Zum Inhalt springen

MKL1888:Bremen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Bremen“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Bremen“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 3 (1886), Seite 383390
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: Bremen
Wiktionary-Logo
Wiktionary: Bremen
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Bremen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 383–390. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Bremen (Version vom 30.11.2024)

[383] Bremen (Bremsen, Biesfliegen, Dasselfliegen, Oestridae), Insektengruppe aus der Ordnung der Zweiflügler und der Familie der Fliegen (Muscariae), mit kurzen, warzenförmigen, in Stirnhöhlungen entspringenden Fühlern, verkümmertem Rüssel und fehlender Mundöffnung, so daß die Fliegen während ihres kurzen Lebens keine Nahrung zu sich [384] nehmen können. Die großen, aufgeblasenen Backen und die kleinen Augen geben dem Gesicht eine halbkugelige Gestalt; der Körper ist oft schönfarbig, pelzig behaart. Die Weibchen einzelner Gattungen besitzen eine lange Legeröhre zum Absetzen ihrer Brut an andre Tiere. Die Larven haben kräftige Kiefer und starke Dornen an den Leibesringen und leben als periodische Parasiten in und an Säugetieren. Manche Gattungen sind auf bestimmte Säugetierfamilien, einzelne Arten auf bestimmte Säugetierarten angewiesen, außerdem sind sie auch an ganz bestimmte Körperstellen ihrer Wirte gebunden. Danach unterscheidet man Magen-, Nasen- und Hautöstriden. Von Östriden heimgesucht sind besonders Pferde, Esel, Maultiere, Rinder, Schafe, Ziegen, Rot-, Reh-, Damwild, Antilopen, Renntiere, auch einzelne Nager, und bisweilen verirrt sich eine oder die andre Art auf den Menschen. Die B. paaren sich meist vom Juni bis August, wie es scheint, nur auf Bergkuppen, an sonnigen Felswänden, Türmen etc. In der Mittagsstunde ruhiger Tage (die Gastrophilen wohl auch in hellen Mondnächten) schwärmen sie und bemühen sich, den Trägern ihrer Brut im schnellsten Zickzackflug anzukommen. Die verfolgten Tiere erkennen aber die Feinde sehr bald, und mit gehobenen Schwänzen toben sie wie rasend und ergreifen die Flucht (Biesen). Alle Weidetiere wie auch die Pferde und das Wild betragen sich gleich unbändig beim Herannahen der B., welche trotzdem ihre Brut sicher abzusetzen wissen. Die Magenbremsen legen ihre Eier an die Haare von Lippen, Hals, Brust und Vorderbeinen, und wahrscheinlich kriechen dann die jungen Larven in den Mund, von wo sie mit Speichel und der Nahrung in den Magen gelangen. Vermittelst ihrer Dornen setzen sie sich in den Schleimhäuten des Magens und Darmes fest. Die Nasenbremsen spritzen die schon ausgebildeten Larven mit einer wässerigen Flüssigkeit in die Nasen der Wirte, worauf sich die Larven in Stirn- und Nasenhöhle festsetzen, nach erlangter Reife aber oft in die Rachenhöhle und Luftröhre wandern und hier heftige, oft tödliche Entzündungen verursachen. Die Hautöstriden setzen die Eier auf die Haut oder die Haare ab, und die jungen Larven bohren sich in die Haut und setzen sich im Unterhautzellgewebe fest. Bei ihrer weitern Entwickelung entstehen Geschwüre (Dasselbeulen), welche sich eiternd nach außen öffnen. Die gereiften Östridenlarven verlassen ihre Wirte im Frühjahr und verwandeln sich in Streu oder lockerer Erde in schwarzbraune oder schwarze Tonnenpuppen, aus welchen in 3–8 Wochen die Fliegen ausschlüpfen.

Die B. sind über die ganze Erde mit Ausnahme von Australien verbreitet. Die Magenbremse des Pferdes (Gastrophilus equi Fab., s. Tafel „Zweiflügler“), 13–17,5 mm lang, an Stirn und Thoraxrücken bräunlichgelb filzig behaart, vor den Flügeln schwarz, an den übrigen Teilen lichter und spärlicher behaart, an den Beinen und am Hinterleib dunkel wachsgelb, auf den schwach getrübten Flügeln mit verwischter dunkler Querbinde, findet sich in Europa überall, schwärmt von Ende Juli bis Anfang Oktober, besonders in der Mittagszeit, und legt ihre (700) röhrenförmigen, gedeckelten Eier an die Haare der Pferde. Die ausgeschlüpften Larven werden von den Pferden abgeleckt und gelangen so in die Maulhöhle, auch kriechen wohl die Larven selbst ins Maul und gelangen dann mit dem Futter in den Magen. Die ausgewachsene Larve ist 17,5–19 mm lang, fleischrot, dann gelbbraun, bohrt sich in die Schleimhaut des Schlundes, Magens und Dünndarms fest ein, saugt Blut und Serum, veranlaßt Entzündung und Eiterung, erzeugt förmliche Höhlungen, in welchen oft 50–100 Larven sitzen, und verläßt ihren Wirt erst nach 10 Monaten. Aus den Exkrementen geht sie in die Erde, verpuppt sich, und nach 6 Wochen schlüpft die Fliege aus. Die Viehbremse (G. pecorum Fab.), 12–15 mm lang, schwarzbraun mit rauchfarbigen Flügeln, an Kopf und Fühlern braunrot, am Rückenschild und an der Wurzel des Hinterleibes rostgelbhaarig, am übrigen Hinterteil schwarz, an den Füßen und Schienen rostgelb, legt ihre Eier auf Pferde, ausnahmsweise aus Rinder; die Larven verhalten sich wie die der vorigen Art und verlassen ihren Wirt nach 9 Monaten. Die Mastdarmbremse (G. haemorrhoidalis L.), 10 mm lang, stark behaart, schwarz, mit weißgelbem Untergesicht, gelber Stirn, schwarzem, auf dem vordern Drittel rotgelbem Thorax, an der Wurzel weißgrauem, in der Mitte schwärzlichem, am Ende rotgelbem Hinterleib und glashellen Flügeln, schwärmt im Juli und August und legt ihre Eier an die Haare der Lippen und Nasenränder, von wo die Larven durch die Nasen- oder Maulhöhle in die Verdauungsorgane kriechen, um ihre Entwickelung im Mastdarm zu vollenden. Die Nasenbremse (G. nasalis L.), 12 mm lang, mit rotgelbem Rückenschild und Kopf, brauner Stirn und an der Wurzel weißgrauhaarigem, in der Mitte schwarzem, am Ende gelb behaartem Hinterleib, kleinen, glashellen Flügeln und braunen, gelb behaarten Beinen, legt ihre Eier an die Lippen, an und in die Nase der Pferde, Esel, Maulesel und Ziegen; die Larven bilden sich im Dünndarm, aber auch in der Nasenhöhle, im Schlund und Magen aus. Sie kommen in einzelnen Tieren zu mehr als 200 Stück vor, verursachen Schmerzen (Kolikerscheinungen), durchbohren oft Magen- und Darmwand und veranlassen dadurch tödliche Entzündungen, oder sie bohren Blutgefäße an und veranlassen dadurch Verblutung. Gute Hautpflege (Striegeln, Waschen, Kämmen) ist das einzig wirksame Vorbeugungsmittel. Die Schafbremse (Oestrus ovis L., s. Tafel „Zweiflügler“), 10–13 mm lang, fast unbehaart, braun, mit fleischrotem Untergesicht, rotbrauner Stirn, grauem, mit schwarzen Wärzchen besetztem Rückenschild, weißgelblichem Hinterleib mit tiefschwarzen Schillerflecken, blaßroten Beinen und glashellen Flügeln, lebt in Mauerlöchern, Rindenrissen und legt im August oder September die schon ausgebildeten Larven in die Nasenlöcher der Schafe. Die Larven werden 28 mm lang, kriechen in den Nasenhöhlen empor und entwickeln sich in den Stirnhöhlen. Man findet selten mehr als 7–8 dieser Grübler in der Nase eines Schafs. Nach 9 Monaten werden sie durch Niesen ausgestoßen, gehen in die Erde und verpuppen sich, worauf nach 7–8 Wochen die Fliege ausschlüpft. Die sehr häufigen Östruslarven erzeugen Katarrh, wenn sie aber in größerer Menge vorhanden sind, die falsche Drehkrankheit (Schleuderkrankheit, Bremsenschwindel), welche oft mit dem Tod endet. Zur Vorbeugung sind die Schafe von Weiden, welche an Buschhölzer und an Waldwiesen grenzen, von Ende Juli bis Ende September fern zu halten; zeigt sich das Biesen, so ist Reinigen der Nasenlöcher und Anwendung von Niesemitteln empfehlenswert. Die beim Schlachten sich findenden Larven sind sorgfältig zu sammeln und zu töten. Die Behandlung ist mißlich und fast auf die Eröffnung der Stirnhöhlen beschränkt. Die Rinderbiesfliege (Hypoderma bovis L.), 9–11 mm lang, schwarz, am Thorax mit glatten Längsschwielen, gelb behaart, am Gesicht weißgelb befilzt, am zweiten und dritten Hinterleibsring schwarz, an der [385] Spitze gelb, sonst grauweiß, mit rostgelben Beinen und schwarzen Schenkeln, legt ihre Eier vom Juni bis September an die Haare der Rinder; die Larven durchbohren die Haut, entwickeln sich in 9 Monaten im Unterhautzellgewebe, werden über 2,6 cm lang und erzeugen die Dasselbeulen, welche die Größe von Taubeneiern erreichen. Die ausgebildete Larve verpuppt sich auf der Erde, und nach 4–6 Wochen schlüpft die Fliege aus. Manche Tiere werden von mehr als 100 Larven heimgesucht und gehen dann im Ernährungsstand sehr zurück; auch wird ihre Haut für den Gerber fast wertlos. Als Vorbeugungsmittel empfiehlt man Waschungen mit Abkochungen von Walnußblättern in Essig, von Wermutkraut oder Asa foetida-Lösung, überhaupt gute Hautpflege, besonders wenn sich das Biesen zeigt. Als Heilmittel ist allein das Ausdrücken der Larven, wenn nötig unter Zuhilfenahme der Lanzette, und Auswaschen der Stelle, wo sie gesessen haben, zweckmäßig. Vgl. Brauer, Monographie der Östriden (Wien 1863).

