MKL1888:Holstein

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Holstein“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 662664
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Holstein. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 662–664. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Holstein (Version vom 09.09.2023)

[662] Holstein (lat. Holsatia), ehemaliges Herzogtum, bildet jetzt den südlichen Teil der preuß. Provinz Schleswig-Holstein (s. d.), zwischen der Elbe, Eider, Trave, Nordsee und Ostsee, und umfaßt die vier alten Landschaften Stormarn, zwischen der Bille, Trave und Stör, Holstein, zwischen der Schwentine, Eider, Gieselau und Stör, Wagrien, zwischen der Schwentine, Trave und der Ostsee, und Dithmarschen, zwischen dem Ausfluß der Elbe und Eider, zusammen 8385 qkm (152,3 QM.) mit ca. 560,000 Einw. Die Herrschaft Pinneberg (mit Altona) und die Grafschaft Ranzau gehörten nicht zum eigentlichen H. Hauptstadt war Glücksburg. Nach der preußischen Besitznahme ist H. in zehn Landkreise und zwei Stadtkreise (Kiel und Altona) geteilt worden.

[Geschichte.] In den ältesten Zeiten wurde H. (Nordalbingia) von Sachsen bewohnt, mit welchen sich an der Nordseeküste friesische Elemente mischten, während das Küstenland im O. wohl erst unter Karl d. Gr. Eindringlingen vom slawischen Stamm der Obotriten anheimfiel. Zuletzt von allen Sachsen unterwarf Karl d. Gr. die Nordalbingier (804); Tausende von ihnen führte er, um ihrem fernern Widerstand vorzubeugen, aus dem Land, setzte an Stelle der sächsischen Fürsten fränkische Grafen ein und begann von Hamburg aus, wo er eine Kirche gründete, das Werk der Bekehrung des Volkes zum Christentum, ein Bestreben, in welchem sein Sohn Ludwig der Fromme mit Eifer und Erfolg fortfuhr. Schon um 830 kann ganz H. als christlich gelten. Zum Schutz des Landes gegen die Einfälle der Dänen gründete König Heinrich I. 934 zwischen Eider und Schlei die Mark Schleswig. Er und sein Nachfolger Otto I. unterwarfen die Slawen in Wagrien, und letzterer stiftete hier zu Oldenburg das erste Bistum in H. Als nach dem Tod Ottos II. 983 die Slawen in plötzlichem Aufstand überall von der deutschen Herrschaft und dem christlichen Glauben abfielen, hatte auch Nordalbingien alle Greuel ihres Fanatismus zu erdulden; doch wenige Jahrzehnte später erscheint Fürst Gotschalk von Wagrien als eifriger Förderer des Christentums. Inzwischen wurde Dithmarschen von den Grafen von Stade, das mittlere H. von den sächsischen Herzögen aus billungischem Haus verwaltet. Als nach dem Aussterben der Billunger Lothar von Supplingenburg 1106 Sachsen erhielt, überließ er die Grafschaft H. an Adolf I. von Schauenburg, ließ sich jedoch bald nach seiner Erhebung zum deutschen König 1126 dazu verleiten, dem dänischen Prinzen und Herzog von Schleswig, Knut, Wagrien zu übertragen, woraus in der Folge den deutschen Landstrichen Holsteins mancherlei Verlegenheiten erwuchsen.

