MKL1888:Färberei

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Färberei“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 3943
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Färberei. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 39–43. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:F%C3%A4rberei (Version vom 12.03.2024)

[39] Färberei (franz. Teinture, engl. Dyeing), die Kunst, verschiedenen Stoffen eine beliebige Färbung zu geben, welche entweder nur an der Oberfläche haftet, oder die ganze zu färbende Substanz durchdringt. Im ersten Fall kann man mit einem Bindemittel (Leimlösung, trocknende Öle, Firnisse, Wasserglas) gemischte Farbe in gleichmäßiger, dünner Schicht auftragen (Anstreichen), wobei die Farbe nach dem Trocknen hinreichend fest haftet, oder man trägt die Farbe, welche aus gepulvertem, leicht schmelzbarem Glas besteht, mit einem vorläufigen Bindemittel auf und befestigt sie durch so starkes Erhitzen, daß das Glas zum Schmelzen kommt. Bisweilen wird auch Glas gefärbt, indem man es in geschmolzenes, intensiv gefärbtes Glas taucht und weiter verarbeitet. Das farbige Glas bildet dann eine dünne oberflächliche Schicht auf dem ungefärbten (Überfangglas). Metalle werden angestrichen, oder man erzeugt auf denselben einen farbigen Überzug durch Einwirkung verschiedener Agenzien (Metallochromie). Auf Stahl entstehen z. B. beim Erhitzen durch Bildung von Eisenoxyduloxyd die Anlauffarben, bei andrer Behandlung entsteht eine braune Schicht von Eisenoxyduloxyd oder Eisenoxyd (Brunieren), auf Kupfer erzeugt man eine färbende Schicht von Kupferoxydul (braune Bronze) auf Silber eine solche von Schwefelsilber („oxydiertes“ Silber) und auf Kupfer und Bronze die grüne Patina. Durch verschiedene Bronzierverfahren und namentlich auch durch Anwendung des Galvanismus erzeugt man mannigfache Effekte. Hier schließt sich das Vergolden, Versilbern, Verzinnen an, sofern dadurch ebenfalls die Farbe metallener und nichtmetallener Gegenstände geändert wird. Legierungen lassen sich färben, indem man durch Behandeln mit Chemikalien der oberflächlichen Schicht den einen Bestandteil mehr oder weniger vollständig entzieht. Scheidemünzenmetall wird weiß, silberartig, wenn man aus der oberflächlichen Schicht in einem geeigneten Bade das Kupfer entfernt. Holz, Steine, Horn, Federn etc. färbt man auch mit Farbstofflösungen, welche mehr oder weniger tief eindringen (Beizen) und bisweilen erst infolge einer Zersetzung, wie beim Färben des Holzes mit einer Lösung von übermangansaurem Kali, die gewünschte Farbe hervorbringen. Vielfach wird aber die ganze Masse der Körper gefärbt, indem eine Farbebrühe den Körper vollständig durchdringt; hierher gehört ferner das Färben mit ungelösten Farbstoffen, mit denen die zu färbenden Stoffe imprägniert werden können. Wäsche und Zucker werden mit Ultramarin und das Material zu allerlei plastischen Massen durch Mischen mit pulverförmigen Farbstoffen gefärbt. Flüssigkeiten färbt man nur mit Farbstoffen, welche sich in denselben lösen (Liköre, Öle); setzt man zu geschmolzenem Glas Farbstoffe, welche sich in der Glasmasse lösen, so bleibt das Glas durchsichtig; unlösliche Farbstoffe machen es opalisierend, durchscheinend oder undurchsichtig, emailartig. Bei Metallen erreicht man bestimmte Farbentöne durch Zusammenschmelzen mit andern Metallen etc.

Eigenartig ist das Färben der Gespinstfasern, und dieses allein bildet den Gegenstand der F. im engern Sinn. Tränkt man Gespinste oder Gewebe mit einer Farbstofflösung und läßt sie trocknen, so erscheinen sie gefärbt; doch nur in seltenen Fällen haftet der Farbstoff fest auf der Faser, man kann ihn vielmehr durch Spülen und Waschen leicht wieder entfernen. Einige Farbstoffe zeigen freilich so große Verwandtschaft zu der Faser, daß sie ohne weiteres sich dauerhaft mit derselben verbinden. Diese subjektiven Farbstoffe sind etwa Indigo, Kurkuma, Orlean, Safflor und die meisten Teerfarben. Von den letztern wird z. B. die Pikrinsäure so begierig von Seide angezogen, daß ein einzelner Seidenfaden in einer bis zur vollständigen Farblosigkeit verdünnten Lösung von Pikrinsäure sich noch gelb färbt, indem er die äußerst geringen Mengen des Farbstoffs, welche in der Lösung enthalten sind, auf sich sammelt, und diese Färbung ist durchaus echt. Wolle zeigt dies Vereinigungsstreben in geringerm Grad, und Baumwolle und Leinen färben sich noch schwerer. Von den unlöslichen Farbstoffen verbindet sich keiner dauerhaft mit der Gespinstfaser, wenn man ihn in Wasser verteilt und die Faser mit dieser Mischung bearbeitet. Und doch kann man mit diesen Farbstoffen sehr echt färben, wenn man den Farbstoff auf der Faser selbst sich erst bilden läßt. So entsteht unlösliches Chromgelb, wenn man eine Lösung von Bleizucker mit einer Lösung von chromsaurem Kali mischt. Das einmal ausgeschiedene Chromgelb ist nicht mit der Faser zu verbinden; tränkt man aber die Faser mit Bleizuckerlösung und taucht sie dann in die Lösung des chromsauren Kalis, so bemächtigt sie sich des Chromgelbs in dem Moment, wo es entsteht, und färbt sich sehr dauerhaft gelb. Ebenso kann man blau färben, indem man die Faser zunächst mit Eisensalz tränkt und dann in Blutlaugensalzlösung taucht. Aus beiden Chemikalien entsteht dann Berliner Blau, und dies befestigt sich im Entstehungsmoment auf der Faser. Andre Farbstoffe werden aus eigentümlichem Lösungsmittel bei Gegenwart der Faser abgeschieden, z. B. das Carthamin aus alkalischer Lösung durch Säure, manche Teerfarben aus alkoholischer Lösung durch Wasser. In dem Moment, wo sie sich unlöslich ausscheiden, verbinden sie sich mit der Faser. Indigopulver ist mit der Faser nicht zu verbinden, verwandelt man aber das unlösliche Indigblau in lösliches Indigweiß, tränkt die Faser mit dieser Lösung und hängt sie an die Luft, so nimmt das Indigweiß aus der Luft begierig Sauerstoff auf und geht wieder in Indigblau über, welches sich im Entstehungsmoment auf der Faser befestigt. Diese Methode liefert das dauerhafteste Blau. Beim Schwarzfärben mit Blauholz wird die Faser mit einer Lösung von Hämatoxylin getränkt, dann in ein Bad von chromsaurem Kali gebracht und in diesem das Hämatoxylin in unlösliches Hämatein verwandelt, welches sich dauerhaft mit der Farbe verbindet. Auch das Färben mit Anilinschwarz, welches erst durch einen Oxydationsprozeß auf der Faser gebildet wird, gehört hierher.