Bremen, seit 1815 deutscher Freistaat mit dem offiziellen Titel „Freie Hansestadt B.“, ein Glied des Deutschen Reichs, dessen Gebiet aus drei getrennt

Wappen von Bremen.

liegenden, an Größe sehr ungleichen Teilen besteht (s. Karte „Hannover“). Der Hauptbestandteil mit der Stadt B. liegt zwischen 53°1′–53°33′ nördl. Br. und 26°13′–26°40′ östl. L. v. Gr. und zu beiden Seiten der untern Weser, 74 km vom Meer entfernt, und wird von der preußischen Provinz Hannover und vom Herzogtum Oldenburg begrenzt. Dicht an der Nordgrenze des Gebiets, aber getrennt davon, liegt am rechten Ufer des Stroms die Stadt Vegesack und weiter nördlich, 52 km von der Stadt B., der dritte Landesteil von 178 Hektar Größe mit der Hafenstadt Bremerhaven (s. d.), am Einfluß der Geeste in die Weser. – Der Boden wird von der Weser und deren Nebenflüssen Wumme (Lesum) und Ochtum nebst zahlreichen Gräben reichlich bewässert und ist zum Teil flache, sandige Vorgeest, zum Teil Flußmarsch. Die Altstadt von B. (auf dem rechten Ufer) liegt auf einer von SO. nach NW. das Gebiet durchstreichenden Düne; Vegesack ist am Rande der hohen Geest (alter Diluvialboden), Bremerhaven auf schwerem Marschboden gelegen. Das Klima ist mild, dabei aber überwiegend feucht und regnerisch; die mittlere Jahrestemperatur beträgt 8,6° C., die des Sommers 16,45°, die des Winters 1,46° C. Vom gesamten Areal, zu 25,556 Hektar berechnet, kommen 7609 Hektar auf Garten-, Acker- und Wechselland, 13,555 auf Wiesen und Weiden, 229 auf Holzungen, 56 auf Ödland, das übrige auf Gebäude, Hofräume, Wege, Wasser etc. Das Gesamtareal Bremens beträgt 255,56 qkm (4,66 QM.) mit den genannten 3 Städten u. 58 Dörfern (worunter 13 Pfarrdörfer), die Gesamtzahl der Einwohner (1883) 160,402, gegen 155,831 in 1880, 123,174 in 1871. Von jener Einwohnerzahl (1883) kommen 114,983 auf die Stadt B., 3811 auf Vegesack, 14,132 auf Bremerhaven und 27,476 auf das Landgebiet. Die Vermehrung betrug in der Periode von 1871 bis 1883 im jährlichen Durchschnitt 2,6 Proz., in der Periode von 1867 bis 1871 jährlich 2,8 Proz. Von der Bevölkerung, die zum niedersächsischen Stamm gehört und die plattdeutsche Mundart spricht, sind nur etwa 74 Proz. Staatsangehörige, 26 Proz. dagegen Fremde, vorzugsweise Hannoveraner. In konfessioneller Hinsicht ist die Einwohnerschaft ausgeprägt protestantisch (fast 98 Proz.); am 1. Dez. 1880 wurden 5322 Katholiken, 387 Sektierer und 726 Israeliten gezählt. Es herrscht völlige Rechtsgleichheit der Konfessionsgenossen. Die Katholiken besitzen die Johanniskirche in Bremen und die Marienkirche in Bremerhaven, gehören zur nordischen Mission und stehen unter dem Bischof von Osnabrück.

Der Staat teilt sich in die drei Städte Bremen, Vegesack und Bremerhaven sowie das Landgebiet, den sogen. Landkreis B. Von letzterm liegen 15,813 Hektar auf dem rechten, 6739 Hektar auf dem linken Weserufer; jener Teil wird vorzugsweise aus dem Hollerland, dem Blockland, dem Werderland und dem ehemaligen Gericht Borgfeld, dieser aus dem Ober- und Niedervieland zusammengesetzt. Das Landgebiet hat guten Ackerbau, einträgliche Gemüse- und Gartenkultur, ansehnliche, durch schöne Weiden und Wiesen begünstigte Viehzucht und treibt einige Fischerei. Für die Verwaltung zerfällt es in 34 Feldmarken (35 Gemeinden) und 13 Kirchspiele. Die Verfassung des Staats ist gemäßigt-demokratisch. Am 8. März 1849 publiziert, im März 1852 aber durch Einschreiten des Deutschen Bundes teilweise suspendiert, hat sie endlich 21. Febr. 1854 durch Revision ihre gegenwärtige Gestalt erhalten. Nach derselben üben Senat und Bürgerschaft die Staatsgewalt gemeinschaftlich aus. Der von der Bürgerschaft unter gewissen Beschränkungen gewählte Senat, welcher zugleich Magistrat der Stadt B. ist, besteht aus 16 lebenslänglichen Mitgliedern (Senatoren), von denen wenigstens 9 Rechtsgelehrte und 4 Kaufleute sein müssen; zwei Mitglieder desselben sind Bürgermeister, und einer von ihnen ist für die Dauer des Jahrs Präsident des Senats. Die Wahl derselben geschieht vom Senat, und es tritt alle zwei Jahre einer von ihnen zurück. Jeder 30jährige Staatsbürger ist zum Senator wählbar. Der Senat hat die Leitung und Oberaufsicht in allen Staats- und Kirchenangelegenheiten, die vollziehende Gewalt überhaupt, die Vertretung des Staats gegen Dritte und nach außen, das Gnadenrecht und die Polizeiverwaltung. Die Bürgerschaft besteht aus 150 Vertretern der Staatsbürger, die auf sechs Jahre gewählt werden, und von denen alle drei Jahre die Hälfte ausscheidet; davon sind 14 Vertreter derer, welche auf Universitäten sich ausgebildet haben, 42 des Kaufmannskonvents, 22 des Gewerbekonvents, 44 der übrigen Staatsbürger in der Stadt B., 12 Vertreter der Städte Vegesack und Bremerhaven und 16 der Landbezirke. Hierzu wählbar und wahlfähig sind alle 25jährigen Staatsbürger. Ein Ausschuß der „Bürgerschaft“, das Bürgeramt, bestehend aus dem Geschäftsvorstand und 18 Vertretern, hat fortwährend auf Aufrechterhaltung der Verfassung, Gesetze und Staatseinrichtungen zu achten, Übertretungen und Mißbräuche in den in der Regel öffentlichen Sitzungen der Bürgerschaft zu rügen und im allgemeinen den verfassungsmäßigen Verkehr zwischen Bürgerschaft und Senat zu vermitteln. An der Spitze der einzelnen Verwaltungen stehen Deputationen von Senatoren und Bürgern; die Rechnungsführung ist immer in den Händen eines Bürgers. Die kirchlichen Angelegenheiten verwaltet eine Senatskommission.

