MKL1888:Coleridge

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Coleridge“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 204205
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Coleridge. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 204–205. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Coleridge (Version vom 29.09.2022)

[204] Coleridge (spr. kohlriddsch), 1) Samuel Taylor, engl. Dichter und Schriftsteller, einer der Reformatoren der englischen Poesie, geb. 20. Okt. 1772 zu Ottery St. Mary in Devonshire, wo sein Vater Prediger war, erhielt seine Vorbildung in der Christ’s-Hospitalschule zu London und studierte dann von 1791 bis 1793 zu Cambridge. Schon damals trat seine radikale Gesinnung hervor. Nach Beendigung seiner Studien ging er nach London, aber obwohl seine ersten poetischen Versuche (1794) von nicht unbedeutendem Talent zeugten, so vermochte er sich doch keine litterarische Existenz zu gründen; die Not zwang ihn, in ein Dragonerregiment einzutreten, das ihn aber bald entließ. In seinem Drama „The fall of Robespierre“ (1794), in seiner Zeitung „The Watchman“ (1796) und in seinen Vorlesungen zu Bristol bekundete sich seine Begeisterung für die Ideen der französischen Revolution. Da sein Streben wenig Anklang fand, verband er sich mit Rob. Southey und Rob. Lovell, um in der Neuen Welt eine kommunistische Kolonie zu gründen, die Pantisokratie („Gleichheit aller“) heißen und das geträumte Ideal verwirklichen sollte. Ihre Verheiratung mit drei schönen Schwestern (Fricker aus Bristol) verhinderte indessen die Ausführung des Plans. Nach verunglückten publizistischen Versuchen zog sich C. nach Stowey zurück, wo er mehrere seiner besten Gedichte schrieb, die seinen Ruf begründeten, und widmete sich 1798–1799, von den Brüdern Wedgewood unterstützt, in Deutschland ernsten Studien. Von seiner umfassenden Kenntnis des Deutschen gibt seine Übersetzung von Schillers „Wallenstein“ (Lond. 1800) ein glänzendes Zeugnis. Nach England zurückgekehrt, lebte er bei Southey zu Keswick, trat zur konservativen Partei über und redigierte ein Regierungsorgan: „Morning Post“. Im J. 1804 ging er auf kurze Zeit als Sekretär des Gouverneurs Sir Alex. Ball nach Malta und lebte nach seiner Rückkehr ohne Anstellung bei einem Freunde, dem Wundarzt Gillman, zu Highgate. Innig vertraut mit der deutschen romantischen Litteratur, ein Verehrer Goethes, Schillers und Tiecks, wandte er sich mit seinem Reformationseifer der englischen Poesie zu, die er im Verein mit seinen Freunden, den Dichtern der sogen. Lake-school, aus den Fesseln der Pedanterie und konventionellen Gefühlsform zu befreien suchte, indem er das allgemeine Interesse auf ein nationales Element hinleitete. Eine kleine königliche Pension machte seinen Lebensabend sorgenfrei. Er starb 25. Juli 1834 in Highgate. C. war ein hochbegabter und originell angelegter Dichter und Denker, den aber Armut und Abhängigkeit, Täuschungen aller Art und zuletzt eine zerstörte Gesundheit (die Folge übermäßigen Genusses von Opium) an der vollen Entfaltung seines Talents hinderten. Seine poetischen Werke, als deren Hauptmerkmal eine wunderbare Natursymbolik erscheint, bestehen aus Trauerspielen („Remorse“, 1816, und „Zapoyla“, 1818), der Thomson nachgeahmten Hymne „On Chamouni“, ferner aus Oden, die voll ernster und erhabener Gedanken sind, jedoch an Schwung die von Collins nicht erreichen, und aus Liebesgedichten (darunter die seelenvolle Romanze „Geneviève“), in denen er sich Wordsworths Manier anschließt. Seine Tragödien haben Stellen von hoher poetischer Schönheit, im [205] ganzen aber fehlt es ihnen an Handlung und Leidenschaft. Originell und groß ist C. aber, wenn er sich ganz den wilden Eingebungen seiner Phantasie hingibt und den Aberglauben alter Zeiten, Zauberbilder und geheimnisvolle Märchen aus einer andern Welt in melodischen Versen an uns vorüberziehen läßt. Hierher gehören: die wild-erhabene Rhapsodie „Fire, famine and slaughter“, das düster-schöne, durch Lord Byron veranlaßte, unvollendete Gedicht „Christabel“ (1818 geschrieben; deutsch von Krantz, Danzig 1839) und „The ancient mariner“ (deutsch von Freiligrath; von Höfer, Berl. 1844), zu dem eine Erzählung des Weltumseglers Shelvock den Stoff lieferte. Coleridges Dichtungen erschienen gesammelt 1834 in 4 Bänden (wiederholt 1880). Seine prosaischen Schriften sind: „The Friend“ (eine Sammlung von Essays in zwei Serien, Lond. 1812 und 1850); „The statesman’s manual, a lay sermon“ (1816); „A second lay sermon“ (1817; mit ersterm zusammen, 3. Aufl. 1852); „Aids to reflection“ (1825; 5. Aufl. 1843, 2 Bde.); „On the constitution of the church and state“ (1830, 4. Aufl. 1852). Nach seinem Tod erschienen: „Litterary remains“ (1836–1839, 4 Bde.; neue Ausg. 1863); „Confessions of an inquiring spirit“ (1849) und „Theory of life“ (hrsg. von Watson, 1849); auch sein „Table-talk“ („Tischgespräche“, neue Ausg. 1884) und ein Teil seiner Korrespondenz wurden gesammelt. Eine Ausgabe der „Complete works“ in 7 Bänden besorgte Shedd (New York 1884). Eine Art Selbstbiographie ist die „Biographia litteraria“ (Lond. 1817, 2 Bde.; neue Ausg. 1866); die „Memoirs of T. C.“ gab Gillman (das. 1838, 2 Bde.) heraus. Vgl. Calvert, C., Shelley, Goethe (Boston 1880); Traill, C. (Lond. 1884).