In allen diesen Fällen wird der unlösliche Farbstoff ohne Dazwischenkunft eines Bindemittels auf der Faser fixiert; doch findet hierbei nicht etwa eine chemische Verbindung statt, vielmehr zeigen mineralische Körper oft ein ganz ähnliches Verhalten und lassen sich in gleicher Weise färben, wenn sie dem sich ausscheidenden Farbstoff eine große Oberfläche darbieten. Das Haften des Farbstoffs an der Faser ist rein physikalisch durch Flächenwirkung zu erklären, alle Merkmale einer chemischen Verbindung zwischen Faser und Farbstoff fehlen der gefärbten Faser durchaus.

[40] Alle Farbstoffe, welche nicht unmittelbar auf der Faser befestigt werden können (adjektive Farbstoffe), fixiert man mit Hilfe der Beizen oder Mordants. Dies sind verschiedenartige Substanzen, welche sowohl zu der Faser als auch zu dem Farbstoff ein gewisses Vereinigungsstreben zeigen und daher gewissermaßen die Verbindung beider vermitteln. Am häufigsten benutzt man als Beizen Thonerde-, Zinnoxyd- und Eisenoxydsalze, seltener Chromsäure, Chromoxyd-, Zinkoxyd-, Manganoxydsalze, vereinzelt gewisse Phosphate und Kieselsäure. Man wählt meist solche Salze, welche leicht zersetzbar sind, durch einen geringen Impuls in basische und saure Salze oder in Oxyd und Säure zerfallen. So werden namentlich Essigsäuresalze der Thonerde, des Eisenoxyds und Eisenoxyduls, Alaune mit Zusatz von Alkali, schwefelsaure und unterschwefligsaure Thonerde, Natronaluminat, Zinnoxydnatron, Zinnchlorür und Zinnchlorid, Zinnchloridammoniak und Weinstein, welcher leicht zersetzbare Weinsäuresalze bildet, angewandt. Tränkt man Baumwolle mit Alaunlösung und wäscht sie dann aus, so gelingt es schwer, die letzten Spuren des Alauns zu entfernen. Diese werden durch Flächenwirkung zurückgehalten, und bringt man nun die so mit Alaun gebeizte Baumwolle in eine Abkochung von Rotholz, so färbt sie sich sehr viel intensiver und dauerhafter als ungebeizte. Was hierbei vorgeht, ist leicht zu erkennen: auch ohne Baumwolle bildet eine sehr geringe Menge Alaun in Rotholzabkochung einen roten Niederschlag, und dieser schlägt sich, wenn man gebeizte Baumwolle anwendet, auf die Faser nieder. Bei den meisten Beizen gestalten sich aber die Verhältnisse noch etwas anders. Die Flächenanziehung der Faser äußert sich nämlich so lebhaft, daß dadurch selbst schwache chemische Verwandtschaften überwunden werden. Eine Lösung von schwefelsaurem Eisenoxyd wird auf der Faser teilweise zersetzt, und die Baumwolle hält etwa 0,3 Proz. Eisenoxyd zurück, welches durch Wasser nicht zu entfernen ist. Bei andern Beizen unterstützt man diese Wirkung der Faser noch durch besondere Mittel und erzielt z. B. durch Lüften, Erwärmen der gebeizten Faser eine sehr vollständige Zersetzung der Beize. In manchen Fällen wird die Beize in Bädern durch Chemikalien befestigt. In der Krappfärberei benutzt man zu diesem Zweck mit Wasser angerührten Kuhkot, dessen Wirksamkeit sich auf den Gehalt an Phosphaten, Eiweißstoffen, organischen Säuren etc. gründet. Er ist ersetzbar durch Seifenbäder, Sodalösungen, Phosphorsäuresalze, Arsensäuresalze, Wasserglas etc. In allen Fällen wird durch das Beizen erreicht, daß sich auf der Faser eine Substanz befestigt, welche sich mit dem Farbstoff leicht verbindet und daher im stande ist, ihn dem Farbebad (der Flotte) zu entziehen. Es entsteht aus Beize und Farbstoff eine unlösliche Verbindung, und diese wird von der Faser festgehalten. Statt der Metallsalze verwendet man als Beizen auch Gerbsäureabkochungen, Fette (in der Türkischrotfärberei), Eiweiß, Kleber, Kasein, Leim, Glycerin etc. Nicht immer beschränkt sich die Wirkung der Beize auf die Fixierung des Farbstoffs; die Verbindung des letztern mit der angewandten Beize weicht oft sehr stark von seiner eigentümlichen Farbe ab, und man erhält mit einem und demselben Farbstoff je nach der angewandten Beize sehr verschiedene Färbungen. Beim Zeugdruck, wo nicht das ganze Gewebe mit der Beize gleichmäßig getränkt, diese vielmehr nur an bestimmten Stellen aufgedruckt wird, kann man mittels Anwendung mehrerer Beizen nebeneinander durch einen einzigen Farbstoff verschiedene Farbentöne auf einem und demselben Gewebe erhalten. Bisweilen läßt man auch Beizen (schwach saure oder alkalische Flüssigkeiten, Seifenbäder oder andre Farbebrühen) auf schon gefärbte Stoffe einwirken, um die Farbe lebhafter und reiner hervortreten zu lassen (Schönen, Schauen, Avivieren) oder zu modifizieren (Modifikationsbeizen).

