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MKL1888:Charakteristik

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Charakteristik“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 944
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Charakteristik. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 944. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Charakteristik (Version vom 23.06.2021)

[944] Charakteristik (griech.), kennzeichnende Schilderung eines Gegenstandes; Verleihung eines Charakters. Im ästhetischen Sinn besteht dieselbe in der Kunst, die Eigentümlichkeit des Darzustellenden auch seiner Darstellung aufzuprägen. Ob jenes schön oder häßlich sei, kommt dabei nicht in Betracht, wenn sich nur seine unterscheidenden (d. h. wesentlichen) Züge vollständig in der Darstellung wiederfinden. Die charakteristische See- oder Alpenlandschaft, das charakteristische Porträt, der charakteristisch gezeichnete Eifersüchtige Shakespeares oder Geizige Molières tragen die unerläßlichen Kennzeichen der Meeres- und Gebirgsnatur, des dargestellten Originals, der wirklichen Leidenschaften der Eifersucht und des Geizes an sich, deren getreue Wiedergabe die genaueste Kenntnis des darzustellenden Objekts von seiten des Darstellers bedingt. Mangelhafte C., welche unentbehrliche Merkmale außer acht läßt, erzeugt Undeutlichkeit und Verschwommenheit des Bildes, welche immer vom Übel sind. Dagegen bringt bloße C. zwar Deutlichkeit, die sich aber auf die wesentlichen Merkmale (auch wenn sie häßlich sind) beschränkt und unwesentliche (auch wenn sie schön wären) fallen läßt, verglichen mit der auf (charakteristische) Darstellung des Schönen gerichteten schönen Kunst, nicht selten einerseits Häßlichkeit, anderseits Dürftigkeit der Darstellung hervor. Dieselbe ist daher mehr in dem Licht einer Sprache, welche auf richtige, als in dem einer Kunst, welche auf schöne Darstellung ausgeht, anzusehen. – C. oder Kennziffer eines Logarithmus (s. d.) ist die Anzahl der ganzen Einheiten desselben im Gegensatz zu dem dazu gehörigen Dezimalbruch, der Mantisse.