MKL1888:Bremse
[391] Bremse (Brems), Vorrichtung, mittels welcher man den Gang der Maschinen mäßigen oder ganz aufheben kann. Die miteinander zusammenhängenden Teile einer Maschine, sobald dieselben nicht, wie z. B. bei Eisenhobelbänken, durch die zu überwindenden großen Widerstände in einer so langsamen Bewegung erhalten werden, daß dadurch jeden Augenblick die Kraft der Umtriebsmaschine völlig vernichtet wird, werden, wie jede einmal in Bewegung gesetzte Masse, infolge ihrer Trägheit sich gewöhnlich auch dann noch einige Zeit weiterbewegen, wenn die Kraftmaschine aufhört, thätig zu sein, bis ihnen die aufgenommene lebendige Kraft durch äußere, gewöhnlich Reibungswiderstände vollständig entzogen ist. Am Eisenbahnzug, am Dampfschiff läßt sich diese Beobachtung täglich anstellen. In manchen Fällen kann man ein schnelles Stillhalten dadurch hervorbringen, daß man die Kraftmaschine im umgekehrten Sinn sich zu bewegen zwingt, z. B. beim Dampfschiff. In andern Fällen (bei den Eisenbahnzügen, den Fördermaschinen der Bergwerke etc.) bedient man sich zu demselben Zweck der B. Zuweilen handelt es sich auch darum, eine Verbindung von Maschinenteilen zur Ruhe zu bringen, selbst wenn die Kraft- oder Umtriebsmaschine noch unausgesetzt thätig ist oder wenigstens der natürliche Motor fortdauernd auf dieselbe einwirkt. Dieser Fall tritt bei den gewöhnlichen (deutschen und holländischen) Windrädern und bei Wasserrädern (insbesondere Schiffsmühlenrädern) ein, wo die Naturkraft, der Wind, resp. das Wasser, ohne abgeleitet werden zu können, die Flügel oder Schaufeln des Rades stets voll trifft, während das Rad durch die Wirkung einer B. festgehalten wird. Hieran schließt sich der Fall, wo die Bremsen dazu dienen, die Bewegung eines (meist unter dem Einfluß der Schwerkraft stehenden) Körpers zu mäßigen, z. B. eine an einem Kran hängende Last langsam zu senken (Senkbremsen). Als solche werden auch die Bremsen an Wagen und Eisenbahnen beim Bergabfahren benutzt. Hierher könnten auch die Wasserbremsen (s. d.) gerechnet werden. Insbesondere bietet auch die B. als Dynamometer (s. d.) ein vorzügliches Mittel, um die Kraft, d. h. die Arbeitsstärke, von Umtriebsmaschinen, also Dampf-, Wasser- und Windmotoren, mit Sicherheit zu bestimmen. Man läßt nämlich die Maschine sich allein bewegen, ganz außer Verbindung mit den Arbeitsmaschinen, und reguliert nunmehr ihren Gang mit einer B. so lange, bis sie die Geschwindigkeit erlangt hat, welche ihre normale sein soll, wenn sie später die Arbeitsmaschinen in Gang erhält. Die durch eine einfache Rechnung ausfindig zu machende Kraft der Reibung der B. drückt direkt die Kraft der Umtriebsmaschine aus.
Alle Arten der Bremsen haben vier unterschiedliche Teile: einen mit der zu bremsenden Maschine fest verbundenen Teil, meist in Form eines Rades oder einer Scheibe (Bremsrad, Bremsscheibe), den die Bremsung hervorbringenden, sich gegen den erstern legenden und an ihm reibenden Teil, Backen, Band, Seil etc. (Bremsbacken, Bremsband, Bremsseil), einen Motor (Menschenkraft, Dampf, gepreßte [392] Luft etc.) zum Andrücken des Bremsbackens etc. gegen die Bremsscheibe und somit zur Erzeugung der die Bremswirkung hervorbringenden Reibung, endlich eine Transmission oder Übersetzung zur Vergrößerung dieses Druckes (Hebel, Kniehebel, Exzentrik, Schraube).
Fig. 1. | |
Backenbremse. | |
Nach der Art des bremsenden Körpers unterscheidet man Backenbremsen, Band-, Gurt-, Seil- und Gliederbremsen, Kegelbremsen, nach dem Motor
Fig. 2. | |
Bandbremse. | |
in der einfachsten Form Handbremsen und mechanische Bremsen. 1) Backenbremse (Fig. 1). A Bremsscheibe, auf der zu bremsenden Welle B befestigt,
Fig. 3. | |
Kegelbremse. | |
C Bremsbacken (Bremsklotz), E Hebel (hier die Transmission bildend), um den festen Punkt D drehbar. Wenn bei F ein Druck in der Pfeilrichtung erfolgt, so wird C mit einer den Hebelverhältnissen entsprechend vergrößerten Kraft gegen A gedrückt und hindert dessen Rotation, vorausgesetzt, daß der erzeugte Widerstand, d. h. der Druck zwischen C und A, multipliziert mit dem Reibungskoeffizienten, mindestens ebenso groß ist wie die am Umfang der Scheibe A auf Bewegung wirkende Kraft. Andernfalls wird die Bewegung des Rades nur verlangsamt. Statt des einfachen Hebels ist hier sehr häufig eine Verbindung von mehreren Hebeln oder eine Schraube mit Mutter oder ein Exzentrik oder eine Kombination von mehreren angewendet. Die Bremsscheiben und Bremsräder werden meist aus Gußeisen, die Bremsbacken aus Holz oder Stahlguß hergestellt, weil letztere Materialien auf Gußeisen einen hohen Reibungskoeffizienten haben. Die