Die Operation des Färbens selbst ist in der Regel ebenso einfach wie die Apparate und Werkzeuge, die dabei in Anwendung kommen. Die Baumwollfärberei, welche meist mit kalten oder lauwarmen Farbstofflösungen (Flotten) arbeitet, benutzt kleine hölzerne Wannen ohne Heizvorrichtungen. Lose Baumwolle packt man in Netze oder Körbe, bringt sie mit diesen in die Flotte und preßt und wringt sie nach dem Herausnehmen aus. Garn wird in einzelnen Strähnen auf Stöcke gezogen, welche mit ihren Enden auf den Rändern der Wanne liegen, und, um gleichmäßige Färbung zu erzielen, von Zeit zu Zeit „umgezogen“, wobei der Teil des Garns, welcher bisher aus der Flotte herausragte, nun in dieselbe gebracht wird. Nach Vollendung der Operation wird das Garn abgewrungen oder cheveliert, indem man es auf die aus der Mauer hervorragende Chevelle, einen etwa 1 m langen Stab, hängt und mit Hilfe eines zweiten Stabes zusammendreht. Die gefärbten Garne werden in fließendem Wasser oder in Spülmaschinen gespült, wieder abgewrungen und in einem stark geheizten Zimmer, an freier Luft oder in Trockenmaschinen getrocknet. Eine derartige Maschine besteht z. B. aus einem eisernen Kasten, in welchem rechts und links eine Kette ohne Ende läuft. Die Kette ist so konstruiert, daß man darin die mit Garnsträhnen behängten Stücke einlegen kann, und diese werden nun dreimal bis an die Decke des Kastens gehoben und steigen dreimal wieder herab. An einem Ende des Kastens tritt das nasse Garn ein, und am andern wird das trockne herausgenommen. Ein Ventilator saugt die feuchte Luft aus und veranlaßt den Eintritt erwärmter trockner Luft. Baumwollene Gewebe werden in den Rollenständern (Klotzmaschinen, Clapots) behandelt. Dies sind einfache hölzerne Kasten, in welchen das Gewebe durch Maschinenkraft über etwa acht oder neun Paar Leitrollen auf und ab durch die Beize, Färbeflotte oder das Spülwasser und zuletzt durch ein Paar mit Filz überzogene Quetschwalzen gezogen wird. Die Waschmaschinen für die Baumwollgewebe sind sämtlich mehr oder minder modifizierte Rollenständer. Die abgequetschte Ware wird im Freien oder in Räumen, welche oft durch mehrere Etagen hindurchgehen, oder auf einer Reihe von durch Dämpfe geheizten kupfernen oder wenigstens mit Kupfer überzogenen Trommeln getrocknet.

Bei der Wollfärberei (Schönfärberei) benutzt man kupferne oder zinnerne viereckige Kessel mit direkter Feuerung, gegenwärtig aber gewöhnlich hölzerne Wannen mit Dampfheizung. Man bringt die gewaschene und genetzte Wolle bei 50° in die Flotte, erhitzt zum Kochen und färbt bei dieser Temperatur fertig. Lose Wolle wird in Körben oder Netzen, Wollgarn auf Stöcken behandelt; man läßt dann abkühlen, spült in fließendem Wasser oder in der Spülmaschine, entfernt das Wasser auf einer Zentrifugalmaschine und trocknet in Trockenstuben oder auf Maschinen. Beim Färben wollener Gewebe bringt man über dem Kessel einen hölzernen Haspel an, hängt auf diesen das mit seinen Enden zusammengenähte Gewebe und setzt den Haspel in Bewegung, so daß sich das in die Flotte hineinhängende Gewebe ganz gleichmäßig färben kann.

[41] In der Seidenfärberei arbeitet man mit kleinen kupfernen Kesseln ohne Feuerung oder mit Holzwannen und erreicht die nötige Temperatur von 50° durch Zugießen von heißem Wasser oder durch eine Dampfschlange. Es wird fast nur Garn gefärbt, welches man ebenso wie die Baumwolle auf Stöcken behandelt. Zum Chevelieren dient eine Maschine, in welcher die Strähnen senkrecht stehen und um sich selbst gedreht werden. Die wieder aufgedrehte Seide wird kräftig auf einen polierten Kupferblock geschlagen, um ihr Glanz zu geben, und zur Erhöhung des Glanzes in der Lüstriermaschine mit Dampf behandelt. Die Seidensträhnen laufen hierbei straff gespannt über zwei polierte eiserne Walzen in einem Kasten, in welchen Dampf einströmt. Seidene Gewebe werden selten gefärbt, da sie meist aus gefärbtem Garn hergestellt werden.

Garne werden nicht immer gleichmäßig gefärbt. Die Ombrés zeigen nur eine Farbe, aber verschiedene Nüancen derselben, so daß die Strähne z. B. am Kopf dunkelrot ist und nach unten allmählich hellrosa, selbst weiß wird. Um dies zu erreichen, taucht man die Strähne zuerst nur ein wenig in die Flotte ein, dann etwas tiefer, nach einiger Zeit wieder etwas tiefer und so fort, bis endlich auch der Kopf der Strähne sich in der Flotte befindet. Sobald dieser die gewünschte Nüance erreicht hat, unterbricht man die Operation und findet dann die einzelnen Teile der Strähne um so dunkler gefärbt, je länger sie sich in der Flotte befunden haben. Derselbe Zweck wird auch erreicht, wenn man das Garn zunächst so lange in der Flotte umzieht, bis die hellste Nüance erreicht ist, dann auf den Stock hängt und allmählich durch einen Hahn die Flotte abzieht. Ombrés mehrerer Farben auf einer Strähne werden nacheinander in gleich vielen Färbeflotten erzeugt. Rayierte Garne, auf welchen verschiedene Farben nebeneinander stehen, färbt man mit Hilfe von Latten, zwischen welchen man das Garn beliebig einpressen kann. Diese Latten bilden den Boden eines Kastens, aus welchem der Teil des Garns heraushängt, der zunächst gefärbt werden soll. Man behandelt denselben wie gewöhnlich in der Flotte, spült dann, löst die Latten, zieht das gefärbte Garn in den Kasten und färbt einen andern Teil der Strähne in einer andern Flotte. Das Zusammenpressen des Garns verhindert das Aufsteigen der Flotte über die Latten hinaus und grenzt also die einzelnen Farben gegeneinander scharf ab. Unter dem Namen Mignon hat man eine Art der Rayés eingeführt, auf welchen ein Teil der Strähne beim Färben weiß gelassen und später mit verschiedenen Farben bedruckt wird. Windet man vor dem Färben Knoten in das Garn und färbt, so erhält man nach dem Aufknoten weiße, nach beiden Seiten in die Hauptfarbe abschattierte Stellen. Man kann auch das Garn in einer beliebigen Farbe färben, dann knoten und eine andre Farbe darüber färben. Auf solche Weise erhält man die überraschendsten Effekte.

