bruder Magäos und Oheim Susamithres des A. Landhaus und warfen Feuer in dasselbe. A. raffte sich auf, drang bewaffnet durch die weichende Mörderschar, fiel aber, aus der Ferne von deren Pfeilen durchbohrt, 404, kaum 46 Jahre alt, als heimatloser Flüchtling. Seine Geliebte Timandra nahm sich des Toten an, hüllte ihn in ihr Gewand und bestattete ihn. Seine Biographie schrieben Plutarch und Cornelius Nepos. Heyse hat A. zum Helden einer Tragödie gemacht. Vgl. Hertzberg, A., der Staatsmann und Feldherr (Halle 1853); Fokke, Rettungen des A. (Emd. 1883).