Backenbremsen sind die bei weitem gebräuchlichsten, sie finden sich bei allen möglichen Maschinen, vorzüglich aber bei Fahrzeugen aller Art. 2) Band-, Gurt-, Seil- und Gliederbremsen. Fig. 2 zeigt eine einfache Band- oder Gurtbremse. ACA′ ist das Bremsrad, BEB′ ein um das erstere herumgelegtes Stahlband, DK ein bei D drehbarer Hebel, an dessen zwei kurzen Armen die Enden des Bandes befestigt sind. Durch Niederdrücken des Hebelendes K wird das Band angespannt und legt sich so fest um den Kranz des Rades, daß dieses in seiner Bewegung gehemmt wird. Die Seilbremse ist der Bandbremse ganz ähnlich, nur wird statt des Bandes ein Seil verwendet, welches sich in eine in das Bremsrad eingearbeitete Nute legt. Die Gliederbremse steht zwischen Backen- und Bandbremse, bei ihr besteht der bremsende Teil aus kettenähnlich durch Scharniere verbundenen Bremsklötzen. Die Bandbremsen etc. finden ihre hauptsächlichste Verwendung bei Aufzugsmaschinen (Winden, Aufzügen, Fördermaschinen etc.). Eine besondere Art der Bandbremsen bilden die Differentialbremsen. Bei diesen sind die Bandenden derartig an ungleich langen Armen des Bremshebels befestigt, daß das eine Ende stärker angezogen, als das andre nachgelassen wird, so daß die Anspannung des Bandes der sich ergebenden Differenz entspricht. Bei dieser B. kann man mittels eines sehr geringen auf den Bremshebel ausgeübten Druckes eine ganz bedeutende Bremswirkung ausüben. 3) Kegelbremse (Fig. 3). Auf der sich um ihre Achse drehenden Welle CC′ sitzt fest ein doppelter Kegel AABB – AAB′B′, wovon der eine im Durchschnitt und der andre von außen zu sehen ist. Zwei andre Kegel DD und D′D′ im Innern jener Kegel sitzen mittels Muffen EE u. E′E′ auf der Welle CC′ und lassen sich auf dieser mit Hilfe zweier um M und M′ drehbarer Hebel FM und F′M′ verschieben. Diese Hebel sind so weit miteinander verbunden, daß sie sich entweder gegeneinander bewegen, oder voneinander entfernen lassen. Im erstern Fall schieben sie die konischen Räder DD und D′D′ in die hohlen Kegel AB und AB′, so daß zwischen den Außenflächen des einen und den Innenflächen des andern Kegelpaars eine Reibung entsteht, wodurch die Umdrehung der Welle CC′ entweder gemäßigt, oder ganz aufgehoben werden kann. Im zweiten Fall treten hingegen die Kegel DD und D′D′ aus den Kegeln AB und AB′ heraus, und es kann dann BAB′ mit CC′ ungehindert umlaufen.
Die dargestellten Bremsen waren Handbremsen. Denkt man sich an den Hebeln derselben irgend eine Elementarkraft angreifen, z. B. ein Gewicht, so hat man eine mechanische B. Außer der Schwerkraft kommen hier in Betracht hauptsächlich Dampf (Dampfbremsen), komprimierte Luft, verdünnte Luft (Luftbremsen), deren Kraft zuerst auf einen in einem Cylinder beweglichen Kolben übertragen wird, welcher sie mittels einer Übersetzung an den [393] Bremsklotz abgibt. Fig. 4 zeigt eine Dampfbremse (doppelte Backenbremse). Die Bewegung erfolgt vom Dampfcylinder c aus, dessen Kolben den Hebel h mit dem Backen b direkt, den andern h′ mit dem Backen b′ mittels des Doppelhebels a anzieht. e ist das Dampfeinströmungsrohr, z eine Stange zu dem den Dampfeintritt vermittelnden Schieber. Solche Dampfbremsen werden vielfach bei großen Aufzugsmaschinen verwendet. Sie geben eine rasche und kräftige Wirkung, doch erfolgt das Anziehen mit Stoß, auch kann man die Stärke des Bremsens nicht leicht regulieren. Luftbremsen werden meist als Eisenbahnbremsen benutzt, die weiter unten noch besonders behandelt sind.
Im allgemeinen ist über die Anordnung von Bremsen zu bemerken, daß es, um einen schädlichen Druck auf die Welle des Bremsrades zu vermeiden, vorteilhaft ist, den Brems auf die entgegengesetzten Seiten des Bremsrades oder rund herum auf dieses Rad zu verteilen. Deshalb sind Vorrichtungen wie Fig. 3 und 4 bei den Maschinen solchen weit vorzuziehen, die, wie Fig. 1, stets einseitig wirken. Um überhaupt den Arbeitsaufwand, also das Produkt aus Kraft und Weg des Bremsens, möglichst herabzuziehen, ist es ratsam, bei einer Maschine das Bremsrad auf derjenigen Welle anzubringen, welche die meisten Umdrehungen macht. Besitzt die durch den Brems zu hemmende Maschine eine große und schnell umlaufende Masse, so ist es zur Vermeidung von Stößen zweckmäßig, dieselbe an einer dieser Masse sehr nahen Stelle zu bremsen (z. B. Wasserräder unmittelbar an ihrem Umfang). Hat man es nicht bloß mit der Aufhebung der lebendigen Kraft, sondern auch mit der Vernichtung der Umtriebskraft einer Maschine zu thun, so ist es auf der andern Seite auch wünschenswert, daß das Bremsen soviel wie möglich in der Nähe des Angriffspunktes der Umdrehungskraft erfolge.