Die Färbeflotte, d. h. die Lösung des Farbstoffs in Wasser, bereitet sich der Färber aus Farbhölzern, Kräutern, Wurzeln, Früchten etc. durch Aufguß, Abkochung, Ausziehen mit Dampf etc. In neuerer Zeit kommen vielfach Extrakte und andre Präparate in den Handel, welche den Farbstoff in konzentrierter, reinerer Form enthalten und wie die Teerfarben nur gelöst zu werden brauchen. Als Lösungsmittel für letztere benutzt man statt des Wassers oft auch Alkohol, Holzgeist, Essigsäure. Stets muß die Flotte vollkommen klar und von mechanischen Beimischungen, wie Splitter, Staub etc., frei sein. Die Farben, welche der Färber erzeugt, sind entweder einfache oder zusammengesetzte; sie werden in zahlreichen Abstufungen modifiziert und zwar entweder durch Anwendung verschiedener Beizen oder durch abweichende Behandlung bei und nach dem Färben. Zusammengesetzte Farben erzeugt man auch durch Vermischen mehrerer Beizen miteinander, durch Flotten, in denen verschiedene Farbstoffe gelöst wurden, oder dadurch, daß man erst eine Farbe auf der Faser befestigt und dann noch eine zweite auf der ersten anbringt. Über topische F. s. Zeugdruckerei.

Die stickstoffhaltigen Fasern (Wolle, Seide) zeigen eine bei weitem größere Anziehungskraft für Beizen als die stickstofffreien; wie bei diesen aber, so ist auch bei der Wolle vor allen Dingen notwendig, daß alle Verunreinigungen vor dem Färben entfernt werden, und wenn zarte Farben auf Wolle gebracht werden sollen, so muß die entschweißte Wolle auch noch gebleicht werden. Als Beizen benutzt man Alaun, Eisenvitriol, Kupfervitriol, Zinnsalz, Zinnchlorid, chromsaures Kali, Weinstein, Säuren etc. Die Wolle wird entweder in einer oder in zwei Operationen gefärbt. Letztere Methode, bei welcher die Wolle zuerst angesotten wird, liefert auf Schafwolle die schönsten und echtesten Farben, während die erstere Methode zwar sicherer und schneller zum Ziel führt, aber mehr Farbstoff verbraucht und doch weniger echte und schöne Farben gibt. Sie findet namentlich bei dunkeln Farben Anwendung, indem man die Wolle erst in den Farbebädern kocht, dann herausnimmt, in den Bädern die Beizsalze löst, die Stoffe von neuem einlegt, darin herumnimmt und noch einige Zeit kocht, bis die gewünschte Farbe erreicht ist. Teerfarben werden sehr allgemein auf Kammwolle angewandt, während Streichwolle, die auf Tuche verarbeitet wird, nur mit Indulin gefärbt zu werden pflegt. Der wichtigste Teil der Wollfärberei ist die Blaufärberei, welche die schönsten und dauerhaftesten Farben mit Indigo erzielt. Merinos und ähnliche Stoffe färbt man auch mit Berliner Blau, ordinäre mit Kupfervitriol und Blauholz. Mit Indigo färbt man in der Küpe, oder man benutzt ihn in der Form von Indigosulfosäure (Sächsischblau), erhält aber nach der letztern Methode ein viel weniger beständiges Blau. Berliner Blau (Kaliblau) erzeugt man entweder in der Weise, daß man die Wolle mit Eisenoxydlösung tränkt und dann durch eine mit Schwefelsäure angesäuerte Lösung von gelbem Blutlaugensalz zieht, oder man taucht die Wolle in eine Lösung von gelbem oder rotem Blutlaugensalz mit Schwefelsäure oder Alaun und setzt sie dann der Luft aus. Hierbei zersetzt sich die aus dem Blutlaugensalz frei gemachte Ferro-, resp. Ferricyanwasserstoffsäure in Blausäure, welche entweicht, und in Berliner Blau, welches sich auf die Faser niederschlägt. Zum Färben mit Blauholz und Kupfervitriol (Holzblau) kocht man Blauholz mit Wasser, setzt Alaun, Weinstein und Kupfervitriol zu und kocht die Wolle in dieser Brühe. Dann schönt man die Wolle durch Kochen in einem Bad von Blauholz, Zinnchlorür, Alaun und Weinstein. Von den Teerfarben benutzt man auf Kammwolle hauptsächlich Alkaliblau und Methylenblau. Zum Gelbfärben benutzte man früher hauptsächlich Wau, indem man die Wolle zuerst in einem Bad von Alaun und Weinstein, dann in einem frischen Waubad kochte. Mit etwas Krapp oder Fisettholz modifiziert, erhält man Rotgelb, mit etwas Indigschwefelsäure Zitronengelb. Gelbholz dient hauptsächlich zu gemischten Farben, Fisettholz wird besonders auf Merinos angewandt, und von den Teerfarben benutzt man Martiusgelb, Viktoriaorange, Aurantia, Chrysoidin, Tropäolin, Pikrinsäure etc. [42] Die Rotfärberei benutzt Krapp oder künstliches Alizarin. Bei der Krappfärberei siedet man die Wolle in einer Lösung von Alaun und Weinstein an und färbt dann im Krappbad, welches wenigstens die Hälfte vom Gewicht der Wolle an Krapp enthält. Bei Anwendung von Kochenille siedet man in einem Bad von Kochenille, Weinstein und Zinnsalz an und färbt mit Kochenille und Zinnsalz aus. Die roten Teerfarben sind sämtlich sehr gut anwendbar, und in neuerer Zeit benutzt man namentlich die Azofarbstoffe. Grün wird aus Blau und Gelb hergestellt. Man färbt die Wolle blau, kocht sie mit Alaun und Weinstein und färbt sie mit Gelbholz oder Wau aus. Von den Teerfarben benutzt man besonders Malachit-, Methyl-, Bittermandelölgrün und nüanciert diese Farbstoffe mit Pikrinsäure. Schwarz wird auf verschiedene Weise hervorgebracht. In der Regel wendet man Eisenbeize an, darf diese aber nicht zu stark einwirken lassen, weil sie die Faser angreift (verbrennt). Oft erklärt sich die schlechte Beschaffenheit schwarzer Wolle auch daraus, daß man in andern Farben mißlungene Wolle nachträglich schwarz färbt. Die feinen und teuern Sedantücher erhalten zunächst in der Indigküpe einen dunkelblauen Grund, dann haspelt man sie mehrere Stunden in einer siedend heißen Abkochung von Sumach und Blauholz herum, läßt sie erkalten und nimmt sie bei Blutwärme in einer Lösung von Eisenvitriol herum. Nach dem Lüften wird dieselbe Operation dreimal wiederholt und, sobald eine hinreichende Intensität der Farbe erzielt ist, das Tuch gewalkt, bis das Wasser klar bleibt. Das Vienneschwarz ohne Indigogrund wird durch Umziehen des Tuches in einer Abkochung von Blauholz, Gelbholz, Galläpfeln und Sumach, Lüften und Umziehen in demselben, aber noch mit Eisenvitriol versetzten Bad hergestellt. Man löst dann noch einmal Eisenvitriol in dem Bad, zieht das Tuch wieder darin herum und walkt. Zu Chrom- und Neuschwarz wird die Wolle mit Blauholz und Weinstein angesotten und in einer Lösung von rotem chromsauren Kali ausgefärbt. Zusatz von Kupfervitriol gibt Blauschwarz. Zum Färben mit Anilinschwarz benutzt man eine Lösung von salzsaurem Anilin, chlorsaurem Kali, Salzsäure und vanadinsaurem Ammoniak und wandelt am andern Tag das erhaltene Dunkelgrün durch ein Bad von chromsaurem Kali in Schwarz um. Zum Weißfärben zieht man die gebleichte Wolle durch Wasser, in welchem Schlämmkreide aufgerührt ist, läßt trocknen und beseitigt die überschüssige Kreide durch Klopfen und Bürsten.

