MKL1888:Botanische Gärten

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Botanische Gärten“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 262263
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Botanische Gärten. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 262–263. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Botanische_G%C3%A4rten (Version vom 24.04.2023)

[262] Botanische Gärten, Anstalten, in denen Pflanzen aus allen Weltteilen und Klimaten zum Zweck des Unterrichts und der Erweiterung der Wissenschaft gezogen werden. Sie bilden daher auch gegenwärtig ein notwendiges Institut an höhern Lehranstalten, namentlich an Universitäten, polytechnischen Schulen und forst- und landwirtschaftlichen Akademien. Zu Anfang des 14. Jahrh. legte Matthäus Sylvaticus zu Salerno den ersten eigentlichen botanischen Garten an; bald darauf (1333) ließ die Republik Venedig den ersten öffentlichen medizinisch-botanischen Garten einrichten. Aber die eigentliche Epoche für allgemeinere Anlage botanischer Gärten beginnt erst mit Wiederherstellung der Wissenschaften. Die reichen Städte Italiens wetteiferten damals in deren Anlage, ihnen folgten die Universitäten Frankreichs und Spaniens nach. Herzog Alfons von Este ging in Ferrara mit rühmlichem Beispiel voraus, indem er Pflanzengärten anlegte. Mehrere reiche Einwohner von Ferrara thaten es ihm nach, und Ferrara erlangte am frühsten in Europa den Ruf, die Pflanzenkultur auf die höchste Stufe der Vervollkommnung erhoben zu haben. Gegründet wurden sodann b. G. in Padua gegen 1533, in Pisa 1544, in Bologna 1568; um dieselbe Zeit waren der botanische Garten zu Florenz und der Penellische zu Neapel berühmt. Der älteste botanische Garten in Frankreich ist der akademische zu Montpellier, welcher gegen Ende des 16. Jahrh. von Belleval angelegt wurde. Die erste Nachricht von einem botanischen Garten zu Paris geht bis 1597 zurück, wo der triviale Zweck, den Stickerinnen der Hofkleider neue Blumenmuster zu liefern, zur Anlegung eines solchen Veranlassung gab. J. Robin war der Gründer des Pariser Gartens; aber erst 1626 wurde auf den Vorschlag des Leibarztes Guy de la Brosse der Garten für den großartigen wissenschaftlichen Zweck umgewandelt, sämtliche Pflanzen der Erde in demselben zu ziehen. Man stellte 1635 an demselben, der später den Namen Jardin des plantes erhielt, drei Professoren an, um Botanik, Pharmakologie und Chemie zu lehren. In den Niederlanden entstand 1577 der akademische Garten zu Leiden auf Bontius’ Betrieb. In Deutschland waren im 16. Jahrh. nur Privatgärten bekannt, als der berühmteste galt der des J. Camerarius in Nürnberg.