Eine außerordentlich wichtige Verwendung haben die Bremsen bei Fahrzeugen, teils um bei abschüssigen Bahnen deren Geschwindigkeit zu mäßigen, teils sie möglichst schnell zum Stillstand zu bringen (besonders bei Eisenbahnzügen). Eine sehr alte Vorrichtung, um Wagen, besonders beim Bergabfahren, in ihrem Lauf aufzuhalten, ist der Hemmschuh, eine hölzerne oder eiserne, etwas eingekerbte Platte, welche, an einer Kette hängend, sich unter eins der hintern Räder legt und dies dadurch in seiner Umdrehung ganz unterbricht. Ein andres sehr gebräuchliches Mittel, ein Wagenrad zu bremsen, besteht in einer Backenbremse mit Schraube oder Hebel, welch letztere entweder am Sitz des Wagenführers oder im Innern des Wagens oder am hintern Wagengestell angebracht sind. Fig. 5 zeigt die Einrichtung einer solchen B. bei einem Eisenbahnwagen. AA′ sind zwei Räder desselben Wagens, BB′ die hölzernen Bremsbacken, welche auf die eisernen Träger CD, C′D′ angeschraubt sind und sich um die fest am Wagen angebrachten Achsen CC′ drehen können. DE und D′E sind zwei um DD′ und E drehbare Stangen, welche bei E durch die senkrechte Stange EK gehoben werden können, wenn man vermittelst der Kurbel K′ die Schraube S in Umdrehung versetzt. CDE und C′D′E stellen also einen Kniehebelmechanismus dar. Durch Emporheben des Punktes E vermittelst der Schraube S bewegen sich die Backen BB′, um CC′ sich drehend, gegen die Umfänge der Räder AA′ und legen sich fest dagegen an, so daß sie die Räder und somit den Eisenbahnzug in ihrer Bewegung verlangsamen und allmählich zum Stillstand bringen können.
Die Eisenbahnbremsen haben in neuerer Zeit wesentliche Verbesserungen erhalten. So ist man bemüht gewesen, der immer mehr zunehmenden Geschwindigkeit der Eisenbahnzüge dadurch Rechnung zu tragen, daß man kontinuierliche (gekuppelte) Bremsen konstruierte. Man hat darunter eine Vorrichtung zu verstehen, mit welcher von einem Punkt eines Eisenbahnzugs sämtliche Bremsen in Thätigkeit gesetzt werden
Fig. 4. | |
Dampfbremse. | |
können. Die ersten derartige Bremsen waren so eingerichtet, daß sie durch Menschenhand zur Wirksamkeit gebracht wurden; da sie jedoch bis zur Anziehung sämtlicher Bremsen viel Zeit erforderten, so ist man darauf bedacht gewesen, schnell wirkende Bremsen zu erfinden, welche durch Elementarkraft in Bewegung gesetzt
Fig. 5. | |
Bremse an Eisenbahnwagen. | |
werden und nur eines Anstoßes durch Menschenhand bedürfen, wenn sie in Wirksamkeit treten sollen. Diese Bremsen werden zu automatischen (selbstthätigen) Bremsen, wenn sie zugleich so eingerichtet sind, daß sie in Wirksamkeit treten, sobald ein Wagen oder ein Komplex von Wagen sich vom Zug losreißt. Die kontinuierlichen und selbstthätigen Bremsen sind in Amerika schon seit längerer Zeit eingeführt. In Deutschland, speziell in Preußen, macht man seit 1877 [394] Versuche mit solchen Bremsen, um für Schnellzüge ein System derselben auf dem ganzen Staatseisenbahnnetz einzuführen. Personen- und Güterzüge sind dabei unberücksichtigt geblieben, da die Auffindung einer für alle Verhältnisse gleich geeigneten Normalbremse
Fig. 6. | |
Smith-Hardy-Bremse. | |
nach den bisherigen Erfahrungen unwahrscheinlich war. Die verschiedenen Systeme, welche in Frage kamen, sind folgende: Von nicht automatischen ein System Smith-Hardy (Fig. 6). In dem unter dem Wagen liegenden Gefäß a befindet sich, dasselbe in zwei voneinander getrennte Teile zerlegend, die Lederkappe b, welche den Kolben c trägt; an diesen ist der Bremsmechanismus angeschlossen. Von a aus führt ein Rohr d zu der unter dem Zug herlaufenden, von der Lokomotive herkommenden Hauptleitung. Auf letzterer befindet sich ein Dampfejektor (ein mittels Dampfstrahls wirkender Luftsaugapparat), welcher die Luft aus der Leitung saugt und dadurch die Luft in a über der Lederkappe stark verdünnt, infolgedessen der Kolben c angehoben und die B. festgezogen wird. Wenn der Ejektor aufhört, zu arbeiten, tritt Luft in die Leitung, der Kolben c senkt sich, die B. löst sich. Die Smith-Hardysche B. ist auf
Fig. 7. | |
Westinghouse-Bremse. | |
den Zügen der Berliner Stadtbahn eingeführt. – Von automatischen Bremsen wurden versucht: System Westinghouse, welches mit komprimierter Luft arbeitet. Unter der Lokomotive befindet sich ein Luftreservoir, welches von einer gleichfalls auf der Lokomotive angebrachten Kompressionspumpe gespeist wird. Die Bremsen sind lose, solange in der von dem Reservoir aus unter dem Zug hingehenden Leitung der Luftdruck steht, so daß also beim Reißen des Zugs, wobei ja auch die Leitung zerstört wird, die Bremsen in Thätigkeit treten. Die B. selbst hängt, wie Fig. 7 zeigt, an dem Kolben a, welcher sich in dem horizontalen Cylinder b bewegt; von diesem geht ein Rohr c in den Schieberkasten d. Der Schieber e wird durch den Kolben f eines vertikalen Cylinders g bewegt, der untere Teil dieses letztern ist durch das Rohr h mit der Hauptleitung verbunden; außerdem ist ein Hilfsreservoir i vorhanden, welches durch den Schieberkasten und durch eine Nute k in der ebenen Wandung des Cylinders g bei der höchsten Stellung des Steuerungskolbens mit der Hauptleitung kommuniziert. Sobald nun der Luftdruck in der Hauptleitung nachläßt, geht der Kolben f herunter und schließt die gedachte Nute k ab, der Schieber senkt sich und öffnet die Verbindung c zwischen i und dem Cylinder b, so daß der Kolben a nach vorn getrieben und so die B. festgestellt wird. Tritt wieder Luftdruck in die Leitung, so hebt sich der Kolben f, der