MKL1888:Herschel
[445] Herschel, 1) Friedrich Wilhelm, Astronom, geb. 15. Nov. 1738 zu Hannover als Sohn eines Musikers, trat in seinem 14. Jahr in das Hoboistenchor der hannöverschen Fußgarde, ging 1757 nach London, ließ sich als Musiklehrer in Leeds nieder, ward sodann Organist in Halifax und 1766 Musikdirektor zu Bath. Das Studium der mathematischen Theorie der Musik führte H. auch dem aller übrigen mathematischen Wissenschaften zu, und besonders weckte das Lesen von Fergusons astronomischen Werken die Liebe zur Sternkunde in ihm. Er baute 1774 einen fünffüßigen Refraktor, durch den er den Ring des Saturn und die Trabanten des Jupiter beobachten konnte, und fertigte von nun an zahlreiche Fernrohre, zum Teil von einer Größe, wie sie bis dahin noch unbekannt war, und beobachtete mit denselben unermüdlich den Himmel. Sein Ruf verbreitete sich rasch in weiten Kreisen, als er 13. März 1781 den Uranus entdeckte, welchen er dem König von England zu Ehren Georgsgestirn (Georgium sidus) nannte. Georg III. machte es nun H. durch Aussetzung eines Jahrgehalts möglich, sich ganz seinen astronomischen Studien zu widmen, worauf sich dieser nach Slough bei Windsor zurückzog. Es folgten nun Entdeckungen auf Entdeckungen. An dem Planeten Mars machte er von 1777 bis 1783 merkwürdige Beobachtungen. Vorzüglich aber richtete er seine Untersuchungen auf die Nebelflecke und Sternhaufen und fand, daß ein Stück der Milchstraße, 15° lang und 2° breit, nicht weniger als 50,000 deutlich erkennbare Sterne enthalte. Auf diese Beobachtungen gründete er seine Theorie der Milchstraße (s. d.). Im J. 1786 entdeckte er zwei Nebenplaneten des Uranus und 1790 und 1794 vier andre Trabanten jenes Gestirns. Mittels eines Riesenteleskops von 12 m Länge entdeckte er zwei neue Trabanten des Saturn und bestimmte die Zeit der Rotation dieses Planeten. Lange Zeit wandte er seine Beobachtungen den Doppelsternen zu, [446] entdeckte eine große Anzahl derselben und fand, daß sie meist Partialsysteme bilden, in denen zwei Sonnen um einen gemeinsamen Schwerpunkt kreisen. H. starb 25. Aug. 1822 in Slough bei Windsor und ward zu Upton in Berkshire begraben. Seine meisten Beobachtungen sind in den „Philosophical Transactions“ und andern englischen Zeitschriften niedergelegt. Eine seiner letzten Schriften war „On the places of 145 new double stars“ (1821). Viele seiner Schriften sind auch noch ungedruckt. Man hat folgende deutsche Übersetzungen: „Über den Bau des Himmels“ (Königsb. 1791; 2. Aufl., Dresd. 1826); „Beschreibung des 40füßigen reflektierenden Teleskops“ (Leipz. 1799); „Untersuchungen über die Natur der Sonnenstrahlen“ (Halle 1801). Vgl. Wolf, W. H. (Zürich 1867); Holden, Sir W. H., his life and works (Lond. 1881; deutsch, Berl. 1881).
2) Lucretia Karoline, Schwester des vorigen, geb. 16. März 1750 zu Hannover, erwarb sich, bei ihrem Bruder in Slough bei Windsor wohnend, gelehrte Kenntnisse, besonders in der Astronomie, und unterstützte jenen bei seinen Beobachtungen. Sie stellte auch eigne Beobachtungen und Berechnungen an und entdeckte sechs Kometen. Ferner gab sie eine Revision der Flamsteedschen Beobachtungen und das Verzeichnis gefundener Fehler derselben, welche mühevolle Arbeit 1798 auf Kosten der königlichen Societät der Wissenschaften in London gedruckt wurde. Nach dem Tod ihres Bruders kehrte sie nach Hannover zurück, wo sie 9. Jan. 1848 starb. Vgl. „Memoir and correspondence of Caroline H.“ (Lond. 1875; deutsch, Berl. 1876).
3) Sir John Frederic William, Baronet, Astronom und Naturforscher, Sohn von H. 1), geb. 7. März 1792 zu Slough bei Windsor, studierte in Cambridge und beobachtete seit 1816, zum Teil in Gemeinschaft mit James South, vornehmlich die Doppelsterne. Als erstes Resultat dieser Forschungen erschien 1825 in den „Observations of the apparent distances and positions of three hundred and eighty double and triple stars“ (Lond. 1825) ein Katalog von 380 neuen Doppelsternen, dem er 1827 einen zweiten von 295, 1829 einen dritten von 324 folgen ließ. In den nächsten Jahren veröffentlichte er Messungen von zahlreichen Sternen. Daneben unterwarf er 1825–33 die von seinem Vater beobachteten Nebelflecke und Sternhaufen einer neuen Beobachtung und veröffentlichte 1833 einen Katalog von 2207 solcher. Die Ergebnisse seiner physikalischen Studien enthalten unter andern folgende Schriften: „On the theory of light“, in der „Encyclopaedia metropolitana“ (1828; deutsch von Schmidt, Stuttg. 1831); „Treatise on sound“ (1830); „A preliminary discourse on the study of natural philosophy“ (in Lardners „Cyclopaedia“, 1831; deutsch von Weinlig, Leipz. 1836) und „A treatise on astronomy“ (ebenfalls Teil der „Cyclopaedia“; deutsch von Michaelis, das. 1837), welche Schrift, mit den Ergebnissen der neuesten Entdeckungen bereichert, 1849 unter dem Titel: „Outlines of astronomy“ (11. Aufl. 1871) erschien. 1834 ging er nach dem Vorgebirge der Guten Hoffnung, wo er bis zum Mai 1838 die ganze südliche Hemisphäre des Sternenhimmels aufs genaueste durchmusterte, und von wo aus er die Idee anregte, an einigen bestimmten Tagen gleichzeitig an verschiedenen Orten meteorologische Beobachtungen anzustellen. 1838 wurde er zum Baronet ernannt; das Mareshal College erwählte ihn im März 1842 zu seinem Lord-Rektor, und von 1850 bis 1855 bekleidete er das Amt eines Direktors des königlichen Münzwesens. Die Resultate der Expedition nach dem Kap sind in den „Results of astronomical observations made at the Cape of Good Hope“ (Lond. 1847) zusammengestellt. In Verbindung mit einigen andern Gelehrten arbeitete er dann zum Gebrauch der Marineoffiziere ein „Manual of scientific enquiry“ (Lond. 1849) aus. Schon 1820 hatte er eine Sammlung von Aufgaben aus der endlichen Differenzrechnung geliefert (deutsch von Schnuse, Braunschw. 1859). Mehrere für die „Encyclopaedia Britannica“ gelieferte Arbeiten erschienen auch in Sonderausgaben, so die „Physical geography“ (neue Ausg. 1871), „Meteorology“ (2. Aufl. 1870). Auch schrieb er eine Biographie des Astronomen Baily (Lond. 1845) und „Popular lectures on scientific subjects“ (neue Ausg. 1880). Er starb 12. (auf dem Grabstein steht 11.) Mai 1871 in London.