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MKL1888:Angst

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Angst“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Angst“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 1 (1885), Seite 582
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Angst. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 582. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Angst (Version vom 02.11.2021)

[582] Angst, im allgemeinen diejenige Furcht, die mit dem Gefühl des Unvermögens, sich zu helfen, verbunden ist. Ihrem Ursprung nach ist sie teils psychisch (moralisch), als Folge heftiger, furchterfüllter Gemütsbewegungen, teils physisch. Die von physischen Zuständen abzuleitende A. ist von verschiedener Art: Brustangst, Brustbeklemmung (anxietas pulmonalis), welche von Hindernissen des Atmens herrührt und durch Luftmangel bedingt wird, also Erstickungsnot. Auf nervöser Grundlage beruht die als Präkordialangst (Herzklemme, Brustbeklemmung, angina pectoris) bekannte angstvolle Empfindung, welche sowohl bei mannigfachen anatomisch nachweisbaren Herzleiden als auch ohne solche vorkommt. Man faßt diese A. in jedem Fall auf als einen Gefäßkrampf der Herzarterien, als eine krankhafte Erregung (Neurose) der vasomotorischen Nerven des Herzgeflechts, da sie ganz wie bei nachweisbar zu Grunde liegenden Herzfehlern stets in Anfällen auftritt, welche mit Gefäßkrampf der Haut, kalten Extremitäten, kleinem, unregelmäßigem Puls einhergeht. Die Präkordialangst kann sowohl durch psychische Reize, schreckhafte Vorstellungen, Trauer, Schmerz als auch durch peripherische Erregungen, Neuralgien od. dgl. ausgelöst werden. Daß das Herznervensystem in bedeutender Abhängigkeit von gewissen psychischen Vorgängen ist, geht daraus hervor, daß schon normal viele Affekte mit präkordialer Beklommenheit oder Leichtigkeit einhergehen. – Bei krankhaft gesteigerter psychischer Erregbarkeit, bei Hysterie, Epilepsie, Melancholie, Hypochondrie, Alkoholismus, Hundswut erreicht die A. die höchsten Grade, bringt schreckliche Delirien, Halluzinationen mit sich und kann zu Selbstmord und wutartiger Zerstörung alles dessen führen, was dem Kranken in die Hände fällt. Eine eigentümliche, erst kürzlich bekannt gewordene Krankheit ist die Agoraphobie oder Platzfurcht (s. d.). – Gegen die Angina pectoris sind mit wechselndem Erfolg Amylnitrit, Bromkalium, Morphium und Äther angewandt worden. Die höchsten Grade nervöser A. erfordern unbedingt Beobachtung in einer Irrenanstalt.