Adolf II. (1128–64, s. Adolf 2) darf zu den bedeutendsten Grafen des schauenburgischen Hauses gerechnet werden; denn mit Hilfe des begeisterten Priesters Vicelin schützte und förderte er das Christentum selbst über seine Grenzen hinaus und bewog den Herzog von Sachsen, Heinrich den Löwen, 1143 ihm Wagrien abzutreten. Dieses Land gewann er dann dem deutschen Volk, indem er nicht allein Holsten, sondern [663] auch Einwanderer aus den westlichen Teilen Deutschlands hier ansiedelte und der germanisch-christlichen Kultur in dem von ihm erbauten Lübeck einen festen Mittelpunkt schuf. Die Lehnsabhängigkeit von Sachsen verwickelte H. in die Wirren, welche 1180 zum Sturz Heinrichs des Löwen führten; doch Adolf III. (seit 1164) stellte sich auf die Seite Kaiser Friedrichs I. und trug, als der kühne Welfe auf die Dauer nicht in H. festen Fuß zu fassen vermochte, bei der Verteilung der welfischen Lehen Dithmarschen als Frucht seiner Reichstreue davon. Die Lehnsverbindung mit Sachsen blieb auch in der Folge rechtlich bestehen, erwies sich aber bei der geringern Machtfülle der folgenden Herzöge von Sachsen als bedeutungslos. Bei ihnen fand H. während der staufisch-welfischen Kämpfe um den deutschen Thron keine Unterstützung und mußte der dänischen Macht erliegen, welche sich unter der Regierung Waldemars I. (1157–82) und Knuts (1182–1202) zu erstaunlicher Höhe erhoben hatte. So sah sich Adolf III. 1200 zur Abtretung Dithmarschens an Dänemark genötigt und mußte nach der Niederlage bei Stellau (1201) auf die ganze Grafschaft verzichten (1203), nur um Befreiung aus der Gefangenschaft zu erlangen. Der dänische Waldemar II. aber ließ sich zu Lübeck als König der Dänen und Slawen und als Herr von Nordalbingien ausrufen und ernannte den Grafen Albert von Orlamünde mit unumschränkter Vollmacht zum Statthalter in H. und Schleswig. Kaiser Friedrich II. trat ihm 1214 das Eroberte förmlich ab und trennte es vom Deutschen Reich, und der Papst bestätigte 1217 die Urkunde.

Die Übermacht Dänemarks an der Elbe und Ostsee erreichte damals ihren Gipfel; weit über die Grenzen Nordalbingiens trug König Waldemar II. seine siegreichen Waffen. Auch Mecklenburg wurde bedroht, und nur eine Gewaltthat des Grafen Heinrich von Schwerin, welcher den König auf der Jagd 1223 in Fünen überfiel und gefangen nach Mecklenburg führte, rettete die deutschen Länder an der Ostsee. Während der Gefangenschaft Waldemars erhoben sich die Holsteiner. Adolf IV., Adolfs III. Sohn, schlug den ihm mit einem Heer entgegenziehenden Albert von Orlamünde bei Mölln, nahm ihn gefangen, überlieferte ihn dem Grafen von Schwerin, nahm Lübeck und Hamburg und entriß sogar Dithmarschen der dänischen Herrschaft. Auf die Kunde von diesen Ereignissen schloß der gefangene Waldemar 17. Nov. 1225 einen Vertrag, worin er dem Deutschen Reich alle Länder nördlich von der Elbe bis über die Eider sowie das ganze Wendenland zurückgab, den Grafen Adolf IV. als rechtmäßigen Herrn von H., Wagrien und Dithmarschen anerkannte, ihm noch die Festung Rendsburg übergab und den Bürgern von Hamburg und Lübeck völlige Handelsfreiheit durch ganz Dänemark bestätigte. Nachdem er seine Freiheit erhalten, erkaufte er sich von dem Papst Honorius III. die Entbindung von seinem Eid, fiel in H. ein, unterwarf die Dithmarschen nach einem kurzen Kampf und nahm die wichtige Festung Rendsburg. Dann zog er gegen Lübeck, wo ihm ein schlagfertiges Heer der deutschen Verbündeten (Bremen, Hamburg, Lübeck: H., Mecklenburg und Sachsen) unter Anführung des Grafen Adolf IV. die Spitze bot. Die Schlacht bei Bornhövede (22. Juli 1227) entschied durch den Abfall der Dithmarschen, die bis dahin auf des Königs Seite gestanden, zu gunsten der Deutschen und veranlaßte Waldemar, sich mit Adolf IV. auszusöhnen und auf ewige Zeiten Verzicht auf H., Stormarn und Wagrien zu leisten. Als Adolf 1239 der Herrschaft entsagte und ins Kloster ging, folgten ihm seine beiden minderjährigen Söhne Johann (in Kiel) und Gerhard (in Itzehoe; der dritte Ludolf, wurde Geistlicher) zunächst unter der Vormundschaft ihres Oheims, des Herzogs Abel von Schleswig. Bei ihren Lebzeiten fand noch keine Teilung der Grafschaft statt, dieselbe erfolgte erst nach Johanns Tod (1263). Seine Söhne Adolf V. und Johann II. begründeten 1273 die Linien H.-Segeberg und H.-Kiel, während im Westen H.-Rendsburg ihrem Oheim Gerhard I. verblieb. Nach dessen Tod 1290 teilten seine Söhne gleichfalls, und so entstanden die Linien H.-Plön, H.-Schauenburg und H.-Rendsburg. In betreff seiner Verfassung jedoch, sowohl dem Deutschen Reich als auch der einheimischen Ritterschaft gegenüber, galt H. als Einheit, und eine Entfremdung von Gebietsteilen wurde 1307 durch Vertrag mit dem Herzog von Sachsen-Lauenburg, dem damaligen Lehnsherrn, für immer untersagt.

