MKL1888:Boot

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Boot“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 202205
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Boot. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 202–205. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Boot (Version vom 02.04.2023)

[202] Boot,[WS 1] zunächst eine Klasse kleiner Fahrzeuge mit geringem Tiefgang, im Gesamtgebiet der Schiffahrt dem Kleinverkehr dienend, unter sich aber in Größe, Form und Bauart sehr verschieden; sie werden meist durch Riemen, aber häufig auch durch Segel und Dampfkraft bewegt (Ruder-, Segel- und Dampfboote). In neuester Zeit hat man auch Elektrizität

Fig. 1.
Russische Takelung.

als Motor benutzt. Alle diese Boote sind ohne Deck, bald lang und schmal, bald kürzer und breiter gestaltet und mit Sitzbänken für Passagiere und Ruderer

Fig. 2.
Gewöhnliche Gaffeltakelung.

sowie mit Mastspuren zum Segeln und einem Steuerruder ausgestattet. Die schweren Boote werden mit zwei Ruderreihen bemannt, die leichtern führen nur ein Ruder auf jeder Bank. Die Zahl der Ruder (seemännisch Riemen) beträgt, je nach der Größe des Boots,

Fig. 3.
Gaffeltakelung: Bermuda.

2–18 und mehr. Die Binnenschiffahrt weist einige flachbodige Formen, die Küsten- und Seeschifffahrt dagegen nur auf Kiel und seetüchtig gebaute

Fig. 4.
Trabakeltakelung.

Boote auf. Die Namen dieser Boote sind so zahlreich wie ihre Formen, Größenverhältnisse und Zwecke und werden außer von diesen auch von der bewegenden [203] Kraft abgeleitet. Von den Schiffsbooten, welche zur Ausrüstung von Kriegsschiffen zählen und an Bord ihren Ort finden, sobald das Schiff in Fahrt ist, unterscheidet man: 1) Die Barkasse, das größte unter den Booten, am Bug ziemlich breit, wird in vier Größen von 10–13 m Länge geführt; am Vorderteil hat es ein Bratspill, d. h. eine Ankerwinde, es besitzt 12–18 Riemen und faßt ca. 120 Mann. Sein Standort ist mittschiffs auf Deck, wo es in festen Klampen ruht

Fig. 5.
Französische Takelung: einmastig.

wie 2) die Pinasse, das an Größe nun folgende B., als verjüngte Barkasse sich darstellend. Die Pinasse, welche auch Schaluppe (Schluppe) heißt, wird ebenfalls in vier Größen u. zwar von 7,5–10 m Länge geführt, besitzt 12–16 Riemen u. faßt ca. 80–100 Mann. 3) Der Kutter (Offiziersschaluppe), als gutes Ruderboot hervorragend, in vier Größen von 7,5–9 m Länge, ist das am vielseitigsten benutzte B. Auf kleinen Schiffen auch als Offiziersboot

Fig. 6.
Französische Takelung: zweimastig.

dienend, vermittelt es am meisten den Verkehr zwischen Schiff und Land und zwischen Schiff und Schiff; in See als Rettungsboot benutzt, hängt es als Seitenboot in den Davits wie die folgenden beiden Bootarten, während die Pinasse gleich der Barkasse Deckboot ist.

Fig. 7.
Französische Takelung: dreimastig.

Der Kutter führt 8–10 Riemen und faßt ca. 60–80 Mann. 4) Die Gig, leicht, von schlanken, eleganten Formen, ist das B. des Kommandanten, in vier Größen von 7,5–10 m Länge, wird von 6–8 Riemen bewegt; ihr Standort ist am Heck, wo sie in Davits hängt. 5) Die Jolle (Jölle) ist das kleinste der Schiffsboote, völliger als der Kutter, in drei Größen von 5–6 m Länge, als Mannschaftsboot dienend; es führt die Beurlaubten von und an Bord, vermittelt aber auch den Transport des Küchenbedarfs aller Schiffsmessen (Kochsboot) und wird, 30–40 Mann fassend, von 6–8 Rudern bewegt. Sein Schiffsort ist seitlich, dem Kutter gegenüber in Davits hängend. Für den Privatgebrauch des Admirals oder des Kommandanten sind nicht selten andre, leichte, elegante Boote eingeschifft. Die Wahl und Zahl der genannten Boote an Bord ist besonders abhängig von der Größe und Art des Kriegsschiffs, letztere aber verhältnismäßig fast immer beträchtlicher als auf Handelsschiffen von gleichen Raumverhältnissen. Große Kriegsschiffe führen bis acht, ausnahmsweise noch mehr Boote. Manche der genannten Boote, welche auch doppelt an Bord vorhanden sein können, sind mit Dampfmaschinen zu ihrer Fortbewegung mittels Schraubenpropeller ausgestattet, daher Dampfbarkasse, Dampfpinasse, Dampfkutter, Dampfjolle etc. Gegenwärtig gehört zur Ausrüstung großer Kriegsschiffe eine neu eingeführte Bootklasse, deren Wichtigkeit

Fig. 8.
Spriettakelung: zweimastig.

fortwährend im Steigen begriffen ist, so daß sie sich sogar schon als selbständiger Kriegsschiffskörper emanzipiert hat. Dies sind die Torpedoboote (s. d.).