Schieber e schließt den Kanal c ab und öffnet gleichzeitig den ins Freie führenden Kanal l; der Kolben a geht zurück, die B. läßt los. – System Heberlein bewirkt die Bremsung durch die lebendige Kraft des Zugs selbst. Auf der Wagenachse sitzt (Fig. 8) eine feste Scheibe a; wird die Friktionsrolle c gegen diese gedrückt, so wickelt sie eine Kette e auf eine mit c verbundene Trommel, welche die B. anzieht; beim Abheben der Friktionsrolle fällt die B. durch ihr eignes Gewicht zurück. Der Rahmen der Friktionsrolle hängt durch eine Stange f in einer über den ganzen Zug gehenden straff gespannten Leine; läßt der Lokomotivführer diese nach, so fallen die Friktionsrollen gegen die Antriebsscheiben. Die B. kann bei stillstehendem Zug von der Lokomotive aus nicht angezogen werden, doch kann man durch Teilung der Stange f die Einrichtung leicht so treffen, daß man auch mit der Hand von jedem Bremswagen aus bremsen kann. – System Sanders bildet eine selbstthätige Vakuumbremse, bei welcher zwei Ejektoren, der eine zum Ansaugen, der andre zur Erhaltung der Luftleere, auf der Lokomotive vorhanden sind. – System Carpenter ist dem System Westinghouse ähnlich, unterscheidet sich jedoch von diesem durch eine Vorrichtung, welche die Bremsklötze, ihrer ungleichmäßigen
Fig. 8. | |
Heberlein-Bremse. | |
Abnutzung entsprechend, selbstthätig nachstellt. Das letztere System nun wird bei Schnellzügen der preußischen Staatsbahnen allgemein eingeführt werden, weil es sich bei den Versuchen als dasjenige herausgestellt hat, bei welchem ein Versagen am unwahrscheinlichsten ist.
[165] Bremse. Die Frage der Bremsung der Eisenbahnfahrzeuge ist noch immer Gegenstand lebhafter Erörterungen. In Preußen sollen alle Personenzüge, welche mit einer Geschwindigkeit von 60 km und mehr in der Stunde fahren, mit einer durchgehenden B. ausgerüstet sein. Die Beschränkung der Anwendung kontinuierlicher (durchgehender) Bremsen auf schnell fahrende Züge wird sich jedoch als unzweckmäßig herausstellen, die Trennung des Fahrparks, die Einteilung des Dienstes wird hierdurch so erschwert, die Anzahl der notwendigen Reserven so vermehrt, daß es im betriebstechnischen und ökonomischen Interesse unausbleiblich sein wird, mit der Zeit zunächst die sämtlichen Personenzüge mit den durchgehenden Bremsen zu versehen. Dies hat sich schon jetzt bei den preußischen Staatsbahnen für die Hauptlinien als notwendig und zweckmäßig herausgestellt. Ebenso wird auch die stets wachsende Erkenntnis von der Wichtigkeit der durchgehenden Bremsen für die Betriebssicherheit und in geringerm Maß die Erzielung von Betriebsersparnissen durch Verringerung des Zugpersonals auf die weitere Einführung drängen. Betreffs des Bremssystems nähert man sich allgemein der Ansicht, daß für den großen Personenverkehr auf den Hauptbahnen nur die selbstthätigen Bremsen geeignet seien, während die nicht selbstthätigen beim Lokalverkehr vorzuziehen seien. In Preußen ist nach sorgfältiger Prüfung für den Hauptverkehr die Carpenterbremse eingeführt, welche bisher den an sie gestellten Erwartungen vollkommen genügt hat. Dieselbe ist eine selbstthätige Luftdruckbremse und besteht aus einer auf der Lokomotive angebrachten Kompressionspumpe von besonderer Konstruktion, einem Preßluftbehälter, einer unter dem ganzen Zug hingehenden Rohrleitung und den an den einzelnen Wagen angebrachten, die Bremshebel bewegenden eigentlichen Bremsapparaten. Die Kompressionspumpe gehört zu dem Typus der direkt wirkenden Dampfpumpen ohne Rotation, wird durch Dampf aus dem Lokomotivkessel betrieben und erzeugt in dem Luftbehälter einen Druck von 6–7 Atmosphären. Die Luft tritt, nachdem ihr Druck durch ein Reduktionsventil auf 4 Atmosphären verringert ist, in die Luftleitung ein und erfüllt während der Fahrt sowohl diese als auch die Bremsapparate. Die Luftleitung besteht aus unter den Wagen liegenden Rohren, welche durch Gummischläuche miteinander verkuppelt sind. Am letzten Wagen wird das Ende der Leitung durch einen Hahn geschlossen. Sobald nun der Lokomotivführer [166] mittels eines Dreiwegehahns (Bremshahns) die Luftzufuhr vom Luftbehälter abschneidet und gleichzeitig die Preßluft aus der Leitung ausströmen läßt, kommen die Bremsapparate zur Wirkung, ebenso auch, wenn von irgend einem Koupee aus ähnliche Hähne geöffnet werden, oder wenn infolge des Abreißens einzelner Wagen die Leitung mit der äußern Luft kommuniziert. Der Bremsapparat, der sich gegenüber demjenigen andrer Luftdruckbremsen durch große Einfachheit auszeichnet, ist in Fig. 1 dargestellt. Aus der Leitung a tritt die komprimierte Luft zuerst am rechten Ende des Cylinders bei b hinter dem Kolben c in den Bremscylinder d ein und treibt denselben so lange nach vorn, bis er die in Fig. 1 angegebene Stellung erreicht hat. Durch eine kleine Nute e im Innern des Cylinders ist hier eine Verbindung mit dem vordern Teil des Cylinders hergestellt, so daß nun die komprimierte Luft auch vor den Kolben treten
Fig. 1. Carpenterbremse. | |
