MKL1888:Haag
[969] Haag (den Haag, eigentlich ’s Gravenhage, ’s Hage, franz. la Haye, lat. Haga comitis, „Grafenhain“), die Residenz des Königs der Niederlande. Sitz der Landesregierung und des höchsten Gerichtshofs, Versammlungsort der Generalstaaten, liegt in der Provinz Südholland, 3,6 km von der Nordsee, bloß durch Dünen davon getrennt, an der Eisenbahn Amsterdam-Rotterdam, mit Gouda durch eine Zweigbahn [970] verbunden, und bildet mit dem Fischerdorf und bekannten Badeort Scheveningen an der Nordsee eine Gemeinde. Der H. gehört durch seine Umgebung, den Besitz des berühmten Haagschen Busches und die Nachbarschaft des Meers sowie durch seine schönen Straßen, großen Plätze und vielen palastartigen Gebäude zu den schönsten Städten der Niederlande. Grachten umziehen und durchschneiden die Stadt. In der Mitte derselben liegt der Weiher (Vijver), ein von Alleen umgebenes Wasserbecken mit Insel, in dessen Nähe das königliche Residenzschloß steht. Unter den Plätzen zeichnen sich aus: der Buitenhof, südlich vom Weiher, mit dem Standbild Wilhelms II., der von Gräben umschlossene Binnenhof mit vielen ansehnlichen Gebäuden, das Plein, der Vijverberg, der Plaats, das Tournooiveld. Die Hauptstraßen, Kanäle etc. sind: das mit Bäumen bepflanzte Voorhout, der Kneuterdyk, der Prinzen- und Prinzessinnen-, der Königinnengraben, der Wilhelmspark. Von den künstlerisch wenig bedeutenden Kirchen der Stadt gehören fünf der größten den Reformierten (darunter eine französische), ebenso viele den Römischkatholischen;
Wappen vom Haag. | |
die Juden haben zwei Synagogen, eine deutsche und portugiesische. Von den übrigen Konfessionen haben eigne Kirchen die Lutheraner, die Deutsch-evangelischen, die Remonstranten, die englischen Episkopalen, die alten Reformierten etc. Die hervorragendste Kirche im H. ist die Groote Kerk (St. Jakobskirche), ein gotischer Bau aus dem Anfang des 14. Jahrh., mit einem hohen Turm nebst Glockenspiel. Zu den schönsten und wichtigsten Gebäuden gehören: die königliche Bibliothek mit mehr als 200,000 Bänden, wertvollen Miniaturen, Handschriften, Münz- und Kameenkabinett; das Museum Meermanno-Westrheenianum (eine reichhaltige Sammlung alter Drucke, Handschriften, Vasen und Skulpturen etc.), in der Nähe die Geschützgießerei und das Reichsarchiv; ferner die Paläste des Königs, des Kronprinzen (in gotischem Stil), der Prinzen Friedrich und Heinrich; das Provinzialregierungsgebäude, die Gebäude der verschiedenen Ministerien (darunter das der Marine mit einer bedeutenden Sammlung von Schiffsmodellen und nautischen Gegenständen); das neue Gebäude für den obersten Gerichtshof; der den Binnenhof umgebende sogen. Alte Hof von Holland, durch den Grafen Wilhelm II. gestiftet, mit den Sitzungssälen der beiden Kammern der Generalstaaten und dem ehemaligen Rittersaal, einem kapellenähnlichen Ziegelbau aus dem 13. Jahrh. (auf dem Platz vor dem Gebäude wurde Oldenbarneveldt enthauptet); ferner das Mauritshuis am Platz Plein (vom Prinzen Moritz von Nassau erbaut), mit einer ausgezeichneten Sammlung von Gemälden niederländischer Maler (von denen jetzt aber viele nach dem Reichsmuseum zu Amsterdam übergeführt worden sind); die königliche Musikschule und Zeichenakademie; das Gebäude der physikalischen Gesellschaft Diligentia; das von Gugel erbaute großartige Gebäude für Künste und Wissenschaften mit einem nahezu 2500 Menschen fassenden Saal; das Gebäude der Société littéraire (Witte Societeit); das Rathaus mit vier großen Gildebildern von Jan van Ravestein; das 1875 restaurierte Gefangenenthor, worin 1672 die Brüder Cornelis und Jan de Witt gefangen saßen und vom Pöbel zerrissen wurden.