Für die Rechtspflege bestehen im bremischen Staat zwei Amtsgerichte (zu Bremen und Bremerhaven) und ein Landgericht (zu Bremen); die höhere Instanz wird durch das hanseatische Oberlandesgericht zu Hamburg gebildet. Die Richter der bremischen Gerichte werden durch ein Wahlkollegium, welches aus 4 Senatoren, 4 Mitgliedern der Bürgerschaft und 3 Richtern besteht, [386] gewählt. Grundlage des Rechts bildete früher in Zivilsachen das gemeine Recht, in Strafsachen die Carolina; zu den besondern Gesetzen, die während der letztverflossenen Jahrzehnte in Kraft traten, gehören die neue Strafprozeßordnung, ein Preßgesetz, Gesetze über Versammlungs- und Vereinsrecht, über Volljährigkeit, über Staatsangehörigkeit und Gemeindebürgerrecht (welch letzteres jetzt ebenfalls kostenfrei erworben wird); ferner die zu verschiedenen Reichsgesetzen, z. B. zum Strafgesetzbuch, zur Gewerbeordnung, erlassenen Ausführungsgesetze. Wichtig ist auch das zuerst 1303, dann 1428 und zuletzt 1433 aufgezeichnete, noch gültige Stadtrecht: „das Bok“. Seit 1866 sind die Verhältnisse natürlich vielfach durch die Gesetze des Norddeutschen Bundes, später des Deutschen Reichs umgestaltet worden. Gewerbefreiheit besteht in B. seit 1861; ihr folgte 1867 auch die Freigebung des Maklergeschäfts. Zur Förderung des Handels und des Verkehrs bestehen der Kaufmannskonvent und die Handelskammer, zusammengesetzt aus Mitgliedern der Bremer Börse, welche Handels- und Schiffahrtsangelegenheiten zu beraten haben. Die Interessen des Gewerbewesens werden vertreten durch den Gewerbekonvent und die Gewerbekammer, aus Mitgliedern des Gewerbestandes gebildet, die der Landwirtschaft durch die Kammer für Landwirtschaft, aus dem Landherrn (einem Mitglied des Senats) und 20 praktischen Landwirten bestehend. B. hat eine Stimme im Bundesrat und sendet einen Abgeordneten in den deutschen Reichstag. Der bremische Staat bildete früher ein Freihafengebiet; 1856 wurden die auf dem rechten Ufer der Wumme und die auf dem linken Ufer der Ochtum gelegenen Gebietsteile, 1875 die Stadt Vegesack und das Obervieland dem Zollverein angeschlossen. Nach dem Reichsgesetz vom 31. März 1885 wird vom 1. Okt. 1888 ab der ganze bremische Staat mit Ausnahme einiger Freihäfen in das deutsche Zollgebiet aufgenommen werden; das Deutsche Reich leistet zu den dieserhalb erforderlichen Anlagen einen Beitrag bis zur Höhe von 12 Mill. Mk. Der Staatshaushalt erforderte nach der Finanzabrechnung für 1883 einen Aufwand von 13,470,773 Mk., während die Einnahmen 13,087,553 Mk. betrugen, mithin Defizit 383,220 Mk., wogegen das Jahr 1882 mit einem Überschuß von 441,231 Mk. abschloß. Von den Einnahmen fließt die kleinere Hälfte aus den Erträgen von Staatseigentum und Hoheitsrechten, namentlich den Verkehrsanstalten, die größere Hälfte aus den Abgaben, wozu die direkten Abgaben (Grund- und Häusersteuer, Einkommensteuer etc.) ca. 41/4 Mill. Mk., die indirekten (von Handel und Schiffahrt, Sporteln, Gebrauchs- und Verbrauchsabgaben) über 2,9 Mill. Mk. beitragen; dazu kamen außerordentliche Einnahmen im Betrag von 217,760 Mk. Von den Ausgaben im Betrag von 13,470,773 Mk. kommt der Hauptteil auf die Kosten der Staatsschuld (3,898,027 Mk.) und auf Baukosten (1,254,569 Mk.); dazu beanspruchen außerordentliche Ausgaben die Summe von 857,654 Mk. Die Finanzen des bremischen Staats haben durch den Übergang der bremischen Eisenbahnen an den preußischen Staat (1. April 1883) einen schweren Stoß erlitten. Die Beiträge zur Reichskasse (Zollaversum) betrugen 1883: 1,303,099 Mk. Die Staatsschuld, welche 1828 erst ca. 3 Mill. Thlr. betrug, ist 1872 auf 53,7 Mill. Mk. und 1. Jan. 1884 auf 80 Mill. Mk. gestiegen. Davon sind 46 Mill. Mk. durch Eisenbahnbauten, fast 15 Mill. durch Hafen- und andre Bauten, fast 12 Mill. durch andre zinstragende Anlagen veranlaßt worden. Was die Militärverhältnisse des Freistaats betrifft, so hat B. durch die Konvention vom 27. Juni 1867 die Stellung eines eignen Kontingents aufgegeben; die Wehrpflichtigen werden in der Regel in das 1. Bataillon („Bremen“) des hanseatischen Infanterieregiments Nr. 75 eingereiht, welches einen Bestandteil des preußischen Heers bildet. Landesfarben sind Weiß und Rot (hanseatisch). Das Wappen (s. Tafel „Wappen“) ist ein silberner, schräg rechtshin liegender Schlüssel mit aufwärts und links gekehrtem Schließblatt im roten Felde. Die Flagge (s. Tafel „Flaggen II“[WS 1]) ist rot und weiß, fünfmal horizontal gestreift, hinter zwei Reihen geschichteter Vierecke von denselben Farben.

Die Stadt Bremen.
(Hierzu der Stadtplan von Bremen.)

Die Stadt B., der Hauptort und der politische wie volkswirtschaftliche Mittelpunkt des kleinen Freistaats, zugleich eine der ersten Handelsstädte Deutschlands, liegt in einer einförmigen Ebene, zu beiden Seiten der Weser und besteht aus vier oder strenger genommen aus fünf Teilen: der auf dem rechten Ufer gelegenen Altstadt, der auf dem linken Ufer gelegenen, 1622–26 aus fortifikatorischen Rücksichten angelegten Neustadt, dem zwischen beiden auf einer Landzunge zwischen der Großen und Kleinen Weser gelegenen Werder mit dem Teerhof und den teils auf dem rechten, teils auf dem linken Ufer jenseit der ehemaligen Festungswerke sich weithin ausdehnenden Vorstädten. Die Altstadt und Neustadt sind seit alter Zeit durch die nahe am Südostende der Stadt gelegene Große Weserbrücke und ihre Fortsetzung, die Kleine Weserbrücke, miteinander verbunden; in der Mitte der Altstadt führt die 1872–75 erbaute Kaiserbrücke direkt nach dem Teerhof und der Neustadt hinüber; am untern Ende der Altstadt bildet außerdem die Eisenbahnbrücke der B.-Oldenburger Bahn eine für Fußgänger gangbare Verbindung. Die Altstadt besitzt meist enge, krumme Straßen und noch viele alte Häuser mit mächtigen Giebeln und vielen übereinander getürmten Böden; sie ist der Sitz des eigentlichen Handelsverkehrs. Die Neustadt hat durchweg breite, gerade Straßen; in ihr überwiegen die Packhäuser und Fabriken. Die erst in den letzten 50 Jahren entstandenen Vorstädte enthalten überwiegend Privatwohnungen. Die östliche Vorstadt ist vorzugsweise Wohnsitz der wohlhabenden Bevölkerung; in der südlichen (vor dem Bunten Thor gelegenen) und in der westlichen finden sich die nicht sehr zahlreichen Fabriken. Die westlichen Vorstädte sind zugleich der Hauptsitz des Schiffsverkehrs; hier wird auch der durch den Eintritt Bremens in das deutsche Zollgebiet notwendig gewordene Freihafen angelegt. Da in B. fast durchgängig in jedem Haus nur eine Familie wohnt, vor jedem Haus aber ein wohlgepflegtes Vorgärtchen sich findet, so macht die Vorstadt einen äußerst wohnlichen, angenehmen Eindruck. Alle Teile der Stadt zeichnen sich übrigens durch fast holländische Reinlichkeit aus. An öffentlichen Plätzen besitzt B. eigentlich nur drei, welche sämtlich in der Nähe des historischen Mittelpunktes der Stadt, beim Rathaus und beim Dom, liegen, nämlich den Marktplatz, den Domshof und die Domsheide. Von öffentlichen Denkmälern sind zu erwähnen: der berühmte Roland, ein steinernes, 9,6 m hohes Standbild auf dem Markt, 1404 aufgerichtet als Symbol der Gerichtsbarkeit der Stadt; das Vasmerkreuz zur Erinnerung an den 1430 hier enthaupteten Bürgermeister Johann Vasmer; das Marmorstandbild des Bürgermeisters Johann Smidt auf der obern Rathaushalle und das Denkmal des Astronomen Olbers auf dem Wall (beide von dem aus B. stammenden

[Beilage]

[Ξ]

