MKL1888:Getreide

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
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Band 7 (1887), Seite 262265
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Getreide. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 262–265. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Getreide (Version vom 09.05.2021)

[262] Getreide (Cerealien, Halmfrüchte), Kulturpflanzen, besonders Gräser, welche ihrer mehlhaltigen Samen halber gebaut werden und durch ihren Reichtum an Stärkemehl und eiweißartigen Stoffen (Kleber) die Basis aller vegetabilischen Nahrung bilden. Jeder Erdteil besaß ursprünglich seine eigne Brotfrucht, Europa den Hafer, Nordasien Gerste und Weizen, Südasien Hirse und Reis, Afrika Mohrenhirse, Amerika Mais; nur Australien hat erst durch den Völkerverkehr Brotfrucht erhalten. Die Heimat des Hafers dürfte im Donaugebiet zu suchen sein; er scheint sich von da aus in gemäßigte und kalte Gegenden aller Weltteile verbreitet zu haben, wurde aber mit der Einführung nahrhafterer und besserer Cerealien mehr und mehr auf magern Boden und in unwirtliche Gegenden zurückgedrängt. Er wird gegenwärtig vorwiegend als Futterpflanze für Haustiere gebaut, dient aber auch noch ärmern Menschen als Nahrung, und in Schottland bäckt man noch heute Brot aus Hafer. Gerste, aus Vorderasien stammend, hat die größte geographische Verbreitung, und vereint mit dem Hafer hat sie ihre Herrschaft in Europa bis über den Polarkreis, in Asien bis nahe an denselben ausgedehnt. Man baut sie jetzt in beschränktern Quantitäten hier und da als Brotfrucht und zur Darstellung von Graupen, hauptsächlich aber zur Bierfabrikation. Roggen dürfte seinen Ursprung in den Ländern zwischen den Alpen und dem Schwarzen Meer gehabt haben. Aber obgleich eine der wertvollsten Brotfrüchte, hat er sich doch nur wenig über die germanischen und slawischen Volksgebiete hinaus verbreitet. Die wichtigste Brotfrucht, der Weizen, ist überall verbreitet, wo die zu seinem Anbau geeigneten Verhältnisse stattfinden, und stammt wahrscheinlich aus Mittelasien. Dagegen werden Spelz, Einkorn und Emmerkorn in Europa gegenwärtig nur strichweise gebaut. Der Weizen bildet einen breitern Gürtel als der Roggen und wird als vorherrschende Frucht im mittlern und südlichen Frankreich, in England, einem Teil von Deutschland, Ungarn, den südlichen Donauländern, in der Krim, in den Kaukasusländern und im mittlern Asien, am Kap, in Chile und Buenos Ayres gebaut. An der Nordgrenze seines Gebiets ist er mit Roggen, an der Südgrenze mit Reis und Mais vergesellschaftet. Einer noch weit größern Menge von Menschen dient aber der Reis zur Nahrung. In Hinterindien und auf den Sundainseln heimisch, hat er sich über das ganze Süd- und Ostasien, Arabien, Persien und Kleinasien verbreitet und ist von da nach Nordafrika, Ägypten, Nubien, Griechenland und Italien, in der neuesten Zeit auch nach Amerika vorgedrungen; die afrikanischen und amerikanischen Tropenländer kultivieren ihn jedoch weniger ausschließlich als Indien. Der Mais dürfte in Zentralamerika zu Hause und durch die Tolteken nach Mexiko verbreitet worden sein. Die Europäer fanden seine Kultur bei der Entdeckung Amerikas vor, und noch heute bildet er in Peru, Mittelamerika und Mexiko die gewöhnlichste Nahrung der mittlern und niedern Volksklasse. In Europa verbreitete er sich erst seit dem 17. Jahrh. An der Westküste Afrikas ist seine Kultur auf die Tropen beschränkt, während sie nördlicher in allen Mittelmeerländern zu Hause ist. Die gemeine Hirse, gleichfalls aus Ostindien stammend, steht in ihrer Verbreitung dem Reis wenig nach, und in China ist ihre Kultur uralt. Auch die Kolbenhirse (Fennich), gegenwärtig im südlichen, hier und da auch im mittlern Europa gebaut, ist ostindischer Abkunft. Von geringerer Bedeutung ist der europäische Himmelstau (Mannagrütze), der auf magerm, sandigem Boden gebaut wird. Als Charakterpflanze Afrikas ist die Mohrenhirse zu betrachten. Sie kam zu Plinius’ Zeiten (aus Indien?) nach Europa. Afrika erhielt sie mit dem Reis durch die Araber; sie wird dort an der Ost- und Westküste, in der Nordhälfte bis Timbuktu und in Abessinien angebaut, außerdem in Ungarn, Dalmatien, Italien, Portugal. Einige Getreidearten aus der Familie der Gräser sind auf gewisse Länderstrecken beschränkt und werden nirgends als ausschließliche Brotfrucht [263] benutzt. Von diesen sind zu erwähnen: der Tef in den abessinischen Gebirgen, welcher das Lieblingsbrot der Abessinier liefert, die aus Ostindien stammende, gleichfalls in Abessinien kultivierte Eleusine Tocusso und die in Ostasien vielgebaute Eleusine coracana. Aus Ostindien stammend, hat sich über Ägypten und die angrenzenden Länder die Pennicillaria spicata verbreitet und bildet in manchen Gegenden das Hauptnahrungsmittel. Auch Glyceria fluitans, einige Bromus-Arten und Coix lacryma sind unter den Cerealien zu erwähnen, und wenn man den Begriff der letztern etwas weiter faßt, so gehören dazu auch der Buchweizen, die Quinoa (Chenopodium Quinoa Willd.), welche seit uralter Zeit in Neugranada, Peru und Chile kultiviert wird, und der Amaranthus frumentaceus Roxb. auf den Bergabhängen von Maissur und Koimbatur.