In der Handelsflotte sind die zur Ausrüstung der Schiffe zählenden Boote in der Regel minder zahlreich und mannigfaltig an Bord desselben Schiffs, da dessen Bemannung, gleiche Schiffsgrößen vorausgesetzt, weit weniger zahlreich ist und andre Aufgaben zu erfüllen hat als jegliches Kriegsschiff. Eine Ausnahme

Fig. 9.
Spriettakellung: dreimastig.

machen die ozeanischen Passagierdampfer, welche zuweilen wie die Auswandererschiffe 1000–2000 Passagiere und dazu eine Mannschaft von 100–180 Köpfen an Bord nehmen. Diese sind mit einer größern Zahl von Booten ausgestattet, welche aber keineswegs genügt, um im Notfall sämtliche Bewohnerschaft des Dampfers als Rettungsboote aufzunehmen, denn die 8–12 Boote, welche sie in den Deckklampen und in den Davits führen, sind durchaus unzureichend. Jedes dieser Boote (engl. life boats, franz. canots de sauvetage) kann durchschnittlich 50 Personen fassen, im besten Fall können also 600 Personen das Schiff in Booten verlassen, so daß es leider vorkommen kann, daß nur kaum der dritte Teil die Möglichkeit hat, die Rettungsboote zu besteigen. Daher das Drängen und die furchtbaren Deckszenen, wenn eine Katastrophe droht. Diese Rettungsboote sind besonders seetüchtig gebaut und besitzen Korkwände und Luftkammern, um das Umschlagen und das Sinken thunlichst zu verhüten. Abgesehen von den Passagier-Ozeandampfern führen die Schiffe der Handelsflotte vier Klassen von Booten, welche zwar auch, aber doch nicht so reich abgestuft sind wie die Boote der Kriegsschiffe. 1) Das größte B. führt den bezeichnenden Namen [204] Großboot, seine Länge schwankt zwischen 6 und 9 m; es ist das eigentliche Tiefboot, schwer und völlig gebaut und in erster Linie für den Transport schwerer Frachtstücke bestimmt. Darauf folgt: 2) das Mittelboot (die Schaluppe), meist etwas kleiner, zuweilen

Fig. 10.
Portugiesische Takelung: einmastig.

aber ebenso groß wie das Großboot, daher ein geeigneter Stellvertreter desselben; es ist etwas schärfer, für die Fortbewegung günstiger gebaut. 3) Die Gig

Fig. 11.
Portugiesische Takelung: zweimastig.

ist, wie bei Kriegsschiffen, von schlanker, eleganter Bauart, 5,5–8 m lang und zum ausschließlichen Gebrauch des Schiffsführers bestimmt. 4) Die Jolle, das kleinste der Schiffsboote, 4–6 m lang, leichter und

Fig. 12.
Portugiesische Takelung: dreimastig.

schärfer als das Mittelboot, ohne die Gig darin zu erreichen; sie dient besonders dazu, auf der Reede den Verkehr zwischen Schiff und Land zu vermitteln. Großboot und Mittelboot sind meist Deckboote, ruhen also aufrecht oder auch umgekehrt in den Deckklampen; Gig und Jolle sind dagegen Seitenboote, sie hängen an den Davits.

Außer den bisher genannten Schiffsbooten, die sämtlich seefähig gebaut sind, gibt es noch zahlreiche Bootarten, welche diese Eigenschaften auch besitzen, ohne jedoch zur Ausrüstung der Schiffe zu zählen, z. B. die Bumboote, mit Eßwaren bei den Schiffen hökernd, die Fischerboote, dem Seefischfang obliegend, die Landboote, in den Häfen dem Personenverkehr dienend, die Lotsenboote, welche den Schiffen in See, oft auf weite Strecken, entgegenfahren, um einen von ihrer Bemannung an Bord abzugeben, welcher, mit der Örtlichkeit des Fahrwassers vertraut, unter verantwortlichem Kommando das Schiff in den Hafen oder durch besondere Seegebiete leitet (Strom-, Nordsee-, Kanallotse etc.); die Quarantäneboote, welche die zur Ermittelung der Gesundheitsverhältnisse des einkommenden Schiffs bestimmten Personen an Bord