2) Hartley, engl. Dichter, Sohn des vorigen, geb. 19. Sept. 1796 zu Clevedon bei Bristol, erhielt seine Bildung in Oxford und erregte schon als Kind durch seine dichterischen Anlagen die größten Erwartungen, die aber später nicht ganz erfüllt wurden. Einiges in seinen „Poems“ (Lond. 1833) schließt sich an die besten Erzeugnisse der englischen Dichtkunst an. Er schrieb außerdem: „Biographia borealis“ (eine Sammlung nordischer Biographien, Lond. 1833) und „The worthies of Yorkshire and Lancashire“ (1836; neue Ausg. 1852, 3 Bde.). Eine Ausgabe seiner „Essays and marginalia“ (1851, 2 Bde.) sowie seiner „Poems“ (1852, 2 Bde.) wurde von seinem Bruder Derwent C. veranstaltet. C. starb 6. Jan. 1849 zu Rydal in Westmoreland. – Seine nicht minder begabte Schwester Sara C., geb. 22. Dez. 1802 zu Greta Hall bei Keswick, seit 1829 mit ihrem Vetter Henry Nelson C. verheiratet, besaß eine gründliche Kenntnis der griechischen und lateinischen sowie der neuern Sprachen und hat sich durch die Herausgabe der Gedichte ihres Vaters (1847) wie früher durch Übersetzungen, z. B. „An account of the Abipones, an equestrian people of Paraguay“ (a. d. Lat. des M. Dobrizhofer, 1822, 3 Bde.) und „Memoirs of the Chevalier Bayard“ (a. d. Franz. des 16. Jahrh., 1825), verdient gemacht. Auch schrieb sie: „Pretty lessons for good children“ (6. Aufl. 1874) und „Phantasmion“, eine reizende Feengeschichte (1837, neue Ausg. 1874). Sie starb 1852. Vgl. ihre „Memoirs and letters“ (4. Aufl. 1874).