kann und auf beiden Seiten des Kolbens gleiche Pressung entsteht. Bei der Anlegung der B. muß die komprimierte Luft nach Öffnung des Bremshahns aus der Rohrleitung a und auch aus dem Raum rechts vom Kolben c entweichen, während die links vom Kolben befindliche Preßluft nicht mit gleicher Geschwindigkeit durch die kleine Nute e nachfolgen kann, es wird also durch den so von links her wirkenden Überdruck der Kolben nach rechts getrieben, hierbei zunächst die Verbindung durch die Nute aufgehoben und nach weiterm Rückgang des Kolbens die bei f angeschlossene B. angezogen. Zur Lösung der B. wird durch Drehung des Bremshahns vom Luftbehälter her frische Preßluft auf die rechte Kolbenseite zugelassen, um diesen in seine frühere Stellung zu drücken. Die Bremskraft wird also durch Herbeiführung einer Druckdifferenz zu beiden Seiten des Kolbens c erzeugt. Der Lokomotivführer hat es nun ganz in der Hand, durch Auslassung von mehr oder weniger Druckluft aus der Leitung die Wirkung der links vom Kolben befindlichen Luft zu steigern oder zu mäßigen und so die B. mit größerer oder geringerer Kraft anzulegen. Der Hahn g dient dazu, die B. zu lösen, im Fall dieselbe bei abgelöstem Wagen feststeht (z. B. beim Rangieren). Die eingesetzte Spiralfeder h dient zum Zurückdrücken des Kolbens, also zum Lösen der B., nachdem durch Öffnen des Hahns g der ganze Bremscylinder von Luft entleert ist. Ohne diese Feder würde der Kolben in der Bremsstellung stehen bleiben. Erwähnenswert ist noch, daß die von der hohlen Kolbenstange i verursachte Querschnittsdifferenz zur Folge hat, daß der Kolben in der dargestellten Lage trotz gleicher Luftspannung auf beiden Seiten durch den Luftdruck vorgeschoben wird, und daß im letzten Teil des Hubes von rechts nach links die von der linken Seite durch die Nute e übertretende Luft zum Lösen der B. wesentlich mit beiträgt. Einen Hauptbestandteil der Carpenterbremse bildet endlich die selbstthätige Nachstellvorrichtung, durch welche sich die gezahnte Zugstange h selbstthätig in die hohle Kolbenstange i hineinschiebt, sobald eine Abnutzung der Bremsklötze von 3–5 mm eingetreten ist und sich infolgedessen bei der zwischen f und der B. eingeschalteten Hebelübersetzung der normale Hub des Kolbens um ca. 25 mm vergrößert hat. Der Kolbenhub wird dadurch in bestimmten engen Grenzen gehalten, ebenso auch die Expansion der treibenden Luft. Ferner wird hierdurch das Nachstellen des Bremsgestänges mit der Hand gänzlich beseitigt. Die Nachstellvorrichtung besteht aus zwei Platten l und m, welche auf der Zahnstange reiten. l ist eine gußeiserne Scheibe, welche mit einem Sperrzahn durch die Feder n zwischen die Zähne der Zahnstange k gedrückt wird, während m einen in dem Kolbenstangenkopf o beweglichen Schieber bildet, der gleichfalls unter Einwirkung einer Feder (p) in die Zähne der Stange eingreift. Das Spiel ist folgendes. Beim Zurückgang des Kolbens werden zunächst beide Platten mitgenommen. Ist der Abstand der Bremsklötze ein normaler, so entspricht der von l zwischen den Wänden q und r zurückgelegte Weg dem Normalhub des Kolbens, wobei die Nachstellvorrichtung nicht in Thätgkeit kommt. Ist dagegen der Abstand der Bremsklötze ein größerer, so macht der Kolben einen größern Hub, während die Platte l gegen r anstößt und zurückgehalten wird. Durch das Weitergehen der Zahnstange wird l infolge der Abschrägung der Zähne gehoben und fällt, wenn die Überschreitung des Normalkolbenhubes 25 mm erreicht, in den nächsten Zahn der Zahnstange ein. Beim Rückgang stößt die Platte l gegen q an und hält dadurch die Zahnstange fest, während der Kolben noch um eine Zahnlänge (25 mm) weiter bewegt wird, so daß dadurch auch die Platte m um einen Zahn weiter nach rechts geschoben wird. Dieser Vorgang wiederholt sich, so oft die Bremsklötze um 3–5 mm abgenutzt sind, und die Zahnstange tritt immer weiter in die Kolbenstange hinein, bis die Bremsklötze gänzlich abgeschliffen sind, worauf sie erneuert werden müssen. Bei der Einführung der Carpenterbremse in Preußen war man sich wohl bewußt, daß diese B. nicht stets und unter allen Umständen die beste sein und bleiben mußte, man hielt sie vielmehr bei den vorhandenen Verkehrsverhältnissen für die zur Zeit geeignetste; anderseits konnte die etwanige Erfindung einer vollkommnern Einrichtung nicht abgewartet werden, weil zur Vermeidung der Einführung verschiedener Bremssysteme die Notwendigkeit eines schnellen Entschlusses vorlag. Es galt eben, die Einheitlichkeit der Bremsvorrichtung innerhalb des großen Gebiets der preußischen Staatsbahnverwaltung sicherzustellen, weil ohne eine solche Einheitlichkeit der Betrieb für den durchgehenden Verkehr wegen des notwendigen Überganges der Betriebsmittel von Bahn zu Bahn außerordentlich erschwert worden wäre. Denn daß [167] Bremsen ganz verschiedener Gattung, z. B. Luftdruck- und Vakuumbremsen, nicht in demselben Zug miteinander arbeiten können, liegt auf der Hand; aber auch Luftdruckbremsen verschiedener Art können nicht beliebig durcheinander verwendet werden, selbst die gleichzeitige Verwendung von Modifikationen desselben Systems ist nicht wünschenswert, weil schon dadurch die Gleichmäßigkeit in der Wirkung und Bedienung verloren geht. Damit steht der Umstand nicht in Widerspruch, daß für die Bahnen untergeordneter Bedeutung die Reibungsbremse von Heberlein und neben derselben eine einfache Gewichtsbremse zur Einführung gekommen ist, weil hier ein Übergang der Betriebsmittel von Bahn zu Bahn nicht vorkommt. Im Interesse der Einheitlichkeit des Bremsbetriebes wäre die Einführung einer einheitlichen B. für ganz Deutschland sehr erwünscht gewesen. Jedoch ist von andern großen Bahnverwaltungen die Westinghousebremse eingeführt. Immerhin ist es schon als ein Vorteil anzusehen, daß hiermit wenigstens das Prinzip der Luftdruckbremse beibehalten und dadurch wenigstens die Durchführung der Kurswagen nicht behindert ist, wenn auch ein brauchbares Zusammenarbeiten der Bremsapparate in demselben Zug nicht stattfindet.