Seide wird vor dem Färben meist degummiert, nur die Trama- oder Schußseide (Saugleseide) färbt man mit dem Bast, wodurch sie einen gewissen Griff erhält. Zum Schwarzfärben billiger, leichter Stoffe dient Blauholz mit Eisenbeize (salpetersaures Eisenoxyd) oder chromsaurem Kali oder vanadinsaurem Ammoniak. Diesem Holzschwarz steht das Schwerschwarz gegenüber, welches durch Säuren nicht gerötet wird, eine ganz bedeutende Gewichtszunahme der Seide bezweckt und damit zu großartigen Betrügereien führt. Aus 100 Teilen roher Seide fertigt man 200, selbst 450 Teile schwerschwarze Seide, indem man die Seide zunächst mit Gerbsäure (Kastanien- oder Knoppernextrakt) behandelt, welche von derselben in ähnlicher Weise wie von der tierischen Haut aufgenommen wird, und dann mit Eisenoxydul oder Eisenoxydsalzen ausfärbt (Mailänder Schwarz). Das Kaiserschwarz (Blaukesselschwarz) hat einen Untergrund von Berliner Blau. Meist gibt man der schwarzen Seide zuletzt ein Bad von Blauholz und Seife, um ihr Glanz, Weichheit und Griff zu erteilen. Mit Hilfe von vanadinsaurem Ammoniak färbt man Seide auch mit Anilinschwarz. Blau wird auf Seide mit Indigosulfosäure oder Berliner Blau erzeugt. Man taucht die Seide in eine Mischung von Wasser, Rostbeize (Eisenvitriol, in Salpetersäure gelöst) und Zinnchlorür, wäscht aus, zieht die Seide durch siedend heiße Seifenlösung, wäscht wieder aus und taucht sie in eine mit Salzsäure angesäuerte Lösung von gelbem Blutlaugensalz (Raymonds Blau). Zuletzt schönt man mit ammoniakhaltigem Wasser. Brillanter ist das Napoleonblau, zu dessen Darstellung man zuerst ein Eisenbad mit Zinnsalz, dann ein mit Schwefelsäure angesäuertes Bad von gelbem Blutlaugensalz anwendet. Bei Benutzung von Teerfarben bringt man die Seide lediglich in die wässerige oder alkoholische Lösung des Farbstoffs. Ebenso einfach ist die Anwendung von Fuchsin, Korallin (Aurin), Safranin, Eosin, Magdalarot und den Azofarbstoffen, welche zum Rotfärben den Safflor, die Kochenille, Orseille und den französischen Purpur verdrängt haben. Zu Violett wird noch Orseille angewandt, doch machen sich auch hier Teerfarben (Methyl- und Benzylviolett) immer mehr geltend. Gelb färbt man mit Wau (welcher durch Orlean in Orange modifiziert wird), Tropäolin und Pikrinsäure. Zu Grün gibt man einen gelben Grund mit Wau, Quercitron, Gelbholz oder Pikrinsäure und färbt dann mit Indigkomposition, Indigkarmin oder Anilinblau aus. Solider ist ein Grund aus Raymonds Blau, welches durch Gelbholz in Grün umgewandelt wird. Gegenwärtig aber dominieren auch hier Teerfarben (Anilin-, Malachit-, Methylgrün).

Die vegetabilischen Fasern färben sich ungleich schwieriger als Wolle und Seide, die Leinenfaser aber noch bedeutend schlechter als Baumwolle. Blau erzeugt man mit der Indigküpe, mit Berliner Blau, mit Blauholz und Kupfervitriol, mit einer Lösung von Kupferoxyd in Ammoniak und besonders häufig mit Indulin. Zum Gelbfärben benutzt man Avignonkörner, Wau, Gelbholz, Quercitron, Orlean, gegenwärtig aber meist Chromgelb (s. oben) und Teerfarben. Letztere haften aber nicht unmittelbar auf der Faser, sondern, wie alle Teerfarben, auf Baumwolle oder Leinen nur nach dem Beizen mit Gerbsäure. Grün erzeugt man auf indigblauem Grund mit Quercitron, Schwarz durch Anilinschwarz (echt) oder auf blauem Küpengrund durch Beizen mit holzessigsaurem Eisen und Ausfärben mit Galläpfeln und Blauholz. Am wichtigsten ist die Rotfärberei mit Krapp, welche auf geöltem Grunde das schöne Türkischrot (Adrianopelrot) liefert. Man beizt im Mistbad (einer Mischung von eigentümlich saurem Olivenöl [Tournantöl] oder Palmöl, mit Pottasche, Schafkot und Wasser) und im Weißbad, welches aus einer Emulsion desselben Öls mit Pottasche und Wasser besteht. Die geölten Garne oder Gewebe hängt man an die Luft, wobei sich ein Teil des Öls in eigentümlicher Weise verändert und dadurch die Faser beizt. Das überschüssige Öl wird durch Pottaschen- oder Seifenlösung entfernt. Die geölten Stoffe werden mit einer Abkochung von Galläpfeln oder Sumach galliert, dann zweimal in einer mit Soda oder Kalkmilch neutralisierten Alaunlösung durchgearbeitet und in einer Abkochung von Krapp, Krapppräparaten oder in Alizarinlösung ausgefärbt. Schließlich erzeugt man die scharlachrote Nüance durch Schönen (Avivieren, Rosieren), indem man die gefärbten Stoffe mit Seifenlösung, Zinnchlorür kocht und dadurch einen Teil der mit dem Alizarin verbundenen Thonerde durch Zinnoxyd [43] ersetzt. Um die vegetabilische Faser der stickstoffhaltigen tierischen ähnlicher zu machen, behandelt man sie oft mit stickstoffhaltigen Substanzen, wie Eiweiß, Käsestoff etc. (Animalisieren), und erreicht dadurch, daß der Farbstoff bedeutend leichter aufgenommen wird. Man kann z. B. zu diesem Zweck die Baumwolle mit einer Mischung aus Präpariersalz und Milch behandeln und darauf eine Alaunlösung auf dieselbe einwirken lassen.

