MKL1888:Handschuhe
[116] Handschuhe, Bekleidungsstücke für die Hand und bisweilen auch einen Teil des Arms, werden aus Pelzwerk, Leder, Seide, Leinen, Baumwolle, Wolle etc. gefertigt. Die waschledernen H. sind von sämischgarem Leder und lassen sich wiederholt waschen, ohne ihre Farbe zu verlieren. Man verarbeitet zu waschledernen Handschuhen [117] Reh-, Hirsch- u. Schafleder, auch Gems-, Bock-, Kalb-, Ziegen- und Hammelleder. Weit mehr im Gebrauch sind die Glaceehandschuhe (glanzlederne, romanische oder Erlanger H.) aus weißgarem Leder. Dies wird aus Ziegenfellen, das feinste aus den Fellen junger Ziegen, weniger feines aus Lammfellen, das schlechteste aus Schaffellen verfertigt. Man bearbeitet es auf der Fleischseite mit scharfen Klingen, um ihm überall gleiche Dicke zu geben, schneidet es in Streifen von reichlich doppelter Handbreite, reckt diese in der Längsrichtung aus, legt dann je sechs auf ein sogen. Fach, auf welchem die Umrisse des Schnittes als scharfe Stahlschneiden emporstehen, und schneidet sie mittels Handscheren oder im großen durch den Druck einer Presse alle auf einmal aus. Ähnlich werden auch die Daumenstücke (Zwickel etc.) ausgeschnitten und dann die H. mit der Hand mit Hilfe eines aus einer Art Zange bestehenden, von einem Gestell getragenen Werkzeugs oder mittels besonderer Nähmaschinen zusammengenäht. Durch das Dressieren, welches in einem Ziehen, Pressen und Glätten der H. im etwas feuchten Zustand (durch Einschlagen in feuchte Tücher entstanden) stattfindet, gewinnt das Fabrikat Form und Glanz. Mitunter dienen dann Benzoe, Rosenblätter, Ambra u. dgl. zum Parfümieren. Die Herstellung der Glaceehandschuhe ist ein altfranzösischer Industriezweig und wurde durch französische, meistens aus Grenoble stammende Emigranten nach Magdeburg, Halberstadt und Erlangen verpflanzt. In Frankreich nimmt in dieser Industrie Paris den ersten Rang ein, zumal seit durch Jouvin bedeutende Verbesserungen, unter andern auch das Zuschneiden mit Maschinen, eingeführt worden sind. In Deutschland hat die Handschuhfabrikation gleichfalls einen großen Aufschwung genommen, und das deutsche, durch Haltbarkeit ausgezeichnete Fabrikat konkurriert auch im Ausland mit dem eleganten und feinen französischen. Englische Ware erreicht die französische nicht und wird meist nur für den Export hergestellt. Gewirkte oder gewebte H. werden überall in großer Mannigfaltigkeit fabriziert, wo die Strumpfwirkerei ihren Sitz hat. Die seidenen, baumwollenen oder wollenen H. wäscht man wie Seide, Baumwolle oder Wolle; die waschledernen werden ebenso behandelt, schließlich aber noch in eine starke Lösung einer fettigen Seife getaucht und, ohne ausgedrückt zu werden, zum Trocknen aufgehängt. Die weißen H. taucht man dann noch in geschlämmten weißen Bolus und läßt sie wieder trocknen, worauf sie aufgeweitet, gut gerieben und ausgestäubt werden. Glaceehandschuhe wäscht man am besten mit Benzin. Man taucht die H. ganz in das Benzin, läßt sie einige Zeit darin liegen, drückt sie dann aus, reibt sie mit einem Bäuschchen Baumwolle, spült sie in reinem Benzin und läßt sie trocknen. Man kann die H. auch mit Milch waschen und zwar recht gut, wenn man in der Milch etwas Seife auflöst und ein wenig Salmiakgeist hinzusetzt. Andre nehmen saure Milch oder bringen frische Milch durch Zusatz einiger Tropfen Salzsäure zum Gerinnen. Ist der Handschuh rein, so spült man ihn schnell in Wasser und hängt ihn zum Trocknen, aber nicht in der Wärme auf. Nach vollständigem Trocknen wird das Leder gut gereckt und erhält dadurch seine Geschmeidigkeit wieder. Um Stockflecke zu entfernen, bringt man auf den Boden eines Kastens etwas kohlensaures Ammoniak (Hirschhornsalz) und läßt die H. in dem verschlossenen Kasten 1–2 Tage recht locker darüber hängen. Vgl. Günther, Lehrbuch der Glaceehandschuhfabrikation (Leipz. 1873).