Die Verbreitung des Getreides auf der Erde,

soweit dieselbe abhängig ist von der Temperatur und andern Verhältnissen, die zusammen das Klima eines Landes bilden, erscheint mannigfach gegliedert und von besondern örtlichen Verhältnissen abhängig. Nur in wenigen Teilen der Erde ist der Getreidebau ganz unmöglich. In den der Linie nahen heißen Ländern treiben die Cerealien Blätter; allein die Sonne versengt sie, noch ehe die Ähren sich entwickeln. So wächst, außer im Kapland, in Afrika jenseit des südlichen Wendekreises sowie auf den Inselgruppen westlich von Ceylon und Malabar wenig G. In den heißen Ländern wird auch bisweilen deshalb kein G. gebaut, weil die Natur pflanzliche und tierische Nahrungsmittel ohne jede Kultur in reichlicher Menge spendet. Nach Norden hin findet sich der Getreidebau in Europa bis gegen den 70.°, in Sibirien bis zum 60.° und in Kamtschatka bis gegen den 50.° In Nordamerika liegt diese Grenze an der Westküste beim 57.° und an der Ostküste beim 52.° nördl. Br. Im Himalaja gedeiht Gerste noch bis 4500, Roggen bis 3900 m Höhe; am Chimborazo finden sich 3138 m über der Meeresfläche noch wohlbestellte Getreidefelder. In den Nordalpen erreicht das G. seine höchste Erhebung bei 1160 m, in den Zentralalpen bei 1600 m und in den südlichen Alpen bei 1880 m, am Harz dagegen schon bei 560 m in der Hochebene von Klausthal. Bei näherer Betrachtung der Verbreitung des Getreides ergeben sich ganz bestimmte Zonen, in denen stets Eine Getreideart besonders vorherrscht und vorzüglich zur Bereitung des Brotes verwendet wird. Von großer Wichtigkeit ist die Abhängigkeit des Getreidebaues vom Klima. In Ägypten beträgt die Vegetationszeit der Gerste 90 Tage, und die mittlere Temperatur dieser Zeit ist 21°. In Tuquerés nahe bei Cumbal unter dem Äquator hat man eine Vegetationszeit von 168 Tagen bei einer mittlern Temperatur von 10,7°. Zu Santa Fé de Bogotá zählt man zwischen Aussaat und Ernte 122 Tage mit einer mittlern Temperatur von 14,7°. Wenn man nun die Anzahl der Tage mit der Zahl der mittlern Temperatur multipliziert, so erhält man für Ägypten 1890, für Tuquerés 1798, für Santa Fé 1793, also nahezu dieselbe Zahl, wie sie die Unsicherheit in der Bestimmung der Tage, der genauen mittlern Temperatur und die Ungewißheit, ob überall dieselbe Gerstenart gebaut ward, nur irgend erwarten läßt. Bei Freising in Bayern verlangt Winterweizen 149 Tage bei 10,7° R., mithin 1595° Wärme, Winterroggen 137 Tage bei 10,6° R., mithin 1452°, Sommerweizen 120 Tage bei 15,1° R., demnach 1812°, Sommerroggen 110 Tage bei 13,8° R., also 1797°, Sommergerste 100 Tage bei 13,8° R., also 1380° (1725° C., vgl. oben), Hafer 110 Tage bei 13,7°, also 1507°. Dies Resultat läßt sich so aussprechen: jede Kulturpflanze bedarf zu ihrer Entwickelung einer gewissen Quantität Wärme; es ist aber gleichgültig, ob diese Wärme auf einen längern oder kürzern Zeitraum verteilt wird, sobald nur gewisse Grenzen nicht überschritten werden; denn wo die mittlere Temperatur unter 8° sinkt, oder wo sie sich über 22° erhebt, da reift z. B. keine Gerste mehr.

