MKL1888:Erdarbeiten
[734] Erdarbeiten (Erdbau), die bei den meisten Anlagen für Land- und Wasserverkehr, insbesondere von Straßen und Eisenbahnen, Flußregulierungen und Kanälen, erforderlichen Arbeiten zur Ausgleichung der Unebenheiten des natürlichen Bodens durch Bildung von Einschnitten und Aufträgen oder zur Herstellung und Regulierung von Baugruben für Hoch- oder Flachbauten, insbesondere für Futter- und Kaimauern, Schleusen, Brücken, Viadukte und Durchlässe.
Der Ausführung der E. geht die Bodenuntersuchung voraus. Diese besteht in Bohrungen, Schürfungen oder im Abteufen von Versuchsschächten, durch welche alle Erdschichten bis zur Sohle der Einschnitte offen gelegt werden. Von Wichtigkeit ist hierbei die gleichzeitige Ermittelung derjenigen Stellen an Abhängen, wo natürliche Rutschungen bereits stattgefunden haben, weil hier Gleichgewichtsstörungen durch E. vorzugsweise zu befürchten und durch geeignete Vorkehrungen oder durch völlige Verlegung der Trace zu vermeiden sind. Um die Ergebnisse der Bodenuntersuchungen gehörig übersehen und bei dem Entwurf ausreichend benutzen zu können, werden dieselben teils in Tabellen (Bohrregister), teils in geognostischen Quer- und Längenprofilen zusammengestellt, worin ein Vorkommen von Wasser sorgfältig angegeben wird. Die Ermittelung der zu bewegenden Erdmassen erfolgt nach Feststellung der Trace durch Aufnahme von Terrainprofilen, in welche die zur Berechnung der Einschnitts- und Auftragsmassen nötigen Querprofile der Kommunikationsanlage eingetragen werden. Hieraus werden zunächst die Inhalte der Querschnittsflächen der Abträge oder Aufträge und durch Multiplikation ihrer arithmetischen Mittel mit ihren gegenseitigen Abständen die Kubikinhalte der zwischenliegenden Erdmassen berechnet, zu welchen die einzelnen eigens zu berechnenden Kubikinhalte der Nebenanlagen, besonders der Planübergänge, Über- und Unterführungen, Brücken, Durchlässe und Tunnels, hinzutreten. Ist auf diese Weise der Kubikinhalt der Auf- und Abträge ermittelt, so hat die Massendisposition unter Berücksichtigung der geringsten Transportkosten zu bestimmen, von welchen Abträgen die Aufträge zu bilden sind, und für den Fall, daß beide sich nicht ausgleichen, wo Seitenentnahme oder Seitenablagerung stattzufinden hat. Hierbei ist auch die Auflockerung des Bodens beim Lösen desselben, welche bei Lehm etwa 1/48, bei Thon 1/20, bei Felsen 1/10 beträgt, derart zu berücksichtigen, daß mit einem gewissen Abtragsquantum ein diesen Verhältnissen entsprechend größeres Auftragsquantum hergestellt wird. Die Lösung der Bodenmassen erfolgt je nach deren Beschaffenheit etc. mit Spaten, Hacke, Spitzhacke, Keilen, Brecheisen oder Sprengstoffen. Statt der Handarbeit wird häufig auch Maschinenarbeit (s. Exkavatoren) angewandt, und beim Transport ist der Ersatz der Menschenkraft durch Tier- und Maschinenkraft um so vorteilhafter, je mehr die Arbeit des Ladens und Entladens gegen den Transport selbst zurücktritt. Im allgemeinen transportiert man in Bezug auf Zeit und Kosten selbst große Bodenmassen auf mittlere Entfernungen von 200–300 m am vorteilhaftesten mittels Schiebkarren, auf mittlere Entfernungen von 1000–1200 m am vorteilhaftesten mit Handkippkarren, während für größere Entfernungen der Pferdebetrieb meist schon erhebliche Vorteile gewährt. Sollen [735] hierbei statt der Holzbahnen Arbeitsschienen mit Vorteil Verwendung finden, so müssen die mittlern Transportentfernungen schon 1800–2000 m betragen. Bei noch größern mittlern Transportweiten benutzt man Lokomotiven mit einer ihrer Zugkraft und den Steigungsverhältnissen entsprechenden Reihe von Kippwagen. Über derartige Eisenbahnen s. Feldeisenbahnen. Lokale Verhältnisse können die Anwendung auch andrer als der angeführten Transportmethoden vorteilhaft erscheinen lassen. So werden schiefe Ebenen mit Seilbetrieb bei Aushebung langer Einschnitte in Anwendung gebracht, wenn zur Beschleunigung der Arbeit eine selbständige Materialienförderung aus der Mitte in den Aussatz disponiert ist, während sich da, wo die Örtlichkeit zum Ein- und Ausladen günstig und der Wasserweg nicht nur vorteilhaft gelegen, sondern auch gut befahrbar ist, der Transport des Bodens mit Schiffsgefäßen rechtfertigt.