H. kannte schon das Altertum. Während die Westasiaten, insbesondere die Perser, H. mit Fingern von Pelz zum Schutz gegen die Kälte trugen, bedienten sich die alten Griechen derblederner H. bei mancher Arbeit, z. B. bei Gartenarbeiten, um sich die Hände nicht zu beschädigen, sowie auch bei Tische dünnerer Fingerlinge (digitalia), um beim Vorlegen sich die Hände nicht zu verbrennen, mit welchen man damals aß. Übrigens galt das Tragen von Handschuhen bei den Griechen und Römern als Zeichen von Weichlichkeit, wie es denn auch bei den letztern mit dem Einreißen des asiatischen Luxus immer allgemeiner wurde. Bei den Skandinaviern und Deutschen war der Gebrauch der H., anfangs in Gestalt von Fäustlingen, schon im 8. und 9. Jahrh. allgemein, und Könige, Edle und Prälaten trugen dergleichen mit Stickerei und Geschmeide verziert. Lederne Stulpenhandschuhe und ungegliederte oder gegliederte Eisenhandschuhe mit einer Innenfläche von Leder oder Stoff wurden seit dem frühen Mittelalter auf der Jagd und im Kampf getragen. Die H. nahmen bald eine solche Bedeutung an, daß sie bei den Rittern Symbol der Belehnung und Standeserhöhung, bei den Bischöfen wesentliche Bestandteile des Ornats bei der Investitur wurden. Ein Paar H. aus purpurfarbenem Seidenstoff mit Gold- und Perlenstickerei und mit emaillierten Goldblechen besetzt gehört zum deutschen Kaiserornat. Die bischöflichen H. mußten nach alter Vorschrift gewirkt sein und waren meist von violett-purpurner Farbe (vgl. Chirotheke). Durch Übergabe eines Handschuhs verlieh der Kaiser das Recht zur Anlegung einer Stadt oder einer solchen besondere Rechte, z. B. Markt-, Münzrecht, etc. Aus diesem Grund führen viele Städte irrtümlich für Hände gehaltene H. im Wappen. Von der Rittersitte, zum Zeichen der Herausforderung einem den Handschuh hinzuwerfen, hat das noch jetzt übliche Sprichwort: „jemand den Handschuh hinwerfen“ (d. h. mit jemand Streit anfangen) seine Entstehung. Damen trugen erst seit dem 13. Jahrh. H. von Leinwand zum Schmuck, und zwar reichten dieselben bis an den Ellbogen. Großer Luxus mit Handschuhen wurde in England getrieben, besonders unter der Königin Elisabeth, die eine reiche Verzierung derselben in Aufnahme brachte. Damals entstand auch die Sitte, Bittschriften ein Paar H. beizulegen, was nicht selten zu Bestechungen der Richter Anlaß gab, indem man die H. mit Geld füllte. Hierin hat wahrscheinlich das Verbot in England seinen Grund, wonach Richter auf dem Gerichtssitz keine H. tragen dürfen, während an jedes Mitglied eines Assisenhofs, der kein Todesurteil sprach, vom Sheriff ein Paar H. abgegeben wurden. Der Handschuhluxus erhielt sich bis ins 17. Jahrh. hinein. Im J. 1615 bedang Rubens im Vertrag über die Kreuzabnahme ein Paar H. für seine Frau im Wert von 8 Gulden 10 Stüber aus, und 1629 schenkte der Kardinal Richelieu der Königin Maria von Medicis ein halbes Dutzend Paar H. aus Rom, um sie für eins seiner Projekte günstig zu stimmen. Seitdem sind H. aus Leder, Wolle, Seide, Tuch, Zwirn etc. in beständigem Gebrauch geblieben und aus Luxusgegenständen unentbehrliche Gebrauchsgegenstände geworden. Die Damenhandschuhe werden neuerdings wieder mit Gold-, Silber- und Buntstickereien reich verziert und bis über den Ellbogen hinauf getragen. Je nach Bestimmung, Muster und Qualität haben sie verschiedene Namen, welche der Mode unterworfen sind. Man hat Reit-, Garten-, Thee-, Ball-, Promenaden-, Josephinen-, Rubens- etc. Handschuhe.