Die Wärme allein ist aber nicht entscheidend, auch die Regenmenge und andres kommt noch in Betracht. Der Reis wird im Sumpf gebaut, der Mais liebt trocknes Kontinentalklima; der Weizen verlangt bindigen, frischen, der Roggen lockern, warmen und trocknen Boden, die Gerste die besten Standorte, und der Hafer gedeiht am besten im feuchtkalten nordischen Klima. Für Weizen und Gerste ist der Bezug von Samen aus dem Süden, für Roggen und Hafer aus nördlichern Lagen zu empfehlen. Offene, zugige Lage (Ebenen) gehört zu den Bedingungen eines gedeihlichen Getreidebaues, da sonst leicht die dem G. schädlichen Krankheiten überhandnehmen. Der Hafer kann mit den geringern Bodenarten vorlieb nehmen und eignet sich unter allen Getreidearten allein für Neubruch oder Rodland. Reis und Mais sind einjährig; die andern Getreidearten kommen auch als Winterfrucht vor, doch Gerste bloß in Frankreich und Süddeutschland, Hafer nur selten. Bei Weizen und Roggen sind die Wintervarietäten ertragreicher, bei Hafer die Sommerarten, und bei Gerste kann nur die Sommerfrucht zur Brauerei dienen. Soll nördlich der Mainlinie der Mais zur Reise kommen, so darf man nur die niedrigen Varietäten anbauen, als Grünfutterpflanze spielt er aber auch hier eine große Rolle; auch Roggen dient als Grünfutterpflanze, und die eine Varietät Johannisroggen kann ohne Nachteil für den Körnerertrag im ersten Jahr als Futterpflanze geschnitten werden. Das Maisstroh ist hart und ohne Präparation (Salzen, Einsäuern) nicht zum Füttern verwertbar, dagegen kann es bis in den Winter hinein auf dem Feld stehen bleiben. Weizen- und Roggenstroh dienen nur zur Streu und zu Häcksel, Sommergetreide liefert gutes Futterstroh. Unter dem Weizen nehmen die Arten Spelz oder Dinkel, Emmer-, Einkorn die geringern, leichtern Bodenarten ein; die englischen und überseeischen verlangen die besten und wintern bei uns zudem leicht aus. Spelz und Dinkel liefern das weißeste und feinste Mehl, Einkorn nur grobes; die gemeine oder vierzeilige Gerste eignet sich mehr zur Fütterung, die zweizeilige zur Malzbereitung. Man erntet pro Hektar von

Winter- Weizen 18–50 Ztr. Körner, 32–112 Ztr. Stroh
Sommer- 14–32 - - 32–80 - -
Winter- Spelz 12–44 - - 36–100 - -
Sommer- 8–28 - - 28–80 - -
Winter- Emmer 16–20 - - 60–80 - -
Sommer- 12–16 - - 40–64 - -
Einkorn 12–24 - - 48–80 - -
Winter- Roggen 12–48 - - 20–120 - -
Sommer- 16–36 - - 48–88 - -
Sommer-Geste 36–64 - - 48–72 - -
 große 2zeilige 20–60 - - 28–72 - -
 kleine 4zeilige 16–40 - - 20–48 - -
Hafer 12–44 - - 24–88 - -
Mais 40–144 - - 120–160 - -
 do. 12–16 - Deckblätter, 24–40 - Kolben

In der Landwirtschaft rechnete man vordem das G. zu den vornehmsten Früchten und räumte ihm die besten Stellungen ein; jetzt, nachdem der Welthandel die Preise nicht mehr ungebührlich steigen läßt, sucht man den Getreidebau mehr zu beschränken, auf kleinern Flächen das Erntequantum zu erhöhen [264] und den Anbau billiger zu gestalten, indem man andre Pflanzen, welche die frische Mistdüngung besser lohnen, vorausgehen läßt. Mehr und mehr geht man zur Drillkultur über und sucht durch Phosphatdüngung den Körnerertrag zu steigern. Je extensiver die Landwirtschaft betrieben werden muß, um so mehr Areal (bis über 60 Proz.) wird dem Getreidebau gewidmet; je intensiver, um so mehr wird er beschränkt, selbst unter 40 Proz. des Areals. S. Getreidehandel und -Produktion.