Wie die Anwendung der durchgehenden Bremsen zuerst in Amerika für den Personenzugdienst in großem Maßstab verwirklicht wurde und von da aus die Verbreitung in andre Länder erfolgt ist, so ist auch in letzter Zeit dort zuerst in der Anwendung der kontinuierlichen Bremsen ein weiterer Schritt vorwärts gemacht worden, indem man angefangen hat, sie auch auf den Güterzugdienst auszudehnen. Nach dem Vorgang von Amerika hat man auch in Europa die Güterzugbremsfrage aufgenommen und steht damit gegenwärtig in dem Stadium der Versuche. Die durch eine durchgehende Bremsvorrichtung für Güterzüge zu erzielende schnellere und sicherere Beförderung langer, schwerer Züge ist ohne Zweifel auch in militärischer Hinsicht im Kriegsfall für den Transport von Truppen und Kriegsmaterial von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Aber auch vom rein wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, wird die Anwendung durchgehender Bremsen bei Güterzügen wesentliche Vorteile durch Ersparnis an Zeit und Betriebskosten herbeiführen. Eine wesentliche Vorbedingung für die erfolgreiche Anwendung durchgehender Bremsen auf Güterzüge ist allerdings die Ermöglichung einer bedeutend schnellern Wirkung der Bremsen, als bisher für Personenzüge üblich oder erreichbar war, da nur durch eine sehr schnelle Wirkung übermäßiges Auflaufen des hintern Zugteils und gefährliche Stöße im Zug vermieden werden können. Bei den bisher eingeführten Bremsen wird die Bremswirkung dadurch herbeigeführt, daß die Luftleitung an einer Stelle (auf der Lokomotive) mit der äußern Luft in Verbindung gesetzt wird, so daß es einer gewissen Zeit bedarf, bis die Spannung der Luft in der ganzen Leitung bis zum letzten Wagen hin sich derart geändert hat, daß der Bremskolben in Bewegung gesetzt wird. Dagegen würde eine beinahe momentane Wirkung eintreten, wenn zu gleicher Zeit bei jedem einzelnen Bremsapparat des Zugs ein Ventil in der Luftleitung geöffnet würde. Das hat man bei den ersten Versuchen an langen Güterzügen (50 vierachsige Wagen) mit Hilfe des elektrischen Stroms erreichen wollen, ist jedoch trotz guter Versuchsresultate bald davon abgekommen, um nicht für den wirklichen dauernden Gebrauch durch Hinzufügung eines zweiten Übertragungsmittels neben der Luft die Wahrscheinlichkeit zufälliger Störungen zu erhöhen. Das gegenwärtig zur Erhöhung der Schnelligkeit in der Bremswirkung der Luftdruckbremsen angewendete Prinzip wird gekennzeichnet durch die Anwendung besonderer Auslaßventile an jedem Bremsapparat in der Weise, daß bei der durch Öffnung des Hahns auf der Lokomotive zunächst eintretenden Bewegung des ersten Bremsapparats ein zu diesem gehöriges Auslaßventil geöffnet wird und somit eine beschleunigte Ausströmung der Luft vom zweiten Apparat aus, also auch eine schnellere Bethätigung desselben, stattfinden kann, wobei zugleich dessen Auslaßventll geöffnet und dadurch der dritte Apparat in
Fig. 2. Schnellbremse von Carpenter. | |
Gang gesetzt wird etc. Von den in dieser Weise wirkenden sogen. Schnellbremsen sind besonders zu nennen diejenigen von Westinghouse und von Carpenter. Die Schnellbremse von Carpenter (Fig. 2–7) ist von der gewöhnlichen Carpenterbremse dadurch wesentlich unterschieden, daß sie wie die Westinghousebremse neben dem eigentlichen Bremscylinder z noch ein besonderes Luftreservoir r hat. Während der Fahrt ist nur letzteres mit Luft gefüllt. Behufs Bremsung wird das Reservoir in der Weise mit dem Bremscylinder in Verbindung gesetzt, daß die hinter dem Kolben k aus r überströmende Preßluft den Kolben vortreibt. Die hierzu nötige Steuerung sowie die Auslassung von Luft an den einzelnen Bremsen wird durch das sogen. Funktionsventil besorgt. Dir arbeitenden Teile desselben bestehen im wesentlichen aus zwei Hahnküken a und b, welche hintereinander in einer Büchse c liegen, und welche durch passende Vorprünge miteinander so verbunden sind, daß der größere a den kleinern mitnimmt. In Fig. 2 und 3 ist nur a sichtbar, b liegt dahinter, in Fig. 4–7 sind die Küken nebeneinander im Schnitte dargestellt und zwar in zusammengehörigen Stellungen. Das größere Küken a wird mittels eines am Küken bei b bis zu einem gewissen Ausschlag drehbaren Hebels e und einer Stange f durch eine Ledermembran g in Bewegung gesetzt. In betriebsfertigem Zustand ist die aus der Leitung bei h eintretende Druckluft sowohl durch Kanal i auf die linke Seite der Membran g als auch durch den Kanal l, Öffnungen 1 und 2 in c und eine Aussparung von a in das Reservoir r gelangt, während der Bremscylinder vom Hahnküken [168] a gegen die Preßluft abgeschlossen ist, dagegen mit der äußern Atmosphäre in Verbindung steht (Fig. 2 u. 3). Behufs Anlegung der B. läßt der Lokomotivführer aus der Luftleitung etwas Luft entweichen. Dadurch wird der links von g herrschende Luftdruck verringert, während die rechts von g durch
