Zum Inhalt springen

MKL1888:Feingehalt

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Feingehalt“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Feingehalt“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 6 (1887), Seite 103104
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Feingehalt
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Feingehalt. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 103–104. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Feingehalt (Version vom 07.01.2025)

[103] Feingehalt (Feinheit, franz. Titre, Aloi, Loi; engl. Standard). Gold und Silber werden wegen ihrer physikalischen Eigenschaften niemals in reinem Zustand zu Münzen, Schmuckwaren etc. verarbeitet, sondern stets in Legierungen mit andern weniger edlen oder unedlen Metallen. Das Verhältnis, welches in einer Legierung zwischen dem Gehalt an Gold oder Silber und dem Gesamtgewicht besteht, nennt man F. (vgl. Goldlegierungen, Silberlegierungen, Münzwesen). Derselbe wird heute meist in Tausendteilen ausgedrückt. So ist der Feingehalt einer Ware oder Münze, welche zu 4/5 aus Gold oder Silber und zu 1/5 aus einem andern Metall besteht, = 0,800; auf 8 Tausendteile Gold oder Silber kommen 2 Tausendteile des geringern Metalls. Früher gebrauchte man hierfür die Bezeichnung Karätigkeit bei Gold und Lötigkeit bei Silber. Bei Gold drückte man den F. in 1/24 (Karaten) aus, nannte z. B. einen Gegenstand, der zu 18/24 aus reinem Gold bestand, 18karätig. Bei Silber wurde die Zahl 16 gewählt; eine Münze, welche 75 Proz. Silber enthielt, wurde 12lötig genannt. Ein Karat Gold wurde in 12 Grän, ein Lot Silber in 18 Grän eingeteilt, also Gold sowohl als Silber in 288 Grän. Eine Ware zu 18 Karat 6 Grän enthielt sonach eine Goldmenge von 224288. Die als Einheit angenommene Gewichtsmenge nannte man bei Waren das Probiergewicht, den in derselben ausgedrückten F. die Probe.