BREMEN.
Maßstab 1 : 20 000.
Die mit blauer Farbe eingetragenen Anlagen bezeichnen das Gebiet des zukünftigen Freihafens (1888).
[Nebenkarte oben:] DER STAAT BREMEN Maßstab 1 : 500 000
[Nebenkarte unten: Bremerhaven] Maßstab 1 : 85 000
Abbenthorswall-Straße CD3
Albrecht-Straße G2
Allee, Große D4
Allee, Kleine D4,5
Altona (Straße) B3
Altsmanns-Höhe F3,4
Am Deich CD4
Annen-Straße, Große D4,5
Annen-Straße, Kleine D4,5
Ansgarii-Straße D3
Ansgarii-Thor D2
Auf den Häfen F2
Auf der Brake E2
Auf dem Kamp B2
Auf der Kuhlen H3
Bach-Straße DE5
Bahnhof, Hamburger DE1
Bahnhof, Hannoverscher DE2
Bahnhöfe a. d. Weser B3,4
Bahnhof-Platz DE2
Bahnhof-Straße E2
Bank, Bremer E3
Bank E3
Bären-Straße C2
Baum-Straße AB3
Berg-Straße B2
Bessel-Straße G1,2
Birken-Straße DE2
Bischofs-Thor F2
Bismarck-Straße GH1
Bleicher-Straße FG3
Bollmann-Straße B2
Born-Straße D2
Börse, Neue E3
Brandt-Straße C1
Braut-Straße DE4
Breiten-Weg DE2
Brink, Am B2
Brook-Straße H3
Brunnen-Straße H2,3
Bucht-Straße EF3
Buntenthors-Steinweg EF5
Busch-Straße C1
Calvin-Straße A1,2
Charlottenkamp C2
Deich-Straße G3
Dobben F2
Dobben, Am G2
Dobben-Weg FG1,2
Dom E3
Doms-Heide E3
Domshof E3
Doven-Thor C2,3
Doventhor-Steinweg BC2
Düstern-Straße BC2
Ellhorn-Straße D2
Falken-Straße D2
Faulen-Straße C3
Fedelhören F2
Feld-Straße GH1,2
Fesenfeld, Am H1,2
Friedens-Kirche H2
Friedhöfe C2, E1, F5
Friesen-Straße H2
Fulda-Straße F4
Garnison-Lazarett D5
Georg-Straße D2
Gertruden-Straße G2
Göthe-Straße H2
Grafen-Straße C3
Gröpelinger-Deich A3
Großen-Straße BC3
Grund-Straße H2,3
Grünen-Straße CD4
Grünenweg E2
Haferkamp AB2
Hamburger Bahnhof DE1
Hannoverscher Bahnh. DE1,2
Hansa-Straße A1,2,3
Hardenberg-Straße FG5
Häschen-Straße D4
Heerden-Thor E2
Heerdenthor-Steinweg E2
Heinrich-Straße F2,3
Helle, Kleine C2
Hemp-Straße B1,2
Herder-Straße G1,2
Hermann-Straße E5
Hohes-Thor C5
Hohethors-Straße C4,5
Holler-Allee DF1
Horner-Straße GH1,2
Humboldt-Straße GH2
Hunde-Straße, Große DE3
Jäger-Straße C1
Johannis-Kirche E3,4
Johannis-Straße, Große CE5
Kaiser-Brücke D3,4
Kaiser-Straße D3
Kant-Straße E5
Kastning-Straße A2
Kepler-Straße G1,2
Kinder-Krankenhaus GH2
Knochenhauer-Straße DE3
Kohlhöker-Straße F3
Kolosseum D2
Korn-Straße D5
Krankenhaus H1,2
Kreuz-Straße G3
Krieger-Denkmal D2
Kunsthalle F3
Land-Weg FG3
Landwehr-Straße AB2
Langen-Straße DE3
Lauben-Straße AB1,2
Lehnstedter Straße E5
Lerchen-Straße F2
Liebfrauen-Kirche E3
Linien-Straße G2,3
Lloyd, Norddeutsche A4
Löning-Straße E2
Luther-Straße A1,2
Lützower Straße B2,3
Magdalenen-Straße H2,3
Mandel-Straße AB1,2
Markt-Platz A2
Martini-Kirche E3,4
Martini-Straße E3,4
Mathilden-Straße G1,2
Mauer-Straße A2
Meinken-Straße, Große F2,3
Methodisten-Kirche D2
Meyer-Straße E5
Molken-Straße D3
Mozart-Straße FG3
Mühlen-Straße G3
Museum E3
Navigations-Schule E5
Neuen-Straße C3
Neukirch-Straße CD1
Neumarkt D4
Neustadts-Kontreskarpe DE5
Neustadts-Wall, Am CE5
Nord-Straße AB2,3
Oberweser-Hafen F4
Obern-Straße DE3
Olbers-Straße BC2
Oster-Straße E4,5
Oster-Thor F3
Osterthors-Steinweg G3
Osterthorswall-Straße EF3
Palmen-Straße B3
Pelzer-Straße DE3
Plantagen-Straße C1
Post E3
Prangen-Straße H3
Rathaus E3
Reeperbahn, Bei der B3
Reichsbank D3
Remberti-Straße F2
Richtweg E2
Ring, Im H2
Roland-Straße E4,5
Rosenkranz B3
Rosen-Straße CD3
Runde-Straße B2
Sand-Berg A4
Sand-Straße E3
Sand-Weg C4
Sankt Ansgarii-Kirche D3
Sankt Jürgen-Straße H1,2
Sankt Michaelis-Kirche C2
Sankt Remberti-Kirche F2
Sankt Stephani-Kirche C3
Schiffer-Straße A2
Schild-Straße G3
Schiller-Straße E2
Schlachte D3
Schleifmühle, An der F1,2
Schmidt-Straße G2,3
Schönhausen-Straße G1
Schröder-Straße A1,2
Schützen-Straße C4
Schwanen-Straße D3
Sedan-Straße EF5
Sielwall G3
Söge-Straße E3
Sommer-Theater E2
Sonnen-Straße FG2
Sophien-Straße H2,3
Sortillen-Straße, Große C4
Stadtbibliothek E3
Stadttheater EF3
Steinbach-Straße A2
Steinthor, Vor dem GH2
Stephani-Thor B3
Stephanithors-Bollwerk AB3,4
Stephanithors-Steinweg B3
Stern-Straße B2
Süder-Straße D4,5
Thal-Straße A3
Theerhof E4
Tiefer E4
Tonhalle C2
Torfkanal, Am neuen CD1
Turnhalle F2
Uhland-Straße G1
Union F3
Uthbremer Feld A–C1,2
Uthbremer Straße AB1,2
Vereins-Krankenhaus E5
Vereins-Straße A3
Wacht E3,4
Wall, Am B–F2,3
Waller-Chaussee A1
Wand-Rahmen, Beim CD2
Wartburg-Straße A2
Wasser-Kunst F4
Weber-Straße G3
Weide, An der EF2
Werder-Straße EF4
Werra-Straße EF4
Weserbahnhof B3,4
Wester-Straße CD4
Wiechmann-Straße A2
Wieland-Straße G2
Wilhelm-Straße F2
Wulfhoop-Straße E5
Zentral-Halle D2
Ziegel-Straße C1
Zwingli-Straße A1,2

[387] Bildhauer K. Steinhäuser); das Denkmal des heil. Ansgarius vor der Ansgariikirche und die Marmorvase auf dem Wall, einen alten Bremer Gebrauch, den Umzug der Klosterochsen, allegorisch darstellend (beide ebenfalls von Steinhäuser); die prächtige, von Fogelberg modellierte Statue König Gustav Adolfs auf der Domsheide (dieselbe strandete bei Helgoland, wurde dann aus dem Meer gehoben und von einigen Bremer Bürgern der Stadt geschenkt); das Kriegerdenkmal von Robert Keil auf einer Bastion des Walles, westlich vom Ansgariithor (errichtet 1875); das Altmanns-Denkmal auf dem Wall zur Erinnerung an den Gärtner Altmann, welcher die Festungswerke der Stadt in prächtige Gartenanlagen umschuf; das Seume-Denkmal an der großen Weserbrücke, zur Erinnerung an die Entweichung Seumes aus der Gewalt hessischer Werber; das Körner-Denkmal auf dem Körnerwall und die Statue des Apostels Jakobus des ältern (major) an der Wüsten Stätte (im Volk als „Juxmajor“ bekannt). Durch Medaillons und Gedenktafeln sind bezeichnet die Häuser des Astronomen Olbers, des Bürgermeisters Smidt, des Liederdichters Neander, des Astronomen Bessel. Die Stadt B. hat 14 Kirchen; davon liegen in der Altstadt: der Dom (früher erzbischöfliche Kathedrale, jetzt lutherische Hauptkirche), die Liebfrauenkirche, die Martinikirche, die Ansgariikirche, die Stephanikirche, die Kirche des Armen- und Zuchthauses sowie die den Katholiken überwiesene Johanniskirche; in der Neustadt: die Paulikirche; in den Vorstädten: die nach den Plänen des Architekten Heinrich Müller 1869–1871 neuerbaute Rembertikirche, die Jakobikirche, die Friedens-, die Michaelis- und die Wilhadikirche und die Methodistenkapelle. Die wenigen in B. wohnenden Juden haben eine kleine, architektonisch nicht hervortretende Synagoge. Von den aufgezählten Kirchen sind die meisten reformierte Pfarrkirchen, doch stehen an einigen auch lutherische Prediger, da die Zahl der Lutheraner durch Einwanderung aus Hannover und Oldenburg fortwährend und bedeutend steigt. Architektonisch bemerkenswert sind der großartige, aber aus sehr verschiedenen Zeitaltern stammende Dom, dessen älteste Teile dem 11. Jahrh. angehören (vgl. Müller, Der Dom zu B. und seine Kunstdenkmale, Brem. 1861), mit schönen Glasfenstern und einer herrlichen Orgel (in ihm befindet sich ein „Bleikeller“ genanntes Gewölbe, in welchem infolge der trocknen Luft die aufbewahrten Leichen zu Mumien austrocknen), ferner der 97 m hohe schlanke Turm der Ansgariikirche, das schöne gotische Gewölbe der Johanniskirche und die schöne, neuerbaute Rembertikirche. Andre hervorragende Gebäude sind: das prächtige Rathaus (1404–1407 gebaut, doch stammt die Renaissancefassade erst aus den Jahren 1609–12), das sehr unschöne Stadthaus, der Schütting (Haus der Kaufmannschaft), die Börse (ein prächtiges gotisches Gebäude, 1861–64 von Heinrich Müller erbaut), das Arbeitshaus vor der großen Weserbrücke, das Gebäude der Wasserleitung, die neue Hauptschule, die Realschule beim Doventhor, zahlreiche Volksschulgebäude, die prächtige Reichspost an der Domsheide (1878 vollendet), das Gebäude der Reichsbank, das der alten Sparkasse an der Obernstraße, das Gewerbehaus (früher Krameramthaus), das Haus „Seefahrt“ mit Wohnungen für Witwen von Seeleuten (vgl. Kohl, Das Haus Seefahrt zu B., 1862), das Museum (ein großartiges Klublokal), das Gebäude des Künstlervereins mit herrlichem Konzertsaal und schöner, gotisch gewölbter Halle für geselligen Verkehr, die Union, das Haus des Kunstvereins (für Gemälde, Kupferstiche und Skulpturen), die Stadtwage (ein altes Giebelhaus auf der Langen Straße), das Armenhaus, das bei dem Dorf Oslebshausen neuerbaute Zuchthaus, das große Krankenhaus, das Siechenhaus, das Diakonissenhaus, das St. Josephsstift, die öffentliche Badeanstalt (1877 vollendet), der großartige, 1882 vollendete Schlachthof, die Gasanstalt und die Bahnhöfe. Unter dem Rathaus findet sich der berühmte Ratskeller, den Wilh. Hauff durch seine „Phantasien“ poetisch verherrlicht hat (vgl. Kohl, Der Ratsweinkeller zu B., 1866); seine besten Weinsorten sind „die Rose“ (1624–1731er, Rüdesheimer und Moselwein) und der Apostelwein (1666–1783er, Hochheimer, Rüdesheimer und Johannisberger). B. besitzt sehr gute Schulen, namentlich ein Gymnasium, eine Handelsschule (Realgymnasium) und eine beiden gemeinsame Vorschule, zwei städtische und eine Privatrealschule, eine Seefahrtsschule, ein Lehrerseminar, eine Zeichenschule, eine Fortbildungsschule für Frauen und Mädchen, zwei Lehrerinnenseminare und zahlreiche gehobene Volks- und Freischulen; die Töchterschulen sind sämtlich Privatinstitute. An höhern wissenschaftlichen Instituten ist B. sehr arm. Die Stadtbibliothek hat erst seit etwa zwei Jahrzehnten eine größere Bedeutung erhalten; ebenso sind die (früher der Gesellschaft „Museum“ gehörigen, seit 1876 aber städtischen) Sammlungen für Naturgeschichte und Ethnographie nur in einzelnen Zweigen (der ausgezeichneten Vogelsammlung, dem Herbarium und dem ethnographischen Teil) wertvoll. Die Kunstsammlungen des Kunstvereins enthalten einige wertvolle Ölbilder und eine große Anzahl kostbarer Kupferstiche. Eine seit 1878 bestehende kunstgewerbliche Sammlung hat bei ihren geringen Mitteln noch keinen größern Aufschwung nehmen können. Von großer Bedeutung für das geistige Leben der Stadt sind der Künstlerverein (über 1300 Mitglieder), der Naturwissenschaftliche Verein, die Singakademie, die Geographische Gesellschaft, der Kunstverein (der Ausstellungen von Kunstwerken veranlaßt), der Gewerbe- u. Industrieverein, der Arbeiterbildungsverein Vorwärts (seit 1848). Unter den in B. erscheinenden Zeitungen ist die „Weserzeitung“ die bedeutendste.