Geschichtliches.

Die Geschichte der F. erstreckt sich in das graueste Altertum; aber während man heute die prächtigsten Farben, allen zugänglich, selbst auf den billigsten Stoffen findet, waren gefärbte Stoffe früher äußerst kostbar und wurden zu den vorzüglichsten Schmuckgegenständen gezählt. Seit undenklichen Zeiten beschäftigten sich die Inder, Perser, Ägypter und Syrer mit dieser Kunst. In den Büchern Mosis werden häufig blau, purpurn, scharlachen gefärbte Zeuge erwähnt. Die Ausschmückung des Allerheiligsten und die Kleider des Hohenpriesters sollten nach göttlichem Befehl aus purpurnen Stoffen gefertigt sein. Vorzugsweise wurde in Tyros die F. und der Handel mit gefärbten Stoffen in größerer Ausdehnung betrieben, namentlich soll der Purpur, der in jenen Zeiten als das Symbol priesterlicher und fürstlicher Würde galt, in Tyros erfunden worden sein. In Griechenland wurde die F. wenig geübt, um so mehr aber bei den Römern. Bei den circensischen Spielen unterschieden sich die verschiedenen Parteien durch die Farbe ihrer Anzüge, und Plinius spricht von Grün, Orange, Grau und Weiß. Man benutzte im Altertum als Farbmaterialien Alkanna, verschiedene Flechten, Ginster, Krapp, Galläpfel, Waid, die Samen des Granatapfels und einer ägyptischen Akazie, Eisen- und Kupfervitriol und Alaun. Die Entwickelung der F. wurde, wie alle andern Künste in Europa, durch die Invasionen im 5. Jahrh. erstickt, blühte aber im Osten weiter und gelangte im 12. oder 13. Jahrh. nach Europa zurück. Damals war namentlich Florenz wegen der Anzahl und Vollkommenheit seiner Färbereien berühmt; auch die Flechtenfarbstoffe wurden hier zuerst in Europa angewandt. Die Entdeckung Amerikas beförderte die F. durch das Bekanntwerden von Blauholz, Rotholz, Quercitron, Orlean, Kochenille etc. Cornelius Drebbel führte 1650 bei der F. mit Kochenille das Zinnsalz ein und lieferte damit Fabrikate, welche den alten Purpur an Schönheit übertrafen. Vorzüglich aber leisteten die Italiener in der F. Ausgezeichnetes; in Venedig erschien 1540 das erste Werk über F. von Giovanni Ventura Rosetti, welches in ganz Europa das Interesse für die F. anregte. Namentlich die Flamänder kultivierten und verpflanzten die F. nach Deutschland, Frankreich und England. In der Mitte des 16. Jahrh. führte man den Indigo und das Blauholz in England ein; allein auf Anstiften der einheimischen Waidfabrikanten wurde die Einfuhr beider Droguen in mehreren Ländern wieder verboten und der im Land befindliche Vorrat zerstört. In der Mitte der letzten Hälfte des 18. Jahrh. wurde die Türkischrotfärberei in Frankreich eingeführt und zu gleicher Zeit die Quercitronrinde von Bancroft. Die neueste Zeit hat die F. durch das Studium des Verhaltens der Beizen gegen die Farbstoffe sehr gefördert. Außerdem häuften sich die Entdeckungen neuer Farbstoffe aus dem Mineralreich, und in neuen Verbindungen der organischen Chemie lernte man die wertvollsten Rohmaterialien für glänzende Farben kennen. Erregte in dieser Beziehung schon das Murexid aus Harnsäure große Aufmerksamkeit, so wurden doch alle bisherigen Erfolge seit 1859 durch die Teerfarben weit übertroffen. Diese beherrschen jetzt vollständig namentlich die Woll- und Seidenfärberei und werden auch noch lange beliebt bleiben, da stets neue und glänzendere Nüancen aufgefunden werden. Die organische Chemie hat sich in den letzten Jahren auch mit großem Glück der künstlichen Darstellung von Pflanzenfarbstoffen zugewandt: es gelang namentlich die Darstellung des Alizarins und des Indigos. Das Alizarin wurde alsbald fabrikmäßig dargestellt und hat auf die Krappfärberei bedeutenden Einfluß gewonnen.