Zu Anfang des 14. Jahrh. bestanden jene drei Linien noch, die Plöner unter Johann III., dem Milden (1313–59), die Schauenburger unter Adolf VII. (1315–53), endlich die Rendsburger unter Gerhard III., d. Gr. (1304–40, s. Gerhard 1). Der Aufschwung, den Dänemark unter Erich (Menved) genommen, ließ bei dessen Tod (1319) erheblich nach, der Übermut der Großen lähmte des Königs Arm; dennoch suchte Christoph II., Erichs Bruder und Nachfolger, nach dem Tode des Herzogs Erich II. von Schleswig dies Herzogtum an sich zu reißen. Bereits hatten die Dänen das ganze Land bis auf das Schloß Gottorp in ihrer Gewalt, und auch dieses hätte erliegen müssen, wenn nicht Gerhard d. Gr., Erichs II. Schwager, 1325 seinem Neffen Waldemar V. zu Hilfe geeilt wäre und die Dänen aus dem Land getrieben hätte. Nach Christophs Absetzung trugen die Dänen dem siegreichen Grafen von H. die Krone an. Gerhard schlug sie aus, verschaffte sie aber seinem Neffen Waldemar von Schleswig, der ihm dafür dieses Herzogtum erblich abtrat. So wurde 15. Aug. 1326 Schleswig mit H. vereinigt. Gerhard, von den dänischen Reichsbaronen während der Jugend des Königs zum Reichsvorsteher und Reichsfeldherrn erwählt, ließ sich über den Erwerb des Herzogtums Schleswig sowohl vom König Waldemar als von den Reichsständen eine umfassende Urkunde ausstellen, die sogen. Constitutio Waldemariana, das erste historische Dokument, durch welches ausgesprochen wird, daß „Schleswig und Dänemark niemals wieder so vereint werden sollen, daß Ein Herr sei über beide“. Der abgesetzte König sammelte in Deutschland Anhänger, fiel wiederum in Schleswig ein, wurde aber auch diesmal von Gerhard verjagt. Dieser ließ sich jedoch durch die Zaghaftigkeit seines Neffen Waldemar, durch das Zureden des Grafen Johann und durch die Ermahnungen des deutschen Kaisers zur Nachgiebigkeit bewegen. Das große Hauptziel seines Strebens, die Selbständigkeit Schleswig-Holsteins, suchte er dadurch zu erreichen, daß er die Constitutio Waldemariana neu bekräftigen und die eventuelle Nachfolge in Schleswig sich zusichern ließ (1330). Außerdem wurde Gerhard mit Fünen belehnt, während Johann schon vorher Fehmarn und als Pfand Laaland, Schonen und den größten Teil von Seeland erhalten hatte. Dafür gab Gerhard Schleswig seinem Neffen Waldemar zurück, der seinerseits auf die königliche Würde verzichtete. Als aber Christoph II. ohne irgend eine Veranlassung verwüstend in Schleswig einfiel, wurde er von Gerhard [664] 29. Nov. 1331 nahe am Danewerk auf der Loheide total geschlagen und mußte 1332 zu Kiel in die Verpfändung Nordjütlands und Fünens für 100,000 Mark willigen, um nur den Königstitel über einige kleine Inseln, die Reste der dänischen Macht, weiterführen zu dürfen. Als nach Christophs Tod (1332) seine Söhne Otto und Waldemar die von ihrem Vater geschlossenen Verträge für nichtig erklärten, wußte Gerhard seine Eroberungen gegen sie zu behaupten und riß nun die letzten Reste des dänischen Reichs an sich. Er nannte sich Herzog von Jütland und Fünen und regierte als unumschränkter Herr; ein Gleiches that Johann der Milde in seinen dänischen Landen. 1340 bewog Gerhard seinen Neffen Waldemar, ihm sogar das ganze Herzogtum Schleswig gegen Nordjütland zu verpfänden; da machte der Dolchstoß eines rachsüchtigen Dänen, Niels Ebbesen, seinem thatenreichen Leben ein Ende, als er auf einem Zug durch das noch immer nicht beruhigte Jütland zu Randers übernachtete (1. April 1340).