Die Industrie Bremens hat im ganzen nur eine geringe Bedeutung. B. besitzt ansehnliche Eisengießereien und Maschinenfabriken, Bierbrauereien, Fabriken für Spirituosen und Zigarrenkisten und namentlich wichtige Reisschälmühlen, deren Produkt (sogen. „polierter Reis“) gegenwärtig einen Hauptausfuhrartikel bildet. Bis vor kurzem blühten namentlich auch Zuckersiederei und Zigarrenfabrikation, welch letztere 1867 noch nahe an 2900 Menschen beschäftigte; doch ist der Export dieses Artikels seitdem zurückgegangen (1871: 75,118 Mille, 1883: 70,175 Mille), und die Fabrikation hat sich zu einem großen Teil über die Zollvereinsgrenze nach dem preußischen Ort Hemelingen gezogen. Dagegen hat sich der Schiffbau in den letzten Jahren wieder etwas vermehrt. 1883 waren auf Bremer Gebiet 6 Werften mit 1357 Arbeitern in Thätigkeit; 1881–83 wurden 31 Schiffe von 14,489 Registertons Größe erbaut. In Bremerhaven sind seit 1878 große Werften zum Bau von eisernen Schiffen entstanden.

Handel. B. ist die zweite deutsche Handelsstadt, liegt aber als solche sehr ungünstig. Der Weserstrom genügt trotz zahlreicher zu seiner Vertiefung ausgeführter Arbeiten nur für den Verkehr von Flußschiffen und kleinen Seeschiffen. B. gründete deshalb 1827 an der Unterweser den Ort Bremerhaven (s. d.); ohne die dortigen Hafenanstalten wäre der merkantile Aufschwung [388] Bremens nicht möglich gewesen. Durch eine Kommission der Uferstaaten ist ein umfassendes Projekt zur Korrektion der Unterweser von der See bis B. ausgearbeitet worden, zu dessen teilweiser Durchführung die Stadt B. 1883–85 die sogen. Lange Bucht durchstechen ließ. Die Stadt ist mit Hannover, Bremerhaven und Vegesack, mit Oldenburg, Osnabrück, Hamburg und seit 1873 direkt mit Berlin (Linie Langwedel-Ülzen) durch Eisenbahnen verbunden. Die bremischen Eisenbahnen sind 1. April 1883 in den Besitz des preußischen Staats übergegangen. B. hat mehrere Banken, darunter die 1856 gegründete Bremer Bank mit einem Kapital von 164/7 Mill. Mk. (5 Mill. Thlr. Gold) und einem jährlichen Umsatz von über 1000 Mill. Mk., und andre Handelsgesellschaften, auch einen bedeutenden Konsumverein und mehrere vielbenutzte, für den Geldverkehr wichtige Sparkassen. Der Betrag der in B. diskontierten Wechsel belief sich 1883 auf 435,691 Mill. Mk. Daneben bestehen in B. zahlreiche Seeassekuranzkompanien, bei denen durchschnittlich 380 Mill. Mk. versichert sind; ferner die Zentralstelle der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, eine Lebensversicherungsbank, eine Brandversicherungsanstalt und eine Viehassekuranz. Das großartigste Institut zur Hebung des Handels ist der Norddeutsche Lloyd, eine seit 1857 bestehende Dampfschiffahrts-Gesellschaft, welche gegenwärtig mit 33 transatlantischen Dampfern regelmäßige Verbindungen nach Southampton, Havre, New York, Baltimore, New Orleans, Westindien und Südamerika sowie mit 10 Dampfern Verbindungen nach London, Hull, Leith, Antwerpen und Rotterdam unterhält und außerdem kleinere Dampfschiffe für die Fahrt nach Norderney und Helgoland und für Flußschiffahrt sowie zahlreiche Schleppkähne besitzt. Der Handel Bremens, welcher bis etwa 1878 in außerordentlichem Aufschwung begriffen war, vermittelt vorzüglich den Verkehr des Innern von Deutschland mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika; doch bestehen auch sehr bedeutende Verbindungen mit Rußland, Skandinavien, Dänemark, England, Frankreich, dem Kapland, Ostindien, China, Japan, den Sandwichinseln, Westindien, Brasilien und den Vereinigten Staaten von Kolumbien. Die gesamte Handelsflotte Bremens zählte Ende 1883: 356 Seeschiffe von 307,559 Registertons (99 Dampfer von 89,046 Ton.). Im J. 1883 kamen in den bremischen Häfen an: 2869 Seeschiffe von 1,258,529 Registertons (881 Dampfer von 827,200 T.), darunter unbeladen 352 Schiffe von 43,596 Registertons; 817 waren bremische, 1300 andre deutsche, 374 großbritannische, 177 niederländische etc.; es liefen aus: 3133 Seeschiffe von 1,266,945 Registertons (882 Dampfer von 819,266 T.), darunter unbeladen 747 Seeschiffe von 323,645 Registertons. B. ist Hauptstapelplatz für den Handel mit amerikanischem Tabak und andern amerikanischen Produkten (Reis, Farbhölzer, Häute etc.), erster deutscher Markt für Rohbaumwolle und neben Antwerpen erster europäischer Importhafen für Petroleum (raffiniert). Andre wichtige Einfuhrartikel sind: Kaffee, Getreide und Hülsenfrüchte, Mehl. Die Gesamtein- und -Ausfuhr betrug nach Gewicht und Wert:

Jahr Einfuhr Ausfuhr
metr. Zent­ner brutto Mark metr. Zent­ner brutto Mark
1881 17300377 554562714 12834086 526492940
1882 16586051 500351892 11705963 482165685
1883 18116572 554433202 13139309 521929606

Die Quantitäten der wichtigsten Handelsartikel betrugen 1883 in Millionen Kilogramm:

Handelsartikel Ein­fuhr Aus­fuhr
Baumwolle (netto) 119,2 116,3
Roggen 96,1 67,3
Weizen 3,7 4,6
Mehl 17,7 7,1
Tabak 43,2 36,7
Reis 167,9 148,9
Zucker 9,0 1,3
Petroleum 154,9 137,3
Zigarren 76176
Mille