Vgl. außer den ältern Werken von Chevreul und Persoz: Schützenberger, Die Farbstoffe, mit besonderer Berücksichtigung ihrer Anwendung in der F. und Druckerei (a. d. Franz. von Schröder, Berl. 1868, 2 Bde.); Reimann, F. der Gespinste und Gewebe (das. 1867); Derselbe, Jedermann eigner Färber, Fleckenreiniger etc. (das. 1873); Spirk, Praktisches Handbuch der gesamten F. und Druckerei (2. Aufl., das. 1874); Bolley, Chemische Technologie der Spinnfasern (Braunschw. 1867–80); Schrader, Der Färber nach den Anforderungen der Gegenwart (3. Aufl., Leipz. 1874); v. Laer, Recueil des principaux procédés de teintures à mordant (Verviers 1871); Meißner, Die Maschinen der Appretur, F. und Bleicherei, deren Bau und praktische Behandlung (Berl. 1873); Crookes, A practical handbook of dyeing and calico printing (Lond. 1874); Derselbe, Dyeing and tissue printing (das. 1882); Prüfer, Die Wollen- und Halbwollenstückfärberei (Leipz. 1878); Kielmeyer, Die Entwickelung der F., Druckerei und Bleicherei (Augsb. 1879); D. Smith, The English dyer (Lond. 1882). Zeitschriften: „Färberei-Musterzeitung“ (35. Jahrg. 1886, Leipz.); „Färberzeitung“, herausgegeben von Geyer (22. Jahrg. 1886, Dresd.); „Reimanns Färberzeitung“ (17. Jahrg. 1886, Berl.); „The chemical technologist devoted to the arts and manufacturers relating to dyeing, calico printing, bleaching, finishing, sizing, alkali and vitriol making etc.“ (Manchester); „Bulletin de la société industrielle de Mulhouse“ (Mülhausen i. Els.); „Bulletin de la société industrielle de Rouen“ (Rouen); „Wagners Jahresberichte über die Leistungen der chemischen Technologie“ (Leipz.). Vgl. auch die Litteratur bei Appretur und Bleicherei.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 311
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[311] Färberei. Die Arbeiter in den Färbereien sind vor allem durch die Einwirkung giftiger Farbstofflösungen und Beizen gefährdet. So erzeugt das chromsaure Kali besonders am Handrücken Bläschenausschläge und Geschwüre, und ähnlich wirkt Pikrinsäure. Bei Verarbeitung von Zinn-, Zink- und Bleisalzen sind Vergiftungen nicht selten. Jedenfalls sollten in Färbereien genügende Waschvorrichtungen und besondere Eßräume vorhanden sein, außerdem sind mit Rücksicht auf die vielerlei schädlichen Dämpfe, die sich bei den verschiedenen Färbeprozessen entwickeln, hohe, luftige und gut ventilierte Arbeitsräume zu verlangen. Sehr schädlich wirkt die große Nässe und der jähe Temperaturwechsel; aber auch bei asphaltierten Fußböden, gut wirkenden Abzügen für den Wasserdampf und zweckmäßiger Kleidung treten Katarrhe und rheumatische Leiden häufig genug auf. Daß die nötigen Vorrichtungen gegen Verbrühungen und gegen die Gefahren, welche Waschräder, Zentrifugen und Walzen herbeiführen, zur Anwendung zu bringen sind, ist selbstverständlich. Die Nachbarschaft der Färbereien leidet unter den übeln Ausdünstungen, die freilich sehr schwer zu beseitigen sind, und da Färbereien nicht zu den konzessionspflichtigen Anlagen gehören, so sind Beschwerden meist aussichtslos. Viel bedeutender ist die Verunreinigung der öffentlichen Wasserläufe durch die Abwässer, welche nicht nur fäulnisfähige Substanzen, sondern auch giftige Metallsalze enthalten. Man hat zur Reinigung der Abwässer Kalk, Filtration durch Sand oder Erde, sehr lange Gräben mit eingeschalteten Klärbassins und Rieselfelder angewandt; doch ist es nicht immer möglich, die nötigen Einrichtungen zu treffen.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 266267
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[266] Färberei. Bei der neuern chemischen Auffassung der in der F. verlaufenden Prozesse betrachtet man die gefärbte Faser, speziell die Tierfaser, als eine salzartige Verbindung, in welcher die Faser die Rolle einer Säure oder Base spielt, je nachdem der zum Färben benutzte Farbstoff basischer oder saurer Natur war. Die Base Rosanilin ist ungefärbt, während ihre Salze, wie z. B. das Fuchsin, lebhaft rot gefärbt sind. Bringt man nun in eine farblose Rosanilinlösung einen Woll- oder Seidenstrang und erwärmt die Flüssigkeit, so färbt sich die Faser ebenso intensiv rot, als ob die entsprechende Menge eines Rosanilinsalzes angewendet worden wäre. Man muß also annehmen, daß die farblose Base mit der Faser eine Verbindung eingeht, welche sich wie ein Salz des Rosanilins verhält. Ist diese Deutung richtig, so müssen Salze von Farbbasen durch den Färbeprozeß zerlegt werden, und in der That kann nach dem Ausfärben genau abgewogener Mengen von Fuchsin, Methylviolett und Chrysoidin auf Wolle oder Seide die in diesen Farbstoffen enthaltene Salzsäure quantitativ in dem entfärbten Lösungsmittel nachgewiesen werden. Die Flüssigkeit reagiert indes wie vor dem Färben neutral, die Salzsäure ist also gebunden, und zwar läßt sich qualitativ Ammoniak nachweisen. Letzteres ist als Zersetzungsprodukt der tierischen Faser aufzufassen, welche indes wahrscheinlich noch andre basische Körper geliefert hat. Für die Zwecke der F. werden selten mehr als 2 Proz. vom Gewicht der Wolle an Farbstoff angewandt. Indes ist die Faser im stande, bei weitem größere Mengen von Farbstoff aufzunehmen, wenn man nur einen großen Überschuß von Farbstoff anwendet, und es scheint, daß in einigen Fällen die Maximalmengen der aufgenommenen Farbstoffe zu einander im Verhältnis der Molekulargewichte oder einfacher Multipla derselben stehen. Durch Lösen von [267] Wolle in verdünnter Schwefelsäure erhält man eine leicht lösliche Substanz, die sogen. Lanuginsäure, welche in Lösungen der sauern Farbstoffe intensiv gefärbte Niederschläge erzeugt. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß beim Färben von Wolle in Säurebädern sich diese oder eine nahe verwandte Amidosäure bildet und zur Fixierung der Farbstoffe Veranlassung gibt. Stellt sich so die Färbung als ein chemischer Prozeß dar, dann ist es von höchstem Interesse, die Konstitution der tierischen Faser kennen zu lernen. In dieser Hinsicht ist es von Bedeutung, daß Richard die Gegenwart von Amidogruppen in Wolle und Seide nachgewiesen hat. Setzt man nämlich die Fasern 24 Stunden lang der Einwirkung von salpetriger Säure in sehr verdünnter Lösung aus, so verhält sich die strohgelb gewordene Faser wie eine Diazoverbindung; beim Eintauchen in alkalische Phenollösungen entstehen lebhafte, je nach der Natur des Phenols rote, orange oder braune Färbungen.