Fig. 13.
Schebecktakelung: zweimastig.

führen, bevor es den Hafen erreicht; Zollboote, welche zur Erhebung der landesüblichen Zollabgaben die Steuerbeamten an Bord bringen; die Vergnügungsboote, eine sehr zahlreiche Klasse von sehr abweichenden Größenverhältnissen u. Formen, deren Zweck im Namen deutlich ausgesprochen ist. Zu diesen zählen auch die sehr verschieden benannten Fahrzeuge des Ruder- und Segelsports; die Rettungsboote, zur Rettung von Menschenleben aus Seenot.

Fig. 14.
Schebecktakelung: dreimastig.

B. kommt auch in Verbindung mit andern Bezeichnungen als Endsilbe vor, wobei die bisherige Erklärung von B. nicht zutrifft, da z. B. selbst die größten ozeanischen Dampfer Paketboote heißen. Hierher gehören ferner die Kanonenboote, Torpedoboote und die Fährboote (ferries), welch letztere das Übersetzen von Personen und Gütern an das jenseitige Ufer bewirken und sowohl als Jolle sich darstellen wie als große Schiffskolosse, welche, Hunderte von Passagieren und zahlreiche Equipagen und Lastwagen zu gleicher Zeit tragend, den Verkehr zwischen den an der Mündung des Hudson belegenen großen Verkehrszentren bewirken. Diese sind dadurch vor allen andern ausgezeichnet, daß sie vorn und hinten symmetrisch gebaut sind, so daß von Bug und Heck keine Rede sein kann. Sie laufen von Ufer zu Ufer, ohne zu wenden. Die Takelage der eigentlichen Schiffs- und Hafenboote bietet große Verschiedenheiten, welche in den beistehenden Figuren 1–14 ihren graphischen Ausdruck gefunden haben. Fig. 1 zeigt die russische Takelung, welche den Vorzug besitzt, auch bei steifem Wetter mit dem Focksegel, dessen [205] Schwerpunkt hinter die Bootsmitte fällt, kreuzen zu können. Beide Gaffeln werden auf Backbord geheißt und das Toppsegel nur bei leichtem Wind geführt. Fig. 2 zeigt die gewöhnliche Gaffel- und Fig. 3 eine Abänderung derselben, die Bermudatakelung, welche kleinere Gaffeln und deshalb größere Segelbreite auf Deck hat. Die Trabakeltakelung (Fig. 4) schlägt die untern Lieke beider Segel an Spriete an oder auch die des Großsegels allein. Letzteres wird backbords, das Focksegel steuerbords geheißt, in Chioggia bei Venedig werden jedoch beide Segel backbords gesetzt. Der Klüver ist mit Einholer ausgerüstet. Fig. 5–7 zeigen französische Takelungen und zwar Fig. 5 für einmastige Lugger, ohne Klüver für kleine Jollen und Gigs, Fig. 6 für zweimastige Lugger, die sich besonders für Seitenboote eignet, da sie wenig Raum beansprucht und die Hantierung der Leute nicht beengt. Sie sind mit und ohne Klüver, und die Raaen sind backbords zu heißen. Fig. 7 zeigt die dreimastige Luggertakelung. Die Spriettakelung ist zweimastig (Fig. 8) oder dreimastig (Fig. 9). Die Spriete sind nahe der Back am Mast oder in der untern Masthälfte gaffelartig oder um einen Stift drehbar befestigt. Fig. 10–12 zeigen portugiesische Sliding-Guntertakelung und zwar einmastig (Fig. 10), zweimastig (Fig. 11) und dreimastig (Fig. 12). Die Segelspriete oder Raaen sind mastlängs zu setzen. Fig. 13 zeigt die zweimastige und Fig. 14 die dreimastige Schebecktakelung, mit zwei oder drei lateinischen (dreieckigen) Segeln, welche im Hinter- und auch im Unterliek einen Schwung nach innen (Gilling) haben. Die Segel werden backbords gesetzt, die Reefe sind längs der Segelspriete oder am untern Liek. Außer den hier dargestellten 14 Takelungen kommt für Boote in seltenen Fällen noch die Kuttertakelung[WS 2] (s. d.) vor. Vgl. Schiffbau.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe auch den Artikel Boote im Supplement.
  2. Stichwort ist nicht vorhanden, siehe stattdessen den Artikel Kutter und Fig. 8 auf der Tafel „Takelung der Seeschiffe“.