Die Werte, mit denen die einzelnen Länder 1883 am Handel Bremens beteiligt waren, betrugen in Millionen Mark:

  Einfuhr Ausfuhr
Europa 265,6 417,2
davon: deutsches Zollgebiet 142,3 274,4
  Hamburg 18,8 22,7
  Großbritannien 60,8 20,4
  Österreich 10,7 39,7
Asien 35,7 0,7
davon: Britisch-Ostindien 34,2 0,4
Afrika 4,3 0,6
Amerika 247,9 96,9
davon: Vereinigte Staaten 195,1 79,7
  Argentinien 23,7 11,7
  Brasilien 14,5 1,7
  Westindien 9,0 1,4
Australien 0,9 1,3

Eine hervorragende Bedeutung besitzt B. als Auswanderungshafen. Die Beförderung von Auswanderern betrug:

Jahr Schiffe Personen
1832–63 5590 811156
1864–73 1837 589122
1874 152 30633
1875 96 24503
1876 107 21665
1877 109 19179
1878 111 21483
1879 118 26654
1880 142 80330
1881 167 122767
1882 168 114955
1883 177 109881
1884 173 103121
1874–84 1620 675171

Die Gesamtzahl der während der 52 Jahre von 1832 bis 1884 über B. Ausgewanderten beläuft sich somit auf 2,075,449; im Durchschnitt wanderten in der Periode 1832–63 jährlich 26,166 Personen, in den beiden folgenden Jahrzehnten jährlich mehr als die doppelte Anzahl aus. Die meisten Auswanderer stammten aus Preußen, nächstdem aus Böhmen, Bayern, Württemberg, Hessen, Baden etc.; ihre Hauptziele waren New York und Baltimore, weniger die südlichen Häfen der Union. – Über die Freihafenstellung Bremens s. oben, S. 386.

B. hatte bis Ende 1871 sein eignes Maßsystem, welches auf den Bremer Fuß = 0,28935 m begründet war; seit 1. Jan. 1872 gelten die deutschen Maße und Gewichte. Als Münze galt bis Ende Juni 1872 der Goldthaler à 72 Grote à 5 Schwaren; 1 Pfd. fein Gold wurde gerechnet zu 420 Goldthaler, doch waren diese Goldthaler als Münzen (abgesehen von einem kleinen Vorrat an silbernen Denkmünzen in diesem Wert) nicht ausgeprägt; es zirkulierten Pistolen à 5 Thlr. Gold. Seit 1. Juli 1872 gilt in B. die deutsche Reichsmark à 100 Pf.

Die nähere Umgebung der Stadt ist einförmig. Die alten Festungswerke sind in herrliche Anlagen verwandelt, die jetzt mitten in der Stadt liegen; außerdem ist seit 1865 eine große, der Stadt gehörige Weide mit Hilfe freiwilliger Gaben der Bürger in einen Park (Bürgerpark) verwandelt worden. Etwa 7 km östlich von der Stadt liegen zahlreiche Landsitze in den schönen Eichengehölzen von Oberneuland; andre liegen 12 km nördlich von B. am steilen Ufer der Lesum.

[389]
Geschichte.

Unter dem Namen Bremon (später Brema) wird die Stadt zuerst 788 urkundlich erwähnt, in welchem Jahr Karl d. Gr. daselbst ein Bistum gründete (s. unten). Bis 967 von einem königlichen Vogt verwaltet, kam die Stadt danach unter die Herrschaft des Erzbischofs. Die Vogtei wurde 1088 dem Grafen von Supplingenburg übertragen und verblieb bis 1219 dem Haus der Welfen. Doch erlangte die Stadt im 11., 12. und 13. Jahrh. so zahlreiche Freiheiten, daß sie 1276 dem Hansabund beitreten und sich der landesfürstlichen Hoheit allmählich ganz entziehen konnte. Sie galt offiziell als bischöfliche Stadt und erlangte erst durch Kaiser Ferdinand III. 1646 die Reichsfreiheit. Nach außen hin wurde B. durch seine Abhängigkeit vom Bischof wenig behindert; es schloß Handelsverträge, erwarb Privilegien, namentlich in Norwegen und England, und gründete Kolonien, so 1158 Riga in Livland. Doch zeigte sich B. für die gemeinsamen Interessen der Hansa nicht sehr eifrig und wurde mehrmals mit Ausschließung aus dem Bund bestraft. Die Reformation fand in B. eifrige Anhänger; 1532 trat die Stadt dem Schmalkaldischen Bund bei und hielt auch nach der Schlacht bei Mühlberg trotz kaiserlicher Acht und Belagerung die Sache des Protestantismus mit Erfolg aufrecht. Wenige Jahre später erbitterte der Fanatismus lutherischer Geistlichen, vor allen des Predigers Timann, die Bürgerschaft so sehr, daß sie die calvinistische Lehre offiziell annahm. Auch gegen Schweden, welches 1648 das Bistum B. erhalten hatte, behauptete die Stadt ihre Selbständigkeit, doch unter schweren Kämpfen; 1666 verdankte sie ihre Rettung nur der Fürsprache der benachbarten Fürsten. 1803 blieb B. freie Reichsstadt und erhielt sogar eine Gebietsvergrößerung. Napoleon I. zog die Stadt 1810 zum französischen Reich und machte sie zur Hauptstadt des Departements der Wesermündungen. Nach der Leipziger Schlacht von den Alliierten eingenommen, ward B. 1815 zur Freien Stadt des Deutschen Bundes erklärt. Von dieser Zeit an begannen in B. heftige innere Kämpfe. Die frühere Verfassung war trotz verschiedener Versuche, eine Demokratie herzustellen, im wesentlichen aristokratisch gewesen: das Regiment war durch die „Neue Eintracht“ von 1534 dem Rat anheimgegeben worden, der nach freiem Ermessen die Angesehensten und Wohlhabendsten aus der Bürgerschaft zur Mitberatung einlud. Nach dem Sturz Napoleons und der Herstellung der Reichsfreiheit bewilligte der Rat 23. Febr. 1816 aus freien Stücken der Bürgerschaft eine geregelte Teilnahme an der Wahl des Rats an Stelle der Kooptation. An der Spitze des Staats standen nun der Senat (4 Bürgermeister und 24 Senatoren) und die Bürgerschaft (500 Mitglieder nebst den aus 20 Großkaufleuten bestehenden Ältermännern). Die Stadt schloß sich 1828 dem Mitteldeutschen Handelsverein an, der sich jedoch schon 1831 auflöste.

Im März 1848 kam es in B. zu stürmischen Auftritten, die zur Folge hatten, daß durch den verstärkten Bürgerkonvent ein Wahlmodus festgestellt, dann eine wirkliche Vertretung der Bürgerschaft gewählt und von dieser in Gemeinschaft mit dem Senat eine neue Verfassung ausgearbeitet wurde. Dieselbe trat zwar 18. April 1849 ins Leben, als aber im übrigen Deutschland die Reaktion die Oberhand gewann, versuchte auch der bremische Senat, eine Revision der Verfassung durchzusetzen. Unter dem Schutz eines Bundeskommissars, des hannöverschen Generals Jakobi, wurden im Februar 1852 die Gesetze über Presse und Vereinsrecht suspendiert, die Bürgerschaft ward aufgelöst und mittels eines oktroyierten Wahlgesetzes die Vertretung der Bürgerschaft auf 150 Mitglieder beschränkt, mit denen sich der Senat über wesentliche Beschränkungen der Märzerrungenschaften einigte. Die neuen Bestimmungen wurden 21. Febr. 1854 publiziert; seitdem wird die Gesetzgebung von Senat und Bürgerschaft ausgeübt (s. oben). Die militärische Verteidigung Bremerhavens wurde 1853 vertragsweise von Hannover gegen Entschädigung übernommen. Trotz dieses Vertrags war Hannover ein sehr unbequemer Nachbar, namentlich seit es durch die großartigen Hafenanlagen von Geestemünde einen Teil des Handelsverkehrs von B. abzuziehen suchte. Dagegen erstarkte in B. die nationale Partei, welche schon vor 1866 wenn nicht geradezu die Annexion, so doch den Anschluß an Preußen wünschte. In die neue Gestaltung Deutschlands trat B. bereitwillig ein, sandte bisher stets national gesinnte Vertreter in den Reichstag, beteiligte sich auch am französischen Krieg in opferfreudiger Weise und gab 1884 auch seine Zustimmung zur Aufhebung seiner Freihafenstellung. Vgl. Buchenau, Die freie Hansastadt B. (2. Aufl., Brem. 1882); das amtliche „Staatshandbuch der freien Hansastadt B.“ (jährlich) und das „Jahrbuch für die amtliche Statistik des Bremer Staats“; Roller, Versuch einer Geschichte der Stadt B. (Brem. 1799–1804, 4 Bde.); ferner Rynesberg und Schene, Bremer Chronik (hrsg. von Lappenberg, 1841); Donandt, Geschichte des Bremer Stadtrechts (das. 1830, 2 Bde.); „Bremisches Urkundenbuch“ (hrsg. von Ehmck und v. Bippen, das. 1853–83, Bd. 1–4) und die vom Künstlerverein herausgegebenen Werke: „Bremisches Jahrbuch“ (historischen Inhalts, das. 1864–82, 12 Bde.) und „Denkmale der Geschichte und Kunst der freien Hansastadt B.“ (das. 1864–70, 3 Bde.); v. Bippen, Aus Bremens Vorzeit (das. 1885).