Gerhards Söhne Heinrich II. und Klaus rächten blutig des Vaters Tod, wirkten dann aber, mildern Sinnes, bei der Herstellung des dänischen Reichs mit. Als Kaiser Ludwig und sein Sohn Ludwig von Brandenburg die Erhebung von Christophs II. Sohn Waldemar auf den dänischen Thron befürworteten, gaben sie zu Lübeck (19.–21. Mai 1340) ihre Einwilligung, blieben aber im Besitz der Pfandschaften in Dänemark und, was wichtiger war, im Besitz Schleswigs. Waldemar verwickelte sich in seinem Übermut in einen Krieg mit der Hansa, an welchem auch die holsteinischen Grafen sich beteiligten, und hatte in dem schimpflichen Frieden von Stralsund 1369 seine Krone nur der Gnade der Städte zu verdanken. Der Friede mit H. verzögerte sich bis 1373, doch überließen hier die Grafen die Entscheidung über ihre Ansprüche einem künftigen Schiedsgericht. Wiederum schickte sich Waldemar zur Fehde an, da ereilte ihn der Tod 1375. Da Heinrich, Waldemars V. Sohn, der letzte (nominelle) Herzog von Schleswig, eben gestorben war, so mußte dies Land endgültig an die Söhne Gerhards d. Gr. fallen. Erst 1386 gab Margarete als Vormünderin ihres Sohns, König Olafs von Dänemark, ihre Zustimmung: zu Nyborg erhielt Gerhard VI. (s. Gerhard 2), Heinrichs II. (gest. 1385) Sohn (denn nur immer einer sollte Herzog in Schleswig sein), in feierlicher Versammlung die Belehnung. Über die weitern Schicksale Holsteins und die Litteratur vgl. Schleswig-H., Geschichte.

Holstein, Franz Friedrich von, Komponist, geb. 16. Febr. 1826 zu Braunschweig aus einer aus Mecklenburg stammenden Adelsfamilie, besuchte das Gymnasium, dann, zum Militärdienst bestimmt, die Kadettenanstalt daselbst und wurde 1845 zum Offizier befördert. Mit Eifer und ohne Wissen seiner Eltern nebenbei Musik treibend, komponierte er unter anderm eine zweiaktige Oper: „Zwei Nächte in Venedig“, welche im Kreis der nächsten Bekannten solchen Beifall fand, daß H. nun nicht länger anstand, sich mit Ernst dem Studium des Klaviers und der Komposition zu widmen. Nachdem er 1849 den Feldzug in Schleswig-Holstein mitgemacht, wurde er 1852 zum Hofjunker ernannt und bald darauf als Adjutant eines Landwehrbataillons nach Seesen am Harz versetzt, wo er in wenig anregender Umgebung ein Leben innerer Sammlung und künstlerischer Thätigkeit führte und zu dem Entschluß gelangte, fortan ganz der Kunst zu leben. In dieser Absicht begab er sich 1853 nach Leipzig, wo er in das Konservatorium eintrat und vornehmlich unter Anleitung von Hauptmann und Rietz seine Studien vollendete. Einige Unterbrechungen abgerechnet, behielt H. seitdem seinen Wohnsitz in Leipzig bis zu seinem Tod 22. Mai 1878. Als Komponist hat er sich namentlich durch die Opern: „Der Haideschacht“, „Der Erbe von Morley“, „Die Hochländer“, welche in Leipzig, Mannheim und andern Städten Deutschlands, Hollands etc. mit Beifall aufgeführt wurden, sowie durch verschiedene Orchester- und Kammermusikwerke und eine große Anzahl ein- und mehrstimmiger Gesänge einen bedeutenden Namen gemacht. Namentlich die Lieder verraten durchweg den feinsinnigen, tief und natürlich empfindenden Künstler. Durch ein reiches Legat für unbemittelte Musikschüler (Holstein-Stift) hat er sich in Leipzig ein dauerndes Andenken gesichert. Seine „Nachgelassenen Gedichte“ wurden von Bulthaupt herausgegeben (Leipz. 1880, mit Biographie).