Zusammensetzung, Nahrungswert etc. der Getreidearten.

Das G. enthält alle vier Gruppen von Nahrungsstoffen: eiweißartige Substanzen von verschiedener Beschaffenheit, welche in ihrer Gesamtheit den Kleber bilden, der bei den einzelnen Getreidearten abweichende Eigenschaften besitzt, ferner Stärkemehl, Fette und Salze, und zwar in einem verhältnismäßig günstigen Verhältnis für die Ernährung des Menschen. Neben dem Stärkemehl findet sich auch wenig Dextrin, und das Fett ist in sehr geringer

Fig. 1.
Schematische Abbildung des Weizenkorns, rechts im Querschnitt, links in aufgerollten Schichten.

Menge vertreten. Unter den unorganischen Bestandteilen des Getreides herrschen Phosphate der alkalischen Erden und der Alkalien vor, es findet sich mehr Kali als Natron u. mehr Magnesia als Kalk. Die Abbildung (Fig. 1) zeigt die verschiedenen Teile des Weizenkorns, die rechte Seite gibt einen Längsschnitt, auf der linken sind die über dem Mehlkern liegenden Schichten aufgerollt angedeutet. Fig. 2 zeigt einen Querschnitt. Die das ganze Korn umhüllende äußere Haut a besteht aus vier Schichten mit leeren Zellen, der Oberhaut (längsgestreckte, tafelförmige Zellen, welche am Scheitel der Frucht polygonale Gestalt annehmen und aus sich spitze, dickwandige Haaren hervortreten lassen), der Mittelschicht (mit ähnlichen Zellen), der Querzellenschicht (deren langgestreckte Zellen quer gegen die Hauptachse des Korns gerichtet sind) und der Samenhaut (zwei übereinander liegende Zellenschichten, die in ihrer Längsrichtung senkrecht zu einander stehen). Unter der äußern Schicht liegt die Kleberschicht b, welche aus einer einfachen Schicht von Zellen besteht, die im Querschnitt fast quadratisch, von der Fläche gesehen polygonal erscheinen. Unter der Kleberschicht liegt der Mehlkern c, aus großen, dünnwandigen Zellen gebildet, und in einer Grube desselben der Embryo oder Keim d. Was die Verteilung der chemischen Bestandteile des Korns betrifft, so enthält der Embryo das fette Öl, von dem sich etwas aber auch in der äußern Haut vorfindet. Die großen Zellen des Mehlkerns sind mit Stärkekörnern angefüllt. Zellstoff bildet die Wand der Zellen. Die Oberhaut besteht aus Korkstoff. Von den stickstoffhaltigen Körpern findet sich ein in Wasser löslicher neben dem Stärkemehl in den großen Zellen des Mehlkerns; die Hauptmasse der stickstoffhaltigen Körper aber ist in der Kleberschicht und im Keim, also vornehmlich in den Teilen

Fig. 2.
Ansicht eines Querschnitts in 500facher Vergrößerung
a Stärkekörner.

des Getreides enthalten, welche beim Mahlen die Kleie bilden. Vgl. folgende Tabellen:

Mittlere Zusammensetzung der Getreidearten.
  Was­ser Eiweiß­artige Körper Fett Stärke­mehl, Dextrin Holz­faser Asche
Weizen Minimum 5,33 8,19 1,00 61,28 1,23 0,95
Maximum 19,10 24,16 2,65 77,32 6,42 2,59
Mittel 13,56 12,42 1,70 67,89 2,66 1,77
Roggen Minimum 8,51 7,89 0,90 62,46 1,06 1,40
Maximum 19,43 17,36 2,81 72,44 3,93 2,20
Mittel 15,26 11,43 1,71 67,82 2,01 1,77
Spelz (Dinkel) Minimum 7,00 9,07 2,53 0,78 1,22
Maximum 15,25 14,49 2,96 8,64 3,43
Mittel 12,09 11,02 2,77 66,44 5,47 2,21
Gerste Minimum 8,34 6,19 1,02 56,10 2,22 0,60
Maximum 20,88 18,27 3,24 74,70 10,80 5,60
Mittel 13,78 11,16 2,12 65,51 4,80 2,63
Hafer Minimum 7,66 8,56 4,20 47,98 8,50 0,94
Maximum 15,67 18,50 7,38 64,90 16,21 5,14
Mittel 12,92 11,73 6,04 55,43 10,83 3,05
Mais Minimum 8,09 5,82 1,54 59,03 0,99 0,60
Maximum 22,40 15,12 9,16 72,69 8,50 4,09
Mittel 13,88 10,05 4,76 66,78 2,84 1,69
Reis Minimum 9,80 6,94 0,10 74,50 0,08 0,30
Maximum 14,41 8,91 1,76 77,61 2,21 2,80
Mittel 13,23 7,81 0,69 76,40 0,78 1,09
Hirse 13,15 10,91 3,67 56,89 13,06 2,32
Hirse, geschälte 12,01 12,25 3,31 64,26 4,65 3,52

[265]

Veränderungen des Korns von der Ausbildung bis zur vollendeten Reife.
  Was­ser Eiweiß­artige Körper Fett Stärke­mehl, Dextrin Holz­faser Asche
Roggen 1. Periode 10,2 2,6 81,2 3,1 2,8
2. Periode 8,2 2,2 83,6 3,0 3,0
3. Periode 8,8 1,8 84,6 2,6 2,3
4. Periode 8,8 1,1 85,3 2,4 2,5
5. Periode 8,4 0,7 85,9 2,4 2,6

Welche Veränderungen von der Ausbildung des Korns bis zur vollendeten Reife in demselben vorgehen, mögen folgende Analysen von Roggen zeigen, die in verschiedenen Reifungsperioden von Lucanus ausgeführt wurden. Es enthalten 100 Teile Körner:

  1. 2. 3. 4. 5.
Stickstoffhaltige Stoffe 10,2 8,2 8,8 8,8 8,4
Stickstofffreie Stoffe 81,2 83,6 84,6 85,3 85,9
Holzfaser 3,1 3,0 2,6 2,4 2,4
Fett 2,6 2,2 1,8 1,1 0,7
Asche 2,8 3,0 2,3 2,5 2,6
Stärke und Zucker 67,3 67,7 70,9 73,3 76,6

