Zum Inhalt springen

MKL1888:Eudämonismus

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Eudämonismus“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Eudämonismus“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 5 (1886), Seite 898
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Eudaimonie
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Eudämonismus. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 898. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Eud%C3%A4monismus (Version vom 12.06.2023)

[898] Eudämonismus (griech.), das wissenschaftliche System oder die praktische Lebensanschauung, welche die Glückseligkeit als das Höchste im Leben ansieht und zum Beweggrund des sittlichen Lebens macht. Mag man nun diese Glückseligkeit im leiblichen Genuß finden, wie dies der (praktische) Materialismus, oder als geistigen Genuß fassen, wie der (verfeinerte) Epikurismus thut, mag darunter das eigne Wohlsein, wie es beim (praktischen) Egoismus, oder das allgemeine Wohl, wie es bei dem (verfeinerten) Utilitarismus der Fall ist, verstanden werden: immer findet sich beim Eudämonisten kein Interesse am sittlichen Handeln als solchem, sondern an dessen Folgen, und jenes bleibt ein Mittel, erscheint nicht als Selbstzweck. Der E. findet sich als philosophische Verirrung zuerst bei den aus Sokrates’ Schule hervorgegangenen Hedonikern (s. Aristippos und Kyrenaiker), welche die Lust, dann bei den Epikureern (s. Epikuros), welche die Schmerzlosigkeit zum Zweck des sittlichen Handelns machten; in neuerer Zeit bei den französischen Encyklopädisten (s. Helvetius), welche das eigne Wohl, sowie bei den Anhängern der allgemeinen Glückseligkeitslehre, welche, wie Leibniz (s. d.), das Wohl des Ganzen oder, wie die Utilitarier (s. Bentham), den allgemeinen Nutzen zum Kriterium des Sittlichen erhoben. Dem gegenüber forderte die Kantsche Schule (s. Rigorismus), daß das Gute lediglich um seiner selbst willen gethan werden und das Sittengesetz mit den aus ihm fließenden Pflichten allein die Triebfeder des praktischen Handelns, Tugend und Glückseligkeit zwar nicht voneinander getrennt, aber letztere aus ersterer als natürliche Folge hervorgegangen sein solle. Vgl. Heinze, Der E. in der griechischen Philosophie (Leipz. 1883).