Bremen, ehemaliges Herzogtum (säkularisiertes Erzstift), jetzt ein Bestandteil der preußischen Provinz Hannover, das mit dem Hochstift Verden und dem Land Hadeln den Regierungsbezirk Stade bildet und im N. an die Nordsee und die Elbe (Grenze von Holstein), im O. an Lüneburg und Verden, im S. an Hoya und das braunschweigische Amt Thedinghausen, im W. an das Gebiet der Freien Stadt B. und das Land Hadeln grenzt. Die 5176 qkm (94 QM.) große Landschaft bildet eine Heide- und Moorebene, die von ihren zwei Hauptströmen, Elbe und Weser, mit einem Besatz von fruchtbarem Marschland beschenkt worden ist. Der westliche Küstenstrich längs der Watte der Nordenweser heißt: das Land Wursten, der Strich zwischen Oste und Elbmündung, im N. von Stade: Kehdingen (im W. durch das große Kehdinger Moor begrenzt) und das Uferland von Hamburg an der Estemündung: das Alte Land. Die noch etwa 275 qkm (5 QM.) umfassenden Moorstrecken werden allmählich durch Kolonisation in Wiesen und Ackerland verwandelt. Der hauptsächlichste Erwerb besteht in Ackerbau und Viehzucht (treffliche Pferde) nebst Torfstecherei und Schiffahrt. Die Landschaft zählt etwa 246,000 Einw. Landeswappen: zwei kreuzweise gelegte silberne Schlüssel in Rot. – Die bremischen Ebenen, im Mittelalter häufig Wigmodien genannt, wurden von Karl d. Gr. erobert, der die Verwaltung einem Gaugrafen übertrug und 788 einen Bischof für diese Gegenden ernannte. Doch bekam das Bistum größere Bedeutung erst durch Ansgar, den Apostel des Nordens, welcher nach Zerstörung seines Sitzes in Hamburg das Bistum zu B. übernahm (849). Papst Nikolaus I. schied 864 das Bistum B. aus dem Kölner [390] Metropolitanverband aus und überwies es dem Erzstift Hamburg, das fortan mit B. vereinigt war. 966 erwarb Erzbischof Adeldag, Ottos I. vertrauter Ratgeber, für sein Stift die Immunität. Der berühmteste unter den Erzbischöfen ist Adalbert I. (1043–72), der eine Zeitlang als Vormund König Heinrichs IV. die Reichsregierung führte, aber vergeblich sich bemühte, sein Erzbistum zu einem Patriarchat zu erheben, dem zwölf Suffraganbistümer im Nordosten Deutschlands unterstellt werden sollten. 1223 fand die definitive Übertragung des Erzbistums von Hamburg nach B. statt. Unter dem Erzbischof Christoph, Herzog von Braunschweig-Lüneburg (1511–58), fand die Reformation in B. Eingang. Der letzte Erzbischof von B. war Friedrich, Prinz von Dänemark, welcher aber, ehe er eigentlich zur Regierung kam, 1645 vertrieben wurde und als König Friedrich III. (1648) den dänischen Thron bestieg. Durch den Westfälischen Frieden kam B. mit Verden an Schweden als Herzogtum mit der Hauptstadt Stade. Dieses Herzogtum wurde von den Dänen, welche dasselbe im nordischen Krieg 1712 besetzt hatten, 1715 an Hannover durch Kauf abgetreten, was Schweden durch den Hamburger Vergleich 1729 gegen eine Geldentschädigung anerkannte. Von 1803 bis 1806 in französischer Gewalt, kam das Land auf kurze Zeit an Preußen, machte dann einen Teil des Königreichs Westfalen, später des Departements der Wesermündungen aus, bis es 1814 an Hannover zurückgegeben wurde. Nach dem Krieg von 1866 wurde es als Teil von Hannover von Preußen annektiert. Vgl. Kobbe, Geschichte und Landesbeschreibung der Herzogtümer B. und Verden (Götting. 1825, 2 Tle.); Lappenberg, Geschichtsquellen des Erzstifts und der Stadt B. (Brem. 1841); Wiedemann, Geschichte des Herzogtums B. (Stade 1866, 2 Bde.); Dehio, Geschichte des Erzbistums Hamburg-B. (Berl. 1877, 2 Bde.); Mithoff, Kunstdenkmale und Altertümer im Hannöverschen, Bd. 5: B. (Hannov. 1878); Diercke und Schröder, Heimatskunde der Herzogtümer B. und Verden (Stade 1880).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 165
korrigiert
Indexseite

[165] Bremen. Die Zahl der Einwohner des Gebiets der freien Hansestadt B. beträgt (1885) 165,628 Seelen (648 auf 1 qkm), davon kommen 111,940 auf die Stadt B., 13,743 auf die Stadt Bremerhaven, 3724 auf die Stadt Vegesack. Von der Bevölkerung waren 116,402 Staatsangehörige, 47,218 Angehörige andrer Bundesländer und 2008 Reichsausländer; 157,944 waren Evangelische, 6196 Katholiken, 2505 andre Christen und 16,848 Juden. Im J. 1888 hatte die Wareneinfuhr einen Wert von 552,231,968 Mk., die Warenausfuhr von 517,285,390 Mk., dazu edle Metalle 59,989,368 Mk. in der Durchfuhr; davon wurden seewärts eingeführt für 414,7 Mill., ausgeführt für 243,9 Mill. Mk., land- und flußwärts eingeführt für 198,2 Mill., ausgeführt für 333,3 Mill. Mk. Nach Warengattungen bezifferte sich der Wert (in Mark) von

  Einfuhr Ausfuhr
Verzehrungsgegenständen 174434471 165582806
Rohstoffen 233576663 226026673
Halbfabrikaten 18233633 15471496
Manufakturwaren 59398056 53493486
andern Industrieerzeugnissen 67289142 56710929

An der Einfuhr waren besonders beteiligt die Vereinigten Staaten von Nordamerika (199 Mill. Mk.), das deutsche Zollgebiet (178,8 Mill.), Südamerika (42,6 Mill.), Großbritannien (34,9 Mill.), Britisch-Ostindien (29,4 Mill.), Hamburg (27,8 Mill, Mk.); an der Ausfuhr das deutsche Zollgebiet (306 Mill. Mk.), die Vereinigten Staaten von Nordamerika (92,8 Mill.), Hamburg (30 Mill.), Österreich (29 Mill.), Großbritannien (23 Mill.), das europäische Rußand (13 Mill. Mk.). Zur See liefen 1888 ein 2665 Schiffe von 1,477,499 Ton., davon 1072 Dampfer von 1,177,052 T.; es gingen ab 2911 Schiffe von 1,474,679 T., davon 1069 Dampfer von 1,172,579 T. Von den ankommenden Schiffen liefen die meisten (1208 von 1,056,163 T.) in Bremerhaven ein, nur 910 von 113,247 T. gingen die Unterweser bis B. hinauf. Der Warenverkehr auf der Oberweser umfaßte 1136 beladene Fahrzeuge von 172,440 T. Die Weserhandelsflotte belief sich Ende 1888 auf 520 Schiffe von 436,776 T., davon gehörten nach B. 341 Schiffe von 325,522 T. Der Bremer Lloyd besaß 1888: 133 Fahrzeuge (darunter 36 große transatlantische Dampfer) von 156,061 T. Auf seinen Linien nach New York, Baltimore, Südamerika, Ostasien und Australien wurden 1888 befördert: 161,364 Personen und 264,171 cbm Güter. Die Dampfergesellschaften Hansa und Neptun besaßen jede 16 Dampfer. Der Staatshaushalt ergab für 1888/89 in der Einnahme 13,554,813 Mk., in der Ausgabe 24,796,690 Mk., darunter 12,369,370 Mk. außergewöhnliche Ausgaben. Die Staatsschuld, zu 4 Proz. umgerechnet, betrug 1. April 1889: 62,373,225 Mk. (davon für Eisenbahnen 7,007,775 Mk., für Hafenbauten u. dgl. 36,096,675 Mk.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 139140
korrigiert
Indexseite

[139] Bremen. Der Handel hat im J. 1889 nach erfolgtem Zollanschluß eine erhebliche Steigerung erfahren. Die Wareneinfuhr belief sich auf 6631/2 Mill. Mk. (1101/2 Mill. Mk. mehr als 1888) und die Warenausfuhr auf 6281/2 Mill. Mk. (111 Mill. Mk. mehr). Davon wurden seewärts eingeführt für 4371/2 Mill. Mk., ausgeführt für 2863/4 Mill. Mk., land- und flußwärts eingeführt für 226 Mill. Mk., ausgeführt für 3413/4 Mill. Mk. Nach Warengattungen bezifferte sich der Wert (in Mark) von

  Einfuhr: Ausfuhr:
Verzehrungsgegenständen 190575147 190195930
Rohstoffen 322954243 305919244
Halbfabrikaten 21927394 19110555
Manufakturwaren 60061425 55279593
Andern Industrie-Erzeugnissen 68024430 57989833