Die Pflanze nimmt bis zu ihrer letzten Reifezeit noch Stoffe aus dem Boden auf. Wird ihr durch frühere Ernte dieser Zuschuß entzogen, so bleibt die Ausbildung der Körner hinter den normalen Entwickelungszuständen zurück. Das Nachreifen scheint als einzigen Vorteil herbeizuführen, daß die Keimungskraft der Körner erhöht wird. In der Entwickelung der aus solchem Samen gezogenen Pflanzen selbst treten Unterschiede zu gunsten des Nachreifens nur wenig hervor, und ebenso war der Ertrag der Pflanzen aus nachgereiftem Samen gegenüber solchem, wo ein Nachreifen ausgeschlossen war, bei sonst gleicher Reife nicht oder nur unbedeutend gestiegen. Die im G. enthaltenen stickstoffhaltigen Körper sind sehr vom Klima abhängig. Der Weizen der wärmern Gegenden enthält mehr Kleber als der in kältern Ländern gewonnene. Weizen aus der Umgegend von Lille zeigte im Gehalt an eiweißartigen Bestandteilen geringere Schwankungen als algerischer Weizen, aber in letzterm kamen höhere Maximalwerte vor. Der aus dem Süden stammende Weizen war reicher an Fett und aromatischen Stoffen sowie auch an Asche als der nördliche. Das Mehl des Sommergetreides ist reicher an Kleber als das des Wintergetreides, und Weizen aus mittelmäßig trocknen Jahren enthält weniger Kleber als aus sehr trocknen Jahren. Stickstoffreicher Dünger vermehrt die Menge der eiweißartigen Stoffe im G. in bedeutendem Maß. Bei ungünstiger Witterung erreichen die Getreidekörner nicht ihre normale Größe; sie liefern dann weniger und schlechteres Mehl, aber mehr Kleie. Das gleiche Maß Weizen, welches in guten Jahren 260 kg wiegt, 200 kg Mehl und 40–50 kg Kleie gibt, wiegt leicht in schlechten Jahren nur 160 kg, gibt 60–80 kg Mehl und 80–100 kg Kleie. Ferner erhält man 1 kg Brot aus 3/5 kg gutem, aber erst aus 3/47/8 kg schlechtem Mehl. Die schlechten Körner haben ein geringeres spezifisches Gewicht als die guten, mehlreichen; wenn man aber deshalb das G. wägt, so treten diese Differenzen weniger hervor als beim Messen, weil dann in derselben Gewichtsmenge mehr Körner enthalten sind. Durch Feuchtigkeit wird das Volumen des Getreides stärker verändert als das Gewicht. Befeuchtet man guten, lufttrocknen Weizen von 12,2 Proz., Roggen von 9,4 Proz., Gerste von 9,1 Proz. und Hafer von 9,9 Proz. Wassergehalt mit 5 Proz. ihres Gewichts Wasser, so beträgt nach 24 Stunden, wenn das Wasser vollständig aufgesogen ist, die Raumvergrößerung beim Weizen 15, beim Roggen 13 und bei Gerste und Hafer 10 Proz., während doch die Gewichtszunahme nur 5 Proz. ausmachte. Ein neuer Zusatz von 5 Proz. Wasser bewirkt nach 24 Stunden beim Weizen eine Raumvergrößerung von 25 Proz., beim Roggen ebenfalls 25 Proz., beim Hafer 22 Proz. und bei der Gerste 18 Proz. Nach abermaligem Zusatz von 5 Proz. Wasser ist das Volumen des Weizens im ganzen um 35,5, des Roggens um 33 Proz., der Gerste um 32, des Hafers um 35 Proz. gestiegen, während die Gewichtszunahme doch nur 15 Proz. betrug. Trocknet man feuchtes G., so wird es zwar runzelig, behält aber immer noch ein größeres Volumen als nicht feucht gewesenes. Dauert die Einwirkung der Nässe auf das G. fort, so keimt es und beginnt „auszuwachsen“ oder geht in Gärung über. Hierbei erleidet das G. eine wesentliche Veränderung: die Stärke verwandelt sich zum Teil in Dextrin und Zucker, letzterer wird zersetzt, und auch der Kleber erleidet eine Umwandlung. Hat sich das G. durch wenig Nässe erhitzt, so rötet es sich, schimmelt dann leicht und wird moderig. Diesem Übelstand kann man abhelfen, wenn man das so veränderte G. mit Kohlenpulver mischt, es nach 14 Tagen auf die Getreidereinigungsmaschine bringt und die Kohle wieder entfernt. Die Temperatur muß bei dieser Operation eine mittlere sein, wo dann der Modergeruch vollständig verschwinden soll. Ist das G. feucht eingeheimst worden, und will man es trocknen, so kann man dies dadurch erreichen, daß man etwa 0,6 cbm gebrannten Kalk in eine Anzahl kleiner Körbe verteilt, die man mit Papier bedeckt und in angemessenen Entfernungen voneinander auf den Fruchtboden stellt, und das G. nunmehr in gewöhnlicher Weise aufschüttet. Die Feuchtigkeit des letztern wird durch den Kalk angezogen und absorbiert, und das G. trocknet sehr bald. Das angegebene Quantum Kalk ist hinreichend für etwa 150 Ztr. Weizen. Der vollständig zerfallene Kalk kann später zu Kompost u. dgl. gebraucht werden. Über die Verarbeitung des Getreides s. Brot, Kleie, Mehl etc. Vgl. Langethal, Handbuch der landwirtschaftlichen Pflanzenkunde (5. Aufl., Berl. 1874); Bibra, Die Getreidearten und das Brot (Nürnb. 1860); Jessen, Deutschlands Gräser und Getreidearten (Leipz. 1863); Körnicke und Werner, Handbuch des Getreidebaues (Bonn 1885, 2 Bde.); „Die Getreidearten“ (2 Wandtafeln, Stuttg. 1871).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 379