Die Anschüttung der Bodenmassen zur Bildung der Aufträge hängt wesentlich von der Form und Beschaffenheit des zu beschüttenden Bodens sowie von der Gattung des Schüttmaterials ab und wird entweder in horizontalen oder geneigten Lagen, als Lagen- oder als Kopfschüttung ausgeführt. Die Lagenschüttung findet bei geringen Höhendifferenzen zwischen Auf- und Abtrag, z. B. bei Bildung von Dämmen aus Seitenentnahmen, die Kopfschüttung bei größern Höhendifferenzen beider, z. B. da Anwendung, wo das gesamte Schüttmaterial direkt aus dem Einschnitt in den Auftrag geschafft werden muß. Bei einem Schüttmaterial, welches im Auftrag keine hohlen Räume entstehen läßt, wie reiner Sand oder feiner Kies, sind beide Methoden gleich zulässig; bei einem Material dagegen, welches diese Eigenschaft nicht besitzt, verdient die Schüttung in horizontalen Lagen deshalb den Vorzug, weil sich in denselben das Material durch Stampfen, Betreten und Befahren besser dichten läßt. Nasse oder gefrorne Bodenmassen dürfen zur Anschüttung nicht verwendet werden, wenn man ein Ausweichen oder gar Zerfließen der Schüttungen vermeiden will, weil naß in einen Dammkörper gebrachtes Erdmaterial niemals wieder ganz trocken wird und begierig das eindringende Tagewasser aufnimmt, gefrorner Boden beim Eintritt milder Witterung auftaut und sich dann wie der nasse Boden verhält. Besondere Vorsicht erfordert die Herstellung hoher Dämme über Wasserdurchlässen oder Wegunterführungen, welche nicht nur in dünnen Lagen, sondern auch ganz gleichmäßig zu beiden Seiten des Bauwerkes bewirkt werden muß, damit dasselbe durch ungleichen Seitendruck nicht verschoben oder gar umgedrückt wird. Um die in dem Entwurf vorgesehene Form der Einschnitte und Aufträge bez. beim Lösen und Anschütten von vornherein möglichst genau einhalten zu können, werden deren Profile nach Höhe und Neigung ihrer Böschungen entweder mittels Latten und Pflöcken in geeigneten Abständen in dem Umfang aufgestellt, daß hierdurch die Bodenbewegung nicht gehindert wird, oder dieselben werden, wenn geübte Vorarbeiter vorhanden sind, nur abgesteckt und schmale Streifen der Böschungen planmäßig planiert, welche den zwischenliegenden Teilen zum Anhalt dienen. Nach diesen Profilen, welche im ersten Fall in den Aufträgen vor, in den Abträgen nach deren Herstellung errichtet werden, erfolgt dann auch die Regulierung und Befestigung der Böschungen, zu welchem Zweck dieselben mit urbarer Erde bekleidet, planiert und dann mit Gras- oder Kleesamen eingesäet oder mit Rasen belegt werden. Hierbei ist den Böschungen der Aufträge eine ihrem voraussichtlichen Setzen entsprechende, etwas konvexe Form und dem Dammkörper selbst eine dieser Setzung entsprechende Überhöhung zu geben. Die Neigung der Böschungen, der Einschnitte und Dämme hängt von der Kohäsion und dem sogen. Ruhewinkel der sie bildenden Bodenmassen ab, und auf 1 m Höhe beträgt die Ausladung durchschnittlich bei Gartenerde 2 m, bei Lehm und Sand 11/2 m, bei Thon, Kies und Gerölle 11/4 m, bei weichem Gestein 1 m, bei festem Gestein im Auf- und Abtrag bez. 3/4 und 1/3–1/8 m. Im allgemeinen kann die Neigung der Böschungen bei gleicher Bodenbeschaffenheit im Einschnitt etwas steiler als an dem Auftrag angenommen werden. Um die Höhenlage und Form der Dämme und Einschnitte dauernd zu erhalten, ist auf deren sofortige und vollständige Entwässerung besondere Rücksicht zu nehmen. Das von den Oberflächen der Böschungen ablaufende Wasser wird in Leitgräben mit hinreichendem Gefälle und mit der nötigen Befestigung den natürlichen Abzugsstellen oder Wasserläufen zugeführt, das in die Einschnitte und Dämme eingedrungene Wasser durch eingebaute Sickerdohlen, Abzugskanäle und Drainröhren nach den Böschungen und den an ihrem Fuß angelegten Abzugsgräben geleitet. Die Unter- oder auch Überführung stetig oder periodisch fließender Wasserläufe mittels Durchlässen, Brücken und Kanälen gehört nicht mehr in das Gebiet des Erdbaues, sondern in den Bereich der Kunstbauten (s. Brücke). Wo bei der Herstellung von Einschnitten nach außen geneigte Bodenschichten freigelegt werden oder bei der Bildung von Aufträgen nach außen geneigte Schichten entstehen, welche auf schlüpfriger Unterlage, insbesondere feuchten Thon- oder Lehmschichten, ruhen, können Rutschungen von geringerm oder größerm Umfang eintreten, welchen durch Stützungen oder Vermehrung der Reibungswiderstände vorzubeugen ist. Die Stützungen können durch Erdpfähle oder Stützmauern bewirkt, die Reibungswiderstände durch Trockenlegung der feuchten Unterschichten, durch Flechtzäune oder verwandte Befestigungsmittel vermehrt werden.
Die bei Herstellung kleinerer Kanäle erforderlichen E. werden über Wasser in einer der Herstellung von Einschnitten für Landverkehrswege analogen Weise, unter Wasser mit Hilfe von Baggerwerkzeugen und Baggermaschinen ausgeführt, während bei Aushebung größerer Kanäle (Suezkanal) die Lösung und Ablagerung des gelösten Bodens auch durch Exkavatoren (s. d.) bewirkt wird.
Vgl. Henz, Praktische Anleitung zum Erdbau (3. Aufl., Berl. 1874); Heyne, Der Erdbau in seiner Anwendung auf Straßen und Eisenbahnen (Wien 1874–76); Becker, Allgemeine Baukunde des Ingenieurs (4. Aufl., Leipz. 1883); „Handbuch der Ingenieurwissenschaften“, herausgegeben von Heusinger v. Waldegg u. a., Bd. 1 (das. 1877 ff.).