Ein allgemeiner Eifer für die Anlage botanischer Gärten gab sich im 17. Jahrh. kund. Es wurden angelegt: der botanische Garten des Kardinals A. Farnese zu Rom und der beim Collegium della sapienza daselbst; der sogen. Hortus catholicus in Messina, vom Fürsten della Cattolica gegründet; der königliche englische Garten in Kew, von der Königin Elisabeth gegründet; der Apothekergarten zu Chelsea, von den Londoner Apothekern 1673 angelegt; der botanische Garten zu Amsterdam, seit 1646 einer der reichsten in Europa; viele akademische Gärten entstanden in Deutschland und den Ländern Nordeuropas, wie z. B. zu Leipzig 1580, zu Breslau 1587, zu Heidelberg 1597, zu Gießen 1610, zu Kiel 1669, zu Helmstedt 1683, zu Jena 1629 etc. Auch reiche Privaten gründeten solche; der Bosesche Garten in Leipzig erlangte europäischen Ruf. Während des 18. Jahrh. behaupteten die botanischen Gärten Englands einen vorzüglichen Rang, besonders der zu Chelsea und der der Brüder Sherard zu Eltham sowie der Universitätsgarten zu Cambridge. Der berühmteste von allen aber in neuerer Zeit wurde der königliche Garten zu Kew, den W. Aiton beschrieb. In den Niederlanden machten die botanischen Gärten des Lords Clifford zu Hardecamp bei Haarlem unter K. Linnés Verwaltung Epoche, und gleichzeitig behaupteten in Italien die Gärten zu Turin, Pisa und Florenz, in Spanien der zu Madrid verdientes Ansehen. In Frankreich war zu Anfang dieses Jahrhunderts der berühmteste der Jardin des plantes, sodann jener der Kaiserin Josephine zu Malmaison, den Ventenat und Bonpland beschrieben haben. In der Schweiz gelangte der früher unter Jos. Geßner zu Zürich angelegte Garten unter J. J. Römer in Ruf. In Rußland entstanden b. G. in Petersburg 1725, in Dorpat und Wilna; der reichste aber war der, welchen der Graf Alexis Rasumowski bei Moskau unter Fischers Aufsicht anlegte. Die übrigen Nordländer blieben nicht zurück. Der botanische Garten zu Kopenhagen unter Hornemann, der zu Upsala unter Thunberg und Wahlenberg und der zu Lund unter Agardh erlangten Berühmtheit. In Deutschland entstanden gegen Ende des 18. Jahrh. sehr viele neue Gärten, und jetzt entbehrt keine deutsche Universität einer solchen Anlage. Außer den Universitätsgärten erlangte vorzüglich der kaiserliche Garten zu Schönbrunn bei Wien unter J. v. Jacquin große Berühmtheit, wie überhaupt in dieser Beziehung in neuerer Zeit in den österreichischen Staaten äußerst viel geschehen ist. Preußen ist stolz auf seinen Berliner botanischen Garten, um den Willdenow, Link, Braun und Eichler große Verdienste haben; besondere Erwähnung verdienen dann noch die botanischen Gärten zu Halle und Breslau (Göppert). In Sachsen zeichnet sich aus der botanische Garten zu Leipzig, in Bayern die botanischen Gärten zu München und Nymphenburg, in Württemberg der königliche Garten zu Stuttgart, in Baden der zu Schwetzingen, in Hessen der zu Weißenstein bei Kassel, im Weimarischen der großherzogliche zu Belvedere bei Weimar, in Hannover der königliche Garten zu Herrenhausen und der botanische Garten zu Göttingen. Unter den großartigen Privatgärten, [263] die in neuerer Zeit entstanden, ist vorzüglich der des Fürsten zu Salm-Dyck in Dyck bei Düsseldorf zu bemerken. Auch viele großartige Handelsgärten in Holland und England machen durch ihre wissenschaftliche Anordnung und durch ihren großen Pflanzenreichtum auf den Charakter von botanischen Gärten Anspruch. Von außereuropäischen botanischen Gärten sind hervorzuheben: in Asien die Gärten zu Kalkutta, zu Madras, auf Ceylon, in Batavia, in Kanton; in Afrika die Gärten am Kap, auf Mauritius, auf Teneriffa; in Amerika der bei Kingston auf Jamaica, der französische in Cayenne, die nordamerikanischen zu New York, Philadelphia und Cambridge, in Brasilien der zu Rio de Janeiro und der sehr bedeutende zu Mexiko; in Australien die zu Sydney, Melbourne, Adelaide. Berühmte Botaniker haben die Schätze der unter ihrer Aufsicht stehenden Gärten in meist sehr kostspieligen Prachtwerken, öfters auf öffentliche Kosten, ediert. Dahin gehören die Werke: Dillenius, Hortus Elthamensis (Leid. 1732); Linné, Hortus Cliffortianus (Amsterd. 1737); Jacquin, Hortus Schoenbrunnensis (1797, 4 Bde.); Aiton, Hortus Kewensis (Lond. 1789–1810); Ventenat, Jardin de Malmaison (Par. 1803); Schrader, Hortus Goettingensis (Götting. 1809); Willdenow, Hortus Berolinensis (Berl. 1800–1809, 2 Bde.); Link, Otto und Klotz, Abbildungen aus dem Berliner Garten (das. 1820–28, 10 Hefte); Link, Hortus regius botanicus Berolinensis (das. 1827–1832, 2 Bde.); Salm-Reifferscheidt-Dyck, Hortus Dykensis (Düsseld. 1835); Schlechtendal, Hortus Halensis (Halle 1841). Beschreibungen botanischer Gärten gaben ferner: Göppert: Breslau (Bresl. 1868), Kolb: München (Münch. 1867), Willkomm: Dorpat (Dorp. 1873), Rees: Erlangen (Erlang. 1878), Wigand: Marburg (Marb. 1880), Pfitzer: Heidelberg (Heidelb. 1880); Eichler und Garcke, Jahrbuch des königlichen botanischen Gartens und des botanischen Museums zu Berlin (Berl. 1881–83).