Fig. 3. Funktionsventil der Carpenterschen Schnellbremse. | |
die geringe Öffnung des Hahns nicht so schnell nachströmen kann, so daß g durch den Luftüberdruck nach links bewegt und Küken a zunächst in die Stellung der Fig. 4 gedreht wird, wobei aus der Leitung h Preßluft durch die Öffnungen 2 und 3, den Verbindungskanal m zwischen a und b und durch das Küken b und die Ausströmungsöffnungen 6 entweicht, so daß die erwähnte beschleunigte Druckverminderung in der Leitung eintritt. Die Membran bewegt sich noch weiter nach links und bringt die Küken in die Stellung der Fig. 5, wobei die Ausströmungsöffnungen 6
Fig. 4. | Fig. 5. |
Fig. 6. | Fig. 7. |
Fig. 4–7. Verschiedene Stellungen des Funktionsventils. |
verschlossen sind, dagegen der Bremscylinder durch die Öffnungen 1 und 5 mit dem Luftreservoir r verbunden ist, so daß die B. beim Anschlag des Hebels e am Stift n mäßig angezogen ist. Beim Schließen des Bremshahns geht die Membran zurück, kippt den Hebel e um den Drehpunkt d herum und dreht ihn dann mit den Küken bis zum Anschlag am Stift o in die Stellung der Fig. 6, wobei die B. mit mäßigem Druck festgehalten wird. Ist aber die Bremsung mit voller Kraft beabsichtigt, so ist durch weiteres Öffnen des Dreiweghahns durch den Lokomotivführer eine stärkere Verringerung des Druckes in der Leitung zu erzeugen, so daß der Überdruck auf die Membran im stande ist, den Hebel e aus der Stellung in Fig. 3 durch Drehung um den Stift n und gleichzeitig Kippung um d in die Stellung der Fig. 7 zu bringen, bei welcher die B. mit voller Kraft angezogen wird.
Auch hier wird die B. durch das Schließen des Bremshahns festgehalten, indem das Funktionsventil in die Stellung Fig. 4 zurückgeht. Zum Lösen der B. bringt der Lokomotivführer den Bremshahn in die Anfangsstellung zurück, so daß der Luftdruck in der Leitung wieder steigt und die Membran in die Stellung Fig. 3 bringt, so daß die im Cylinder enthaltene Luft durch 5 und 4 entweicht und der Kolben k von seiner Feder zurückgedrängt wird, die Bremsbacken sich abheben. Bei dem Westinghouseschen Funktionsventil wird eine ähnliche Wirkung durch Schieber erzeugt.
[140] Bremse. Zur Bremsung von Eisenbahnzügen sind in den letzten Jahrzehnten mehrfach elektrische Bremsen versucht worden. Gerade der Gedanke der Verwendung der Elektrizität zu diesem Zweck hat etwas sehr Verlockendes, weil sie eine ungemein schnelle Bewegungsübertragung von der Lokomotive bis zum letzten Wagen eines Eisenbahnzuges gestattet. Es ist daher eine ganze Reihe von elektrischen Bremsen entstanden, welche jedoch nirgendwo dauernd und in größerm Umfang Verwendung gefunden haben. Immerhin bieten sie in konstruktiver Hinsicht manches Interessante. Bei der Achardbremse wird ein runder, stabförmiger Elektromagnet verwendet, der, um seine Längsachse drehbar, parallel zu einer Wagenachse aufgehängt ist. Die ringförmig verstärkt ausgeführten Pole stehen dabei zwei auf der Wagenachse angebrachten Scheiben gegenüber. Soll gebremst werden, so wird ein elektrischer Strom durch den Magneten entsendet; durch den Magnetismus werden die Pole gegen die Scheiben fest angelegt, so daß sie wie Reibungsräder wirken, die Pole von den Scheiben in Drehung versetzt werden und auf ihre Achse eine Kette aufwickeln, durch welche die B. angezogen wird. Diese B. ist natürlich nicht selbstthätig. Ein mit derartiger B. ausgerüsteter Zug ist 4 Jahre lang zwischen Tours und Les Sables d’Or ohne Störung gelaufen. Die Parkbremse wirkt durch eine Stange, welche durch ein auf einer Wagenachse befestigtes Exzenter fortwährend hin und her bewegt wird. An ihrem Ende, gegenüber einem mit Sperrzähnen versehenen Rade einer Kettentrommel, ist eine Sperrklinke angebracht, welche jedoch für gewöhnlich ausgerückt ist und erst in den Bereich des Sperrrades kommt, wenn ein elektrischer Strom geschlossen wird. Dann wird das Rad ruckweise umgedreht und eine zur B. führende Kette auf die Trommel aufgewickelt und so angezogen. Ein Gegensperrkegel verhindert die Rückbewegung der Trommel beim Rückgang des beweglichen Sperrkegels. Wird der elektrische Strom unterbrochen, so hört letzterer auf zu wirken, der Gegensperrkegel aber hält die Bremskette gespannt, also die B. in Thätigkeit. Um die B. zu lüften, muß ein Strom in einer zweiten Leitung entsendet werden, welcher den Gegensperrkegel aushebt. Die B. arbeitet nur bei geringen Fahrgeschwindigkeiten befriedigend. Bei der Cardbremse nötigt ein elektrischer Strom zwei Trommeln zum Eingriff ineinander; die eine wird von einer Wagenachse aus mittels einer Kette beständig in Umdrehung erhalten, die andre trägt die Bremskette und legt durch ihre Umdrehung die B. an. Hier wird also durch den elektrischen