Schon frühzeitig wurde teils, um Betrug zu verhüten und den guten Ruf der Industrie aufrecht zu erhalten, teils auch im fiskalischen Interesse (Gebührenerhebung bei der Stempelung) die Verarbeitung edler Metalle und deren Verkauf zum Gegenstand gesetzlicher Regelung gemacht. Die älteste derartige bekannte Bestimmung ist eine englische aus dem Jahr 1300, welche sich auf den noch ältern „Touch of Paris“ bezieht. Heute unterliegt in einigen Ländern die Zusammensetzung von Waren aus Edelmetall, deren Bezeichnung und Verkauf keinerlei Beschränkungen. Meist läßt jedoch dann der Staat durch eigens hierfür bestellte Beamte auf Wunsch der Interessenten (Fabrikant, Verkäufer) die Zusammensetzung von Gold- und Silbersachen prüfen und durch Aufdrückung des Stempels bestätigen (fakultative Stempelung). In andern Ländern dürfen nur gestempelte Waren verkauft werden (obligatorische Stempelung), und zwar ist dann die Stempelung meist eine amtliche, seltener ist die Ware vom Fabrikanten nur mit dessen eignem Stempel zu versehen und daneben die amtliche Stempelung eine fakultative. Hier wie dort kann die Wahl des Feingehalts vollständig oder doch von einer gewissen untersten Grenze ab freigestellt sein, der Staat bestätigt jeden F.; oder es erfolgt die Stempelung nur für bestimmte Zusammensetzungen, andre sind ausgeschlossen, bez. es wird durch Stempelung nur der nächstniedrige zulässige F. bestätigt. In mehreren Ländern ist durch die Stempelung oder neben derselben auch die Firma des Geschäfts bemerklich zu machen, für welches die Stempelung erfolgt, und zwar bei allen Gold- und Silbersachen (England) oder bei bestimmten Gattungen (Deutschland). Vielfach ist die Stempelung eine obligatorische nur für den heimischen Markt, während bei auszuführenden Waren größere Freiheiten gewährt werden oder überhaupt keine Beschränkung in Anwendung kommt. In England müssen alle Gold- und Silberarbeiten mit Ausnahme derjenigen von sehr kleinem Gewicht geprüft und gestempelt werden. Gesetzlich zulässig sind 9-, 12-, 15-, 18- und 22karätige Goldwaren und Silberwaren von 11 ounces 10 pennyweights und 11 ounces 2 pennyweights F. (vgl. Pfund). Bei der Ausfuhr wird die für Stempelung gezahlte Gebühr zurückvergütet. In den britischen Kolonien bestehen keine Feingehaltsbestimmungen. In Frankreich haben die Goldwaren gesetzlich 0,730, 0,750, 0,840, 0,920, Silberwaren 0,800 und 0,950 F. Alle Waren tragen den Stempel des Fabrikanten, des Feingehalts und des Kontrollbüreaus. Eingeführte Waren werden an der Grenze wie einheimische behandelt und besonders gestempelt. Bei der Ausfuhr gestempelter Waren wurden früher zwei Drittel der bereits entrichteten Stempelgebühr (seit 1873 für 1 hg Gold 371/2, für 1 hg Silber 2 Frank) zurückvergütet. Seit 1872 wird die ganze Gebühr zurückerstattet; um jedoch Hintergehungen zu verhüten, werden gestempelte Waren bei der Ausfuhr abermals mit einem Stempel versehen, durch welchen der erste Stempel ungültig gemacht wird. In Belgien ist seit 1867 jeder beliebige F. gestattet. Der Verkäufer muß auf Wunsch des Käufers auf Rechnungen den Feingehalt angeben. Die staatliche Stempelung ist eine fakultative, und zwar wird bestätigt ein F. von 0,750 und 0,800 bei Gold und von 0,800 oder 0,900 bei Silber. Waren mit einem F. zwischen diesen Sätzen erhalten den geringern Stempel. In Holland ist gleichfalls die Fabrikation frei; der Fabrikant hat aber die Waren mit seinem eignen Stempel zu versehen, und die Regierung garantiert einen F. von 0,583, 0,750, 0,833 und 0,916 beim Gold und von 0,833 und 0,934 beim Silber. In Italien ist jeder F. zulässig; die staatlichen Prüfungsämter bestätigen einen F. von 0,500, 0,750 und 0,900 beim Gold und von 0,800, 0,900 und 0,950 beim Silber. Spanien schreibt vor für Gold einen F. von 0,750, 0,8333 und 0,9166, für Silber einen F. von 0,750 und 0,9166. In Österreich müssen die Waren den Stempel des Fabrikanten besitzen und an die Punzierungsämter zur Untersuchung des Feingehalts eingeliefert werden. Instrumente, mit Schmelz vollständig überzogene Waren, Fassungen von Steinen und Perlen, Geräte von sehr geringem Gewicht, eingeführte, mit dem Probezeichen einer öffentlichen Behörde versehene Barren unterliegen nicht der Kontrolle. Gesetzlich festgestellt ist für inländische Goldgeräte ein F. von 0,580, 0,750, 0,840 und 0,920, für inländische Silbergeräte ein F. von 0,750, 0,800, 0,900 und 0,950. Ausländische Gold- und Silbergeräte müssen mindestens den niedrigsten dieser Feingehaltsgrade besitzen. Für Silberdraht wird mindestens ein F. von 0,985, für Golddraht 0,997 verlangt. In Rußland herrscht ein System der strengsten Überwachung, die Waren werden gestempelt; in einigen Gouvernements ist die Darstellung goldener Geräte ganz verboten. In der Schweiz regelte früher fast jeder Kanton den F. der Gold- und Silberwaren durch Spezialbestimmungen. Jetzt ist der Gegenstand einheitlich für die ganze Schweiz durch Bundesgesetz geregelt. Die Stempelung ist obligatorisch für Uhrgehäuse (für Gold 0,750 und darüber, bez. 0,583, für Silber 0,875 und darüber, bez. 0,800), für andre Gold- und Silberwaren ist sie fakultativ. In Schweden ist vorgeschrieben die Verwendung von Dukatengold von 23 Karat 5 Grän, Pistolengold von 20 Karat 4 Grän und Kronengold von 18 Karat 4 Grän F. Silberwaren müssen 13 Lot 4 Grän fein enthalten. In Norwegen ist vorgeschrieben für Goldsachen von mehr als 3 Lot Gewicht ein F. von 18 Karat, für leichtere von 14 Karat. Sie erhalten den Meister- [104] und Feingehaltsstempel. In mehreren deutschen Ländern (Preußen, Bremen, Baden, Sachsen-Gotha, Schwarzburg-Rudolstadt, -Sondershausen, Reuß ä. und j. L., Schaumburg-Lippe und Lippe-Detmold) bestanden seither keine gesetzlichen Beschränkungen des Feingehalts, während diejenigen Sachsens außer Gebrauch waren. Die zur Zeit in den übrigen Ländern des Deutschen Reichs noch geltenden landesrechtlichen Bestimmungen über den F. der Gold- und Silberwaren treten vom 1. Jan. 1888 ab außer Geltung, und es tritt dann das Reichsgesetz vom 16. Juli 1884 in Kraft. Nach demselben dürfen Gold- und Silberwaren zu jedem F. angefertigt und feilgehalten werden. Auf Geräten und Uhrgehäusen von Gold ist nur eine Angabe in 0,585 oder mehr, auf solchen von Silber in 0,800 oder mehr zulässig. Schmucksachen dürfen in jedem F. gestempelt werden; letzterer ist in Tausendteilen anzugeben. Eingeführte Waren, deren F. durch eine jenem Gesetz nicht entsprechende Bezeichnung angegeben ist, dürfen nur dann feilgehalten werden, wenn sie außerdem mit einem Stempelzeichen nach Maßgabe des Gesetzes versehen sind. Zur Bezeichnung des Feingehalts auf goldenen und silbernen Geräten muß das Stempelzeichen für letztere enthalten: die Reichskrone, das Sonnenzeichen für Gold, Mondsichelzeichen für Silber, die Angabe des Feingehalts in Tausendteilen, die Firma oder eingetragene Schutzmarke des Geschäfts, für welches die Stempelung bewirkt ist.

Die Krone muß bei Goldgeräten in dem Sonnenzeichen, bei Silbergeräten rechts neben dem Mondsichelzeichen stehen. Für die Richtigkeit des angegebenen Feingehalts haftet der Verkäufer der Ware. In Nordamerika bestehen keine gesetzlichen Beschränkungen des Feingehalts. Vgl. v. Studnitz, Die gesetzliche Regelung des Feingehalts von Gold- und Silberwaren (Pforzh. 1875); „Das Reichsgesetz über den F.“, mit Erläuterungen (Schwäbisch-Gmünd 1884).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 314
korrigiert
Indexseite

[314] Feingehalt. Vgl. Bödiker, Die gesetzliche Regelung des Feingehalts der Gold- und Silberwaren (Leipz. 1886).