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[379] Getreide. Bei der Beurteilung des Getreides kommt sein Volumgewicht bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Trockenheit zunächst in Betracht. Man muß daher von verschiedenen Sorten gleiche Raummaße unter ganz gleichen äußern Einflüssen, also bei derselben Temperatur und in derselben Zeit, trocknen und wägen. Betrügerische Kornhändler pflegen das G. am Abend vor dem Markttag zu netzen, um das Volumen zu vermehren. Ergreift man eine Handvoll G. im Sack, drückt fest zusammen und öffnet dann schnell die Hand, so bleiben die Körner, wenn sie genetzt worden waren, zusammengeballt, selbst wenn keine Feuchtigkeit durch das Gefühl wahrnehmbar ist. Es gibt auch noch andre Merkmale, die indes von geringer juristischer Bedeutung sind. Im Verdachtsfall schließt man eine Probe des Getreides vor Zeugen luftdicht ein und läßt den normal 13–15 Proz. betragenden Wassergehalt an einer Samenprüfungsanstalt feststellen. G. darf anderseits nicht zu stark ausgetrocknet sein, da sonst die Kleie sich nicht hinreichend ausmahlt und das Mehl gelblich wird. Das G. soll vollkommen reif, aber nicht zu alt sein, denn bei dauernder Lagerung verliert der Kleber an Elastizität, das Fett wird ranzig, die Farbe dunkler. Um den Körnern Glanz und Frische zu erteilen und das Volumgewicht zu erhöhen, wird das G. geölt (geschönt). Auf 1000 kg Weizen reicht 0,5–1 kg Rüböl aus, und man erzielt wegen der größern Glätte der Körner eine Zunahme des Volumgewichts bis 4 Proz. Das Öl beeinträchtigt aber das vollständige Ausmahlen und die Haltbarkeit des Mehls. Zur Erkennung des Ölens drückt man die Körner zwischen Papier, wobei es gelbe Ölflecke erzeugt. Schüttelt man das G. mit etwas Kurkumapulver, so wird es besonders am Bart und in der Kerbe von anhaftendem Pulver gelb gefärbt; ungeöltes nimmt das Pulver durchaus nicht an. Ähnlich verhält sich Bronzepulver, welches nach dem Schütteln dem geölten G. beim Reiben zwischen Fließpapier eine goldige Bronze erteilt. Schüttet man auf ganz reines Wasser eine geringe Menge Kampferpulver (welches so wenig wie das Innere des Gefäßes mit dem Finger berührt werden darf), so geraten die Partikelchen in Rotation, welche aber sofort aufhört, wenn geöltes G. in das Wasser geschüttet wird. – Zur Litteratur: Wollny, Die Kultur der Getreidearten (Heidelb. 1887); Rümker, Anleitung zur Getreidezüchtung (Berl. 1889); Mucke, Deutschlands Getreideverkehr mit dem Ausland (Greifsw. 1887); Derselbe, Der Getreidekonsum in Berlin (Dresd. 1889).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 360361
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[360] Getreide. Die Verteurung der Produktion bei der Pflanzenkultur durch die Steigerung der Arbeitslöhne und die erhöhte Steuerbelastung des Grundbesitzes bedingt das Streben, die erhöhten Kosten durch Steigerung des Ernteertrags nach Menge und Güte auf ein wertvolleres Ernteprodukt zu verteilen, um demnach den reinen Gewinn von der Pflanzenproduktion ungeschmälert zu erhalten. Der Getreidebau, als am meisten betroffen, befindet sich daher am Anfang einer neuen Entwickelungsperiode, welche den Übergang zur Getreidezüchtung zu finden sucht. Die Erhöhung des Kulturzustandes des Ackerbodens durch rationelle Düngung und Bodenbearbeitung kann mit den bisher gebauten Getreidelandrassen nicht in dem Maße wie mit Getreidekulturrassen ausgenutzt werden. Anderseits wird eine vorzügliche Getreidesorte nur dort ihren hohen Kulturwert zur Geltung bringen, wo dieselben Ernährungsbedingungen bestehen, für welche dieselbe herangezüchtet wurde. Für die Getreidezüchtung wird daher allgemein der Nutzen vergleichender Anbauversuche seit Jahren anerkannt, und in dieser Hinsicht haben sich bemüht: seit 1862 C. A. Hagendahl in Örebro (Schweden), seit 1865 Graf Fr. Berg in Sagnitz (Livland), seit 1875 die Gesellschaft für Förderung der Wissenschaften in Straßburg, seit 1879 bezüglich neuer Weizensorten die Royal Society of agriculture in London, in neuerer Zeit bezüglich Gersten- und Weizenanbauversuche der Verein zur Verbesserung der Kulturpflanzen und das Markfrö-Kontor in Kopenhagen, seit 1885 der Verein zur Förderung des landwirtschaftlichen Versuchswesens in Österreich in Wien und seit 1888 die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft in Berlin. Die Getreidezüchtung kann ausgeführt werden entweder durch empirische Zuchtwahl (sorgfältiges Sortieren des Saatkorns, Benutzung des Tennenausfalles, Auswahl des Saatgutes auf dem Halme), auf diese Weise entstand das Propsteier Saatgut; oder durch methodische Zuchtwahl (Reinzucht der Getreiderassen mit Benutzung der Veränderlichkeit der Form, welche zur Erhaltung oder Neubildung von Rassen führt). Beispiele: Rimpaus Schlanstedter Roggen; genealogischer Weizen (Pedigree) des Majors F. F. Hallet zu Brighton (Sussex, England); durch Veredlung entstanden: Rivetts Bearded-Weizen, Heines verbesserte Gerstensorten, Proskowetz’ Kwassitzer Original-Hanna-Pedigreegerste, Steigers sächsischer Gelbhafer etc. Durch spontane Variation entstand schon 1824 der von Patrik Shirriff in Haddingstonshire (Schottland) gezüchtete Hopetown-Hafer und 1832 der Hopetown-Weizen, desgleichen an andern Orten: der Square-head-Weizen, Heines Emma-Sommerweizen, Wollnys schlaffähriger Roggen etc. Durch künstliche Kreuzung entstanden 1882 Carters-London Weizensorten, Vilmorins-Paris Dattel-, Lamed- und Aleph-Weizen, Bestehorns-Biberitz bei Cönnern Modell- und Dividendenweizen, Bestehorns Riesenroggen und Diamantgerste, der amerikanische Triumphhafer etc. Vgl. Saatzucht (Bd. 14) und Samenkulturstationen (Bd. 14).