Die Mehreinfuhr gegenüber 1888 beträgt bei den Rohstoffen 89 Mill. Mk. (darunter Baumwolle +46 Mill. Mk., Schafwolle +323/4 Mill. Mk.), bei den Verzehrungsgegenständen 16 Mill. Mk., eine Steigerung, die in der stärkern Zufuhr von Schlachtvieh, Mais, Zucker, Wein etc. ihre Erklärung findet. An der Einfuhr waren 1889 am meisten beteiligt: das deutsche Zollgebiet (226 Mill. Mk.), die Vereinigten Staaten von Nordamerika (188 Mill.), Südamerika (55 Mill.), Großbritannien (40 Mill.), Britisch-Ostindien (33 Mill.), an der Ausfuhr: das deutsche Zollgebiet (346 Mill.), die Vereinigten Staaten von Nordamerika (102 Mill.), Österreich-Ungarn (36 Mill.), Großbritannien (31 Mill. Mk.). Zur See liefen ein 2883 Schiffe (unbeladen 333) von 1,682,726 Ton., gingen ab 3164 Schiffe (unbeladen 826) von 1,673,867 T. Von der Oberweser kamen an 786 Frachtschiffe (davon 80 unbeladen) von 177,000 T., es gingen ab 539 Frachtschiffe (davon 330 unbeladen) von 179,000 T. Die Weserhandelsflotte zählte Ende 1889: 513 Schiffe von 459,505 T., darunter 342 bremische von 350,720 T. Der Norddeutsche Lloyd besaß 146 Fahrzeuge (darunter 40 große transatlantische Dampfer) von 182,817 T. – Der Staatshaushaltsetat für das Jahr 1890/91 enthält an Ausgaben 12,816,023 Mk. (darunter 1,387,535 Mk. außerordentliche), an Einnahmen 12,404,240 Mk. (darunter 568,000 Mk. außerordentliche); es ergibt sich daraus ein Defizit von 411,783 Mk. Die ordentlichen Ausgaben sind in folgender Weise veranschlagt:

Senat und Bürgerschaft 304900 Mark
Rechtspflege 695280
Polizei 1248368
Finanzverwaltung (darunter für die Staatsschuld 2,769,900 Mk.) 4325200
Unterricht 1522075
Bauwesen 867065
Eisenbahnen 395500
Hafenanstalten 686350
Vermischte Ausgaben 442750
Reich und Auswärtiges 941000
Zusammen: 11428488 Mark

Die ordentlichen Einnahmen betragen:

Von Eigentum und Rechten 2120280 Mark
Direkte Steuern 5371500
Indirekte Steuern 1500300
Gebühren etc. 430100
Vermischte Einnahmen 1400380
Einnahmen vom Reich 1013680
Zusammen: 11836240 Mark

Das anschlagsmäßige Defizit soll aus dem Überschuß des Finanzjahrs 1889/90 gedeckt werden; denn letzteres schloß mit einem Überschuß von 411,692 Mk., während man ein Defizit von 933,041 Mk. vorausgesehen hatte. Mit der Finanzabrechnung von 1889/90 [140] verglichen, sind die Ausgaben für 1890/91 um 1,052,000 Mk. höher, die Einnahmen um 553,000 Mk. niedriger veranschlagt. Die Staatsschuld betrug 1. April 1890: 69,815,050 Mk. und hat gegen das Vorjahr um 377,900 Mk. abgenommen. Von der für die Anlage des Freihafens ausgeworfenen Summe von 341/2 Mill. Mk. waren 1. April 1890: 251/7 Mill. Mk. verausgabt, und zwar 231/7 Mill. Mk. für B., der Rest für Bremerhafen.


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 123
korrigiert
Indexseite

[123] Bremen. Die Bevölkerung des Gebietes der freien Hansestadt B. betrug nach der Volkszählung vom 1. Dez. 1890: 180,443 Seelen und hat seit 1885 um 14,815 (8,9 Proz.) Seelen zugenommen. Von jener Einwohnerzahl kommen auf die Stadt Bremen 125,684 (Zunahme seit 1885: 7641 Einw. oder 6,5 Proz.), auf Vegesack 3918 (Zunahme seit 1885: 111 Einw. oder 2,9 Proz.), auf Bremerhaven 16,335 (Zunahme seit 1885: 1613 Einw. oder 11 Proz.) und auf das Landgebiet 34,506 (Zunahme seit 1885: 5823 Einw. oder 20,3 Proz.). Der Handel Bremens weist im J. 1890 gegenüber dem schon günstigen Vorjahr eine beträchtliche Steigerung auf, wobei jedoch bemerkt zu werden verdient, daß zu Ende des Jahres ein Rückschlag eintrat, der für das Jahr 1891 weniger günstige Aussichten eröffnet. Die Wareneinfuhr belief sich 1890 auf 750 Mill. Mark (86,4 Mill. Mk. mehr als 1889) und die Warenausfuhr auf 706,6 Mill. Mk. (78,1 Mill. Mk. mehr). Davon wurden seewärts eingeführt für 504 Mill., ausgeführt für 314,1 Mill. Mk., land- und flußwärts eingeführt für 245,8 Mill., ausgeführt für 392,5 Mill. Mk. Nach Warengattungen bezifferte sich der Wert (in Mark) von:

  Einfuhr Ausfuhr
Verzehrungsgegenständen 205345516 199657130
Rohstoffen 375475872 356530636
Halbfabrikaten 23872739 21458645
Manufakturwaren 69589527 65297686
Andern Industrieerzeugnissen 75654853 63653395

Unter den Rohstoffen ist der wichtigste Handelsartikel Baumwolle, wovon für 180,6 Mill. Mk. (für 43,9 Mill. Mk. mehr als 1889) ein- und für 178,3 Mill. Mk. (47,4 Mill. Mk. mehr) ausgeführt wurde. Schafwolle wurde für 84 Mill. Mk. ein- und für 83,3 Mill. Mk. ausgeführt. Die Einfuhr von Petroleum hat sich seit dem Vorjahr von 18,6 auf 19,4 Mill. Mk. gehoben. Auch der Handel in Tabak hat sich gehoben, nämlich die Einfuhr (56,3 Mill. Mk.) um 8,5 Mill. Mk., die Ausfuhr (62,4 Mill. Mk.) um 4,2 Mill. Mk. An der Einfuhr waren 1890 am meisten beteiligt: Deutschland (245 Mill. Mk.), die Vereinigten Staaten von Nordamerika (232,9 Mill.), Südamerika (60,9 Mill.), Großbritannien (46 Mill.), Britisch-Ostindien (36,4 Mill. Mk.); an der Ausfuhr: Deutschland (391,1 Mill. Mk.), die Vereinigten Staaten von Nordamerika (122,4 Mill.), Österreich (47,8 Mill.) und Großbritannien (32,3 Mill. Mk.). Zur See liefen 1890 ein: 2950 Schiffe (davon 1190 Dampfer) von 1,733,809 Ton., darunter in Geestemünde, Brake, Nordenhamm 418 Schiffe von 377,569 T.; es gingen ab: 3250 Schiffe (davon 1194 Dampfer) von 1,673,867 T. Auf der Oberweser gingen zu Berg: 607 beladene Schiffe von 95,400, zu Thal: 900 beladene Schiffe von 142,064 T. Die Weserhandelsflotte zählte Ende 1890: 527 Schiffe von 495,237 T., darunter 353 bremische von 378,068 T. An Auswanderern wurden 140,410 Personen (1889 102,923) befördert, meist nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika (107,156) und Brasilien (31,984). Das Budget für 1891/92 enthält an Ausgaben 14,242,820 Mk. (darunter 1,780,631 Mk. außerordentliche und 270,000 Mk. für Erhöhung der Beamtengehälter), an ordentlichen Einnahmen 12,954,720 Mk., an außerordentlichen 1,288,100 Mk. Die ordentlichen Ausgaben sind veranschlagt:

Senat und Bürgerschaft 305900 Mark
Rechtspflege 741400
Polizei 1395690
Finanzverwaltung 4731100
Unterricht 1547600
Bauwesen 942907
Eisenbahnen 393900
Hafenanstalten 707130
Vermischte Ausgaben 473700
Reich und Auswärtiges 1135400
  12374727 Mark
Abzug für voraussichtliche Minderausgaben 332538
Zusammen: 12042189 Mark

Bei der Finanzverwaltung erfordert die Staatsschuld für Verzinsung und Tilgung 3,188,700 Mk., die Zollverwaltung 1,129,000 Mk. Die ordentlichen Einnahmen betragen:

Von Eigentum und Rechten 2214900 Mark
Direkte Steuern 5773100
Indirekte Steuern 1918600
Gebühren etc. 475800
Vermischte Einnahmen 1401000
Einnahmen vom Reich 1171000
Zusammen: 12954400 Mark

Das Etatsjahr 1890/91 schloß mit einem Überschuß von 967,342 Mk., da sich bei einer Einnahme von 13,870,399 Mk. die Ausgabe nur auf 12,903,057 Mk. belief. Die Staatsschuld betrug 1. April 1891 79,114,300 Mk.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Flaggen I