MKL1888:Epīrus

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Epīrus“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 703704
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Epīrus. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 703–704. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Ep%C4%ABrus (Version vom 08.06.2023)

[703] Epīrus (Epeiros, „Festland“), die westlichste Landschaft des alten Hellas, etwa 11,000 qkm groß, grenzte im S. an den Ambrakischen Golf, Akarnanien und Ätolien, im O. an Thessalien und Makedonien, von denen es durch die Pinduskette getrennt wurde, im N. an Illyrien, im W. an das Ionische Meer. Im Altertum, wie noch heute, war das Land nur ein halbgriechisches; die Bewohner des Innern und des Nordens waren illyrischen, also nichthellenischen, Stammes, während sich im S. und längs der Küste Griechen niedergelassen hatten, namentlich dorische Korinther, welche die ihnen benachbarten Barbaren allmählich gräzisierten. E. hat einen bergigen Charakter, besonders [704] an der Küste, wo die 2045 m hohen Keraunischen Berge steil zum Meer abfallen. Die östlichen Gebirge (Boion, Lakmos, Kition) sind, den Pindos mit 2168 m Höhe ausgenommen, weniger hoch und bleiben zwischen 1500 und 1600 m Höhe. Im Innern des Landes sind die Berge nicht hoch, sie werden von einer Anzahl Flüsse quer durchbrochen. Etwas nördlich vom Pambotissee (See von Janina) erhebt sich eine niedrige Wasserscheide; südlich von derselben haben alle Flüsse, der Inachos (Aspropotamo), Arachthos (Arta), Acheron (Phanariotikos) und Thyamis (Kalamas), eine nordsüdliche Richtung. Nördlich von ihr fließt der Aoos (Viosa) nach NW., der Peneios, dessen Quellen E. angehören, nach SO. Das ganze Land ist reich wie an Gewässern, so an Bäumen, wie denn dort die meisten unsrer deutschen Waldbäume, namentlich Eichen und Buchen, gedeihen. Dafür gab es wenig Städte. Jedes Thal bildete für sich ein unabhängiges Fürstentum, deren Ephoros noch 14 zählte. Zu den bekanntesten Völkern gehörten die Chaoner im NW. bis zum Thyamis und die Thesproter im S. Bei beiden machte die Monarchie frühzeitig einer Adelsherrschaft Platz. Die Hauptstadt der Chaoner war Phönike, deren Trümmerstätte noch heute Phiniki heißt; die der Thesproter Pandosia. Im Gebiet der letztern lag die bedeutendste griechische Stadt, Ambrakia, eine korinthische Kolonie und starke Festung, von wo aus die Küsten des nach ihr benannten Meerbusens hellenisiert wurden, und die zum Andenken an den Sieg von Actium angelegte Colonia Julia Actia Nicopolis. Der bedeutendste Volksstamm aber waren später die das Herz von E. einnehmenden Molosser (s. d.), welche noch zu Herodots Zeiten als Barbaren galten und erst hundert Jahre später zu den Olympischen Spielen zugelassen wurden. Sie bildeten den Kern des epirotischen Reichs.

Die Erzählung, daß Pyrrhos, des Achilleus Sohn, sich zum König der Molosser gemacht habe, ist spätere Erfindung, um dem molossischen Königshaus der Pyrrhiden oder Äakiden griechischen Ursprung zu sichern. König Admetos, der den aus Athen verbannten Themistokles um 466 v. Chr. aufnahm, lebte noch mit der Einfachheit eines bäuerlichen Dorfältesten. Erst Tharypes, der gegen Ende des 5. Jahrh. zur Regierung kam und in Athen erzogen worden war, führte griechische Zivilisation bei seinem Volk ein. Er vermählte seines Bruders Neoptolemos Tochter Olympias mit dem König Philipp von Makedonien. Ihm folgte Alexander I., der Bruder der Olympias, welcher in Italien Eroberungen zu machen versuchte, aber gegen die Lukaner fiel (326). Unter den Königen Äakides und Alketas II. wurde E. in die makedonischen Händel verwickelt. König Pyrrhos II. (s. d.) vereinigte durch Eroberung des Küstengebiets und der Pindoslandschaften ganz E. zu einem mächtigen Königreich, das in der Geschichte eine wichtige Rolle spielte. Unter den folgenden Regierungen Alexanders II., Ptolemäos’ und Pyrrhos’ III. wurde der Thron unter beständigen innern und äußern Kämpfen so ohnmächtig, daß die Epiroten um 230 eine Föderativrepublik errichteten, während sich die östlichen Gebiete Athamania, Ambrakia, Amphilochia dem Ätolischen Bund anschlossen. Da die Epiroten Perseus von Makedonien in seinem Kampf gegen den gemeinschaftlichen Feind, die Römer, unterstützten, brach Paullus Ämilius, nachdem er den Perseus besiegt und gefangen, 168 in E. ein, gab 70 epirotische Städte der Verwüstung preis und ließ 150,000 Einwohner als Sklaven verkaufen, angeblich zur Strafe für die Einfälle des Königs Pyrrhos in Italien. Das Land selbst wurde zur römischen Provinz gemacht und im 4. Jahrh. n. Chr. über das südliche Illyrien ausgedehnt (E. nova, Neu-E.). Im 13. Jahrh. bildete E. mit Ätolien und Akarnanien ein besonderes Despotat innerhalb des byzantinischen Reichs; s. Albanien, Geschichte.