MKL1888:Elastische Nachwirkung
[228] Elastische Nachwirkung, die Eigenschaft der festen Körper, daß sie, von äußern Kräften angegriffen, z. B. bei Dehnung, Biegung, Drillung (Torsion) etc., nicht augenblicklich die Lage ihres definitiven Gleichgewichts annehmen, sondern im Laufe der Zeit bei fortdauernd wirkenden äußern Kräften noch weitere Änderungen erfahren. Ebenso kehren sie, nachdem die äußern Kräfte zu wirken aufgehört haben, nicht sofort, sondern erst nach einiger Zeit in den ursprünglichen Zustand wieder zurück. Dabei ist die Geschwindigkeit, mit welcher die Körperteilchen in ihre Gleichgewichtslage zurückkehren, bei gleicher Verschiebung nicht die nämliche, sondern sie ist abhängig von der Zeit, während welcher die Verschiebung (z. B. Torsion) gedauert hat. Sehr bemerkenswert ist die Übereinanderlagerung (Superposition) der elastischen Nachwirkungen. Hat man einen Draht gedrillt, so daß Nachwirkung eintritt, so werden durch eine entgegengesetzte Torsion die Teilchen nicht in derselben Weise verschoben, wie wenn man dem ungedrillten Drahte dieselbe Torsion erteilt hätte, sondern die Nachwirkung der ersten Torsion ist zurückgeblieben und tritt nach Aufhören der zweiten Torsion und der von ihr herrührenden Nachwirkung wieder hervor. Man kann daher die Nachwirkung nicht aufheben, indem man den Draht durch eine äußere Kraft in die ungedrillte Lage zurückführt; selbst wenn man ihn in dieser Lage einige Zeit festhält, geht er aus ihr wieder heraus in die durch die frühere Torsion bedingte Lage und kehrt endlich ganz allmählich in die ungedrillte Lage zurück. Eine durchaus befriedigende Theorie der elastischen Nachwirkung ist bis jetzt nicht gegeben worden.