Getreideernte. Im allgemeinen läßt sich annehmen, daß gelbreif gemähtes G. bei heißem und trocknem Wetter auf dem Schwad 2–3, in Stiegen ohne Schutzdecke 4–5, in kleinen Puppen mit Deckgarbe 6–7, in großen Puppen mit Schutzmatte 8–10 Tage zum Nachreifen erfordert. In der Scheune oder Feime haben die aufgehäuften Garben einen Hitz- und Schwitzprozeß durchzumachen, welcher, wenn er die Temperatur nicht über 70° steigert, für das Austrocknen des Getreides von Vorteil ist. Je feuchter das G. eingebracht wurde, um so mehr erwärmt es sich, so daß die Körner gelb oder braun werden und das Stroh selbst verkohlt. Das Ausbringen der Körner aus dem Stroh soll besonders für Saatgetreide vor dem Schwitzen vorgenommen werden, um die Körner dem Schwitzprozeß zu entziehen. Ist dies nicht durchführbar, so ist das G. erst nach Beendigung des Schwitzprozesses trocken genug, um ausgebracht werden zu können. Das Volumgewicht des Getreides bestimmt im Börsenverkehr dessen Qualitätspreis. Das Bestreben der modernen Landwirtschaft geht daher dahin, nicht nur die Ertragsmenge, sondern auch die Qualität der Ernteprodukte zu vermehren. Die Qualität des Getreides hängt vornehmlich von der zur Saat gewählten Getreidevarietät ab, weshalb der Züchtung besonderer Getreidevarietäten erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet wird. Die Qualität steht bis zu einem gewissen Grade im Zusammenhang mit der Höhe des Maßgewichts. Dieses hängt wieder vorzugsweise von der Form und Größe der Körner, weniger von der chemischen Zusammensetzung ab. Verstäubtes G. besitzt ein geringeres Maßgewicht als geputztes. 1 Lit. Weizen wog rein 713,4 g, künstlich gemengt

mit 0,2 g Staub 709,8 g mit 0,6 g Staub 708,0 g
- 0,4 g - 708,1 g - 0,8 g - 708,6 g.

Die entgegengesetzte Wirkung hat das oft in betrügerischer Absicht ausgeführte Ölen des Getreides, indem auf die Fruchtschaufel, mit welcher das G. umgeschaufelt wird, einige Tropfen Öl geträufelt werden. 1 Lit. Weizen wog 701,5 g und nach Behandlung mit wenigen Tropfen Rüböl 709,8 g. Durch das [361] Ölen wird jedoch das Mahlen erschwert und die Backfähigkeit und Haltbarkeit des Mehles verringert. Vgl. Shirreff, Die Verbesserung der Getreidearten (a. d. Engl., Halle 1880); Vilmorin-Andrieux u. Komp., Les meilleurs blés (Par. 1881); Körnicke u. Werner, Handbuch des Getreidebaues (Bonn 1885, 2 Bde.); Nowacki, Anleitung zum Getreidebau (Berl. 1886); Rümker, Anleitung zur Getreidezüchtung (das. 1889); Settegast, Wertbestimmung des Getreides als Gebrauchs- u. Handelsware (Leipz. 1884).