Strom eine Art Kuppelung eingerückt. In ähnlicher Weise wirkt die Waldumer B. Bei dieser liegt unter jedem Wagen eine wagerechte Welle, welche den Kern eines in einer Trommel eingeschlossenen Magneten bildet. Einerseits trägt die Trommel ein Rad, welches durch eine endlose Kette mit einer als Trommel für die Bremskette dienenden Hilfswelle verbunden ist. Anderseits trägt auch die Welle (der Kern) des Elektromagneten ein Rad, welches auf sie von einer Wagenachse aus eine beständige Drehung überträgt. Wird ein Strom durch den Elektromagneten gesendet, so wirken seine Pole auf innerhalb der Trommel parallel zur Achse angebrachte, radial verschiebbare Eisenstäbe anziehend, und zufolge der so hervorgebrachten Reibung muß die Trommel an der Drehung des Elektromagneten teilnehmen und die Bremskette anspannen. Je stärker der elektrische Strom ist, desto starker wird auch die Reibung der Eisenstäbe, somit die Anspannung der Kette und die Wirkung der B. werden. Der Stromerzeuger, eine Dynamomaschine, steht auf der Lokomotive. Bringt man am letzten Wagen eine zweite Elektrizitätsquelle an, so wird die B. selbstthätig. – Sawiczeski wollte Elektromagnete unmittelbar bremsend auf die Kränze der Räder wirken lassen; die Wirkung war jedoch nur schwach. Siemens und Boothby brachten unter jedem Wagen eine Dynamomaschine an, welche mittels Schraube ohne Ende einen auf der Achse der Bremshebel sitzenden Zahnbogen bewegte. Marcel Deprez ordnete kräftige Elektromagnete an, deren Pole eine auf einer Wagenachse sitzende Kupferscheibe umfaßten. Die Ströme, welche bei der Bethätigung des Magneten in der Scheibe erregt wurden, sollten sich der Drehung der Scheibe widersetzen, also bremsend auf die Achse wirken. Als Hilfskraft wendeten Westinghouse und Carpenter die Elektrizität bei ihren Luftdruckbremsen an, um an den einzelnen Bremsen Ventile zu öffnen, kamen aber nach der Erprobung der schnell wirkenden Funktionsventile (s. Band 17, S. 167) wieder davon ab.
[124] Bremse. Von A. Jeenel in Breslau ist eine selbstthätige Wagenbremse angegeben, die auch von der Hand in Wirksamkeit gesetzt werden kann. Selbstthätig wirkt sie, indem sie angezogen wird, sobald die Zugtiere angehalten werden und sich rückwärts stemmen. Als Handbremse wird sie vom Innern des Wagens oder vom Kutscherbock aus angezogen. Der Wagen ist in der Deichsel verschiebbar. Werden nun die Pferde und damit die Deichsel angehalten, so schiebt sich der Wagen in Führungen auf der Deichsel vor oder, wenn man den Wagen als ruhend betrachtet, die Deichsel dringt in den Wagen ein und drückt mit einem auf ihr befestigten Querbolzen die Gabel eines Hebels zurück, von welchem die Bremsbacken an die Vorderräder des Wagens angelegt werden. Beim Anziehen der Deichsel werden die Bremsbacken durch Federn zurückgezogen, wobei der Gabelhebel stets an dem Querbolzen der Deichsel anliegt. Soll die Bremse nicht selbstthätig wirken, so wird die Deichsel mittels einer an ihr angebrachten Zahnstange und eines in diese eingreifenden Sperrzahns dadurch festgestellt, daß ein Riemen, der in gespanntem Zustande den Sperrzahn einer Feder entgegen ausgelöst erhält, von einem am Kutscherbock angebrachten Halteknopf losgemacht wird, worauf der Sperrzahn in die Zahnstange einfällt und an dieser die Deichsel festhält. Das Anziehen der Bremsen von der Hand geschieht mittels Riemen, die über Rollen zu den Bremsbacken laufen, wobei der Gabelhebel von dem Querbolzen der Deichsel abgehoben wird.
Bezüglich der Eisenbahnbremsen hat sich in Preußen an maßgebender Stelle ein Umschwung der Meinungen vollzogen, der einen baldigen Systemwechsel zur Folge haben wird. Seiner Zeit wurde die Carpenterbremse auf den preußischen Staatsbahnen eingeführt, weil sie nach dem damaligen Stande der Technik von den preußischen Eisenbahntechnikern als die beste und zuverlässigste begutachtet war. Sie hat auch im ganzen gute Dienste gethan, ist aber nach der Ansicht berufener Sachverständiger heutzutage von andern Bremssystemen überflügelt, welche zuverlässiger wirken und die Züge schneller zum Stehen bringen. Außerdem ist es vielfach als Übelstand empfunden worden, daß die preußischen Staatsbahnen mit ihrem Bremssystem fast allein dastanden (nur Sachsen und Oldenburg haben noch Carpenterbremsen), während sonst im übrigen Deutschland, in Österreich, Holland und Belgien fast ausschließlich das Westinghouse-System eingeführt ist. Auf Veranlassung des Ministers Thielen wurden nun Versuche mit verschiedenen Bremssystemen angestellt, deren Resultate dazu führen dürften, daß alle deutschen Bahnen ein einheitliches Bremssystem bekommen sollen. Das würde nicht nur bezüglich der Einfachheit des Betriebes, sondern auch besonders bezüglich der Sicherheit als ein großer Fortschritt zu begrüßen sein.