H. zählt mit Scheveningen (1886) 138,696 Einw. Im ganzen ist der H. mehr Luxus- als Handelsstadt und verdankt seine Blüte meist der Anwesenheit des Hofs, der Diplomaten und des Regierungspersonals, den aus Indien zurückgekehrten Beamten und Pflanzern sowie den zahlreichen Fremden. Doch ist die Industrie nicht ohne Bedeutung; es gibt zahlreiche Tischlereien, Wagenbauanstalten, Ofenfabriken, Eisen-, Kupfer- und Bleigießereien, Gold- und Silbertressen- und Schminkefabriken, Buchdruckereien und eine Geschützgießerei. Die wissenschaftlichen und Unterrichtsanstalten der Stadt bestehen in einem Gymnasium, einer höhern Bürgerschule, einer Zeichenakademie (zugleich für technische Wissenschaften), einer Musikschule, gymnastischen Schule, einem ethnographischen Museum (meist chinesische und japanische Gegenstände enthaltend), der „Indische Genootschap“ und dem „Instituut voor de Taal-, Land- en Volkenkunde van Ned.-Indië“ mit ausgezeichneter Bibliothek, einem zoologisch-botanischen Garten und einigen Altertümersammlungen, einer Menge Volksschulen, der Louisa-Stiftung, einer von den Freimaurern unterhaltenen Erziehungsanstalt für Knaben und Mädchen, der Gesellschaft Diligentia für Naturwissenschaften, der Gesellschaft zur Übung der Kriegswissenschaften und andern Gesellschaften etc. Zu den Wohlthätigkeitsanstalten gehören die Waisen- und Alte-Männer- und Weiberhäuser der verschiedenen Glaubensbekenntnisse, ein Institut für Idioten, die Militär- und Bürgerhospitäler etc. Von Standbildern sind noch die Statue des Prinzen Wilhelm I. von Royer (auf dem Plein in der Nähe des Mauritshauses) und desselben ehernes Reiterstandbild von Nieuwerkerke (vor dem Thor des Palais des Prinzen von Oranien, seit 1845), ein Denkmal zu Ehren des Herzogs Bernhard von Sachsen-Weimar (im Voorhout, seit 1866), die Statue Spinozas (1881, von Hexamer) und das kolossale Denkmal zum Andenken der Befreiung von der französischen Herrschaft (von Jaquet, 1869 eingeweiht, mitten im Willemspark) zu erwähnen. Unweit davon liegt der Prinzessinnengarten, der schönste im H. Den größten Zuwachs und die meiste Verschönerung erhielt die Stadt in den letzten Jahrzehnten durch Anbau breiter Straßen und schöner Landhäuser (der indischen Nabobs) im Willemspark, an dem Weg nach Scheveningen und südlich vom weitberühmten, dem Berliner Tiergarten ähnlichen Park oder „Haagschen Busch“ (het Bosch). Letzterer, an die Stadt grenzend, enthält prächtige Alleen, weiterhin dichten Wald, schöne Teiche, einen Hirschpark und das königliche Landhaus „Haus im Busch“ (Huis ten Bosch, 1647 erbaut) mit dem achteckigen, herrlich gemalten Oraniensaal. In der Nähe der Ort Ryswyk (s. d.). H. ist der Geburtsort des Dichters Johannes Secundus, der Mathematiker Konstantin und Christian Huygens, der Maler van Oß und Nuyer.
Geschichte. Der H. war ursprünglich ein Jagdschloß der Grafen von Holland; 1291 verlegte Graf Florens V. seine Residenz von Grafensand hierher. Doch war der Ort noch 1370 unter Albrecht dem Bayern nur ein ansehnliches Dorf und erhielt in der Zeit der alten Republik nie Stadtrechte, war daher auch nicht in den Staaten von Holland vertreten. Dagegen war er 1527 schon Sitz des höchsten Gerichtshofs von Holland und wurde unter Moritz von Oranien Sitz der Generalstaaten, der holländischen Staaten, des Statthalters und der fremden Gesandten. H. war im 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrh. der Mittelpunkt der europäischen Diplomatie, wozu außer [971] der günstigen Lage auch die Freiheit, deren sich die Presse, Handel und Verkehr in den Niederlanden erfreuten, wesentlich beitrug. Hier wurde 1609 mit Spanien ein zwölfjähriger Waffenstillstand auf der noch jetzt sogen. Trèveskammer, 1666 der Bundesvertrag zwischen Dänemark und den Niederlanden gegen England, 23. Jan. 1668 die Tripelallianz zwischen England, Schweden und den Niederlanden, 31. März 1710 das sogen. Haager Konzert zwischen dem deutschen Kaiser, England und Holland zur Aufrechthaltung der Neutralität der deutsch-schwedischen Provinzen in dem Krieg der nordischen Mächte gegen Schweden, 4. Jan. 1717 die Tripelallianz zwischen Frankreich, England und Holland zur Sicherung der Aufrechthaltung der Bestimmungen des Utrechter Friedens und endlich 17. Febr. 1717 der Friede zwischen Spanien, Savoyen und Österreich, worin ersteres die Bestimmungen der Tripelallianz anerkannte, sowie zahlreiche andre Verträge abgeschlossen. Stadtrecht erhielt H. erst durch König Ludwig Napoleon, der im übrigen aber die höchsten Behörden nach Utrecht und Amsterdam verlegte. Durch das Haus Oranien stieg H. als königliche Residenz bald zu höherm Glanz.
Haag, Flecken im bayr. Regierungsbezirk Oberbayern, Bezirksamt Wasserburg, hat ein Amtsgericht, eine schöne Kirche und (1885) 1033 Einw. Die Grafschaft H. fiel 1566 an Bayern.
Haag, Karl, Maler, geb. 20. April 1820 zu Erlangen, war anfangs Schüler von Reindel in Nürnberg und setzte später in München unter Cornelius und in Rom seine Studien fort. Als er 1847 nach England ging, wurde er dort von der Aquarellmalerei so sehr angezogen, daß er sich ihr zu widmen beschloß und sich in London niederließ. Von dort machte er Reisen nach Belgien, Frankreich, Italien, Ägypten und Syrien und schuf eine Menge von Landschaften mit Figurenstaffage und Architekturbildern, die ethnographisch interessant und durch ihre lebensvolle Auffassung und Wärme des Kolorits künstlerisch bedeutend sind. Die besten darunter sind Szenen aus Italien und Tirol. Unter den übrigen erwähnen wir: den plötzlichen Schreck in der Wüste, wo ein Geier auf das Kamel eines Reisenden stürzt; die Gefahr in der Wüste, wo eine Mutter mit ihrem Kind hinter einem Kamel kauert und der Vater die Flinte auf zwei feindliche Reiter anlegt; die Ruinen von Baalbek; Panorama von Palmyra; Beduinenandacht; Vorposten in Montenegro; die Lektüre des Korans.