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 290291
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[290] Färberei. Die vermutlich aus Indien stammende, sehr alte Türkischrotfärberei liefert ein Produkt, welches in seiner Schönheit von modernen Prozessen höchstens erreicht, aber gewiß nicht übertroffen ist. Dieselbe besteht in einer Krappfärberei auf Thonerdebeize, benutzt aber eine besondere Vorbeize, welche dem auf der Faser befestigten Thonerdealizarinlack eine Frische und Echtheit des Tones verleiht, die auf gewöhnlichem Wege nicht erreichbar ist. Die Vorbeize wird aus einem zum Ranzigwerden geneigten Olivenöl (Tournantöl) hergestellt, welches man in Sodalösung zu einer Emulsion verteilt. Die Garne und Gewebe werden mit dieser Weißbeize getränkt, in luftigen Gängen getrocknet, nach etwa einer Woche gewaschen und wieder mit der Beize behandelt. Dies Verfahren wiederholt man fünfmal und öfter, und erst dann folgt das Beizen mit Thonerdesalzen, das Ausfärben etc. Offenbar beruht die Wirkung der Weißbeize auf Ranzigwerden des Fettes, dies erfolgt nur bei reichlichem Luftzutritt, aber immerhin so langsam, daß das Verfahren 6–8 Wochen beansprucht. Runge hatte schon 1834 angegeben, daß das Ölen der Stoffe nicht nur auf Krapp, sondern auch auf andre Farbstoffe eine farbenentwickelnde Wirkung ausübt, den Glanz und das Feuer der Farben erhöht. Nach Einführung der künstlichen Farbstoffe beobachtete man, daß weißgebeizte Gewebe sich den Anilinfarbstoffen gegenüber wie tierische Fasern verhalten und dieselben ohne Beihilfe irgend welcher andern Beize direkt fixieren. Um nun für derartige Verwendung der Weißbeize das Verfahren abzukürzen, versetzte Witt die Weißbeize mit Terpentinöl, welches unter Bildung von Wasserstoffsuperoxyd eine viel raschere Bildung der unlöslichen Ölbeize auf der Faser bewirkt. Eine noch weitere, sehr bedeutende Abkürzung wurde erreicht, als man unter Beibehaltung des Terpentinölzusatzes das Öl durch Erwärmen auf einer Salzsäure und Kaliumchlorat enthaltenden Flüssigkeit mit Chlor behandelte. Eine vollkommene Wendung aber erfuhr das Verfahren erst auf Grund einer ebenfalls bereits von Runge mitgeteilten [291] Beobachtung, nach welcher mit Schwefelsäure behandeltes Öl der alten Weißbeize sehr ähnlich wirkt. Derartiges Fabrikat ist jetzt unter dem Namen Türkischrotöl in verschiedenen Sorten im Handel und wird in Baumwollfärberei und Zeugdruck in größter Menge verwendet. Ausschließliche Verwendung von Ölbeize ohne gleichzeitige Anwendung andrer Beizen ist indes nicht mehr möglich. Man wendet das Öl nur als Vorbeize zur Erhöhung des Glanzes und der Schönheit der Farben an und hat die eigentliche Fixierung der Farbstoffe durch Ölbeize verlassen, weil diese Färbungen liefert, die überaus lichtempfindlich und vergänglich sind. Zur Darstellung der Ölbeizen benutzt man gegenwärtig Olivenöl, Baumwollsamenöl, Erdnußöl, Ölsäure und Rizinusöl. Aus den vier ersten Ölen gewonnene Produkte dienen als Vorbeizen für Türkischrotfärberei und zum Imprägnieren von Geweben für den Zeugdruck, dagegen wird die aus Rizinusöl erzeugte Beize zwar auch zum Vorbeizen von Geweben für den Zeugdruck, hauptsächlich aber als Zusatz zu fertig gemischten Druckfarben angewandt; sie scheint die andern Ölbeizen mehr und mehr zu verdrängen. Man erhält die Beizen, indem man 2 Teile Öl mit 1 Teil konzentrierter Schwefelsäure vorsichtig und unter Vermeidung stärkerer Erwärmung mischt, nach 12 Stunden mit Wasser verdünnt, Natronlauge zusetzt, gut umrührt, die wässerige Flüssigkeit nach dem Absetzen entfernt und das Öl mit Natronlauge oder Ammoniak neutralisiert. Die so erhaltene Beize gibt mit Wasser eine etwas trübe, aber homogene Flüssigkeit, die man auf dem Gewebe einfach trocknen läßt. Zur Herstellung der Rizinusölbeize braucht man weniger Schwefelsäure, und es genügt wiederholtes Auswaschen mit gesättigter Kochsalzlösung. Die Beize wird ohne weiteres oder nach dem Neutralisieren mit Natronlauge oder Ammoniak benutzt.

Man hat in den Ölbeizen die Gegenwart gepaarter Ölschwefelsäuren oder von Sulfosäuren der Ölsäuren angenommen. Nach den Untersuchungen von Liechti und Suida sind aber die Ölbeizen ziemlich komplexe Gemische und enthalten Glycerinschwefelsäureester von Oxyfettsäuren. Dieser Anteil der Ölbeize ist in Wasser löslich, während in dem unlöslichen Teil unveränderte Ölsäure, Oxystearinsäure, auch wohl Oxyölsäure vorhanden ist. Beim Kochen der Ölbeize mit Alkalien zerfallen die Ester unter Bildung von Oxystearinsäure und Oxyölsäure. Diese Säuren sollen sich auch beim Verhängen mit Ölbeize gebeizter Stoffe abscheiden und mit der Faser verbinden, und Fischli hat gezeigt, daß sie in der That die wirksamen Bestandteile der Ölbeize sind. Nach Fischli liefert gewöhnliche, durch alkalische Verseifung von Rizinusöl hergestellte Rizinolsäure genau ebenso gute Resultate wie das aus Rizinusöl hergestellte Sulfoleat. Bei der Herstellung des letztern findet also einfach eine Verseifung des Rizinusöls statt, u. die Rizinolsäure ist höchst wahrscheinlich eine Oxyfettsäure. Die gewöhnlichen Fettsäuren sind als solche nicht wirksam, sie werden es erst durch Behandlung mit Schwefelsäure unter Bildung von Oxystearinsäure und Oxyölsäure. Fischli hat auf Grund seiner Untersuchungen empfohlen, die Benutzung der Schwefelsäure fallen zu lassen und eine aus Rizinusöl bereitete Natronseife einzuführen. Werden Gewebe mit solcher Seifenlösung getränkt und der Luft ausgesetzt, so wird die Seife durch die Kohlensäure der Luft zersetzt und die freiwerdende Rizinolsäure von der Baumwollfaser waschecht gebunden. Bei nachfolgender Behandlung mit Thonerdesalzen entsteht auf der Faser basisches Thonerderizinoleat, , welches die eigentliche Grundlage des Türkischrot bildet. Das letztere entsteht, indem ein Teil der in dem Thonerdesalz noch vorhandenen Hydroxylgruppen durch Alizarin ersetzt wird. Basische Anilinfarbstoffe werden von der Ölbeize als Rizinoleate in der Faser niedergeschlagen. Da diese wie alle Seifen amorph sind, so überziehen sie in zusammenhängender Schicht die Faser und erscheinen glänzender als die in kristallinisch-körniger Form ausgeschiedenen sonstigen Verbindungen der gleichen Farbstoffe.